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Die
Kirchengeschichte Böhmens
im Allgemeinen
und
in ihrer besonderen Beziehung auf die jetzige Leitmeritzer Diöcese
in der
Zeit vor dem erblichen Königtliume.
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Nach den zuverlässigsten, grossentheils handschriftlichen Quellen bearbeitet
von
P. ANTON FEIND,
bischöfl. Notar, k. k. Gymnasial-Director iu Eger.
#7
PRAG, 1864.
Verlag von Friedrich Tempsky.
777£ liSRA KV
BRIGHAM YO MC 3/w
PROVO, UlAH
Vorrede.
Im Jahre 1856 feierte die leitmeritzer Diöcese das
zweihundertjährige Jubiläum ihres Bisthums, und im
Jahre darauf das a c h t h u n d e r t j ä h r i g e Andenken der
Stiftung ihres ehemaligen Collegiat- und nunmehrigen Dom-
capitels; da war es der Wunsch Sr. bischöflichen Gnaden,
unseres hochwürdigsten Oberhirten Dr. Augustin Bartholo-
maeus Hille, dass ein so denkwürdiger Zeitpunkt durch die
Abfassung einer I) i ö c e s a n g e s c h i c h t e verherrlicht werde.
Der damalige Professor der Theologie und nunmehrige Ca-
nonicus zu Leitmeritz, Dr. Joseph Ginzel war der geeig-
netste Mann und auch bereit, diesen Wunsch zu erfüllen.
Die Aufgabe schien Anfangs verhältnismässig leicht,
Angesichts der zahlreichen Quellen , die bei Eröffnung der
interessanten Archive des Bisthums , des Capitels und des
Consistoriums sich darboten. Ueberdies waren die Seel-
sorger der ganzen Diöcese über Aufforderung des hochwür-
digsten Consistoriums so freundlich, das Wissenswertlie ihrer
Gedenkbücher und Archive, — insbesondere das Zeitalter
der Reformation betreffend — zur Verfügung zu stellen;
auch das hochwürdigste Domstift zu Budissin eröffnete dem
VI
ersten Unternehmer in Gesellschaft des gefertigten Verfas-
sers bereitwillig seine zahlreichen auf unsere Diöcese Bezug
habenden archivarischen Schätze. Da sah sich Herr Prof.
Dr. Ginzel durch andere wichtigere Arbeiten gedrängt, das
eben erst begonnene Werk einer anderen Hand zu über-
lassen. Eigenes Interesse für die Sache und der Wunsch
Sr. bischöflichen Gnaden bestimmten nun den Gefertigten,
seine geringe Kraft zur Verfügung zu stellen.
Bald zeigte sich die Lückenhaftigkeit der hiesigen
Quellen. In Mitten zahlreicher meist unkritischer und oft
widersprechender Aufzeichnungen aus früherer Zeit liess sich
nicht einmal ein richtiger Ueberblick über die älteren Schick-
sale des leitmeritzer Collegiatstifts gewinnen. Zudem reizte
der Gedanke, die Geschichte eines ehemaligen zweiten Col-
legiatcapitels im jetzigen Diöcesanbereiche (zu Melnik), der
zahlreichen theils verschwundenen und theils noch bestehen-
den Klöster desselben Gebiets und — wenn möglich —
selbst der einzelnen Seelsorgspfründen bis in das graueste
Alterthum zurück zu verfolgen. So musste die Arbeit ein
erhöhtes Interesse für den Leser und vielleicht auch eine
spezielle Bedeutung für jeden Diöcesanpriester gewinnen.
Das führte zu weiteren Forschungen, die der gefertigte
Verfasser mittelbar in einzelnen Gegenden durch theil-
nehmende Freunde, und seit October des Jahres 1857 und
Anfang 1858 persönlich in den interessantesten Archiven
und Bibliotheken Prags anstellte. Eine reiche Ausbeute für
seinen Zweck boten die kostbaren alten Manuscripte der
fürsterzbischöflichen Bibliothek, die freundlichst zur Einsicht
YII
gegebenen Register und Acten des Metropolitan-Capitelarchivs,
die handschriftlichen Schätze der k. k. Universitätsbibliothek
und einige äusserst schätzbare Manuscripte der Kloster-
bibliotheken von Strahow und S. Thomas. Auch der hoch-
verdiente Professor der prager Universität, Dr. Constantin
Höfler bot seine liebevolle Unterstützung durch Darleihung
einer für den Druck bestimmten Sammlung wichtiger „Monu-
mente (Urkunden) des Königthums in Böhmen". Mit solchen
Schätzen ausgerüstet, und zur Seite die ausgezeichnete alte
und neue Literatur unseres Vaterlandes nahm der Gefertigte
sofort seine Arbeit wieder auf.
Aber da war es um den ursprünglichen Plan einer blos-
sen Diöcesangeschichte in der engsten Bedeutung die-
ses Wortes geschehen. Sollte alles einschlägige und zugleich
wichtige Material verwendet werden, so musste diese Diöce-
sangeschichte ein annalistisches Quodlibet ohne allen organi-
schen Zusammenhang werden. Da überdiess ein eingehendes
Werk über die kirchliche Geschichte Böhmens gänzlich man-
gelt, so mussten tausend Dinge im Verlaufe einer blossen
Diöcesangescichte ganz unverständlich bleiben. Auf diese
Weise entstand der Plan, eine Kirchengeschichte Böhmens
im Allgemeinen und in ihrer besondern Beziehung auf die
jetzige Diöcese Leitmeritz zu schreiben.
Landes-Kirchengeschichte sollte sie sein , in
soweit sie aus dem bisher möglichen Ueberblicke der Er-
eignisse sich darstellt, und in soweit ihre Kenntniss allen
Lesern noththut und insbesondere dem Priester des lieben
Vaterlandes nicht fehlen soll, — Diöcesangeschichte
VIII
aber durch Darbietung alles Details, in welchem das allge-
meine kirchliche Leben des Landes im engern Bereiche der
jetzigen leitmeritzer Diöcese zur Erscheinung kam. So lag
auch die Hoffnung nicht fern, dass durch späteres Hinzu-
kommen ähnlicher Arbeiten aus den übrigen Diöcesen all-
mählig eine gründliche und detailirte Kirchengeschichte Böh-
mens entstehen könnte. Indem der Verfasser die erste Ab-
theilung seines so entstandenen Werkes hiemit der Oeffent-
lichkeit übergibt, kann er nicht umhin, die im Verlaufe seiner
mühevollen Arbeit gewonnene Ueberzeugung auszusprechen :
dass eine in der angedeuteten Weise zu Stande kommende
umfassende Kirchengeschichte nicht allein die allgemeine Ge-
schichte unseres Vaterlandes ergänzen und vielfach berich-
tigen, sondern auch die Liebe und Anhänglichkeit für den
ehrwürdigen Glauben unserer ältesten Väter und für die
heilige katholische Kirche lebhaft entzünden müsste.
Die vorliegende Schrift ist — einzelne kleinere Ar-
beiten abgerechnet — ein Erstlingsversuch. Keine besondere
Zierlichkeit der Sprache und auch keine künstliche Anord-
nung der Theile werden sie empfehlen. Was einzig für sie
reden kann, ist — der gute Wille des Verfassers, nach Kräften
gründlich und wahrhaft zu sein. Möge ihm dieser gute Wille
die Nachsicht und das Wohlwollen der freundlichen Leser
gewinnen. —
Eger, am 20. August 1863.
P. Anton Frind.
ERSTE PERIODE.
Die Christianisirung Böhmens.
I. Zeitraum.
Die Einführung des Christenthums in Böhmen.
§. 1. Die ersten Bekehrungsversuche.
1. Die ersten Versuche, unser Vaterland Böhmen für die hei-
lige Religion Jesu zu gewinnen, reichen bis in das 4. Jahrhundert
hinauf. Im Jahre 396 wandte sich nämlich Fritigild, Königin der
damals in Böhmen und Mähren sesshaften Markomannen an den heil.
Bischof Ambrosius in Mailand, um Unterricht in der Lehre des
Christenthums zu erhalten. In der That sandte damals der seelen-
eifrige Diener Gottes einen zu diesem Zwecke verfassten Katechis-
mus an die lernbegierige Fürstin, und diese wieder beeilte sich,
schon im nächsten Jahre persönlich nach Mailand zu reisen. ') Lei-
der fand sie den heiligen Bischof bereits im Grabe. Welche Früchte
in unserem Vaterlande die Schrift des heiligen Mannes und die er-
wähnte Reise der Königin getragen haben mag, ist unbekannt.
Seien sie aber auch noch so reichlich gewesen, so dürfte doch die
auch über Böhmen sich ergiessende Fluth der Völkerwanderung in
kurzer Zeit jede Spur derselben vernichtet haben.
2. An die Stelle der deutschen Markomannen traten innerhalb
der böhmischen Gränzwälder 2) die Cechen. Zwischen ihnen und
den Deutschen siedelten sich noch die sprachverwandten Main- und
J) Paalini vita S. Ambrosii bei Baron ad 396. Palacky Gesch. Böhmens I. 49.
*) Wie sich weiterhin ergeben wird, gehörten die ausserhalb „der Gränzwälder"
• gelegenen Landstriche, das Gebiet von Eger und das nordböhmische Nie-
derland, nicht zu Böhmen.
1
Rednitzwenden ]) an den Gränzen des alten Grabfeldes 8) und Nord-
gaus,3) und andere Wendenstämme an der Saale und Elbe an. Zu
den letztern soll schon um das Jahr 720 der heilige Bonifacius als
Glaubensbote gekommen sein und am Zusammenflusse der Elster und
Pleisse ein Kloster gebaut haben.4) Im Nordgau und Grabfelde, wo
seit Karl dem Grossen auch die Wenden unter der Verwaltung deut-
scher Grafen standen,5) wetteiferten wenigstens seit dieser Zeit die
Aebte von Fulda als Besitzer bedeutender Landstrecken/) die Bi-
schöfe von Würzburg, welche im J. 846 bereits 14 unter Karl dem
Gr. erbaute slawische Kirchen als Geschenk vom Könige Ludwig
erhielten,7) und die Bischöfe von Regensburg als geistliche Ober-
hirten des Nordgaues, die letzte Hand an das Werk der Christia-
nisirung zu legen. Sicher wurde damals das heutige Egerland, zu
jener Zeit ein Theil des von Main- und Rednitzwenden bewohnten
Nordgaues, für das Christenthum gewonnen.8) Von hier und von
der übrigen wendischen Nachbarschaft musste wohl eine Kunde des
Christenthums auch in die Gränzgegenden der sprachverwandten
Öechen dringen.
3. Im .eigentlichen Böhmen konnten übrigens auch die wieder-
!) Genannt in einer Urkunde von 846 in Erben regesta Böhemiae et Mora-
viae p. 11.
a) Die Landschaft von Fulda bis gegen Eger heran.
3) Das Gebiet von Eichstadt und Regensburg bis einschliesslich zum Egerlande.
4) Schneider Chron. Lips. IV. 144. Albini Meiss. Merkw. 282.
5) Laut Urkunde von 846 in Erben reg. p. 11.
6) Urkunde v. 16. Febr. 824 in Erben reg. p. 8.
r) Urkunde ebendaselbst p. 11. Diese Kirchen lagen „in terra Sclavorum
qui vocantur Moinuuindi et Batanzuuindi."
8) Das Egerland war vor der Völkerwanderung selbstverständlich deutsch
und erhielt wohl auch damals schon einige seiner deutschen Ortsnamen.
Nachher rings von Slawen eingeschlossen, wurde es gewiss auch slawisch
und zwar wie die weiter westlich gelegene Landschaft der Wohnsitz der
Rednitzwenden. Von diesen rühren wohl mehrere slawische Ortsnamen
her. Da dieses Ländchen noch Jahrhunderte lang zu Deutschland ge-
hörte, so erfolgte (ohne besondere Gewalt der deutschen Gau- und Mark-
grafen, wie dies anderwärts viel mehr der Fall war) die Germanisirung
desselben — hauptsächlich in Folge zahlreicher deutscher Ansiedlungen,
welche die „Ausreutungen" des Urwalds bevölkerten. Daher stammen
wieder die vielen „Reut" der Gegend, wie Albenreut, Frauenreut, Voiters-
reut, Tirschenreut u. s. w.
holten Kriegszüge Karls des Grossen nicht ohne einige Rückwirkung
auf die religiösen Verhältnisse des Volkes geblieben sein. Bereits
im J. 805 musste ein, wenn auch verhältnissmässig kleiner Theil
der Bewohner Böhmens — wahrscheinlich im Gebiete Sedlecko (elbog-
ner Kreis) — der fränkischen Hoheit huldigen, J) während ein anderer
sich in die undurchdringlichen Wälder zurückzog.*) Neue Kriegs-
züge in den Jahren 806 und 807 hatten die Sicherstellung jener
Huldigung und eines dem ganzen Lande auferlegten Tributes zur
Folge.3) Sofort ward sogar ganz Böhmen Seitens der Franken zu
ihrem Reiche gezählt.4) Gab es immerhin unter Ludwig dem From-
men wieder neue Kämpfe, so dauerte doch im Wesentlichen ein
Verhältniss der Abhängigkeit Böhmens und namentlich der westli-
chen Gränzgebiete zum christlichen Nachbarlande fort. Was ist da
wahrscheinlicher, als dass der unvermeidliche Verkehr damals schon
die Anfänge des Christenthums in diese westlichen Gebiete des
eigentlichen Böhmens verpflanzte? Diess ist um so mehr anzuneh-
men, als es auch da von deutscher Seite her nicht an Ausreutun-
gen der Wälder und Ansiedlungen fehlte.5)
V
§. 2. Die Cechentaufe in Regensburg.
1. Als im Jahre 843 Ludwig der Deutsche König des vom
fränkischen Reiche getrennten Deutschland geworden war, liess er
sich es angelegen sein, die Abhängigkeit der ihm zugefallenen Ge-
genden Böhmens neuerdings und nachhaltig zu sichern. Er fand
in Em est, dem Markgrafen des Nordgaus, den geeigneten Feld-
herrn. Damals herrschte im Gebiete von Saaz, welches 6) in 5 Bezir-
') Sedlecko hatte seinen Namen von der alten 2upenburg Sedlec, dem heu-
tigen Zetlitz bei Karlsbad.
3) ■Damberger synchron. Gesch. III. 17.
3)Eginhard ad 807. Cosmas IL 119. Damberger III. 20, 72. Dobner annales
Hajeäi IL 432.
4)Die Carta divisionis imperii (Pertz III. 198) sagt: Item Hludovicus volu-
mus, ut habeat Bajoariam et Carentanos et Bell ei mos et Avaros atque
Sclavos, qiä ab orientali parte Bajoariae sunt
5) Unter den nachmaligen Besitzungen des h. Wolfgang, Bischofs von Re-
gensburg, wird z. B. Kunigswartha, das heutige Königswart genannt, das
seinen Namen doch keinesfalls schon im Jahre 972 von einem Könige
Böhmens, sondern gewiss nur von einem Könige Deutschlands haben konnte.
6)Nach Cosmas.
1*
ken längs der Flüsse „Gutna," „Uzka", „Mza" und „Bracnika", sowie
im Umkreise von Saaz selbst1) bis gegen Trebnitz (bei Leitmeritz) sich
erstreckte, als selbstständiger Landesherr ein Bruder des Herzogs Kfe-
somysl, Namens Wratislaw. Diesem, der die deutsche Hoheit an
den Gränzen, wenn nicht gar in einigen Gegenden innerhalb seines
Gebietes gewiss ungern sah, galt der Kampf. Derselbe muss für die
Deutschen von einigem Erfolge gewesen sein; denn zu Ende des Jahres
845 erschienen 14 Häuptlinge der Böhmen, wohl aus Wra-
tislaws Lande, „sammt ihrem Gefolge" bei König Ludwig in
Regensburg, um hier die h. Taufe zu erbitten. In der Oktav der
Erscheinung des Herrn (13. Jäner 846) erfolgte wirklich ihre Auf-
nahme in den Schooss der heiligen Kirche.2) Der damalige Bischof
Botherich von Regensburg ward überdiess aufgefordert, „die Öe-
chen in der christlichen Religion zu unterweisen."3)
Dieses Ereigniss hat eine weit höhere Bedeutung, als jetzt gewöhnlich
angenommen wird. Es ist die eigentliche Aufnahme un-
seres Vaterlandes in den Verband der katholischen
Kirche. Von hier an zählten die kirchlichen Oberen unser Land,
und zählteil unsere Vorältern sich selbst, ohne Unterbrechung durch
die spätere anderweitige Bekehrung des Landesherzogs, zur bischöf-
lichen Diöcese von Regensburg :4) Beweises genug, dass der erzählte
Taufakt zu Regensburg für bedeutungsvoller galt, als die nachherige
Taufe Boriwojs. In der That setzen auch die nachfolgenden Kämpfe in
Böhmen das Vorhandensein einer christlichen Partei im Lande voraus.5)
l) Mza oder Mze ist entschieden der heutige Miesfluss; Uzka oder Uska, jetzt
Assig, hiess (nach Jireöek „Zupy Öech", in Pamätky archaeol. IL 216 und
221) der bei Postelberg mündende Nebenfluss der Eger; Bracnika oder
Brocznika dürfte (nach demselben) der heutige Goldbach sein; Gutna war
wohl ein Flüsschen des nachmaligen Zluticer Dekanats: so dass Wrati-
slaws Besitz über die spätem Dekanate von Zatec (Saaz), Cadan, 2lutic
(Luditz) und Tepl sich erstreckte. Das Gebiet von Elbogen (das längs des
Eger- und Teplflusses sich hinzog) und von Bilin (an der Bela) scheint
demnach ausgeschlossen gewesen zu sein. Ersteres gehörte eben, wie wir
bereits wissen, zum deutschen Lande.
a) Ruodolfi annal. Fuld. bei Pertz I. 364. Aimonius, Sigebertus Gemblacen-
sis, Magnum chronicon belgicum etc. cit. Dobner annal. IL 553.
3)Viguld Hundius ad 846. Aventinus ann. boj. I. 4.
4) Der nähere Nachweis dessen wird später an geeignetem Orte folgen. (Geist-
liche Jurisdiction und Ritus in Böhmen.)
5) Damberger III. 113.
2. Dem Ereignisse von Regensburg folgte eine ernste Reaktion
der heidnischen Öechen. Ohne Zweifel erhob Wratislaw von Saaz
neuerdings die Waffen, zunächst wohl zur Vertreibung der von ihm
abtrünnigen Grossen. Wirklich finden wir einen solchen „Grafen
aus Böhmen (comes ex Boemia) " Namens T h a k u 1 f weiterhin
im Dienste der Deutschen und später als' Markgrafen der sorabi-
schen Mark,1 ) denselben, der bei seinem im J. 86-1 erfolgten Tode
„sein an der G ranze Böhmens gel egenesLändchenS a-
rowe" (Sorau in der Niederlausitz) dem Kloster Fulda schenkte.8)
Mit abwechselndem Glücke stritt man, solange Wratislaw lebte. Er
. starb angeblich 850. 3) Noch muthiger führte fortan sein Sohn Wla-
stislaw die Waffen. Endlich aber gewann doch der tapfere Markgraf
Ernest als Führer der Deutschen die Oberhand. Als Wlastislaw 855
im äussersten Osten seines Gebietes die neue feste Stadt Wlastis la-
wa (bei Trebnitz) baute4) — wich er wohl einem gewaltigen Drän-
gen von Westen her; und wenn er fortan seine Waffen zur Erwei-
terung seines Gebietes nach Prag hinkehrte, band ihn wohl ein
Friedensvertrag gegenüber dem deutschen Reiche. Thatsächtlich wird
berichtet, dass im J. 856 „einige Herzoge der Böhmen, von
Neuem dem Könige der Deuts chen sich unterwarfen." 5)
Dabei scheint es lange Zeit geblieben zu sein, zumal der kriegs-
lustige Wlastislaw — angeblich 869 — im Streite gegen das Pra-
ger Herzogthum seine Macht und sein Leben verlor. 6) Nun konnte
immerhin das Christenthum unter der sorgsamen Pflege der Regens-
burger Missionäre einigermassen gedeihen.
3. Der Bekehrungsakt zu Regensburg hat — nach einigen
späteren leider nur wenig verlässigen Chronisten — ein besonderes
Interesse für die jetzige leitmeritzer Diöcese. Ohne Angabe älterer
') Diese war das Gebiet der heutigen Niederlausitz.
2) Urkunde in Erben regesta, p. 13. — Annales Francof. ad 849. — Dam-
berger III. 269.
3j Hajek.
4) Cosmas, Pulkawa etc. Heute "steht auf dieser Stelle das Dorf Watislaw.
Ausgrabungen auf einem mit. kreisförmigen Wällen umschlossenen Hügel
zeigen daselbst einen heidnischen Begräbnissplatz. Kaliina, Böhmens
Opferplätze S. 149.
5) Ännales Francofuldenses ad 856. Diese Herzoge waren Häuptlinge klei-
nerer Gebiete.
6) Cosmas. Hajek.
6
Quellen — nennt uns Daniel Weleslawin unter den bekehrten Häupt-
lingen den Herrn von Cadan, wohl derselben „Kanaburg am Eger-
flusseu, die schon Karl der Grosse im J. 806 belagert hatte.1)
In ähnlicher Weise erwähnt Crugerius2) als Neubekehrten den
damaligen Gebieter von Bilin. Nebenbei werden noch die Herren
von Wary (später Karlsbad), Klattau, Pilsen, Tepl und Studinec (?)
angeführt. — So viel scheint übrigens sicher zu sein, dass der be-
reits oben erwähnte Graf T h a k u 1 f zu jenen Neugetauften gehörte
und ausserdem derselbe „Herzog Wiztrah", welcher von dieser
Zeit an unter deutscher Hoheit blieb.3) Auch ist jedenfalls an-
zunehmen, dass insbesondere das Gebiet von Cadan, der deutschen
Nachbarschaft wegen, namentlich von 856 an einige Fortschritte im
christlichen Bekenntnisse machen musste.
4. Sei übrigens der Erfolg des Bekehrungsaktes von 846 noch
so günstig gewesen: das ist dennoch nicht in Abrede zu stellen,
dass die damaligen Christen in unserem Vaterlande eben nur eine
von ihren Gegnern politisch verdächtigte und angefeindete, und eben
deshalb an Zahl und Ansehen keineswegs schnell anwachsende Par-
tei gewesen sind. Nur, wen die klarste Uiberzeugung drängte, wollte
in dieser Zeit und unter solchen Verhältnissen ein Kind der heil.
Kirche werden. Erst wenn die neue Lehre nicht mehr aus dem
Munde der vermeintlichen Nationalfeinde kam, mochte sie allge-
meine Geltung im weiten Lande gewinnen.
§. 3. Die Taufe des Herzogs Boriwoj und ihre nächsten Folgen.
1. Im benachbarten Mähren war das Christenthum bereits im
ersten Dezennium des 9. Jahrhunderts heimisch geworden. Als er-
ster Apostel desselben trat dort — wahrscheinlich schon im J. 805
— der vordem im Widerspruche mit seinem Metropoliten auf den
bischöflichen Stuhl von Passau erhobene und eben desshalb in dieser
•jDobner annal. IL 475. Palacky Gesch.-I. Die Stadt Kadan ist viel jün-
ger als die Burg gleichen Namens. Jene entstand erst um 1180. Im J.
1186 schenkte Herzog Friedrich burgum novum Cadan den Johannitern.
3) Crugerii sacri pulveres.
3) Damberger Kritikhefte III. 113. Wahrscheinlich war es der Herr von
Weitra im heutigen Oesterrcich, welcher Ort sammt Umgegend von da an
für Böhmen verloren ging.
Würde nicht bestätigte Bischof U r o 1 f auf1) und erzielte daselbst
nicht minder glückliche Erfolge, als in dem benachbarten Panno-
nien, wo er seine apostolische Thätigkeit bereits im J. 803 begon-
nen hatte. Er hatte sich das hohe Ziel gestellt, der ehemaligen
Metropole von Lorch in diesen Gegenden neue Glaubensgebiete und
bischöfliche Diöcesen zu gewinnen.2) Wir finden ihn im J. 81*7 in
volle* Thätigkeit „als Bischof in Mähren.3) Im J. 818 hatte
er eine Zeit lang an dem Bischöfe Reginar von Passau einen apo-
stolischen Gefährten.4) Im J. 824 konnte Papst Eugen II. bereits
den christlichen Mährenherzog Moymar unter Belobung des bisher
schon bewiesenen Eifers bitten, dass er (wie auch der avarische
Fürst Tundun) dem Urolf bei Errichtung neuer Bisthümer behilflich
sein möge.5) Sofort finden wir in der That einen Rathfredus, Bi-
schof von Faviana (Wien), einen Methodius, Bischof von Spekulum
Julium (Iglau? Olmütz?), einen Alevinus, Bischof von Nitra-
via (Neutra) und einen Annonus, Bischof von Yetvaria (Alten-
burg?).6) Urolf starb nach Einigen im J. 829, nach Andern im
J. 836. T) Wenn immerhin die von ihm errichteten Bisthümer
nur von kurzem Bestände waren,8) so bürgt doch für einen nach-
haltigen Erfolg der Bemühungen Urolfs, insbesondere für das Da-
sein eines christlichen Clerus und Volkes in Mähren die Thatsache,
dass hier fortan förmliche Synoden abgehalten wer-
den konnten.9)
•jDamberger synchr. Gesch. III. 15, 56, 142. Dessen Kritikhefte p. 20, 54.
a)Dobrowsky mähr. Legende S. 52.
3)Damberger 1. c.
4) Ginzel : Cyrill und Methud S. 31. Boöek cod. dipl. p. 11.
5) Dobrowsky mähr. Legende p. 51.
6) Ebend. 52. Nach Salagi lagen Speculum Julium und Nitravia sicher inner-
halb des gross-mährischen Reichs.
7)Dpbner ann. Haj. IL 531, Damberger III. 193.
8)Wir finden zur Zeit des Fürsten Rastislaw von ihnen keine Erwähnung.
9) JEpistola episcoporum Bavariensium ad Joannem P. IX in Ginzels Codex zur
„Geschichte der Slawenapostel Cyrill und Methud" p. 68 etc. : fiPataviensis
episcopus, in cujus dioecesi sunt illius terrae populi (Moravi)} . »• « quando
voluit et debuit illuc nullo obstante intravit et synodalem cum suis et
etiam ibi inventis conventum frequentavit, . . .et nullus ei in faciem
restitit." Es leuchtet ein, dass das nachfolgende Werk Methuds und
Constantins (Cyrills) nicht die erste Einführung des Christenthums in
Mähren war.
2. Mähren gehörte unmittelbar vor 862 unbestritten zur Pas-
sauer Kirchenprovinz. Als aber in dem genannten Jahre der
Mährenherzog Rastislaw den Plan fasste, der deutschen Oberhoheit
sich zu entledigen, wollte er zugleich sein Volk dem Einflüsse
deutscher Bischöfe und Priester entziehen. Wohl mochten diese
weniger geeignet sein, das slavische Volk, das bereits „dem Gö-
tzen dienst entsagt hatte, im Lesen und im Gesetze
vollkommen zu unterrichten:" umso mehr glaubte sich Rasti-
slaw berechtigt, vom damaligen oströmischen Kaiser christliche Lehrer
slavischer Zunge sich zu erbitten.1) In Folge dessen kamen im J.
863 die heiligen Brüder Constantin (später erst Cyrillus genannt)
und Methud, Söhne des Patriziers Leo von Thessalonich, als christ-
liche Glaubenslehrer nach Mähren, bereisten das Land nach allen
Seiten, unterrichteten das Volk und weihten zahlreiche Kirchen.2)
Im J. 867 gingen sie in Folge päpstlicher Citation nach Rom, um
dort Rechenschaft von ihrem Wirken abzulegen. Hier starb Con-
stantin, als er eben unter dem Namen Cyrillus die bischöfliche
Weihe empfangen hatte (14. Febr. 868), 3) Methud dagegen ward
vom Papste Hadrian IL in gerechter Würdigung der nationalen Be-
dürfnisse der Slawen zum Erzbischof von Mähren und Pannonien er-
hoben mit der Berechtigung, noch zwei Suffraganbischöfc daselbst
zu bestellen. Als slawischer Metropolit wirkte er nun unter wech-
selnder Gunst der äusseren Verhältnisse unermüdlich für die feste
und tiefe Begründung der h. Christuslehre in seiner ausgedehnten
Kirchenprovinz. Er vollendete sein heiliges Leben am 6. April 885.
Die kath. Kirche verehrt ihn und seinen Bruder (Cyrill) als heilige
Apostel der Slawen.4)
l) So erzählt ausdrücklich die Pannon. Legende (in Ginzels Codex zu Cyrill
und Methud) p. 5. Die diesfalls minder genaue mährische Legende (von
Dobrowsky 1826 S. 17) spricht nur von der Sendung eines christlichen
Glaubenslehrers überhaupt, und zwar sei geradezu die Sendung Constan-
tins erbeten worden, dessen Ruhm wegen der Bekehrung der Chasaren
(Auffindung der Reliquien des h. Papstes Clemens) zu dem Mährerfürsten
gedrungen sei. Constantin und Methud bekehrten auf der Reise nach
Mähren das Volk der Bulgaren.
8) Dobrowsky mähr. Legende p. 19.
') Ginzel Cyrill und Methud S. 48. Vgl. Dobrowsky mähr. Legende S. 9, 25 etc.
4) Ginzel Geschichte der Slawenapostel Cyrill und Methud 32—91. Wider-
legung der Zweifel Wattenbachs in Betreff des angegebenen Todestages:
ebend. S. 91. — Item Wattenbach Beiträge zur Geschichte der christlichen
Kirche in Mähren und Böhmen, S. 6—27.
3. Dem h. Methud gebührt das Verdienst, den Böhmenher-
zog Bofiwoj bei dessen Aufenthalte am Hofe des mährischen
Fürsten Swatopluk für das Christenthum gewonnen und feierlich
getauft zu haben.1) So wurde endlich der Sieg der christlichen
Religion über das Heidenthum in Böhmen sicher gestellt; denn
fortan sollten die frommen Bekenner des h. Glaubens Schutz und
Hilfe an den Stufen des Thrones finden, und von den Fürsten
selbst ins Land gerufen durften die begeisterten Missionäre der
herrlichsten Erfolge ihrer Bemühungen sicher sein.
Der feierliche Taufakt des Herzogs und seines Geleites von
30 böhmischen Edlen geschah zu Welehrad am Johannisfeste (24.
Juni2), wahrscheinlich im J. 879. 3)
') Ginzel Geschichte der Slawenapostel, S. 67 u. f. — Christannus. — Cosmas.
— Dobrowsky mähr. Legende p. 49. Letztere erzählt: „König Swatopluk
habe dem Herzog Boriwoj anfangs den Platz „unter dem Tische" (d. i.
abseits des eigenen Tisches) angewiesen, da es sich nicht zieme, dass ein
Heide mit dem Christen speise. Methud aber habe dem Boriwoj vorher-
gesagt, er und seine Nachfolger würden, wenn er sich taufen licsse,
mächtiger als alle Könige und Fürsten werden. So hätten 'Scham und
Hoffnung die Bekehrung des Böhmenherzogs bewirkt.
a) Cosmas, mähr. Legende der h. h. Cyrill und Methud, und Ginzels Codex
pag. 18. Christannus (vita S. 'Ludmilae et S. Wenceslai) sagt: per actis jc-
' juniorum ex morc solemniis. Jordanus bemerkt, es sei eine beständige Tra-
dition, dass es die Vigilia S. Joannis Baptistae war. Ebenso Hajek a. h. a.
Dalimil c. 23 nennt Weichrad als Taufort. Die Bemerkung des Christannus
zwingt zur Annahme des Tages nach der Vigilienfaste, also des Festtages
selbst. Vgl. MS. des Athanasius a S. Josepho in der Prager Univ.-Bibl.,
„Annales ecclesiastici regni Boemiae, XI. A. 3. Ich zitire hier und weiter-
hin wiederholt die Vita 8. Ludmilae et S. Wenceslai von Christannus.
Dobner (annäl. IV. 328) führt zu viele wichtige Gründe an (im Gegensatze
tzu Athanasius a S. Josepho), als dass man nicht überzeugt sein müsste,
dieser Christannus könne wenigstens nicht der Sohn Boleslaws I. gewesen
sein. Wahrscheinlich war Christannus ein Zeitgenosse Wladislaws IL und
dessen Sohnes, des Salzburger Erzbischofs Adalbert. Aber er zeigt sich
durchgehends sehr gut unterrichtet und schöpft anderseits viele Angaben
fast wörtlich aus den altern Biographen des h. Wenzel.
3)Das wichtige Ereigniss. geschah jedenfalls nicht vor 868, • wie Baibin (Mise.
Boh.) und Pesina (Phosph. septic.) glauben; denn die ältesten Chronisten
redenimmer nur von Methud allein, so class das bereits erfolgte Ableben Cyrills
anzunehmen ist. Ueberdiess regierte der mährische Fürst Swatopluk erst seit
870. Selbstverständlich ist es aber auch nicht nach 885 -*- dem sichergestell-
ten Todesjahre des h. Methud _ zu setzen, wie nichts desto weniger Cosmas
10
4. Bofiwoj war Christ geworden und mit ihm zugleich sein
treues Gefolge. Dem Beispiele des Gatten folgte in Kurzem auch
die Gattin Ludmila nach und alsbald ebenso ein grosser Theil der
herzoglichen Verwandtschaft. Nun traten auch die bisher hart be-
drängten Gläubigen im Lande aus ihrer Verborgenheit hervor, und
selbst an zahlreichen neuen Bekennern des christlichen Glaubens
konnte es fürder im Volke nicht fehlen. Abgesehen von den Be-
mühungen deutscher Missionspriester wirkten ja nunmehr auch
slawische Glaubensboten in Böhmen ') — an ihrer Spitze Me-
thuds treuer und frommer Schüler Paul Kaych, der fortan dem neu-
bekehrten Bofiwoj als Seelenführer zur Seite stand und alsbald zu
Lewy Hradek bei Prag, dem Lieblingsaufenthalte des Fürsten, die
undDobner annehmen. Gegen die Jahre 871— 873 spricht der Umstand, dass
damals Methud sich gar nicht in Mähren befand.*) Gegen die Jahre 880
— 885 redet wieder die sicher gestellte Thatsache, dass damals das Anse-
hen Methuds am Hofe Swatopluks äusserst gering war, dagegen dieAukto-
rität des deutschen Bischofs Wiching (von Neutra) in voller Blüthe stand.**)
In solcher Zeit hielt sich Methud schwerlich am Hofe auf. Es erübrigt
also nur die Zeit von 874 bis gegen Ende 879, in welchem Jahre Methud
neuerdings nach Rom abging.***) Wenn das Todesjahr Boriwoj's, wie
gewöhnlich, auf 890 angesetzt wird, ebenderselbe aber nur ein Alter von
35 Jahren erreichte,-}-) so lassen sich die Angaben, dass er bei seiner
Taufe „in der Blüthe ausgezeichneter Schönheit und ausser-
ordentlicher Jugend glänzte," ff) und die traditionelle Nachricht,
dass er bald nach seiner Taufe Vater seines dritten Sohnes wurde,fft
am füglichsten durch Annahme des spätesten Jahres 879 vereinigen, in
welchem Boriwoj in einem Alter von etwa 24 Jahren stand. f*)
!) Dobrowsky : Mährische Legende : „Boriwoj sacerdotibus secum receptis Boe-
miam revertitur"
*) Vgl. Ginzel S. 55, Not. 6, Cit. Dümmler Archiv XIII.
**) Giazel S. 84 etc.
***) Ebend. S. 70, cit. Breve des Papstes Johann VIII. ddo. 14. Juni 87C.
t) Christannus und Marignola. Die abweichende Behauptung Hajek's, Pe&ina's, Balbin's, We-
leslawins (75 Jahre) führt zu unsinnigen Consequenzen. Dann wäre Ludmila bei ihrem Tode
im Jahre 927 bereits 108 Jahre alt, und dennoch ihr ältester Enkel erst ein unmündiger
Knabe gewesen. Auch konnte bei einem 51jährigen Täuflinge nicht wohl, wie dies doch
geschah, die ausserordentliche Jugend gerühmt werden.
ff) Christannus.
ttt) Hajek, Dubravius, PuCalka etc.
t*) Vgl. über das Taufjahr Bofiwojs Dr. Ginzels Cyrill und Methud S. 67 etc. Derselbe stimmt
für 878 oder 879, weil Methud gerade zu dieser Zeit im mährischen Antheile seines Spren-
geis thätig war.
11
erste ausdrücklich bekannte christliche Kirche im Lande zu Ehren
des h. Clemens einweihte.1)
5. Ein Ereigniss der ernstesten Art schien die neuaufblühende
Kirche unseres Vaterlandes arg gefährden zu wollen. Ein Auf-
stand erhob sich wider Bofiwoj, der eilig nach Mähren entfliehen
musste. An seine Stelle ward von den Empörern ein gewisser Stoj-
mir auf den herzoglichen Stuhl erhoben. Eine eigentliche Reaktion
gegen das Christenthum mag diess wohl kaum gewesen sein; denn
der neue Landesfürst war ja eben aus Deutschland zurückgekehrt,
wo er so lange gelebt hatte, dass ihm mittlerweile die Mutterspra-
che fremd geworden war.8) Somit kann er auch schwerlich mehr
ein Anhänger des alten böhmischen Götterglaubens geblieben sein.
Uiberdiess blieb ja die Familie Bofiwojs ganz ungefährdet im
Lande.3) Nichts destoweniger aber musste die Entfernung des eifri-
gen Verfechters der neuen Lehre die Menge der Heiden im Lande
und insbesondere die in ihrem Erwerbe gefährdeten Götzenpriester
von Neuem ermuthigen, während anderseits die Neubekehrten ihren
frommen Schützer schmerzlich vermissten. Zum grossen Glücke ward
die Nation des neuen Gebieters sehr bald müde und sie rief ein-
müthig den christlichen Herzog in sein Land zurück.4) Da ward
das frühere Unglück eine Quelle des Segens ; denn mit Bofiwoj ka-
men nun wieder neue slawische Glaubensboten aus Mähren her.5)
Auch Regensburg sandte nach wie vor eifrige Bekehrer in unser
Land. Ohne Zwang und darum auch ohne Widerstand wurden als-
bald Tausende und abermal Tausende für den Glauben des Gekreu-
zigten gewonnen. Dass auch der h. Cyrill damals mit nach Böh-
men gekommen sei und auch den Leib des h. Clemens mit sich
*) Christannus und Vita S. Ludmüae in bibl. Univ. Prag. cit. Dobn. III. 300.
Palacky 1. 137. Die ersten Kirchen Böhmens, die von Methuds Schülern geweiht
wurden, tragen den Namen des heiligen Papstes und Martyrs Clemens aus dem
Grunde, weil dieser Heilige seit der Auffindung seiner Reliquien durch
den h. Cyrill der erwählte Missionspatron der beiden heiligen Brüder war.
Seine Reliquien wurden von letztern nach Rom gebracht. Eine zweite
Clemenskirche entstand alsbald auf dem Wysehrad.
2) Christannus.
3) Hajek, Dubravius u. A.
4) Christannus.
5)Pesina (posph. septic). Letzterer nennt (ohne Quellenangabe) die Namen
solcher Priester: Joannes, Paulus, Letomil, Gerard, Hostiwod, Prostiwoj.
12
hieher geführt habe !), ist in Berücksichtigung seines Todesjahres
(868) geradezu unmöglich. Gegen die gleichfalls behauptete An-
wesenheit des h. Methocl aber, und zumal gegen die Annahme ir-
gend einer Amtstätigkeit desselben in Böhmen2) spricht nicht nur
das Stillschweigen der ältesten Quellen, 3) sondern auch der sichere
Umstand, dass Böhmen seit 846 entschieden zur Diöcese von Re-
gensburg gehörte, 4) und Method bei der ihm in schmerzlicher Weise
eben zur Zeit der Taufe Bofiwojs bekannt gewordenen Eifersucht
der deutschen Bischöfe alle Ursache hatte, jeden Eingriff in fremde
Diöcesanrechte sorgfältig zu meiden, und — nach dem Schweigen
der regensburger Bischöfe neben den lauten Klagen von Salzburg
und Passau her 5) zu schliessen — in Böhmen auch wirklich vermied.
§. 4. Der selige Iwan.
Wir dürfen die in die Zeiten Boriwojs und Ludmilas fallende
Lebenslegende unseres ältesten und frömmsten Eremiten nicht mit
Stillschweigen übergehen.
Der selige Iwan 6) war ein Sohn des christlichen Kroatenkö-
nigs7) Gestimul, vielleicht desselben Slawenfürsten Gestimul, der 844
von einem Kriegsheere Ludwigs des Deutschen überwunden unter
die Oberhoheit seines Besiegers sich hatte beugen müssen.8) Der
jugendliche Iwan, begeistert von der Lehre Christi und für ein Le-
ben ungestörter Andacht, verliess seine Heimat und sein Vaterhaus
und schlug, vergeblich von den Seinen gesucht, als Einsiedler in
Mitten eines unermesslichen Gebirgswaldes seine Wohnung auf.
•)Pulkava, Hajck und mehrere spätere Autoren.
2)Palacky I. 138.
3) Mit Ausnahme der Jüngern Vita S. Ludmilae bibl. Clementinae.
4)Von Palacky I. 110 u. 228 selbst zugestanden.
5)Vgl. Ginzel: Cyrill und Methud, S. 69, Anmerkung.
6) Ein lateinisches Manuscript aus dem 15. Jahrhundert, abgedruckt in Dob-
neri monum. hist Bo'em. II. 61, nennt ihn bloss „beatus". Nachfolgende
Legende ist hauptsächlich aus dieser Quelle geschöpft.
7)Es ist da nicht an das heutige Kroatien zu denken, sondern an das Kar-
partenland, welches noch zur Zeit der Stiftung des Prager Bisthums in
Crovati et altera Crovati, diesseits und jenseits der Karpaten gelegen,
zerfiel. (Urkunde Kaisers Heinrich IV. über die Gränzen des Prager
Bisthums.)
8) Annales Francofuld. a. h. a.
13
Zehn Jahre vergingen ihm hier in ungetheilter Gottseligkeit.
Da sah er einst von Ferne seine Brüder der stillen Zufluchtsstätte
nahen. Erschrocken wandte er sich zur Flucht und eilte Tag und
Nacht über Berg und Thal weiter und immer weiter, bis er endlich
vor jeder ferneren Entdeckung sich sicher glaubte.
2. So kam Iwan in unser böhmisches .Vaterland und erwählte
eine in Wald und Gestrüpp verborgene Höhle in Mitten hoher
Berge und seltsam geformter Felsen am Flusse Lodenice zu seiner
neuen Wohnstätte. Hier setzte er sein frommes Leben fort. Hier
aber war es auch, wo Gott eine schwere Anfechtung über ihn
kommen liess. Mitten in seinen heiligen Uebungen sah sich Iwan
von teuflischen Gestalten umgaukelt, die er vergebens von sich ab-
zuwehren bemüht war. Der böse Feind schien es darauf anzule-
gen, dem heiligen Manne das Leben in dieser Einsamkeit zu ver-
leiden. Fast war das Ziel erreicht. Der täglich sich erneuernde
Kampf und die geringe Hoffnung auf Ruhe ermüdeten den frommen
Einsiedler, und er nahm bereits Abschied von seiner Höhle. Aber
eine himmlische Erscheinung, in welcher Iwan die Gestalt des heil.
Johannes des Täufers erkannte, hielt ihm das Bild des gekreuzig-
ten Heilands entgegen und forderte ihn auf, mit dieser Waffe zu
kämpfen und zu siegen. Iwan folgte dem Rathe und erkämpfte
sich aufs Neue Ruhe und Frieden in seiner Höhle.
3. Hier lebte er nun bis in sein höchstes Greisenalter, und
je länger, desto unermüdeter wurde er in der Uebung der Fröm-
migkeit. Die Welt hatte er längst vergessen, und wenn er ja
etwas noch lieb hatte in ihr, so war es die zahme Hirschkuh,
welche seit Jahren das Lager in der stillen Felsenhöhle mit ihm
theilte. Dieses edle Thier war es, das endlich die Entdeckung
des heil. Einsiedlers herbeiführte. Seine Fährte verfolgend kam
einst der Herzog Bofiwoj auf der Jagd zu Iwans stiller Höhle, und
lernte den heiligen Mann kennen und lieben. Nun konnte der
greise Einsiedler den Bitten des wiederholt ihn besuchenden Für-
sten, und zuletzt auch dem Flehen der ebenfalls herbeigeeilten
frommen Fürstin Ludmila nicht widerstehen. Er musste das fürst-
liche Paar auf der nahen Burg Tetin heimsuchen und einen Tag
und eine ganze Nacht demselben wunderbare Lehren von Gott und
vom Heile der Seele spenden.
4. Zurückgekehrt verliess er seine Zelle niemals wieder.
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Endlich kam seine Todesstunde. Er, der sein Leben lang treu dem
Herrn gedient hatte, sollte auch einer ganz besonderen Gnade sich
erfreuen. Ein Engel mahnte im Traume die heil. Ludmila, den
frommen Priester Paul mit den heiligen Sakramenten und einen
Diener mit Grabgeräthen zur Höhle des Einsiedlers zu senden. So
empfing der Sterbende noch zur rechten Zeit den heissersehnten
Seelentrost. Sein Geist entschwebte in das himmlische Paradies,
sein Leib aber fand in der einsamen Höhle ein stilles Grab. Bald
weihte man diese Höhle zu einer Kapelle des heil. Johannes, und
Andächtige aus allen Gauen fanden am Grabe des seligen Iwan
Rettung und Hilfe in den Nöthen des Leibes und der Seele.
§. 5. Die Söhne Bofiwoj's. Die heil. Ludmila. Verfolgung der Christen.
1. Gross war der Eifer Bofiwojs und seiner frommen Gemah-
lin, den Christenglauben allerwärts zur Geltung zu bringen; auch
ist kaum zu zweifeln, dass die zu Welehrad getauften Edlen des
Landes im Vereine mit den bereits früher Bekehrten einen heiligen
Wetteifer in der Ausbreitung der himmlischen Wahrheit und in
Erbauung christlicher Gotteshäuser entwickelten. Dennoch erwarb
sich Bofiwojs frommer Sohn und Nachfolger Spytihnew L, der
wenigstens seit seiner Erhebung auf den Herzogsstuhl dem Christen-
thume mit ganzer Seele huldigte1), den besonderen Ruhm als Er-
bauer heiliger Gotteshäuser und als Sammler (congre-
gator) zahlreicher Priester und Kleriker im Lande.3)
Diesem wieder suchte es sein Bruder und Nachfolger Wrati-
slaw, vordem Theilfürst eines besondern Gebietes, gleich zu
thun, allerdings im Widerspruche mit seiner den Christen abholden
Gemahlin Drahomira. Wratislaw erbaute die S. Georgskirche in
Prag als erste Hauptkirche des Landes und gründete bei derselben
durch Berufung slawischer Priester (angeblich 1 Erzpriester, 4
1) Die Behauptung Hajeks von seiner Taufe gleichzeitig mit Ludmila ist dem
älteren Berichte der vita S. Wenceslai (cit. Dobn. ann. III. 324) entgegen,
wonach die Taufe erst nach seinem Regierungsantritte zur Zeit Heinrich
des Voglers erfolgte.
2) Christannus (editio Äthan, a S. Josepho p. 47). Insbesondere wird ihm
die Gründung der Teynkirche zugeschrieben. {Vita S. Wenceslai in Pertz
Mon. VI. pag. 214.)
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Priester, 2 Diakone, 2 Subdiakone) eine Art Collegiatstift. !) Unter
ihm besuchte bereits ein Bischof persönlich das Böhmerland und die
Hauptstadt Prag.2) Leider starb der gute Fürst — sowie sein from-
mer Bruder viel zu früh für unser in der christlichen Ueberzeugung
noch so wenig erstarktes Vaterland. Da war es ein erfreuliches Zeichen
des Fortschritts im christlichen Bekenntnisse, dass das gesammte
Volk die Erziehung des jugendlichen Erben Wratislaws der from-
men Grossmutter Ludmila übergab — mit Hintansetzung der heid-
nischen Mutter Drahomira.3)
2. Ludmila, die greise Witwe Bofiwojs, war damals die Freude
und der Stolz des Landes. „Fromm und sanft in allen Dingen,
freigebig gegen die Armen, unermüdet im Nachtwa-
chen, andächtig im Gebete, vollkommen in der Liebe,
herablassend in der Demuth, immer eifrig in Dienst-
erweisungen gegen die Diener des Herrn, eine Mutter
der Waisen, eine Trösterin der Witwen, eine Freun-
dinder Gefangenen und vollendet in allen gutenWer-
k e nu 4) war sie die erste herrliche Blume, dem Garten der Heiligen
unseres Böhmerlandes entsprossen. So erzog sie uns das Vorbild
aller frommen Fürsten, ebenfalls einen Heiligen und des Vater-
landes höchsten Stolz, den nachmaligen Herzog Wenzel. Dennoch
konnte sie die Liebe ihrer herrschsüchtigen Schwiegertochter nicht
gewinnen. Diese, eine geborne Stodoranerin 5) und erklärte Ge-
gnerin des Christenthums, konnte schon desshalb der glaubens-
eifrigen Schwiegermutter nicht hold sein.6) Nunmehr durch selbe
vermeintlich in ihrem Ansehen und Einflüsse beeinträchtigt, veran-
lasste sie — vielleicht nur durch ein voreiliges Gebot — die furcht-
barste Gräuelthat. Zwei böhmische Edle, Tummia und Gommo, ge-
folgt von wenigen Begleitern, überfielen die fromme Ludmila in
!) Chronik des Klosters S. Georg von Weitenauer, Manuscript der k. k. Uni*
versitäts-Bibliothek, XVI. B. 2 (cit. Archiv. S. Georgii X. X. X. X. §. 36.)
2) Siehe weiter unten §. 12. n. 2.
3) Christannus p. 50.
*)Ebend..p. 49.
5j Sie heisst auch eine Luticierin, d. i. Lausitzerin. Jedenfalls entstammte
sie einem Slawenstamme nördlich von Böhmen, nicht aber von Luditz (früher
Zlutice) oder aus dem Saazer Lande, das ehedem von seiner Wiesenland-
schaft Lucane hiess.
6) Cosmas a. a. 894.
16
ihrer Einsamkeit zu Tetin und wurden die Mörder der ersten hei-
ligen Blutzeugin unseres Vaterlandes (15. September 927). [) Und
nun begann eine Zeit schwerer Anfechtung für die jugendliche
Kirche in Böhmen. Die Christen, ihrer hohen Schützerin beraubt und
in schlechtem Ansehen bei der nunmehr unumschränkt herrschenden
Drahomira, wurden allerwärts von den neu ermuthigten Heiden
beunruhigt, gekränkt, verfolgt, hin und wieder gemordet. Dem Klerus
erging es, wo möglich, noch schlimmer. Die Grotteshäuser wurden
gesperrt und selbst niedergebrannt,2) der heilige Dienst gewaltsam
gehindert, die Priester — in so weit sie einem schlimmeren Loose
entgangen waren — aus dem Lande getrieben. Alle Klagen fanden
taube Ohren vor den jetzt bevorzugten heidnischen Richtern und
nicht minder vor dem fürstlichen Throne. Auch an direkten An-
griffen von höchster Stelle herab fehlte es nicht, so dass selbst
der junge Herzog Wenzel nur in dunkler Nacht den ihm treuen
geistlichen Lehrer bei sich empfangen musste, und nur mit
List dem neuauflebenden heidnischen Opferdienste sich entziehen
konnte.3) Diese traurige Zeit hatte ein Ende, als endlich der ju-
gendliche Wenzel selbst die Zügel der Regierung ergriff.
§.6. Der heil. Wenzel.
1. Als Knabe schon in der ersten christlichen Schule zu Budeö
von dem frommen Priester Unego4) in den heiligen Wissenschaf-
ten „wie ein Priester" 5) gebildet, nachher unter den Augen der
!) Die Passio S. Ludmilae wurde in Böhmen bis ins 13. Jahrhundert am 15.
September gefeiert und erst 1245 auf den folgenden Tag verlegt. (Do-
browsky kritische Versuche II. Ludmila und Drahomira S. 45. — Palacky,
Geschichte Böhmens I. 204.
3) Weitenauer: Chron. von S. Georg MS. cit. ausser Christannus meist spätere
Quellen. Unter den zerstörten Kirchen werden genannt: S. Georg und
' - S. Maria am Teyn.
3j Hyzonis vita S. Wenceslai, Manuscript der Prager Metropolitancapitel-Bi-
bliothek, Abschrift in der Universitätsbibliothek. Dass Bischof Hyzo selbst der
Verfasser gewesen sei, ist nicht nachweisbar; doch reicht die Schrift bis in
seine Zeit hinauf.
4) So nennt ihn die Vita S. Wenceslai des Hyzo. Ein anderes Manuscript
(bei Dobner ann. III. 436) nennt ihn Duego.
5) Vita S. Wenc. des Hyzo. — Altslawische Legende vom h. Wenzel (die
älteste) abgedruckt in Wattenbachs „Slawischer Liturgie in Böhmen",
S. 234 etc.
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heiligen Grossmutter zum eifrigen Diener Christi herangezogen,
war Wenzel schon längst ein Vater der Armen und Bedrängten,
gross in der Demuth, Geduld, Sanftmuth, Liebe und am meisten
in heiliger Andacht, im treuen Bekenntnisse des Glaubens, — ein
erhabenes Vorbild seines Volkes.1)
2. Das feindselige Benehmen seiner Mutter gegen das auf-
sprossende Christenthum im Lande und die Theilnahme derselben
am Kampfe der benachbarten Slawenstämme gegen das deutsche
Reich hatte einen Kriegszug des deutschen Königs Heinrich X,
und sofort die Verbannung der heidnischen Fürstin und die Erhe-
bung Wenzels zur Folge. Dem neuen unter Schutz und Pflicht
des deutschen Reichs gestellten Herzoge war die christliche Reli-
gion nicht bloss eine Angelegenheit wohlverstandener Politik, son-
dern auch des Herzens und der ganzen Seele. Er rief die ver-
triebenen Priester wieder ins Land zurück, stellte die zerstörten
Kirchen wieder her, und Hess in allen Städten neue Got-
teshäuser bauen, die er alle persönlich am Feste ihrer Weihe
zu besuchen pflegte. Prag selbst erhielt vom frommen Sinne des
Fürsten mit ausdrücklich erZulassung desBischofs von
Regensburg die neue Hauptkirche zu Ehren des h. Veit, die nach-
malige Kathedrale des Landes. Auch fremde Geistliche aus Baiern
und Schwaben strömten auf die Kunde vom christlichen Eifer Wen-
zels mit heiligen Büchern und Reliquien nach Böhmen her, und der
Landesvater versorgte sie auf das reichlichste mit allem Bedarfe.2)
Nicht zufrieden, in Wort und That alles Mögliche zur Beförderung
des Christenglaubens unter den Freien seines Landes gethan zu
haben, kaufte er selbst Sklavenkinder, um selbe zu frommen Chri-
sten heranbilden zu lassen.3) Alle seine Biographen preisen einmü-
thig seine unbefleckte Keuschheit, die ihn als einen Engel im
Fleische erscheinen liess, — dessgleichen seine Milde in der Re-
gierung des Volkes, so dass er die Todesstrafe für die Zeit seines
Lebens gänzlich aufhob, — seinen gottesdienstlichen Eifer, der ihn
noch immer dem Priester am Altare dienen und Hostien und Wein
für den heiligen Dienst bereiten hiess, — seine Liebe gegen die
Armen, denen er im Dunkel der Nacht ein unerkannter Helfer
*) Hyzonis Vita S. Wenceslai.
2) Ebend. — Altslawische Legende bei Wattenbach und Christannus.
3j Christannus und die älteren Legendisten.
2
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ward, — seine wunderbare Sanftmuth, die auch dem erbittertsten
Feinde nicht zu grollen vermochte. So stand er schon im Leben da als
ein echter Heiliger Gottes ') und eine (freilich erst von Dalimil
erwähnte und seitdem vielfach nacherzählte) Sage lässt ihn als
solchen vor dem. Throne des deutschen Königs Heinrich erkannt
und in Folge dessen mit der Königswürde ausgezeichnet werden.
3. Nichtdestoweniger gab es viele Missvergnügte im Lande,
die ebensosehr dem Ueberhandnehmen deutschen Einflusses als der
angeblich mönchischen Gesinnung ihres Fürsten zürnten. Diese
schaarten sich insgeheim um den jüngeren Bruder Boleslaw, der in
der von ihm erbauten Stadt Altbunzlau (Starä Boleslaw) als Vasall
des älteren Bruders herrschte. Von diesen Verführern berückt und
von eitler Herrschsucht geblendet, zückte dieser gegen seinen hei-
ligen Bruder bei Gelegenheit eines vertrauensvollen Besuches (Bo-
leslaw feierte den Geburtstag eines Sohnes) — und sogar an der
Pforte des Tempels2) das mörderische Schwert. Da fand er aber
in dem Angegriffenen den stärkeren Gegner. Nun eilten auf sei-
nen Ruf seine Knechte herbei und durchbohrten meuchlings die
Brust des edelsten Fürsten. Auch den treuesten Diener Podiwin
ereilte bei dieser Gelegenheit der blutige Tod für seinen Herrn.3)
So starb Wenzel den Tod der Märtyrer (28. September 935, 4) und
1) Auch SigbertusGemblacensis nennt ihn schon, Justitia et sanctitatepraeclarmn."
2) Dass auch Drahomira am Morde betheiligt gewesen sei, lässt sich nach
älteren Quellen nicht behaupten. Aus dem Exile war sie damals allerdings
schon längst zurück, und zwar durch Wenzel selbst gerufen. Es ist aber
Thatsache, dass sie nach der Ermordung ihres Sohnes weinend herbeieilte,
an das Herz des Entseelten sich warf und den Leichnam ins geistliche
Haus tragen liess. Ebenso ist es ausgemacht, dass damals auch ihr selbst
von den Verschwornen der Tod zugedacht war, und dass sie auf die Nach-
richt hievon trotz der Erhebung Boleslaws eilig Stadt und Land verliess.
(Aelteste slawische Legende des heil. Wenzel, tibersetzt in Wattenbachs
„Slawische Liturgie in Böhmen" S. 234. — Christannus. — Palacky I. 209.)
3) So die auf Befehl Otto II. 973 — 983 verfasste Wenzelslegende Gumpolds
von Mantua, auf die nach Dobrowsky die zu seiner Zeit bekannten Wen-
zelslegenden zurückzuführen sind. (Vgl. Palacky, Würdigung böhmischer
Geschichtsschreiber, S. 294.) So auch Christannus. Ebenso stellt auch
ein Gemälde der Leitmeritzer Domkirche (von Skreta) den Tod des heil.
Wenzel dar. Die Ermordung durch die Hand Boleslaws selbst ist ge-
schichtlich unbegründet.
4)Die synchronistische Zusammenstellung erweiset eben dieses Jahr. Vergl.
Damberger synchr. Gesch. IV, Kritikh. 216. Pertz V. 438, Note.
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besiegelte mit seinem Blute die heilige Ueberzeugung, der er sein
ganzes Leben gewidmet hatte. Boleslaw aber stieg über die Leiche
des heiligen Bruders empor auf den Herrscherstuhl.
§. 7. Die beiden Boleslawe.
1. Der unglückseligen That folgte zunächst eine schwere Be-
drängniss für die Kirche Böhmens. Dem Namen nach war es eine
Reaction gegen das unter Wenzels Begierung emporgekommene
deutsche Wesen im Lande und zugleich gegen die Oberherrschaft
der Könige von Deutschland: in Wirklichkeit galt der Kampf Sei-
tens der zur Herrschaft erhobenen Partei nur zu sehr dem Kle-
rus und den glaubenseifrigen Christen des Landes. In Prag selbst
starben gar Viele den Tod der Glaubenstreue in den Fluthen der
Moldau: „nur Gott kannte ihre Zahl und gesellte sie zu seinen
Auserwählten".1) Auf dem Lande hielten unterschiedliche Herren
treuer zum deutschen Reiche als zu dem neuen blutbefleckten
Landesfürsten; andere scheinen auf eigene Faust völlige Un-
abhängigkeit angestrebt zu haben. Da gab es denn einen langen
und schlimmen Kampf, welcher der jungen Pflanzung des Chri-
stenthums gewiss nichts weniger als günstig war, zumal auch die
gegen Boleslaw entsandten Heere des deutschen Königs Otto I.
durch 14 Jahre mit geringem Glücke stritten und mit den ver-
folgten Deutschen leider auch die meisten christlichen Priester
aus dem Lande entfliehen mussten. Als endlich um 950 die
Waffen Otto's I. den lang ersehnten Frieden und Böhmens altes
Verhältniss zum deutschen Reiche wieder herzustellten vermochten,
hatte auch Boleslaw die vollständige Unterwerfung aller Gaue des
Landes beendet — und vielleicht hiedurch nicht weniger als durch
den Brudermord den Namen des Grausamen sich erworben.3)
2. Indess hatte Gott seinen heiligen Blutzeugen bereits durch
zahlreiche Wunder verherrlicht. Was bisher keine Predigt vermocht
hatte, das bewirkte alsbald der nach allen Richtungen sich ver-
breitende Ruf des Heiligen. Sofort verlangten auch die bisher Ver-
härteten zahlreich nach dem Bade der Wiedergeburt, und selbst aus
dem Brudermörder ward endlich durch die Gnade Gottes — ein reue-
!) Christannus, und Gumpolds Legende.
2)Vgl. Palacky I. 211—214.
2*
20
voller Büsser. ]) Es stand nicht bei ihm, dem Gemordeten das
Leben wieder zu geben: darum bereitete er wenigstens dem ver-
herrlichten Leichname desselben in der neuen Set. Veitskirche zu
Prag, die er durch einen Stellvertreter des Regensbur-
ger Bischofs Tuto weihen Hess, ein ehrenreiches Grab.3) Er
führte fortan auf seinen Münzen neben dem eigenen auch seines heili-
gen Bruders Bild.3) Den Sohn (Strachkwas), bei dessen Geburtsfeier
die unselige That geschehen war, verlobte er dem Kloster zu S.
Emmeram in Regensburg, auf dass derselbe dort durch ein Leben
der Gottseligkeit und Selbstverleugnung die Schuld des unglückli-
chen Vaters sühnen helfe.4) Daheim erzog er selbst der böh-
mischen Kirche ausser diesem ersten Ordensbruder auch Böhmens
erste Klosterfrau (Mlada), dem nachbarlichen Polenvolke die erste
christliche Landesmutter (Dubrawka), dem Vaterlande den frömm-
sten seiner Fürsten (Boleslaw IL) Er zeigte sich nun um so unzwei-
felhafter als Gönner und Beförderer des Christenthums in seinem
Reiche, indem er nach dem Beispiele seines verklärten Bruders meh-
rere Kirchen baute5) und für die Stiftung eines eigenen Bisthums
sich bemühte. 6) Doch in letzterer Beziehung nöthigte ein höherer
Rathschluss ihn, der bisher dem Könge David in der Sünde und in
der Busse nachgefolgt war, wie einst David — solch' geistigen Tem-
pelbau dem durch keine Blutschuld befleckten Sohne zu hinterlassen.
Boleslaw I. starb am 15. Juli 967. Der Sieg des Christenthums war
im Land entschieden. Entbehrt auch die zuerst von Hajek erzählte
Sage, dass S. Wenzel als himmlischer Ritter auf dem Felde bei
Tursko die Heiden in die Flucht geschlagen habe, einer älteren
historischen Begründung, so ist sie uns dennoch recht lieb und werth
— als verkörperte Ueberzeugung, dass eben Wenzels Martyrthum
der Lehre Jesu in ganz Böhmen den Sieg gewonnen habe.
3. Boleslaw IL, von der Nachwelt stets der Fromme ge-
nannt, trat ganz in die Fussstapfen des h. Wenzel, nur dadurch
l) Altslawische Legende bei Wattenbach.
3) Ebendaselbst. t
3) Dobneri annal. III. 630. .
4) Cosmas. Solche Widmungen unmündiger Kinder sind in jener Zeit und
auch noch später sehr häufig gewesen.
5) Hajek.
6)Dobn. ann. IV. 147 u. 158. Hajek ad ann. 966.
21
von diesem verschieden, „dass er, obwohl friedliebend und milde,
doch auch mit den Waffen vertraut war, in allen Schlachten sieg-
reich kämpfte und harten Stahl dem glänzenden Golde vorzog/'
Im Uebrigen aber war er „der christlichste Fürst, der Beschützer
aller Witwen und Waisen, der Helfer aller Nothleidenden, der frei-
gebige Gründer sehr vieler Kirchen im Lande." ') Herrlich er-
blühte unter seiner Regierung der christliche Glaube in Böhmen.
Nur Eines fehlte noch: das Volk, „allerdings in der Lehre Jesu
unterrichtet und von den alten Götzenbildern abgewendet, ent-
behrte noch eines eigenen Oberhirten und verstand es
darum noch wenig, die neue Religion auch im Leben zu
üben."2) Auch das segensreiche Institut des klösterlichen Lebens,
ebenso ein Ideal christlichen Wandels als eine Schule der Volks-
erziehung, ging dem Lande ab. Beides sollte Böhmen dem frommen
Boleslaw verdanken, und hiemit ein interessanter Wendepunkt in
der Geschichte der böhmischen Kirche eintreten. Der n a ch
Aussen hin sieg gekrönte Glaube sollte nun auch die
Reste des alten Heidenthums in den Herzen unserer
Väter überwinden.
§. 8. Das erste Gedeihen des Ghristenthums im Bereiche der jetzigen
Diöcese von Leitmeritz.
1. Hundert Jahre waren vergangen, seit Bofiwoj als Erstling
der böhm. Herzoge zum h. Christusglauben sich bekehrt hatte ; hun-
dert Jahre des steten Kampfes der heiligen Ueberzeugung der Neube-
kehrten mit dem beleidigten Fanatismus der Heiden. Endlich war
allerwärts der Untergang des Götzendienstes und der Sieg des
Kreuzes entschieden. Nur im Verborgenen konnte der alte Aber-
glaube noch einige Zeit sich ein kümmerliches Dasein fristen und
im Leben des Volkes mochte noch vielfach die angewohnte Sitte
einzelnen Anforderungen des Christenthums sich entgegen stellen.
Hier den Sieg der Kirche zu vollenden, blieb die Aufgabe der
nächsten Zukunft.
2. In unserer jetzigen Diöcese Leitmeritz gedieh, abgesehen
von den ersten Anfängen unter Carl dem Grossen und Ludwig dem
l) So Cosmas. Derselbe gibt die Zahl dieser Kirchen auf 20 an.
8) So Vita S. Wolfgangi ap. Mabill p. 986.
22
Deutschen, die christliche Lehre wohl am allerfrühesten in der
Landschaft von Melnik, der damaligen Zupe Psowane (von der
älteren Burg Psow l) so genannt). Dieselbe war gewiss nicht
minder umfangreich, als das nachmalige bekannte Dekanat von
Melnik, und erstreckte sich somit von Elbekostelec an längs der
Elbe bis Gastorf und nordwärts bis in die Nähe von Böhmisch-
Leipa.2) Herr dieses Gaues war zu Bofiwojs Zeit der Vater Lud-
milas, der edle Slawibor. Als Bofiwoj alsbald nach seiner Bekeh-
rung sein liebes Vaterland wieder verlassen musste, soll seine bereits
getaufte Gemahlin ihre Zuflucht bei ihrem Vater in Melnik (wahr- *
scheinlicher wohl in Päow3) gesucht und auch gefunden haben.
Ebendaselbst ward sie der Sage nach Mutter ihres dritten Sohnes
Boleslaw,4) bei dessen Taufe — wenn nicht vielleicht früher
schon — Slawibor mit seiner Gattin Lidoslawa 5) und ihrem Sohne
Hausek, 6) dem Erbauer der Burg Hauska, den christlichen Glauben
annahmen. Es ist nicht zu zweifeln, dass sofort in der Burg des
Gaues eine christliche Kirche erbaut wurde. — Ueberhaupt ist
soviel sicher, dass seit der Bekehrung Boriwojs die ersten Gottes-
häuser in der Regel in den Burgen der ihm zugethanen Grossen
des Landes und vor allen in den Hauptorten der unterthänigen
Zupen standen, wo gewiss nur christliche Beamte des christlichen
x) Dieselbe dürfte in der nächsten Nähe der heutigen Stadt Melnik gestanden
sein, wo jetzt noch der Bach und die Ortschaft Sopky (eigentlich wohl
Psowky) an den alten Namen erinnern. Vgl. Jirecek £upy Öech in Pamät-
ky archeol. IL 267.
3) Die Dekanate fielen auch nachmals zumeist mit den £upen zusammen. Im
J. 1384 zählte das Dekanat Melnik folgende Seelsorgsstationen: Melnik, Ne-
buzel, Zebus, Dauba, Steti (Wegstädtl), Wysoka, Liboch, Krp, Liblic,
Wtelno, Chorusic, Radaun, Krusina (Habichtstein?), Destna (Teschen),
Kanina, Medonos, Chodeö, Öeöelic, Widim, Chlum, Zabor, ßepin, Wsetat,
Kozly und Hlawno.
3)Die Stiftungsurkunde des Prager Bisthums von 972 (enthalten in der Be-
stätigungsurkunde des Kaisers Heinrich IV.) nennt diese Landschaft noch
immer Psowane. Die Stadt Melnik in der Nähe der Burg Psow entstand
wohl erst um diese Zeit und nahm sofort die ^upenverwaltung in sich auf.
4)Dubravius I. 4. Pulkawa. Hajek.
5)Hajek ad 892. Der Name ist vor Hajek nicht erwähnt.
G) Hajek ad 878. Die Burg Hauska lag in der Nähe des Pösig. Auch der
Name des Hausek wird in älteren Schriften nicht erwähnt; doch bleibt es
möglich, dass Hajek aus verlässigen Lokalsagen schöpfte.
23
Fürsten ihren Wohnsitz hatten. Der bei einem solchen Gottes-
hause bestellte Leutpriester (plebanus) oder Pfarrer (parochus ')
bekehrte auf häufig wiederholten Missionsgängen die nähere und
weitere Umgebung, welche auch desshalb noch ziemlich lange an
die Mutterkirche des Gaues sich halten musste. Späterhin wurden
wohl auch auswärts Kirchen gebaut 2), aber immer noch von der
jetzt zahlreicher gewordenen Priesterschaft der Mutterkirche exkurri-
rencl versehen. Erst als dieses beim Anwachsen der christlichen
Bevölkerung als minder vorteilhaft sich herausstellte, ging man
an die Errichtung mehrerer Pfarreien im Gaue 3), die aber sämmtlich
der Aufsicht des Seelsorgers im Zupensitze als Dekans, später
aber irgend eines andern Pfarrers, der aber vom Zupensitze den
Dekanstitel führte, unterstellt waren.4) — In Melnik selbst gab
es in Folge des erwähnten Umstandes der Priester alsbald so
viele, dass nachher die Einführung der Regel Chrodegangs unter
ihnen möglich ward, und so das Kollegiatkapital daselbst entstand.
Eine der ersten selbstständigen Landkirchen des Gaues — wenn
nicht unbedingt die erste, war die zu Chocebus (Zebus), welche
schon im J. 993 dem neuerrichteten Benediktinerkloster Bfewnow
überantwortet wurde. Wahrscheinlich war sie eine jener 20 Kir-
chen, welche Boleslaw der Fromme erbaut hatte.5)
3. Unter die ersten Anhänger des Christenthums in Böhmen
gehörte auch der Graf von Libic, der Grossvater des heiligen
') Der Parochus ist der Verwalter einer xccoomlcc — parochia — d. i. der
Ansiedlung im Gebiete eines Gotteshauses. Der deutsche Name Pfarrei
und Pfarrer stammt ebendaher. In älterer Zeit ist der Name plebanus
häufiger.
2) Diese Kirchen waren meist von Holz und so klein, dass das Volk dem
Gottesdienste nur ausserhalb stehend beiwohnen konnte. Chorknaben ver-
kündeten dem Volke die Verrichtungen des Priesters. Eines möglichen
Ueberfalls wegen ward es Sitte, dass einige Bewaffnete vor dem Eingange
Wache hielten. (Vgl. Schmidt: oberlausitzer Kirchengalerie, S. 210.)
3) Nach dem kanonischen Rechte wurden zur Bildung einer eigenen Seelsorge
wenigstens 10 christliche Familien erfordert.
4)Vgl. Palacky I. 180. und die allgemeine Sitte des christlichen Alterthums.
Der Dekanus war dem Wortbe griffe nach der Aufseher von 10 Priestern,
dies zunächst im Orden der Benedictiner und weiterhin auch im Säkular-
klerus.
5) Instrum. erect. Brewnow. Erben regesta, p. 33.
24
Adalbert. Die Burg Libic liegt unmittelbar jenseits der äussersten
Südostgränze der jetzigen leitmeritzer Diöcese, — in der Nähe
von Podöbrad. Das im neunten und zehnten Jahrhunderte dazu
gehörige Gebiet hatte zu Gränzen — im Westen „den Bach Su-
rina (Surma) und die Burg auf dem Berge Osek in der Nähe des
Flusses MsaUI) — gegen Süden „Chinow, Dudleby und Netolice
bis in die Mitte des Waldes," — gegen Osten Leitomischl und
gegen Norden die Burg Kladsko. 2) So unbestimmt auch diese
Gränzen theilweise bezeichnet sind, so gehörte doch jedenfalls auch
ein Theil der jetzigen Diöcese Leitmeritz zum Gebiete von Libic,
sicher das ganze nachmalige Dekanat Hawran 3) (später Nimburg)
und die Gegenden von Libun und Liban, die dem alten Dekanate
von Jicin angehörten. 4) Jener Graf von Libic wird als Schwe-
stermann, und sein Sohn Slawnik als ein Neffe des deutschen Kö-
nigs Heinrich des Voglers 5) bezeichnet. Er soll zugleich bedeu-
tende Besitzungen im deutschen Reiche inne gehabt haben und
als deutscher Graf der Schwiegersohn des vormaligen Sach-
senherzogs geworden sein. c) Es ist kaum zu bezweifeln, dass
er damals schon Christ war; im entgegengesetzten Falle würde
doch wenigstens seiner christlichen Gemahlin das Verdienst seiner
l) Ritter Kaliina v. Jaethenstein hat in einer Versammlung der hist. Sektion
in der böhmischen Gesellschaft der Wissenschaften (7. Jänner 1841) nach-
gewiesen: dieser Berg Osek sei der jetzige Berg Hradist beim heutigen Dorfe
Yosek in der Nähe von Radnitz im Pilsner Kreise.
3) Cosmas ad 981. Ohne Zweifel sind hier mehrere getrennte Gebiete in
den bezeichneten Gegenden anzunehmen.
8) In Hawran (jetzt nur ein Hof) befand sich gewiss auch die älteste Kirche.
4) Das Dekanat Hawran bildete muthmasslich mit dem von Bydzow die nach-
herige 2upe Libic, die bald von der neuen 2upenburg auch den Namen Ha-
wran erhielt. Das Dekanat von Jiöin ist wohl identisch mit der alten 2upe
2eleznice, so genannt von der gleichnamigen Burg in der Nähe von Jicin.
(Vgl. Jirecek £upy Cech in den Pamätky archaeol. II. 269. u. 270.)
5) „Henrici imperatoris proximus nepos" bei Anonym, chron. Boh. apud
Menken III. p. 1642; ebenso bei Christannus de Skala, und in der ältesten
Vita S. Adalberti cit. Dobn. arm. IV. p. 202.
G) Bonfinius dec. IL lib. 1. Brotuffius, Baibin etc. cit. ber Bolelucky JRosa
boemica p. 32. Wäre es nicht denkbar, dass derselbe am Ende gar ein
Descendent des ehemaligen sorabischen Markgrafen Thakulf gewesen ist,
den wir als einen gebornen Böhmen erkannt haben, und der einst eben-
falls in Deutschland begütert war?
25
Bekehrung zugeschrieben werden müssen. Sicher arbeiteten beide
Gatten, sowie an der christlichen Erziehung ihrer Söhne, so auch
an der Christianisirung ihrer Unterthanen im Gebiete von Libic mit
so günstigem Erfolge, dass nachmals der erste Biograph ihres heiligen
Sohnes Adalbert von dieser Gegend rühmen konnte, es habe da
zur Zeit Slawniks das Christenthum am allerschönsten geblüht.1)
4. Von Altbunzlau aus, wo bereits zur Zeit des heiligen
Wenzel eine christliche Kirche bestand , 3) musste die christ-
liche Lehre alsbald in die dazu gehörige, westlich von Melnik
und östlich von Libic begränzte Landschaft dringen, welche nach-
mals in die Dekanate und Zupen von B u n z 1 a u (Jungbunzlau) und
K am e n i c e (später B e 1 a oder Weisswasser) zerfiel. Dennoch erhielt
sich hier in den von der Mutterkirche entfernteren Gegenden noch
einige Zeit das alte Heidenthum. Waren doch bei Mseno (am Gal-
genberge), Sudomef, Kowan, Hradek (bei Skalsko) und Hrobka
(dem späteren Jungbunzlau) uralte heidnische Opferstätten 3), an
denen das Volk der Umgegend noch mit vieler Vorliebe hing.
Hier war es denn auch, wo alsbald eine feindselige Reaktion gegen
das ringsum aufblühende Christenthum sich erhob, so dass der
sonst so milde Herzog Boleslaw H. (um 973) sich genöthigt sah,
ein Kriegsheer (angeblich unter Bratfimil von Hru§owa) zu Gun-
sten der bedrängten Gläubigen einschreiten zu lassen. Die Heiden
sollen sich auf den Burgen Stranow und Zamost gesammelt haben,
alsbald aber in einer Feldschlacht gänzlich unterlegen sein. Auf
dem Schlachtfelde erbaute der Herzog ebensowohl zum Schutze des
Christenthums als zur Sicherung seiner Regierungsgewalt die Burg
Jungbunzlau (Mladä Boleslaw), an deren Fusse sofort eine Stadt,
ebenso wie der frühere Begräbnissplatz, Hrobka4) genannt, sich erhob,
— ein neuer Mittelpunkt des immer kräftiger sich entfaltenden kirch-
') „Inillisfmibus, tibi Christiamt atis (?)pulcherrima floruit" Acta SS. ad 23. Apr.
c. 1. p. 178. cit. Dob. annal. IV. 111.
2) Das Altbunzlauer Gnaclenbild, das schon der h. Wenzel verehrte, war an-
geblich aus einem ehemaligen Götzenbilde der h. Ludmila geschnitzt worden.
(Weitenauer: Chron, S. Georg. MS. „secundum plures scriptores")
3) Kaiina von Jaethenstein : Böhmens Opferplätze S. 131, 164, 195, 196.
4) Nowotny Kronika Ml. Boleslawskä, p. 44. Hajek a. a. 973. Die Stadt
erhielt den Namen Jungbunzlau erst 1334, als man selbe unmittelbar an
die Burg verlegt hatte. Nowotny Krön. Ml. Bolesl. p. 47.
26
liehen Lebens der Gegend. Zunächst ward damals in der befe-
stigten Burg eine hölzerne Kirche zu Ehren der Himmelfahrt der
allerseligsten Jungfrau angelegt als nachmalige Hauptkirche des ge-
sammten bunzlauer Archidiakonats. *) Wohl auch um dieselbe Zeit
wurde die Stadt Kamenice (um 1380 schon zerstört) am Pösig-
berge der Standort der Mutterkirche für die dortige Umgebung.2)
5. Der noch erübrigende nördliche Theil des jetzigen bunz-
lauer Kreises, wohl die späterhin bei der Erektion des prager
Bisthums erwähnte Zupe Lemuzi,3) verdankt seine Bekehrung
zum Christenthum der' seligenPfibislawa, einer Schwester des
heil. Wenzel, Herrin der Burg und des weiten Gebietes von Jablona
oder Gabel.4) Diese „Schwester des seligen Martyrs war eine
ehrwürdige Matrone, die von der Wiege an gelernt hatte, ohne
Klage Christo dem Herrn zu dienen nach den Geboten des Evan-
geliums. Nachdem sie der Herr von den Pflichten des Ehestan-
des entbunden hatte, weihte sie sich ungetheilt dem Dienste Gottes
und in glühender Sehnsucht nach dem heiligen Schleier (des klö-
sterlichen Lebens) verharrte sie Tag und Nacht in Gebet, Fasten
und Wachen." 5) Von solcher Gesinnung durchdrungen folgte sie
') Ebendaselbst S. 161 cit. Kezel p. 4.
2) Die Seelsorgpfründen des Kamenitzer Dekanats werden wie die der übrigen
weiterhin angeführt werden.
3) Lemuzi soll eine Burg in dieser Gegend gewesen sein, angeblich auch
Skäly genannt. Dann könnte es wohl Gross- oder Kleinskai bei Turnau
gewesen sein.
4) In der ältesten Legende des h. Wenzel, die alsbald nach dessen Martyr-
tode geschrieben worden ist, (bei Wattenbach „die slawische Liturgie in
Böhmen" S. 234 etc.) heisst es: „Er hatte 4 Schwestern, und sie gaben sie
weg in verschiedene Fürstenthümer und statteten sie aus." — Den Namen
Pribislawa nennt uns zuerst Christannus. Ihr Wirken in Gabel berichtet
Hajek a. a. 945 — hier wohl auf Grund einer uralten Sage, die sich auch
in der dortigen Gegend erhalten hat. Baibin beruft sich auf einen Codex
pervetustus, dass sie „m pago Jablon sub monte Krutina" begraben lag,
bis ihr Leichnam 1367 von Carl IV. nach Prag übertragen wurde. (Vgl.
Chron. Benesii in Dobneri monum. IV. 50.)
5) Christannus. Die von einer Pribislava erzählte Entwendung einiger Reli-
quien des h. Wenzel verweist Dobner (annal. IV. 54 u. 55) auf eine spätere
Person desselben Namens, die der angebliche Christannus mit der Pribi-
slava verwechselt hat. Dobner begründete seine Ansicht durch einen Ver-
gleich des Christannischen Textes mit dem Ottonianischen (der Vita S. Wen-
ceslai, die auf Befehl des Kaisers Otto von Gumpoldus verfasst wurde.)
27
gewiss dem schönen Beispiele ihres verklärten Bruders und er-
baute ebenso wie dieser so manche christliche Kirche innerhalb
ihres Gebietes, — am sichersten wohl die älteste Kirche von
Gabel selbst, die nun für viele Jahrhunderte die Mutterkirche des
gleichnamigen Dekanates bleiben sollte. Um das Jahr 1000 soll bereis
in ihr der h. Bruno (Missionsbischof für Preussen) gepredigt haben. ')
Pribislawa erbaute auch am Berge Krutina eine Kapelle, in der
sie selbst unablässig der Andacht oblag und bei welcher sie nach
Vollendung ihres heiligmässigen Lebens eine stille Grabesstätte
fand. Die dankbare Nachwelt ehrte dort die Abgeschiedene als
eine Selige, und so zahlreich strömten ihre andächtigen Verehrer
herzu, dass nachmals der Wladik (Zupan?) Chotislaus jene Kapelle
zu einer geräumigen Kirche erweitern musste2). Nächst Gabel
mögen die nachmaligen Dekanatsitze Turnau und Hradiste (Mün-
chengrätz) frühzeitig eine kirchliche Bedeutung erlangt haben.
§. 9. Fortsetzung.
1. Leitmeritz war der Sage nach3) im J. 771 von Lido-
mir, dem Sohne Kosais (des traditionellen Erbauers der Burg
Kosfäl) und der Bela (der angeblichen Erbauerin Bilins), ge-
gründet worden — damals „nahe der Burg Hradec (auf dem
Domberge) und unterhalb des Dorfes Pokratic," also
auf dem Platze der jetzigen Vorstadt Zasada. Die Burg Hradec
war sofort die Zupenburg4) der „Leitmeritzer Provinz," welche
letzere um 855 im Süden bis über Trebnitz hin sich erstreckte, 5)
nach den übrigen Seiten hin aber gewiss nicht minderen Um-
fang hatte, als das nachmalige Dekanat dieses Namens/) Als
Zupane dieses Bezirkes erscheinen der Ueberlieferung nach die
Wrsowecen, ein böhmisches Herrengeschlecht, wohl von einem
') Palme: Rückblicke in die Vorzeit des böhmischen Niederlandes. Manusc.
2) Sommer: Bunzl. Kreis, S. 270 u. 271.
3)Hajek ad 771.
4) Die Stiftungsurkunden des Leitmeritzer Kapitels nennen den gegenwärti-
gen Domberg ausdrücklich das „castrum Litomericense"
5) Dies erfahren wir aus Cosmas, wo er die Gründung von Wlatislawa er-
zählt: hienach erstreckten sich die Gränzen der provincia Litomericensis
bis ad confinia pagelli Skalka bei Wlatislawa.
6) Vgl. §. 23.
28
gleichnamigen Orte bei Prag so genannt, das aber — angeblich schon
seit 887 — eine neue Familienburg dieses Namens, das heutige
Wr§owice, bei Laun besass.1) Die Stadt Leitmeritz hat ihnen an-
geblich ihre zweite Gründung zu verdanken. Zu grösserer Sicher-
heit sollen sie nämlich einen geeigneteren Platz neben dem bishe-
rigen offenen Burgflecken mit Wallgräben und Mauern umzogen,
und am nordwestlichen Ende (auf der jetzigen sogenannten Hrade)
die Burg Hrad2) erbaut haben. Leitmeritz war unter der Regie-
rung Boleslaws IL jedenfalls schon christlich. Abgesehen davon,
dass dieser fromme Herrscher eine Menge christlicher Kirchen
sogar in unbedeutenderen Ortschaften gründete, und am allerwenig-
sten in der nächst Saaz wichtigsten Äupenburg des Landes das
Fortbestehen des Heidenthums geduldet haben würde : so ist auch
erwiesen, dass damals die Wrsowecen — die Zupane von Leitme-
ritz und Saaz — vom h. Adalbert exkommunizirt wurden, was doch
nothwendig ihr christliches Bekenntniss voraussetzt. Es ist sogar
anzunehmen, class Leitmeritz zu jenen Orten des Landes gehörte,
wo schon der h. Wenzel christliche Gotteshäuser baute, deren
Weihefeste er alljährig zu besuchen pflegte. 3) Diese Wahrschein-
lichkeit steigt fast zur Gewissheit, wenn — wie angenommen
werden darf — dieser Heilige im J. 925 eine Zeit lang zu Leit-
meritz seinen Wohnsitz hatte, und hier durch den Eindruck seiner
persönlichen Erscheinung den aufrührerischen Dfislaw besiegte.4)
Wo aber die älteste Kirche des Ortes — und der ganzen Äupe —
gestanden sein mag, lässt sich mit voller Sicherheit nicht sagen.
Wahrscheinlich ist es, dass sie innerhalb der Burg (Hradec) er-
richtet ward, und vielleicht nur aus Holz, wie fast überall. Erst
Herzog Spytihnöw IL erbaute die steinerne Kirche („Basilica") zu
Ehren des h. Stephan im J. 1057 und stiftete dabei ein Kollegiat-
kapitel. Wie letzteres gewiss nur den früheren Klerus der Burg zum
J) Hajek ad a. 887.
2) Vgl. „Leitmeritz in der Gegenwart und Vorzeit" von Berthold. S. 5 u. 6.
3) Vgl. S. 5, auch Hyzonis Vita & Wenceslai.
4) Dalimil, der das Ereigniss erzählt, nennt als Schauplatz die herzogliche
Burg Zitomierz. Doch ist letzterer Name in mehreren Manuscript-Codices
Dalimils „Litomierz" geschrieben. Schon Dobner [anndl. III. 525) ver-
muthete, dass diese letztere Leseart die richtigere sei, da ein Zitomierz
als herzogliche Burg nirgends vorfindig ist.
29
kanonischen Leben vereinte: so mochte sich wohl auch das neue
Gotteshaus auf dem Grunde des alten erhoben haben. Die Haupt-
kirche der eigentlichen Stadt (zu Allerheiligen) entstand erst im J. 1127,
und die Erbauung derselben aus Stein fällt gar erst in das J. 1207,
wie später berichtet werden wird. Uebrigens mag sich auch in und
um Leitmeritz ein Rest des alten Heidenthums noch einige Zeit
erhalten haben, und zwar um so mehr, als muthmasslich im älte-
ren Burgflecken selbst — am heutigen S. Adalbertsbrunnen —
und sicherer noch auf dem benachbarten Berge Doblik bei Cir-
kowitz, der jetzt noch auf seinem künstlich geebneten Gipfel heid-
nische Ueberreste aufweist, altheidnische Heiligthümer (auf letzte-
rem Orte wohl ein Opferplatz des Diblik oder Öernoboh) bestan-
den. ]) Einer noch lebenden Sage zu Folge ist nachher der heil.
Adalbert auf seiner ersten Visitationsreise auch nach Leitmeritz
gekommen und hat da persönlich für die ungetheilte Aufnahme
des Christenthums sich bemüht. Der Brunnen, wo er nach den
Mühen des Tages Labung gesucht, habe hinfort seinen Namen er-
halten, und sei später mit dem Standbilde des Heiligen geziert
worden. Nebenbei aber ist bekannt, dass die Klugheit der Mis-
sionäre alte den früheren Götzen geheiligte Quellen in der Regel
nach einem Heiligen benannte und dessen Abbildung daselbst an-
zubringen suchte, — eben so, wie sie auch an abgöttisch verehr-
ten Riesenbäumen Bilder des Heilands und der seligsten Jungfrau
befestigte und auf Bergen und Kreuzwegen das Abbild des heil.
Kreuzes aufrichtete, um so die gewohnte Verehrung des Ortes auf
den rechten Gegenstand hinzuleiten.3) Wäre ein Aehnliches in Be-
treff des S. Adalbertsbrunnen anzunehmen, so fiele wohl die gänz-
liche Ausrottung der letzten heidnischen Gebräuche — ebenso wie
in vielen anderen Gegenden — in etwas spätere Zeit und wäre
dann ein Verdienst der Leitmeritzer Burg-Geistlichkeit, welcher
ohnehin die Vollendung der Bekehrung des Gaues zugeschrieben
werden muss.
2. Im Norden des Leitmeritzer Gaues erstreckte sich bis in
die Mitte des äussersten Gebirgswaldes die alte Provinz D a c i a n e 3)
*) Kaiina: Böhmens Opferplätze, S. 151.
3) Vgl. Kaiina, S. 14 u. 15.
3) So wird sie in der Erektionsurkunde des Prager Bisthums genannt.
30
oder Deöin (Tetschen), später die 2upe von Leipa genannt.
Die Mutterkirche des ganzen Gaues bis Kreibitz, Bürgstein und
Pawlowitz hin war die alte Kirche „Unserer lieben Frau" zu
Tetschen (Decin). l) Nach einer alten Lokaltradition stand dieses
Gotteshaus, sowie auch der alte Burgflecken auf der sogenannten
„wüsten Stätte." Am 28. September 1059 sollen beide durch eine
beispiellose Ueberschwemmung gänzlich vernichtet worden sein,
worauf der damalige Zupan Jakob die neue Stadt mit einer Kirche
des h. Wenzel (diess zum bleibenden Andenken an den Unglücks-
tag) an ihrer jetzigen Stelle erbaut habe. 2) Ist dem so, dann ist
die christliche Lehre sehr früh in diese Gegend gedrungen: es ist
sogar anzunehmen, dass auch sogar Decin als einer der wichtigsten
Zupensitze des Landes schon vom heil. Wenzel ein Gotteshaus er-
hielt. Dem eben erwähnten Zupan Jakob schreibt die dankbare
Ueberlieferung auch die Wiedererbauung der Stadt Lipa (Leipa)
zu, nachdem die alte am entgegengesetzten Ufer der Pulsnitz gele-
gene Stadt gleichzeitig mit Tetschen durch die Ueberschwemmung
im J. 1059 zu Grunde gegangen war.3) Gewiss ist damals auch
die Kirche zu Leipa erbaut worden, die in späterer Zeit dem ganzen
Dekanate den Namen gab. Dagegen sollen die äussersten Wohn-
sitze des Gaues, Kreibitz (Kripska) und Windischkamnitz (Kame-
nice slowanskä im Gegensatze zu Kamenice ceskä) in Mitten der
damaligen Gränzwälder erst in den Zeiten des deutschen Kaisers
Heinrich IL entstanden sein, — und zwar durch wendische Flücht-
linge, die dort in verborgenen Thälern für sich und ihren heidni-
schen Kult eine Zuflucht suchten und fanden vor dem ihre Heimat
(Lausitz) unterjochenden Heere der Deutschen.4) Hier fällt daher
die völlige Christianisirung in etwas spätere Zeit und ward ein
Verdienst der nächstbenachbarten Geistlichkeit von Böhmisch-Kam-
nitz, sowie der frommen Grundherren der Gegend, — der muth-
') Ueber den Umfang der Zupe und des Dekanats Tetschen-Leipa vgl. §. 23 b.
3) Illustr. Chronik I. 44.
3) Kirchenbücher von Leipa cit. Illustr. Chron. I. 49. Irriger Weise wird
derselbe Zupan (da doch nur einer in der Zupa existirte) in Tetschen
Jakob von Howora und in Leipa Jakob von Berka genannt — an letzterem
Orte als Pfandinhaber des Leiper Krongebiets. Erbliche Namen bestanden
in dieser Zeit noch nicht.
4) "Vgl. Palme: Chronik von Warnsdorf S. 10.
31
masslichen Nachkommen der alten erblichen Zupane von Tetschen,
der nachmaligen Herren von Michelsberg-(Wartenberg. ])
§. 10. Fortsetzung.
]. In derSaazer Provinz war, wie ' bereits erzählt wurde,
der christliche Glaube schon von 805 an nicht ganz unbekannt ge-
blieben. Nach dem Falle Wlastislaws (869) gehörte dieses Land
wieder unmittelbar den Herzogen von Prag, die es fortan als die
vorzüglichste Zupe des Landes an die ausgezeichnetsten Edlen und
wiederholt an jüngere Prinzen des fürstlichen Hauses zur Verwaltung
vergaben. Es ist nicht zu bezweifeln, dass nun die Stadt Saaz als bevor-
zugter Zupensitz, bald nach der Bekehrung Boriwojs, sicher aber zur
Zeit des h. Wenzel, eine christliche Kirche und christliche Priester
erhielt. Doch ist auch zuzugeben, dass hier nicht minder wie an-
derwärts die alten heidnischen Opferplätze noch eine Zeit lang
vielen Zuspruch fanden. Als solche sind durch Ausgrabungen sicher
v V
gestellt : Zizelic, Leska, Hassenstein, Schönburg (vielleicht Sumbor),
Burberg und der jetzige Kirchenhügel in Niklasdorf.3) Auch in der
Nähe vom heutigen Kaaden soll ein heidnischer Tempel, muthmass-
lich der Zukunftsgöttin Cadania geweiht, gestanden sein, ein be-
liebter Wallfahrtsort der Heiden, dem wohl die nahe Burg Ur-
sprung und Namen zu verdanken hatte. 3) Möglich, dass es da
zu einigen Reibungen zwischen Heiden und Christen kam, die
später ein ernstes Einschreiten der weltlichen Macht nöthig
machten. 4) Aber an eine allgemeine Eingenommenheit der
Saazer gegen das Christenthum ist wohl kaum zu glauben, zu-
mal keiner der wohlunterrichteten Chronisten vor Hajek irgend
etwas davon zu erzählen wusste, — insbesondere nicht von einer
Versammlung der heidnischen Häuptlinge des Saazer Gebietes zu
Laun (936), um da die gemeinschaftlichen Schritte nach der Er-
') Kreibitz soll im Jahr 1144 die erste Kirche erhalten haben. (Palme, Rück-
blicke in die Vorzeit des böhmischen Niederlands. Manuscript.)
2) Kaiina: Böhmens Opferplätze S. 134, 155, 156, 161.
3j Ebendaselbst S. 160. Als Stadt erscheint Cadan — wie erwähnt — erst
um 1180.
4) Hajek ad 975 erzählt einen Kampf Boleslaws IL gegen die angeblich heid-
nischen Saazer.
32
mordung des h. Wenzel zu berathen, und auch nicht von einer
Gesandtschaft an Boleslaw, um Mittel zur Unterdrückung der Wun-
dergerüchte über den h. Märtyrer anzugeben, und ebenso wenig
von einer Volksversammlung zu Tursko, wo die himmlische Er-
scheinung des Heiligen alle Heiden auseinander gejagt habe. Jene
nachtheilige Meinung stammt gewiss nur von der zufälligen Ver-
wechslung des Volkes der Luzanen (oder Stodoraner), aus welchem
Drahomira stammte, mit der ähnlich genannten Einwohnerschaft
von Saaz. !) Erst als man Ludic (das alte Zlutice) zum Geburts-
und nachmaligen Zufluchtsorte der heidnischen Fürstin machte,
musste man sich auch die dahin gehörige Landschaft noch durch-
aus heidnisch denken. Auch die oft wiederholte Erzählung von
einem Zuge Boleslaws IL (975) gegen die widerstrebenden Saazer,
in welchem er die einen zur Annahme des Christenthums ver-
mocht, die anderen aber ausser Landes verwiesen habe, hat keinen
andern Ursprung. Sicher ist es vielmehr, dass im J. 936 nach dem
Tode des h. Wenzel ein Zupan (subregulus) dieser Gegend von dem
die deutsche Oberhoheit verschmähenden Herzoge Boleslaw abfiel und
enger an Deutschland sich anschloss. s) Es ist das wohl derselbe
Dobromir, Zupan von Saaz, den nach Hajeks Bericht der sieg-
reiche Boleslaw im J. 939 nach Baiern vertrieb.3) Diese Thatsache
bestätigt weit eher eine Vorliebe der Saazer für das anfänglich
von Boleslaw angefeindete Christenthum, als das Gegentheil. 4)
2. Die Landschaft von B i 1 i n (Belinsko, die nachmaligen De-
kanate von Bilin und Aussig und den westlichen Theil des Deka-
nats von Trebnitz umfassend 5) bestand, wenn nicht schon zur
*) Das Saazer Gebiet heisst noch bei der Erektion des Prager Bisthums Lu-
öane (Lucsane) und bei Cosmas auch kurzweg Luka. Hajek, dem wir jene
zweifelhaften Berichte verdanken, baute bei seiner Darstellung lediglich
auf die Auktorität des wenig älteren Racek Dobrohorsky. Vgl. Dobneri
annal. ÜI. 620. Die Wundersage vom Felde bei Tursko wird auch von
den Bollandisten verworfen. (Ad 28. Sept. §. 10. n. 183.)
3) Witichindus ad 936.
3) Hajek ad 939. — Durch fortgesetzten glücklichen Kampf gelangte damals
wohl die Provinz Sedlice (Zelza, der jetzige Elbogner Kreis) wieder an
Böhmen zurück.
4) Ueber den Umfang des Saazer Gebiets vergl. §. 23.
5) Vgl. §. 23.
33
Zeit des erwähnten Wlastislaw (f 869) ]) oder bei der Erektion
des prager Bisthnms 8), so doch unzweifelhaft- zu Ende des zehnten
Jahrhunderts als eine selbstständige Provinz Böhmens, 3) und von
1041 an kennen wir bereits einzelne Zupane derselben mit Na-
men, 4) Es unterliegt keinem Zweifel, dass die christliche Lehre
schon frühzeitig in diese Provinz gedrungen sei. Auch abgesehen
von dem schon besprochenen Einflüsse der Nachbarschaft seit 805,
und von der Sage, dass ein Graf von Bilin 846 unter den 14
edlen Täuflingen zu Regensburg sich befunden habe, konnte unter
den späteren christlichen Herzogen Böhmens eine damals schon
blühende Stadt nicht länger heidnisch sein, zumal nicht Bilin,
wo sich bekannter Weise sogar eine fürstliche Hofburg
ausser der 2 u p e n b u r g befand.5) Bilin müsste wenigstens
zu jenen Städten unseres Vaterlandes gezählt werden, wo der
h. Wenzel Gotteshäuser anlegte. Doch ist ein solches hier je-
denfalls nur von Holz erbaut worden. Eine steinerne Kirche zu
Ehren des heil. Petrus erbaute erst der Zupan Mztis, Sohn des
Boris, im J. 1061. Es ist dies derselbe Mztis, welcher vordem
den damaligen Prinzen Wratislaw durch Gefangenhaltung der Ge-
mahlin desselben schwer beleidigt hatte. Jetzt, als Wratislaw auf
dem herzoglichen Throne sass, gedachte Mztis seine Gnade wieder
zu gewinnen, indem er ihn zum Feste der Einweihung der neuer-
bauten Peterskirche einlud. Die Feierlichkeit wurde durch den
Bischof Severus vollzogen — in Gegenwart des Landesfürsten.
Mztis aber empfing statt der gehofften Aussöhnung die Absetzung
') Nach Cosmas baute er in confinio provinciaritm Beiina und Lutomerici
seine neue Stadt Wlastislawa. Dies konnte Cosmas wohl auch vom Stand-
punkte seiner Zeit aus sagen.
3) Bei selber wurde Bilin als Gränzprovinz nicht namentlich angeführt.
3) Die Bestätigungsurkunde des Klosters Brewnow vom J. 993 nennt aus-
drücklich diese Landschaft.
4) So 1041 Prkos comes in urbe Belin, 1043 Eppo praefectus Belinensis (bei
Cosmas). Eppo schenkte im J. 1043 das Dorf Kostelani in Mähren dem
Kloster „Cella S. Joannis in Moravia", dessgleichen in demselben Jahre
das Dorf Cebranice, ebenfalls in Mähren, dem Kloster Brewnow, war also
ein religionseifriger Herr. (Urkunden in Erbens regesta p. 43 u. 44.)
5) Cosmas ad 1061. Hiernach stand die Burg des 2upans neben der Kirche
und war verschieden von der Hofburg, welche wahrscheinlich an der Stelle
des jetzigen Schlosses stand.
3
34
vom Amte und konnte sich einem traurigeren Loose nur durch
eilige Flucht entziehen. Er ward durch Kojata, den Sohn Wsebors
ersetzt.1) — Seit der Bekehrung des Zupensitzes kam das Chri-
stenthum auch in der Umgegend immer mehr in Aufnahme und
immer mehr verödeten die Stätten des alten Götzendienstes. Gerade
diese Gegend war an solchen sehr reich gewesen. So zeigt das
uralte Krupa (Graupen) noch heutzutage Spuren eines heidnischen
Opfer- und Begräbnissplatzes, — ebenso wie der Schlossberg (Dou-
brawskä hora) bei Teplitz.8) In diese Gegend soll aber schon
um 970 der h. Wolfgang, Bischof von Regensburg, als Oberhirt
gekommen sein. Die fromme Ueberlieferung zeigte ehedem ober-
halb Graupen die in Felsen eingeprägten Fussstapfen des Heili-
gen.3) Der nächste Umkreis von Bilin verlor wohl eben so früh
den abergläubischen Götterkult. Noch heute zeigt dort der nahe
Badelstein unverkennbare Spuren eines uralten Baues von Men-
schenhand und innerhalb desselben weisen Nachgrabungen einen
alten heidnischen Opfer- und Begräbnissplatz nach. Mehrere Orte,
der Umgegend, Radowesic, Radcic, Radzin, dürften ihre Namen von
einem Worte herleiten, das auch der Hauptbestandteil des Na-
mens Radelstein war, nämlich Rad oder Radegast, dem vielleicht
der Radelstein geheiligt war. Ebenso dürften die benachbarten
Ortsnamen Tfebin, Mukow, Zelenec, Hrobcic (von treba Opfer,
muka Marter, zel Trauer, hrob Grab) auf heidnische Todtenplätze
deuten.4) Auch zu Böhmisch-Zlatnik zeugten zufällige Nachgra-
bungen in der Nähe der Pfarrei die Spuren einer alt-heidnischen
Begräbnissstätte.5) Mit dem Aufblühen des Christenthums in
Bilin verwaisten alle diese Stätten des alten Götzendienstes mehr
und mehr und einige derselben erhielten sofort durch die umsich-
tigen Glaubensprediger christliche Weihe. Diess scheint — abge-
sehen von den nachmaligen Pfarorrten Radcic, Radowesic und
Mukow — insbesondere auf dem Kotinaberge bei Zalany {Many
Traurigkeit) der Fall gewesen zu sein, einem unverkennbaren
Opferplatze der heidnischen Slawen, der nun mit dem Namen wahr-
»jCosmas ad 1061.
2) Kaliina: Böhmens Opferplätze S. 151 u. 152.
3) Crugerius ad 31. Oktober.
4) Kallina: Böhmens Opferplätze S. 148.
5) Lokalbericht des Herrn Pfarrers Uhl.
35
scheinlich auch eine Kapelle der h. Katharina erhielt,1) Ein ähn-
licher Fall zeigt sich bei Osek (Ossegg), wo ein Hügel unfern der
Riesenburg zuversichtlich als heidnischer Opferplatz gedient hat : die
Kirche zu Ossegg, welche urkundlich schon lange vor der Ankunft
der Cisterzienser bestand, dürfte die Bestimmung gehabt haben, der
gewohnten Andacht das rechte Ziel zu zeigen.2) Nächst der Zu-
penstadt Bilin erhob sich in Kurzem die Stadt Üsti, das heutige
Aussig an der Elbe zu besonderer Bedeutung. Angeblich schon
773 von einem gewissen Koten erbaut, und 827 von Rusiswad
aus dem Dorfe Bucinky (bei Leipa), dem traditionellen Erbauer
von Swadow (Schwaden) und seinem Bruder Lahobof, dem Gründer
von Wietrus (Gross-Priesen) zur Stadt erweitert,3) — erhielt sie
einer alten Tradition nach die erste christliche Kirche im weiten
Umkreise, die Mutterkirche des gesammten nachmaligen Dekanats
von Aussig, welches im Laufe der Zeiten sich bis nach* Königstein
im heutigen Sachsen erstreckte. So kam auch in dieser das alte
Heidenthum zum Falle.4)
§.11. Fortsetzung.
1. Im äussersten Norden Böhmens liegt heute das sogenannte
b ö h m i s ch e Nieder land, welches die Bezirke von Hains-
pach, Schlukenau , Rumburg, Reichenberg, Friedland und den nörd-
lichen Theil des Bezirkes Warnsdorf (die ehemaligen Herrschaften
Hainspach, Schlukenau, Rumburg, Reichenberg, Friedland, Grafen-
stein) umfasst. Ein Gebirgszug, der vom Jeschkenberge bei Rei-
chenberg bis an die P^lbe bei Schandau sich hinzieht, — das lau-
sitzer Gebirge — trennt das in zwei isolirten Zungen nach Sachsen
hinein sich erstreckende Ländchen von der eigentlichen Grund-
masse Böhmens. Dieses Gebiet ist einst viel grösser gewesen,
ja es hat sogar den Schwerpunkt seines ehemaligen Terrains im
jetzigen Gebiete von Sachsen. Es gehörte dazu die Burgwartei
1) Kaliina S. 145. Mauerüberreste lassen einen solchen Bau erkennen. Hajek
versetzte hieher irriger Weise sogar ein Nonnenkloster, welches 2izka
zerstört haben soll.
2) Ebendaselbst S. 150.
3) Hajek ad 773 u. 827.
4) Ueber den Umfang des Dekanats vgl. §. 23.
3*
36
H o h e n s t e i n bis an die Elbe und Wesenitz im Westen und
bis in die Umgegend der alten Burg Sycin (Seitschen) im Norden,
ausserdem das grosse nachmalige Dekanat von Zittau und alles
Land östlich von Friedland bis an die schlesiche (damals pol-
nische) Gränze. Mann nannte dieses Gebiet noch im 13. Jahr-
hunderte von seiner Lage jenseits des lausitzer Gebirges das Land
Zagost, d. i. Hinterwaiden.1) Dieses Gebiet hatte wohl nebst der
übrigen jetzigen Oberlausitz vor Zeiten unter die Bothmässigkeit
Böhmens gehört, da noch im J. 861 das Ländchen Sorawe (das
Gebiet der niederlausitzer Stadt Sorau), welches Graf Thakulf dem
Kloster Fulda verehrte, als „an der Gränze Böhmens'1 gelegen,
bezeichnet wurde.2) Bei Errichtung der Mark Meissen wurde Za-
gost dahin einverleibt.3)
2. In dieser Zeit, da innerhalb der böhm. Gränzgebirge der
christliche Glaube zu sprossen begann, wohnten im Ländchen Zagost
und im Gebiete von Budisin die slawischen Stämme der Milcencr
undZelpoler. Noch heute erinnern der Berg Cernobog (der schwarze
Gott) bei Löbau und die Ortschaft Jüterbog (Jitrobog der Morgen-
oder Lichtgott) an ihre alten heidnischen Heiligthümer.4) Möglich,
dass schon durch den christlichen Herrn des Gebiets von Sorau,
den erwähnten Grafen Thakulf, und mehr noch durch die freilich
') Dieser Umfang von Zagost ergibt sich aus den Gränzvergleichen zwischen
Zagost und Budisin in den Jahren 1228 u. 1241. (Urkunde bei Erben
S. 482 etc.) In diesen erscheint unter andern das heutige Einsiedeln bei
Sebnitz als „locus tibi mansit heremita" , der Sebnitzbach als Lozina,
der Hochwald mit dem Buchberge bei Wolmsdorf als Bukowä hora, über-
haupt eine Menge gegenwärtig theils verschwundener, theils noch üblicher,
theils jetzt verdeutschter slawischer Namen, jedoch inmitten derselben auch
bereits zahlreiche deutsche Benennungen, als eben so viele Andeutungen
über die damalige Bevölkerung von Zagost. Siehe den Anhang.
8) Urkunde bei Erben regesta 12 u. 13.
3) Heinrich der Vogler eroberte es um das Jahr 930.
4) In diesem Gebiete fand man ehemalige heidnische Opferherde bei Weigs-
dorf und auf dem Spitzberge bei Oderwitz. Heidnische Begräbnissplätze
entdeckte man in Zittau, bei der Neissbrücke unweit Hirschfelde, bei
Grottau, bei Grossschönau auf dem Eigen, bei Tollenstein. (Palme: Rück-
blicke in die Vorzeit des böhm. Niederlandes, MS.; vgl. Peschck: Gesch.
v. Zittau I. 3, 368: Knothc: Gesch. von Hirschfelde S. 2; Schmidt: Ober-
laus. Kirchengalerie S. 3(J, 209, 232. Kaliina: Opferplätze.
37
nur vorübergehende Besitzergreifung des sorauer Gebietes von
Seiten des -Klosters Fulda der Ruf des Christenthums auch
in diese Gegend drang; wahrscheinlich sogar, dass die Christia-
nisirung des Umkreises von Gabel auch die angränzenden Gegen-
den von Zagost berührte : dass aber die h. Ludmila selbst das
Christenthum in dieser Landschaft befördert und die erste christ-
liche Kapelle daselbst an der Neisse (angeblich bei einem Dorfe
Tachow) erbaut, und dass sogar der h. Methud diese Kapelle per-
sönlich eingeweiht habe,1) entbehrt alles positiven Grundes, und
widerspricht sogar den bereits sicher gestellten historischen That-
sachen.2) Die völlige Christianisirung dieser Gegenden fällt in
eine etwas spätere Zeit und ward einWerk derBischöfe von
Meissen. Urkundlich erstreckte sich die im Jahre 973 errich-
tete bischöfliche Diöcese von Prag auf dieser Seite „bis in die
Mitte des Gebirgswaldes,"3) unter welchem eben nur das
bereits erwähnte lausitzer Gebirge verstanden werden kann. An-
dererseits lief die schon um 936 festgestellte Gränze des meissner
Bisthüms vom Ursprünge der Elbe geradeaus zwischen den Land-
schaften Nisen4) und Böhmen hin, dann über die Elbe hinweg
längs des Erzgebirges bis an die Quelle der freiberger Mulde.5)
Wohl gelangte das Gebiet von Zittau (mit Warnsdorf, Rumburg
und Schönlinde) späterhin wieder unter die Jurisdiktion des prager
Bischofs:6) dagegen blieb das übrige Zagost nebst Bu-
') Karpzow : Ehrentempel c. 2, S. 25.
3) Vgl. S. 12.
3) Cosmas ad 1086.
4) Nisen ist der Eibgau von Pirna bis in die Nähe von Meissen, nordöstlich
von der jetzigen Oberlausitz (damals Gau Budisin) und südwestlich vom
alten Gau Glomaci begränzt. Vgl. solche bei Calles: Series episcoporum
Misnens. p. 50, 78, 79 etc. Noch 1346 heisst diese Gegend Archidiaconatus
Nisicensis. Vgl. Matricula jurisdictionis episcopatus Misnensis ad 1346 in
orig. im domstiftlichen Archive zu Budisin und bei Calles.
5; Calles: Series episcop. Misn. p. 17.
G) Wahrscheinlich geschah diess in der Zeit der Einverleibung des Zittauer
Kreises zum Lande Böhmen^ nachdem der Gau Budisin mit Görlitz an
Brandenburg verloren gegangen war (c. 1260). Zittau soll im J. 1010
von Chitava, der Gattin des Markgrafen Manfred, und zwar zunächst als
Kloster angelegt worden sein. Den dort entstandenen Burgflecken, der
als Hauptort des Dekanats wahrscheinlich älter war als die übrigen Ort-
schaften der Gegend, erhob erst Premysl Ottocar IL 1255 zur Stadt. —
38
disin durch das ganze Mittelalter hindurch und bis
in die neuere Zeit herab derDiöcese vorn Meissen
einverleibt. Auf dem jetzt böhmischen Antheile entstanden
von dort aus allmälig die zum Dekanate Seide nberg zugewie-
senen Pfarreien des friedländer Gebiets : Friedland, Wiese, Kuners-
dorf, Bertsdorf, Bullendorf, Ullrichsdorf, Bernsdorf, Heinrichs dorf,
Lusdorf, Raspenau und Ringenhain. Zum Dekanate von Lob au
zählte die Station Georgswalde, zum Dekanate von Hohen stein
(später Sebnitz) wurden die Pfarrorte Schlukenau, Nixdorf, Schö-
nau, Lobendau, Hainspach und Zeidler gerechnet, letztere beiden
aber unter der unmittelbaren Jurisdiktion (und Collatur) des jewei-
ligen Dechants der Kollegiatkirche zu Budisin. In ähnlicher Weise
gehörten die am meissnischen Abhänge des Erzgebirges gelegenen
nunmehr böhmischen Pfarrdörfer Moldau und Flöhau zum freiberger
Jurisdiktionsbezirke des Propstes von Meissen.1) Diess sind also
die Seelsorgsgemeinden der jetzigen Diöcese Leitmeritz, welche
die ersten Anfänge ihres kirchlichen Lebens in Meissen zu suchen
haben.
3. Im J. 930 erbaute der deutsche König Heinrich der Vogler
nach vollbrachter Unterwerfung der slawischen Dalemincier in Mitten
ihres Landes, wo die beiden Gaue Nisen und Glomaci sich be-
rührten, die feste Burg Meissen und erhob selbe zum Sitze eines
mächtigen Markgrafen. Von hier aus eroberte der tapfere Fürst
auch das Gebiet der Milcener und Zelpoler (Zagost und Budisin),
das seitdem für lange Zeit dem böhmischen Mutterlande entfrem-
det blieb. Sein noch grösserer Sohn Otto trug die .siegreichen
Waffen noch weiter in die Länder der nördlicheren Slawen. Er
that aber noch mehr als dieses : er hinterliess den Besiegten die
christliche Lehre und gründete zur Pflege derselben mehrere Bis-
thümer. Für die meissnische Mark erhob sich 948 2) d i e b i-
Görlitz wurde vom böhmischen Herzog Sobeslaw I. 1125 als Flecken Dre-
benau angelegt und nach dessen Brande 1131 als Horelec (Görlitz) zur
Stadt erhoben. (Grossem: Laus. Merkw. I. 44. 32.)
*) Matric. jurisd. Misn. ad 1346 ut supra. Ein unbedeutend abweichender
Abdruck bei Calles, p. 3G5 etc.
a) Stiftungsbrief bei Calles series episc. Misn. p. 11; doch wird seine Aecht-
heit angefochten. Auch bei Schöttgcn: Historie der chursächsischen Stifts-
stadt Würzen, u. a. 0.
39
s chö flieh e Kathedrale zu Meissen als sicherer Mittel-
punkt und nachhaltige Pflanzstätte begeisterter Glau-
bensprediger. Sofort ward hier die Religion, die man an den
Gränzen der Dalemincier dereinst schon aus dem Munde des heil.
Bonifacius vernommen, und späterhin auch von den karolingischen
Gränzburgen Magdeburg und Halle aus kennen gelernt hatte, zur
heiligen Ueberzeugung des gesammten Volkes, und diess um so
mehr, als die Bischöfe selbst unermüdlich waren im apostolischen
Werke der Heidenbekehrung.
4. Nisin, Zagost und Budisin waren schon das Ziel der Mis-
sionsreisen des ersten meissner Bischofs Burchard. Einst ein
frommer Klosterbruder in Regensburg, dann der treue Kapellan
des grossen Kaisers Otto, trug er beiläufig seit 949 den bischöfli-
chen Hirtenstab. Ausdrücklich rühmen seine Biographen ihm nach,
dass er den Slawen jenseits des rechten Eibufers die
Lehre des gekreuzigten Heilands verkündigt -habe.1)
Damals (c. 958) entstand auf einem schon 807 angebauten Hügel
am Ufer der Spree die feste Burg zu Budisin 3) als nachmaliger
Mittelpunkt des christlichen Bekenntnisses für das weite Gebiet
vom Fusse des lausitzer Gebirgs bis an die äussersten Gränzen
der Niederlausitz. Ohne Zweifel erhob sich alsogleich in der
neuen Burg unter dem Schutze der christlichen Burggrafen das
erste christliche Gotteshaus, wenn auch immerhin unansehnlich
und aus blossem Holz erbaut. Bischof Burchard starb in Mitten
seiner apostolischen Thätigkeit am 1. Juli 972. 3)
§. 12. Die geistliche Jurisdiction in Böhmen.
1. Es wurde bereits (§. 2) erzählt, dass die erste Aufnahme
unseres Vaterlandes in den Verband der h. Kirche durch die Taufe
der 14 böhmischen Edeln zu Regensburg im J. 846 erfolgt war,
ebenso auch, dass damals der Bischof Botherich von Regensburg
•V
den Auftrag erhielt, das Volk der Cechen in der ch ri st li-
eh en Religion zu unterweisen. Die gewissenhafte Ausfüh-
*) Albmus p. 27S. Calles 36— 39.#
2) Sintenis: Die Oberlausitz, S. 61 u. 62.
3) Albinus u. Calles 1. c.
40
rung dieser Mission machte damals schon Böhmen zu einer Pro-
vinz der bischöflichen Diöcese von Regensburg. Es war diess auch
in den Zeiten des h. Methud in der Weise anerkannt, dass im J.
880, als vom Papste Johann VIII. der Auftrag ergangen war, nebst
Neutra noch einen zweiten Bischofssitz im grossen Metropolitan-
sprengel zu gründen, ')'es demgrossen Slawenapostel nicht
einmal in den Sinn kam, dem weiten Lande Böhmen sei-
nerseits einen eigenen Oberhirten geben zu wollen,
was doch unfehlbar hätte geschehen müssen, falls unser Vaterland
zu Methuds Erzdiöcese gerechnet werden durfte.
2. Die altslawische Legende vom h. Wenzel *) erzählt uns
eine interessante Thatsache aus der Piegierungszeit Wratislaws,
des Sohnes Bofiwojs. Dieser Fürst „berief, einen B i s ch o f
mit der ganzen Geistlichkeit, und nachdem sie die Li-
turgie abgesungen hatten in der Kirche der h. Maria,
nahm der Bischof das Kind (den h. Wenzel), stellte es
auf die Stufen vor den Altar und segnete es mit den Worten:
Herr Jesus Christus, segne dieses Kind mit dem Segen, mit wel-
chem Du alle Gerechten gesegnet hast. Darauf schoren andere
Fürsten seine Haare." — Es ist diess das erste sicherge-
stellte Auftreten eines Bischofs in Böhmen. Methud
war damals längst schon in die Ewigkeit gegangen. Sollte es also etwa
jener Johannes Bischof von Podiwin (in Mähren) gewesen sein, der
nach Stfedowsky 3) um 913 in Böhmen sich viele Verdienste um die
Religion erworben haben soll? Leider wusste vor dem genannten
Schriftsteller durch so viele Jahrhunderte Niemand etwas von einem
Bischöfe zu Podiwin und noch weniger von einem Besuche desselben
in Böhmen. Dagegen ist es ausgemacht, dass im J. 899 der Papst
Johann IX. einen Erzbischof Namens Johann nebst den zwei Bi-
schöfen Benedict und Daniel nach Mähren sandte, aber nur, um
sich als apostolische Legaten durch eigene Anschauung über den
kirchlichen Zustand des Landes zu unterrichten, und nach gewon-
nener Ueberzeugung das Nothwendige und Erspriessliche vorzu-
l) Vgl. den Brief Johann VIII. an fcjwatopluk d. d. mense Junio 880 in Gin-
zels Codex zur Geschichte der Slawenapostel S. G0 etc.
3) Bei Wattenbach: die slawische Liturgie in Böhmen, S. 234.
3) L. V. c. 1. pag. 4G4.
41
kehren. Mit der Eintheilung „Mährens" in einen erzbischöfli-
chen und 3 bischöfliche Sprengel und der Einsetzung der erfor-
derlichen Oberhirten war ihre Sendung vollendet.1) Böhmen war
dabei um so weniger einbezogen, als es sich damals geradezu den
Baiern anschloss, um den Protest der salzburger Kirchenprovinz
gegen jene Anordnung der päpstlichen Legaten auch noch durch
einen feindlichen Einfall in Mähren zu unterstützen. Wenige Jahre
darauf aber wurde Mähren eine Beute der Magyaren und in den
Untergang des Reiches war auch der Ruin der mährischen Kirche
verflochten.2) Wir werden also nicht irren, wenn wir in dem von
Wratislaw wahrscheinlich um 920 berufenen Bischöfe den Ober-
hirten von Regensburg sehen. Ein lateinischer Bischof war es im-,
zweifelhaft, da die altslawische Legende bald nach der citirten
Stelle vom heil. Wenzel rühmt, derselbe habe begonnen, „latei-
nische Bücher zu verstehen, wie ein guter Bischof
oder Priester." 3) Für den Bischof von Regensburg spricht aber
das schon oben Erwähnte und endlich ganz unbestreitbar der wei-
tere Verlauf der Geschichte.
3. Der jugendliche Wenzel war mittlerweile zur Herrschaft
gelangt. Wiederholt wendete er sich nun in kirchlichen Angele-
genheiten ' an den Bischof von Regensburg als Oberhir-
ten Böhmens. Als er mit dem Gedanken umging, seiner verklär-
ten Grossmutter Ludmila eine würdige Ruhestätte zu bereiten,
that er es nicht, ohne zuvor „eine Gesandtschaft nach Re-
gensburg zu senden, um den Bischof jener Stadt,
dessen Diöcesanen damals die Böhmen waren, dar-
über zu befragen," und selben zur feierlichen Uebertragung
der heiligen Ueberreste einzuladen.4) Ebenso ersuchte er denselben
Bischof, Namens Tuto, die noch ungeweihte Kirche S. Georg zu
konsekriren, und es geschah seiner Bitte dadurch Genüge, dass
der erkrankte Oberhirt einen bischöflichen Stellvertreter an seiner
Statt zur heiligen Weihehandluug entsendete.5) Als der gottbegei-
') Nachweis bei Ginzel: Geschichte der Slawenapostel, S. 98 u. 99. Vergl.
Dobner annal. III. 443.
2) Ginzel, S. 101, cit. Gfrörer a. a. 0. II. 385.
3) Wattenbach: slaw. Liturgie S. 235.
4) Christannus de Skala: Vita S. Ludmilae et S. Wenceslai.
5) Historia translationis S. Ludmilae ex MS. Clementino cit. Dob. ann. III,
42
sterte Fürst daran ging, eine neue Kirche des h. Veit in seiner
herzoglichen Burg zu errichten, that er es wieder nicht, ohne
zuvor die ausdrückliche Erlaubniss des regensburger Bi-
schofs einzuholen, wobei noch bemerkenswerth ist, dass er sich
ausdrücklich auch auf das Beispiel seines verstorbenen
Vaters berief.1)
4. Selbst unter der Herrschaft Boleslaws I. ward die Juris-
diktion des regensburger Bischofs in vollem Maase anerkannt.
Als es sich um die Weihe des vollendeten S. Veitsdomes handelte,
sandte auch dieser den Ausländern nichts weniger als freundliche
Fürst eine Gesandtschaft nach Regensburg „an den dortigen
B i s cli o f, i n d e s s e n D i ö c e s e damals n a ch d e n B e s t i m m u n-
ge'n der kirchlichen Canonen Böhmen gelegen war."2)
Der damalige Bischof Michael — anfangs noch dem Brudermörder
zürnend — Hess sich endlich erbitten: er reiste persönlich nach
Prag, wo er von dem ihm entgegen eilenden Klerus und Volke
mit Ehren und Frohlocken empfangen ward, und sofort die feier-
liche Konsekration am 24. September 945 (?) vollzog.3)
5. Es wurde bereits (§. 10) der alten Sage gedacht, dass
auch der h. Wolfgang, Bischof von Regensburg, auf seinen apo-
stolischen Reisen in unser Vaterland gekommen sei. Wichtiger
als dieses ist die erwiesene Thatsache, dass Böhmen unter An-
derem auch der uneigennützigen Gesinnung dieses Mannens ein ei-
genes Bisthum verdankt. Es wird erzählt,4) dass Kaiser Otto IL
Abgeordnete an den frommen Bischof sandte, „damit dieser ihm
gestatte gegen Uebergabe einiger Güter in Böhmen
ein eigenes Bisthum zu errichten." Hoch erfreut ob
dieser Botschaft berief Wolfgang seine geistlichen Räthe. Als aber
584. Der Stellvertreter war ein Chorepiscopus des regensburger Bischofs.
Im J. 932 erscheinen urkundlich Dilpertus und Svaterlohus als Re-
gensburger Chorepiscopi. Einer dieser beiden dürfte der Consecrator der
Georgskirche gewesen sein. Codex episcopatus Batisbonensis Thomae Ried.
I. 96, et Index p. 368.
') Hyzonis Vita S. Wenceslai} ebenso der ottonianische Biograph.
J~) Worte des dem Ereignisse sehr nahe stehenden ottonianischen Biographen
des heil. Wenzel, der freilich Boleslaws Namen nicht ausdrücklich nennt.
Die Geschichte der Gesandtschaft des Boleslaw bei Cosmas p. 40.
3) Cosmas p. 40.
4) Anonymus idemqiie sodedis S. Wolfgangi Biographus bei Dobn. ann. IV, 214.
/ 43
diese ihm abriethen, des Kaisers Wunsch zu erfüllen, sprach er:
„Wir sehen im Boden jenes Landes eine kostbare Perle verborgen,
die wir nicht gewinnen können, wenn wir nicht unsere Schätze
dahingehen. Desshalb höret, was ich sage. Freudig opfere ich
mich selbst und all das Meine auf, damit dort ein Haus des Herrn
durch die in Glauben gekräftigte kirchliche Gemeinde erbauet werde."
§.13. Fortsetzung.
Es bleibt nach all' dem Gesagten kein Zweifel übrig, dass
Böhmen ohne Unterbrechung bis zum Augenblicke der Errichtung
eines eigenen Bisthums zum bischöflichen Sprengel von Regens-
burg gehörte. Sonach hat unser Vaterland als seine ersten Ober-
hirten die nachfolgenden Bischöfe von Regensburg zu verehren.
a) Botho rieh (Baturicus). Derselbe wird schon 819 als
Bischof von Regensburg erwähnt.1) Im J. 846 taufte er die 14
böhmischen Edlen und übernahm sofort den weiteren Unterricht
der Böhmen im christlichen Glauben.
b) Erchanfried. Dieser, vordem Kaplan des Bischofs Bo-
thorich, wird von 848 bis 853 in öffentlichen Urkunden als Bischof
von Regensburg genannt.2)
c) Embricho (Ambrichus, vielleicht gleichbedeutend mit
Emmerich) wird zuerst in einer Urkunde v. 864 namentlich ange-
führt.'5) Im J. 872 nahm er an dem Kriegszuge Ludwigs des Deut-
schen gegen die Mährer . thätigen Antheil und entkam damals nur
mit Noth der allgemeinen Niederlage.4) Er wird noch im J. 889
genannt.5) Als sein Todesjahr wird das Jahr 891 angegeben.
d) Aspertus war im J. 889 noch Diakon und Erzkanzler
des deutschen Königs Arnulph.6) Er bestieg nach dem Ableben
Embricho's den bischöflichen Stuhl von Regensburg.
e) Tuto, vordem Klosterbruder bei S. Emmeram zu Regens-
burg, gelangte im J. 894 auf den bischöflichen Stuhl. Er wird
*) Urkunde in Ried: Codex Ratisbonensis I, 17.
2) Ebendaselbst I, 41-44. Vgl. p. 26.
3) Ebendaselbst I, 49 etc.
4) Annales Fidd. ad 872.
5) Codex Batisbon. I, 69.
6) Ebend. I, 70 und 71.
44
als ein Mann von grosser Sanftmuth und Frömmigkeit so wie
auch von ausgezeichnetem Geiste gerühmt.1) Wahrscheinlich war
es dieser Bischof, der um 912 die bereits erzählte Ceremonie der
Haarabschneidung mit dem herzoglichen Prinzen Wenzel vornahm.
Sicher ist, dass er nachmals unter der Regierung dieses heiligen
Fürsten ganz unbeschränkt die Jurisdiktion in Böhmen ausübte.
In öffentlichen Urkunden geschieht seiner zuletzt im J. 925 Er-
wähnung.2) Doch starb er erst im J. 930, nachdem er längere
Zeit als völlig erblindeter Greis der Aushilfe der Chorbischöfe Dil-
pertus und Swaterlohus in seinem bischöflichen Amte bedurft hatte.3)
f) Isangrin, der unmittelbare Nachfolger Tutos, partici-
pirte an der Provinzialsynode, welche im J. 932 unter dem Vor-
sitze des Metropoliten von Salzburg zu Dingelfingen abgehalten
wurde. Als Gegenstand der Verhandlungen wird der „kirchliche
Stand" angeführt.4) Gewiss wurde dabei auch Böhmens mitge-
dacht. Die bekannten öffentlichen Urkunden erwähnen Isangrins
Namen zum letzten Male im J. 940. 5) Sein Tod soll aber erst im
J. 943 erfolgt sein.6)
g) Günther, Mönch bei S. Emmeram, wurde im J. 944 zum
Nachfolger Isangrins erwählt, starb aber schon nach 6 Monaten,7)
und es folgte ihm noch in demselben Jahre im bischöflichen Amte
h) Michael,8) dem — wie bereits berichtet wurde — unser
Vaterland die Konsekration der S. Veitskirche verdankt. Er wohnte
— wahrscheinlich auch von Vertretern des böhmischen Klerus be-
gleitet — im J. 948 der grossen Synode zu Ingelheim bei, bei
welcher ausdrücklich ausser 34 Bischöfen eine Menge „vom Klerus
der Diöcesen, von Aebten, Kanonikern und Mönchen" als anwesend
angeführt wurden. Es wurden da sehr heilsame Gesetze zur För-
derung des kirchlichen Lebens und zum Schutze des geistlichen
') Dobn. annal. III, 301, cit. Bucellin. Germ. sacr. I, 44, und Cänis. anüqu.
lect. IL
2) Codex Batisbon. I, 95.
3) Dobn. annal. III. 585 u. 602. cit Arnulphus L. 1 u. oben num. 3.
4) Codex Batisbon. I, 95.
5) Ebendaselbst I, 96.
G) Dobn. annal. IV, 49.
7) Ebendaselbst.
8) Chron. breve Bojar, anonymi Emmeramensis monachi (732 — 1062 bibl.
Univ. Prag XI, A.)
45
Standes erlassen. Insbesondere sollten fortan Laien nicht über
Kirchen verfügen ohne Bewilligung des Bischofs, nicht die Geistli-
chen belästigen, und nicht die Opfer auf dein Altare in Anspruch
nehmen. Auch wurde bei dieser Gelegenheit die Zahl der
Feiertage zu Ostern und Pfingsten, und die kirchliche Faste in der
Bittwoche festgesetzt. Processe, den kirchlichen Dezem betref-
fend, sollten nicht vor dem weltlichen Gerichte, sondern vor der
Synode geführt werden. Ehen in verbotenen Graden der Verwandt-
schaft wurden strengstens verpönt.1) Bischof Michael wohnte auch
im J. 952 der Synode zu Augsburg bei, vielleicht wieder in Be-
gleitung böhmischer Geistlicher. Es wurde hier promulgirt, dass
Geistlichen das Wohnen mit Frauenspersonen, Jagd und Würfel-
spiel streng verboten und dass ein Beweibter, der eine
heilige Weihe besitze, seines Amtes zu entsetzen sei.
Dezimationsstreitigkeiten sollten vor das Forum des
Bischofs gehören.*) Wir führen diese Bestimmungen aus dem
Grunde an, weil sie auch für unser Vaterland Böhmen massgebend
sein mussten. Im J. 958 fand neuerdings eine Synode von 41 Bi-
schöfen zu Ingelheim statt, an der gewiss auch Bischof Michael
sich betheiligte. Sicher befand er sich im J. 962 mit Kaiser
Otto I. auf der Synode zu Born.3) Er starb im J. 972,4) und es
folgte ihm
i) der h. Wolfgang in der bischöflichen Würde nach. Dieser
„hellste Stern des Jahrhunderts" 5) stammte aus einer an-
sehnlichen Familie in Schwaben. Als Jüngling hatte er seine erste
wissenschaftliche Bildung im Kloster Iteichenau und später in
Würzburg erhalten. Als sein Verwandter Heinrich den erzbischöf-
lichen Stuhl zu Trier bestieg, ward auch Wolfgang beredet, in
diese Stadt zu ziehen: doch erwählte er sich unter den angebote-
nen Schätzen und Ehren — lediglich das Amt eines Lehrers der
Kleinen, die er sofort ebensowohl in der Heiligkeit als in der
') Anndlista Saxo ad h. a. Dobn. annäl. IV, 67 cit. Frodoard und die Con-
ciliarakten bei Lambecius und Conc. Germ. II. 610.
2) Dobn. arm. IV, 90. cit. Hermann : Contractus et uita S. Udalrici apud Ma-
billon; Concil. Germaniae II. p. 622.
3) Dobn. arm. IV. 117 u. 130.
4) Necrol. Fttldense cit. bei Dobn. cum. IV, 203.
5J Fleury: hist. eccl. XIII, 522.
46
Wissenschaft heranzubilden bemüht war. Nach Heinrichs Tode zog
ihn der heil. Bruno, Erzbischof von Köln, in seine Nähe. Alle
Würden verschmähend, erbat er sich hier die Freiheit, fortan im Klo-
ster zu Einsiedeln als armer Mönch leben zu dürfen. Doch erhob ihn
seine hohe Bildung in Kurzem zum Lehrer der dortigen Kloster-
schule, welche durch ihn einen ausgebreiteten Ruf gewann. Da
wollte er um 970 seinem Ruhme dadurch entfliehen, dass er als
Glaubensprediger zu den Magyaren zog. Ein wenig befriedigender
Erfolg führte ihn von da nach Passau zurück, von wo er wieder
zurückeilen wollte in seine klösterliche Einsamkeit. Da ereilte
ihn zu Passau die einstimmige Wahl des Kaisers sowie des
Klerus und Volkes : — widerstrebend musste er den bischöflichen
Stuhl zu Regensburg besteigen. Wie er hier selbst bis zu
seinem Tode Kleid und Sitte des- armen Klosterbruders be-
wahrte und unermüdlich war in Werken der Frömmigkeit und
Selbstverleugnung: so suchte er auch nach Aussen in jeder Weise
frommen Sinn und ■ christliche Sitte zu fördern. Nach allen Rich-
tungen seine weite Diöcese durchwandernd, ward er überall der
Wiederhersteller klösterlicher Zucht und der eifrigste Lehrmeister
für Klerus und Volk. Eigenen Vortheils gedachte er nie. So
entsagte er freudig der guten Sache zu Liebe dem Einkommen
des Klosters S. Emmeram, welches seine Vorfahren bisher genos-
sen hatten; und um auf Otto I. Fürsprache der jugendlichen
Kirche Böhmens ein nachhaltiges Gedeihen zu sichern, willigte er
eben so bereit in die Errichtung des prager Bisthums ein. Mitten
in seinem h. Wirken rief der Todesengel den edelsten und frömm-
sten Bischof zur himmlischen Vergeltung — am 31. Oktober 994.
Er starb zu Puppingen in Oesterreich. Den durch zahlreiche
Wunder Verherrlichten setzte Papst Leo IX. 1052 unter die Zahl
der Heiligen Gottes.1)
§. 14. Ritus in Böhmen.
1. Die Frage nach dem ursprünglichen Ritus in Böhmen ge-
winnt eine besondere Wichtigkeit durch den Umstand, dass spä-
terhin die akatholische Partei in Böhmen ihren Widerwillen
]) Mabill. saec. V. Benecl. 241 etc. Vit. saec. V. Bened. 812 etc. Martyr.
Rom. 31. Okt.
47
gegen die heil. Kirche theilweise auf die Behauptung stützte, erst
Mlada, die Schwester Boleslaws IL, habe den römi-
schen Ritus in unser Vaterland gebracht, der sofort von
den auf einem Landtage versammelten Geistlichen und Edeln an-
genommen worden sei; das Volk aber habe den alten sla-
wischen Ritus durch alle Jahrhuiulerte im Stillen
bewahrt, bis endlich die husitische Bewegung denselben wieder
zur Geltimg brachte.1) Wenn aber, wie bisher nachgewiesen wurde,
die kirchliche Jurisdiktion der Bischöfe von Regensburg vom ersten
Anfange an unbestritten und ununterbrochen bis zur Errichtung
eines eigenen Bisthums in Böhmen bestanden hat: so ist eigent-
lich in Vorhinein kaum ein Zweifel mehr übrig, dass in unserem
Vaterlande auch der lateinische Ritus der römischen Kirche ur-
sprünglich und ausschliesslich zu Hause war. Einen andern konnten
ja die von Regensburg aus jurisdiktionirten Priester nicht ins
Land bringen, und einen anderen würden die Bischöfe von Regens-
burg nimmer geduldet haben, da diese gewiss auf ihre Rechte
nicht weniger eifersüchtig waren, als ihr Metropolit zu Salzburg
und ihr Konprovinziale von Passau in Bezug auf Mähren und
Pannonien. Am allerwenigsten aber darf es dem heil. Methudius
zugemuthet werden, dass er — der unbestritten heilige Mann —
ohne eine ähnliche Authorisation, wie er sie bezüglich des mäh-
risch-pannonischen Sprengeis vom Papste selbst überkommen hatte,
irgend welche Rechte auf entschieden fremdem Gebiete in Anspruch
genommen, und somit ein schweres Unrecht gegen einen benach-
barten Bischof sich erlaubt habe. Zum Ueberflusse ist das
ruhige Schweigen des regensburger Oberhirten ein
beredtes Zeugniss gegen einen derartigen Verdacht.
2. Aus der altslawischen Wenzelslegende,2) die sogar in die
Zeiten Boleslaws I. hinaufreichen soll, erfahren wir ganz genau,
was für Priester unser Vaterland nach der Taufe Bofiwojs besass.
Dort wird von dem heiligen Jünglinge Wenzel berichtet, „dass
er lateinische Bücher zu verstehen begann, sowie ein
guter Bischof oder Priester." Auch wird gesagt, dass seine
Grossmutter Ludmila „ihn in slawischer Schrift unterrichten
') So Paulus Stränsky c. 6, num. 47 ohne Angabe irgend einer altern Quelle.
s) Wattenbach: slawische Liturgie in Böhmen, S. 234 etc.
48
Hess, wie einen Priester." Demzufolge musste damals ein
Priester in Böhmen unbedingt die lateinische Sprache verstehen,
die ihm doch völlig überflüssig gewesen wäre, wenn der Ritus
nicht eben der lateinische war. Obendrein kann es nichts weniger
als gleichgültig erscheinen, dass die öffentliche Schule, wo der
heilige Prinz die lateinische Sprache, „wie ein guter Bischof oder
Priester" erlernte, zu Budec, also mitten im Herzen des Landes
sich befand, und dass sein dortiger Lehrer Unego wahrscheinlich
ein Slawe war.1) Allerdings musste ein Priester in Böhmen zu-
gleich auch in der slawischen Sprache gewandt sein und insbeson-
dere in der slawischen Schrift; jenes um das Wort Gottes frucht-
bringend zu verkünden, und dieses, um die gewiss schon üblichen
Perikopen der heiligen Bücher (muthmasslich sogar die vom heil.
Cyrillus) vorlesen und andere in ihrer Lesung unterrichten zu
können.8)
3. Als angeblichen Beweis für das Bestehen des slawischen
Ritus in Böhmen hat man das alte Kirchenlied „Gospodi po-
miluj nyu angeführt, das in seinen Wortformen kirchenslawisch
sein soll.3) Dieses Lied hat sich in seiner Gänze sogar bis auf
die Gegenwart erhalten, während ehedem der Endrefrain desselben,
das dreimalige Krles (statt Kyrie eleison) ebenso als allgemeiner
Freudenruf bei feierlichen Anlässen, sowie als Kampfgeschrei in
offener Feldschlacht üblich war. Zum eigentlichen kirchlichen
Ritus hat aber dieses Lied in den ältesten Zeiten eben so wenig
gehört, wie heute irgend ein anderes Lied, das vom Volke wäh-
rend des h. Messopfers abgesungen wird. Es könnte also höchstens
') Beide Umstände führt die vita et passio B. Wemeslai M. (angeblich) von
Bischof Hyzo ausdrücklich an.
8) Seltsamer Weise hat Wattenbach (slawische Liturgie in B. S. 224) nur
die Stelle vom slawischen Unterrichte des heil. Wenzel berücksichtigt
und versteigt sich in Folge dessen zu der Behauptung: das Bestehen des
slawischen Ritus in Böhmen wäre sicher gestellt, wenn die Echtheit dieser
Stelle zugegeben würde. Ihm scheint also in dieser Stelle das gewichtigste
Argument für die fragliche •Sache zu liegen. Am Ende nur desshalb fühlt
er sich (S. 232) gedrängt, zum Schlüsse die Sache als noch unbewiesen hin-
zustellen, weil er an jener Echtheit zweifelt. Wir aber lesen in der an-
gezogenen altslawischen Legende nur einige Zeilen weiter und kommen
so gerade zu einem entgegengesetzten Resultate.
3) Wattenbach 1. c. S. 225. Palacky I, 155.
49
für ein ehemaliges Verständniss der slawischen Kirchensprache in
Böhmen Zeugniss geben. Aber konnte dazu nicht schon die ursprüng-
lich viel nähere Verwandtschaft derselben mit der alt-böhmischen
Sprache und die wohl zu allen Slawen gedrungene Kenntniss der
nichtrituellen Schriften des h. Cyrillus, der einzigen slawischen
christlichen Literatur jener Zeit, genügen? Zudem wissen wir ja,
dass jenes Lied erst durch den heiligen Adalbert in unser
Vaterland gekommen ist. Dieser h. Bischof, dem gewiss Niemand
einen andern, als den lateinischen Ritus zumuthen wird, galt sogar
ziemlich allgemein als Verfasser des lieblichen Liedes ; ') wahr-
scheinlicher aber hat er es bei Gelegenheit seiner ersten Heimkehr
von Born aus den südslawischen Ländern mitgebracht,3) wo da-
mals das Kirchenslawische Volks- und Kitussprache zugleich war.
Es kann also für die fragliche Sache nicht im Geringsten als Be-
weis dienen. Ebenso wenig Gewicht hat das angebliche Haupt-
zeugniss für das ursprüngliche Bestehen des slawischen Ritus in
Böhmen: der Umstand nämlich, dass späterhin (um 1012) der h.
Prokop in der cyrillischen Schrift vollkommen unterrichtet
war. Wir leugnen eben — wie schon erwähnt — nicht im Ge-
ringsten ein ursprüngliches Verständniss der (nichtrituellen) Werke
des Mährenapostels in Böhmen, es musste dies vielmehr für die
Priesterschaft sehr nützlich und fast unerlässig sein. Aber „cyril-
lische Schrift" ist für uns nicht gleichbedeutend mit „Allem,
was zum Gottesdienste nach diesem Ritus gehörte."3)
Gerade die Thatsache, dass nachher im Kloster Prokops nicht der
cyrillische (oder besser methudische), sondern der griechisch-sla-
wische Ritus eingeführt wurde, spricht gegen eine solche Annahme.
Es. gewinnt dadurch die zuerst von Dobrowsky aufgestellte Mei-
nung hohe Wahrscheinlichkeit: Prokop habe nämlich die neue Li-
J) So die uralte Tradition, welche dieses Lied das des h. Adalbert nannte. So
auch Dobner in seinen Annal. IV, 253 und Voigt in seiner Abhandlung
vom Kirchengesange in Böhmen (Abhandlungen einer Privatgesellschaft in
Böhmen I, 210) u. a. m.
*) Vgl. Forsst: Leben des h. Adalbert. Manuskript der Universitäts-Bibliothek
in Prag XI, A, wo erzählt wird, S. Adalbert habe die Erlaubniss aus
Rom mitgebracht, dieses Lied auch in Böhmen zu singen.
3) An diese Gleichheit glaubt Wattenbach: slaw. Ritus in Böhmen, S. 227.
4
50
turgie zugleich mit den fremden kroatischen Mönchen in das Klo-
ster Sazawa aufgenommen.1)
4. Endlich kann ja gar nicht zugegeben werden, dass die Li-
turgie des h. Methud ein eigentümlicher neuer Ritus war: viel-
mehr war es entschieden die römische Messe, die seine Priester
feierten, und das römische Brevier, das man in seiner Diöcese
betete, und das römische Ceremoniale, das bei der Ausspenduug
der hh. Sakramente üblich war, — nur dieses Alles in slawischer
Sprache. Den heiligen Metropoliten, der in Rom zum Bischöfe
geweiht, und von Rom aus für den pannonisch-mährischen Spren-
gel jurisdiktionirt — allezeit im treuen Anschlüsse an die römische
Kirche verharrte, hatte zu jener slawischen Neuerung, die noch
überdiess im J. 880 die vollste Approbation des päpstlichen Stuhles
erlangte, einerseits die mangelnde lateinische Bildung seiner Geist-
lichkeit und andererseits die Hoffnung eines besseren Erfolges im heil.
Werke der Slawenbekehrung gedrängt.2) Seine liturgische Ordnung
hat sich als römischer Ritus in altslowenischerSprache
bis auf die Gegenwart in den glagolitischen Kirchengemeinden der
römisch-katholischen Diöcesen von Veglia, Zara, Spalato und Se-
benico erhalten.3) Im alten Mähren aber bestand sie unleugbar
nur mit und neben der älteren lateinischen Liturgie; denn that-
sächlich war Methuds Suffragan zu Neutra, Bischof Wiching, als Deut-
scher in seinen liturgischen Verrichtungen ein treuer Anhänger der
lateinischen Sprache. Ueberdiess war bekanntlich der mährische
Fürst Swatopluk von allem Anfange her kein Freund der slawischen
Neuerung, und begünstigte entschieden den lateinischen Klerus.4)
Somit kann nicht einmal mit Sicherheit behauptet werden, dass
die im Gefolge Bofiwojs nach Böhmen kommenden slawischen
Priester der slawischen Liturgie huldigten. Diess eben um so we-
niger, als dieselben vom Hofe Swatopluks kamen. Endlich wurden
]) Vgl. Wattenbacli slaw. Liturgie S. 227. Ginzels Geschichte der Slawen-
apostel, S. 139 etc.
8) Das Nähere ist in Ginzels Geschichte der Slawenapostel 56—83 historisch
nachgewiesen. '
3) Ein authentisches Verzeichniss der glagolitischen Gemeinden von 1857
bringt Ginzels Geschichte der Slawenapostel im Anhange 111.
4) Vgl. ebendaselbst S. 83 etc.
51
nach Methuds Tode im J. 886 alle geistlichen Schüler des grossen
Slawenapostels, an 200 an der Zahl, durch Militärmacht aus den
mährischen Landen bis über die Donau geschafft, von wo sie sich
sämmtlich nach der Bulgarei wandten.1) Fortan war ein Aufkom-
men der methudischen Liturgie in Böhmen schon gar nicht mehr
möglich.8)
II. Zeitraum.
Die jugendliche Kirche Böhmens im siegreichen Kampfe mit den
Ueberresten des alten Heidentimms.
§. 1 5. Die Errichtung des Bisthums in Prag.
1. Das Volk der Böhmen „war allerwärts im christlichen
Glauben unterrichtet und hatte — wenn auch hin und wieder mit
einiger Lauigkeit — die alten Götzenbilder beseitigt; aber eines
eigenen Oberhirten entbehrend, hatten sie noch nicht gelernt, die
neue Lehre auch im Leben zu üben." 3) Noch bewahrte man an
vielen Orten wenigstens insgeheim eine grosse Anhänglichkeit an
die falschen Nationalgottheiten, begrub die Todten gern in den
früheren heiligen Opferhainen und beging für dieselben die alten
heidnischen Trauergebräuche.4) Die Ehe wurde noch vielfach nach
heidnischer Sitte als eine auflösbare Verbindung angesehen und
leichtfertig wieder getrennt. Man achtete dabei auch sehr wenig
l) Ebendaselbst S. 94. cit. vita Clementis c. 11 — 14.
3) Ign. Joh. Hanus hat in seiner Ausgabe des „bulgar. Mönchs Chrabru" (Ar-
chiv für Kunde österr. Geschichtsquellen, 23. Bd. 1. Abth.) bewiesen, dass
Cyrill der Erfinder des heutigen glagolitischen Alphabets war; sonach war
also der jetzige glagolitische Ritus gewiss auch der Ritus der beiden Sla-
wenapostel. (Vgl. ebend. S. 6, 13, 15, 22, 24—30, 35, 39, 44—46.) Das wich-
tigste Zeugniss, das Hanus anführt, ist das des Chrabru selbst aus dem
9. und 10. Jahrhundert, der von Cyrill die Erfindung einer Schrift erzählt,
die geradezu nur die heutige glagolitische sein kann. (S. 45.)
3) Vita S. Wolfgangi bei Mabillon p. 986.
4) Cosmas a. a. 1039. Vgl. diessfalls auch die weiter unten behandelten Sy-
nodalstatuten der ersten Bischöfe Böhmens.
52
das kirchliche Hinderniss naher Blutverwandtschaft. ') und selbst
Vielmännerei und Vielweiberei traten nicht eben selten zu Tage.'-)
Nicht einmal die Geistlichkeit achtete ohne Ausnahme die Tugend
der Keuschheit B) und gegen alle Verbote der frühem christlichen
Jahrhunderte4) gab es Verheiratete und sogar Wiederholtverheira-
tete in ihrer Mitte.5) Den christlichen Lehren zum Trotze hielt
man noch an der grausamen Blutrache fest und verschonte nicht
einmal die Gotteshäuser mit blutigen Grüueln/') Die Sklaverei be-
stand noch immer im Lande :) und zahlreiche Christenkinder waren
eine verkäufliche Waare in den Händen der Juden. Nj Auch die
Trunksucht herrschte vielfach unter dem Volke und ward nicht
selten die Veranlassung zu den traurigsten Verletzungen des christ-
lichen Gesetzes.9) Alle diese Gehrechen mussten noch geheilt und
an ihrer Statt ein Lehen im Sinne der heiligen Lehre Jesu zur
allgemeinen Geltung gebracht werden.
2. Zu diesem Ende schien vor Allem die Errichtung eines
eigenen Bisthums im Lande unerlässlich ; denn ein Oberhirt ausser-
halb des Landes und in weiter Entfernung konnte unmöglich alle
nöthige Aufsicht üben und die volle Kraft seines Amtes handha-
ben. Um aber die Errichtung eines eigenen Bisthums zu ermög-
') Erben reg. p. 33. Wattenbach, Beiträge p. 51. Vgl. die nachfolgenden
Statuta synodalia.
■-I Cosmas, Vita S. Aäalherü: Buxerat hie ternas mores, iste guaterneu, foe-
»una nee solo contenta marito.
f Statuta Synodalia in Höflers Concilia Pragensia, Einleitung p. YIII & IX
4)Lpiscopi, presbyteri, diaconi uut virgincs diguntur aut vidui, aut certe post
sacmlotinm in aeternum pudki. 8. Hieran, ad Pammacb, Diess war die
alte kirchliche Praxis in der Aufnahme zum geistlichen Stande. Im J 400
wurde gegen den Bischof Antoninus von Ephesus (also sogar im Oriente)
unter die Anklagepunkte auch dieser aufgenommen, dass er nach seiner
Priesterweihe noch immer mit seiner Frau eheligen Umgang gepflogen
habe, iliuse, Pauliuus p. 199.) Die Conciliarbeschlusse von Klvira 305
Neu-Ctaarea 81 1. Aneyra 81 1. Toledo, Pavia 1012 gegen die PÄeBtewhen
sind bekannt.
*) Cosmas, Vita S. Adull, : „Saeris aUarÜ «umstrü eonnuUa mahn-
) Vgl. das traurige Ereigniss mit dem Gcschlechte der Wrfoweoen im .1 905
7) Vgl. das Leben des h. Wenzel.
8J Cosmas: Vita S. Adalberti.
»jEuend. Vgl. auch die spätem Statuta Synodalia und die Verordnungen
des Bischofs Severus.
53
liehen, mussten sich die rastlosen Bemühungen des frommen Her-
zogs Boleslaw II. mit der edlen Opferwilligkeit der Bischöfe von
Regensburg vereinigen.1) Gleich nach dem Tode Boleslaws I.
(f 15. Juli 967) brachte Mlada (Maria), die fromme Schwester des
neuen Herrschers, die Bitten ihres frommen Bruders nach Rom.5)
Eä gab da überaus Vieles zu regeln und zu ordnen. Das neue
Bisthum sollte eben alle Länder Boleslaws II. umschliossen, also
aussei- dem bisher zu Regensburg zugethcilten Böhmen auch noch
die nördlichen Gebiete des alten mährisch-pannonischen Sprengeis.
Ferner war den bischöflichen Mutterkirchen vielfältig Ersatz zu
leisten für die Kirchen, die sie in den bezeichneten Ländern auf
eigene Kosten erbaut, für die Pfarreien, die sie fundirt, und für
Zehent- und andere Rechte, die sie nebst liegenden Gütern da-
selbst erworben hatten. Endlich sollte die neue Diöcese nicht zur
Metropolie von Salzburg, wie bisher Regensburg, sondern zum erz-
bischöflichen Sprengel von Mainz gehören als Ersatz für den
Verlust, den letzterer soeben durch Errichtung des Erzbisthums
Magdeburg erlitten hatte.'1) Die opferwillige Gesinnung aller Be-
theiligten brachte die Verhandlung schon im J. 972 zum Abschlüsse.
Bevor Papst Johann XIII. aus diesem Leben schied (f 6. Sept. 972)
konnte er dem edeln Herzoge Böhmens in einem freundlichen
Schreiben die Erfüllung seines Ansuchens melden 4) (die Contirma-
tion seihst geschah erst durch seinen Nachfolger Penedikt VI.),
und auch der grosse Kaiser Otto konnte noch vor dem Ende seiner
Tage (f 7. Mai 973) die heilige Stiftung bestätigen. So ward
das Bisthum in Prag gleichsam ein letztes V er mäch t-
') Gegen das vielseitig behauptete Widerstreben des Regensburger Bischofs
Michael — angeblich bis zu seinem im Jahre 972 erfolgten Tode — spricht
die Unmöglichkeit, dass dann das langwierige Geschäft einer Bisthums-
stiftung noch vor dem 7. Mai 973 (dem Todestage Otto I.) geordnet hätte
werden können. Ueberdiess muss die Einwilligung Joliann XIII. wenig-
stens schon in das Jahr 972 gesetzt werden, da dieser Papst schon in dem-
selben Jahre gestorben ist.
•j Cosmas.
3) Damborger: synchr. Gesch. V. 189.
4) Das Schreiben Johann XIII. an Boleslaw bei Cosmas. Menken scr. III.
1641. Annul. Sax. a 907 u. A. Ginzels Geschichte der Slawenapostel
weist dessen wesentliche Echtheit nach.
54
niss der beiden Häupter der Christenheit an unser
Vaterland.1)
3. Von erstaunlichem Umfange war der neue bischöfliche
Sprengel. Ausser dem eigentlichen Böhmen umfasste er im Süd-
osten nicht allein Mähren, sondern auch die ganze Slowakei im
nördlichen Ungarn bis an die Donau und das Matragebirge hin;
dann das heutige Galizien bis an die Flüsse Bug und Stry in der
Gegend von Lemberg, die Landschaft am Bug hinab bis in die
heutige Wojwodschaft Podlachien, alles Land von da bis an die Oder
zwischen Breslau und Glogau, und endlich noch das ganze übrige
Schlesien am linken Ufer der Oder.2) Es war diess eben der
Umfang des böhmischen Reiches in jener Zeit. Die nachfolgenden
Ereignisse haben den Besitz unserer Landesfürsten bedeutend ge-
schmälert, und die nothwenclige Stiftung neuer Bisthümer im
Norden und Osten unseres Vaterlandes hat allmälig' auch die Diö-
cese von Prag auf Böhmen und die nachmals schlesische Graf-
schaft Glatz beschränkt.
4. Grossartig wie der Umfang des Bisthums war auch die
Dotation des Bischofs, so dass dieser als ein wahrer Fürst
neben dem Fürsten des Landes förmlichen Hof hielt und eine
zahlreiche von ihm belehnte Ritterschaft in Krieg und Frieden zu
seinem Gefolge zählte. Nach Cosmas war Alles, was das Bisthum zu
seiner Zeit (um 1125) besass, schon vonBoleslaw II. dem h. Adal-
bert als herzogliche Schenkung — und vielleicht auch zum Theile
als beigefügtes Familiengut des h. Bischofs, — bestätigt worden.
In dieser Zeit des Cosmas aber gehörten den Bischöfen unzwei-
felhaft schon die grossen Besitzungen von Bischofteinitz und Bi-
schoff eöic, die von ihnen den Namen erhielten, von Rokycan, Raud-
nitz und Zircinewes (in der Nähe von Königinhof). Allmälich kamen
neue Güterkomplexe dazu, und zwar um Prag, Bürglitz und Zdic, Pri-
bram, Moldauthein, Chynow, Böhmischbrod, Laun, Leitmeritz und
Teplitz, nebst Gütern in Mähren und Baiern; im Ganzen bis 1421
neunzehn grosse Herrschaften, ungerechnet die kleineren Güter.
1) Die Bischöfe von Regensburg erhielten als theilweise Entschädigung durch
Otto IL Vermittlung (vgl. §. 12, n. 5) einige ansehnliche Güter in Böhmen. Als
•solches wird insbesondere KönigswartvombairischenChronistenKales genannt.
2) Palacky, Geschichte I. 226. Diesen Umfang bestätigt das Confirmations-
diplom K. Heinrich IV. vom Jahre 1086 bei Cosmas. Siehe den Anhang.
55
Ausserdem gehörte den allgemeinen Kirchengesetzen gemäss auch
der Zehent von allen Landfrüchten der Diöcese — und zwar ur-
sprünglich 100 Garben und später 2 Metzen Getreide von jedem
Pflugmasse Ackers — ,') und nach der besonderen Sitte unseres
Landes auch die Abgabe der sogenannten Rauch pfennige zur
Dotation des prager Bisthums.2)
5. Die grossen Besitzungen der Bischöfe von Prag hatten
nicht bloss den Zweck, das Ansehen der geistlichen Oberhirten
des Landes in den Augen des Volkes und Adels möglichst hoch zu
stellen ; es ist auch bekannt, dass die Bischöfe nach den allgemeinen
Gesetzen der Kirche geradezu den grössten Theil ihres Einkom-
mens dazu benützen sollten und wirklich benützten, um Kirchen
und Geistlichkeit mit allem Notwendigen zu versehen und insbe-
sondere auch für die allgemeinen geistlichen Bedürfnisse des Landes
entsprechend zu sorgen.3) Es lag in der Natur der Sache, dass
namentlich die unmittelbaren Besitzungen des Bischofs diessfalls
einer besonderen Fürsorge sich zu erfreuen hatten, und dass in
Folge dessen gerade hier die grosse Aufgabe dieser Zeit — der
heilige Kampf gegen die Ueberreste heidnischer Sitten — zu einem
glücklichen Ende gedieh. Im Umkreise der jetzigen Diöcese Leit-
meritz gehörten zu diesen letzteren die nachfolgenden Seelsorgsta-
tionen.
a) Gastorf (Hostka), Robic, Wetla (Wettel), Tuhan
und Blizwedly (Bleiswedel). Diese Orte waren wahrscheinlich
bereits zur Zeit der Entstehung des Bisthums Bestandteile der
bischöflichen Herrschaft Raudnitz 4) und erhielten wohl auch schon
frühe durch die Fürsorge ihrer hohen Patrone eigene Seelsorger.
*) Tomek, Gesch. Prags. S. 78 u. 79. Palacky III. 2. 219.
3) Die Rauchpfennige waren von den Seelsorgern bei Gelegenheit der Haus-
visitation (am Feste Epiphaniae) nach der Zahl der Rauchfänge zu erhe-
ben und bei Gelegenheit der jährlichen Synodalversammlung an den Bischof
abzutragen. (Laut Anordnung des Bischofs Ekhard v. J. 1023.) Später
ging diess Einkommen als Theil der Collecta (Koleda genannt) an die
Seelsorger und von diesen häufig an die Schullehrer über.
3) Tomek, Gesch. Prags I. 78 u. 79. Fessler, Gesch. der Kirche p. 270. Die
meisten der obigen Bareinkünfte wurden alsbald den Seelsorgdotationen
zugewendet. Vgl. vorige Note.
4) Hierher gehörte später auch das jetzt verschollene Schloss Helfenburg —
muthmasslich die jetzige Affenburg (Hrädek) bei Auscha.
56
Wenn es begründet ist, von dem Reichthum einer Kirche auf ihr
Alter zu schliessen, welches allerdings in Ermangelung anderer
Nachrichten den allmäligen Anwuchs eines bedeutenden Vermö-
gens am besten erklären kann: so sind Gastorf, Robic und Wettel
entschieden die ältesten Landkirchen des nachmaligen leitmeritzer
Dekanates, indeni sie im J. 1384 in der weiten Umgegend den
höchsten Kirchenzehent mit dem halbjährigen Betrage von je 27
(Wetla mit 24) böhmischen Groschen zu entrichten hatten. Da-
mals betheiligte sich Tuhan mit 18 und Blizwedly mit 9 böhm.
Groschen.1) Gastorf erhielt im J. 1266 durch Vermittlung des da-
maligen Bischofs Johann III.2) und Blizwedly im J. 1296 auf Ver-
wendung des Bischofs Tobias3) die Marktgerechtigkeit. Die oben
genannten Orte blieben bis zur Husitenzeit im ununterbrochenen
Besitze der geistlichen Oberhirten unseres Vaterlandes.4) Nur
Wettel gelangte 1332 durch den Erzbischof Johann IV. in den
Besitz des von diesem gestifteten Klosters der regulirten Augusti-
nerchorherren in Eaudnitz.5)
b) Die S. Adalbertskirche in der Vorstadt Zasada zu
Leitmeritz oberhalb des bereits erwähnten S. Adalbertibrunnens,
deren selbstständige Seelsorger nebst wenigstens einem Altaristen
in den Confirmationsbüchern wiederholt erwähnt werden,6) gehörte
gleichfalls zum Patronate des . jeweiligen prager Bischofs, dessen
Vorfahren wahrscheinlich in unbekannter Zeit dieses Gotteshaus
zum Andenken ihres heiligen Vorgängers gegründet hatten. . Im
J. 1337 gelangte das Patronat zugleich mit den nahen Ortschaften
Smolnic (jetzt unbekannt), Hlinna (Hliney), Babin (Babina),
') Vgl. das Register der Kirchenzehenten, welche 1384 in Folge päpstlichen
Auftrags an den König Wenzel IV". zur Unterstützung eines projektiven
Römerzugs zu verabfolgen waren. Balbini Miscell. hist. JBohem. lib. V.
p. 9—37. Original-Mänuscr. in fürst-erzbisch. Bibliothek in Prag.
a) Sommer: Leitmeritzer Kreis.
3) Balb. litt, publicaej p. 22.
4) Nach den in der Prager erzbisch. Bibliothek aufbewahrten Conhrmations-
büchern(von 1358— 1419), den Originalprotokollen aller geistlichen Anstellun-
gen jener Zeit, übten die Erzbischöfe ihr Patronatsrecht aus: für Gastorf
in den Jahren 1358, 1361, 1365, 1374 u. 1403; für Robic 1374, 1419; für
Tuhan 1363, 1371, 1377, 1418; für Blizwedly 1404.
5) Vgl. Palacky: Archiv öesky, I. 503.
ü) 1363, 1366, 1370, 1394, 1402, 1417.
57
Bf ezi (wahrscheinlich Friesen auf der Domain e Lobositz) und Zbu-
dow (Pudova) an das neugestiftete Lateranenserkloster zu Raud-
nitz;1) von dem es um 1363 an die Herren von Wartenberg zu
Tetschen und um 1394 an die Herren von Kamyk auf Pokratic
überging.2) Dagegen verblieb ein Weinberg (Chlistnowska) bei
Leitmeritz bis 1424 im Besitze der geistlichen Oberhirten unseres
Vaterlandes.3)
c) Pocedelic, jetzt eine Filiale von Koschow, Obora bei
Laun und Wtelno bei Brüx, beide jetzt noch selbstständige
Seel sorgstationen sind ebenfalls uralte Patronatpfarren der Bi-
schöfe von Prag gewesen. Ihr hohes Alter geht aus dem Um-
stände hervor, dass Pocedelice (damals zum Schlauer Dekanate
gehörig) im J. 1384 als Halbjahrszehent den ungewöhnlich hohen
Betrag von 24, Obora (damals zum Dekanate von Saaz gerechnet)
die ebenfalls nicht geringe Leistung von 15 und Wtelno (zum Bi-
liner Dekanate zugehörig) den Betrag von 12 prager Groschen zu
entrichten hatten.4) Obora war, zugleich mit dem nahen Orte
WrSowice, dem Markte Slawetin und der Hälfte des Pfarrortes
Blsany (Flöha im alten Dekanate Bakonic) erst um 1268 durch
Tausch in das Eigenthum der prager Bischöfe gelangt.5) Dagegen
scheinen Poöedelice (mit Weltez) und Wtelno viel früher schon
zur bischöflichen Kammer gehört zu haben.6)
d) Zu den erwähnten Besitzungen des prager Bisthums kam
1335 noch durch Kauf das Gut Geiersberg oder Supihora (seit-
dem auch Bischofsberg genannt) bei Graupen mit den Ortschaften
Sobechleby (Sobochleben), Marsow (Marschen) und Uncin
(Hohenstein).7) Vordem schon hatte der Bischof Johann IV. in
l) Tomek, Gesch. Prags, I. 409.
3) Libri confirmationum ad 1363 — 1394, 1394 — 1417. Libri erectionum (die
Originalstiftungsbücher jener Zeit 1358 — 1420, 13 Foliomanuscripte des Pra-
ger Domkapitels) XIII. J. 9. Excerpirt von ßalbin Mise.
3) Derselbe wurde 1424 vom apostasirten Erzbischof Konrad um den Preis
von 100 Schock an Racek von Kojsic veräussert. (Palacky, Archiv I. 40G.)
4) Register der Kirchenzehenten von 1384 bei Baibin.
5) Tomek, Gesch. Prags I. 407, cit. eine Urkunde des Prager Domkapitels.
G) Vgl. ebendaselbst I. 410. Confirmationsakte, wobei die Prager Metropoliten
als Patrone genannt sind, finden sich in den libris confirmationum für Po-
öedelice 1411 und 1415, Obora 1415 und für Wtelno 1413. (Libr. conf.)
7) Tomek, Gesch. Prags I. 409. Die Burg Geiersberg (in den husitischen
58
dieser Gegend das Gut und diePfarrkollaturTuchomySl (Schönfeld),
das Pfarrdorf M o d 1 an y und die jetzt zum Dominium Kulm gehörigen
Ortschaften L o ch o ö i c (Lo cht s elvi tz), H ab f i (Habrschie), H o to wi c
(Hottowitz) und Sobedruh (Soborten) besessen, dieses Gebiet
aber um 1332 dem von ihm gestifteten Kloster Raudnitz einver-
leibt. Im J. 1337 tauschte derselbe diese Dorfschaften gegen an-
dere (?) zwischen Leitmeritz und Aussig wieder ein, und vereinigte
sie mit dem bischöflichen Gute Geiersberg. ]) Im J. 1384 entrichtete
Tuchomysl 6 und Modlan 9 böhm. Groschen als halbjährigen Kir-
chenzehent für die Römerreise Wenzels IV. a) Dieser verhältniss-
mässig geringere Beitrag lässt vermuthen, dass beide Pfarrbenefi-
zien kaum vor die Zeit des bischöflichen Besitzes zurückreichen
dürften.
e) Unmittelbar vor der husitischen Bewegung (wie lange
auch vorher schon, ist nicht zu ermitteln) besassen die Oberhirten
Böhmens auch das alte Pfarrdorf Zercice, das jetzige Zemcin
auf der Herrschaft Dobrowitz im bunzlauer Kreise, welches der
Erzbischof Ernest neu wieder auferbaut hatte,3) nebst den benach-
barten Dörfern Kobylniky und Öizowka, letzteres auf der je-
tzigen Domaine Bfezno. Im J. 1384 zahlte Zeröice die damals
hohe Summe von 21 b. Groschen als halbjährigen Kirchenzehent
ab.4) Um das J. 1420 verpfändete der Erzbischof Conrad diese
ganze Besitzung um 300 Schok an Janek von JestSrb.5) Bei einem
so bedeutenden Grundbesitze innerhalb der jetzigen Diöcese von Leit-
meritz hat für diese die Geschichte der Bischöfe von Prag ausser
dem allgemeinen auch noch ein besonderes lokales Interesse.6)
Unruhen dem Bisthume entfremdet) ward 1526 durch eine aus Unvorsich-
tigkeit entstandene Feuersbrunst eine Kuine. Vgl. Sommer: Leitm. Kr.
p. 202, der aber irrig die alte Burg Chlumec nennt und ihre früheren
geistlichen Besitzer nicht kennt.
l) Ebendaselbst. Nach den Libr. Confirmationum üben die Erzbischöfe von
Prag ihr Collaturrecht noch 1418 für die Pfarrei Tuchomysl, und 1364,
1402, 1409, 1413 und 1415 für die Pfarre Modlan aus.
3) Dtcemregister bei Baibin.
3) Balbini Bohemia saneta, §. LVIII. p. 86.
4) Begist. deeimarum.
5) Palacky Archiv II. 461. Vgl. Üb. confirm. ad 1406.
G) Bis 1421 besass das Bisthum 17 grosse Herrschaften in Böhmen, ohne die
kleineren Güter mitzuzählen: 1. iSiudnitz, 2. Hradek (Helfenburg, 1375 ge-
59
§,16. Die Einsetzung des Bischofs Dietmar.
1. Papst Johann XIII. hatte in seinem an Boleslaw IL ge-
richteten Schreiben1) „die Kirche der Im. Märtyrer Veit und Wen-
zel" (welcher letztere hiemit vom päpstlichen Stuhle selbst als
Heiliger und als Landespatron anerkannt wurde) zur Kathedral-
kirche des neuen Bisthums bestimmt, und in Betreff der Person
des künftigen Bischofs nur die einzige Bedingung gestellt, „nicht
etwa nach dem Ritus und nach der Sekte des bulgarischen Volkes
oder der russischen und slawonischen Sprache, sondern vielmehr
nach Massgabe der Einrichtungen und Anordnungen des apostoli-
schen Stuhles zu diesem geistlichen Amte einen hervorragenden
Kleriker der allgemeinen Kirche zu erwählen, welcher der latei-
nischen Sprache vorzüglich mächtig sei.2) Die Bischofswahl geschah
sofort in derselben Weise, wie sie seit dem Concile von Nicäa fast
überall stattfand. Klerus und Volk hatten sich über den Würdig-
sten zu einigen, dem Landesfürsten stand es frei, durch Vorschläge
oder Bestätigung sich hiebei zu betheiligen, dazu hatten endlich
die Bischöfe der Provinz durch ihren Metropoliten die Zustimmung
zu geben.3) Wie um diese Zeit fast all erwärts, so sprach damals
der Klerus Böhmens zumeist durch seine Prälaten (resp. Mitglieder
des Domstifts) und das Volk durch die Edeln des Landes: diese
und jene aber waren gewohnt, sich auf den Landtagen zu treffen,
wo überdiess auch der Landesfürst zugegen war. So wurde die
Bischofswahl von selbst eine Angelegenheit des böhm. Landtags.
Der Gewählte musste darauf das Anrecht auf die weltlichen Besi-
kauft), 3. Geiersberg (s. 1335), 4. Bischofteinitz, 5. Herstein, 6. Rokitzan,
7. Pribram (s. 1216), 8. Rozmital, 9. Moldautein mit Bechin, 10. Cheynow,
11. Pilgram, 12. Reichenau, 13. Roth-Reöic, 14. Heralec, 15. Kriwsudow,
16. Stepanow, 17. Böhmisch-Brod* Dazu kamen in Mähren die Herrschaft
18. Kojetin und in Baiern die Herrschaft 19. Luhe. (Palacky III. 2. 219.)
T) Erben reg. p. 29 n. 67.
3) Ebendaselbst. — Diese gestellte Bedingung beweist nur die weise Fürsorge
des Papstes angesichts des kürzlich erfolgten ersten Schismas der Griechen,
dem auch die slawischen Stämme Ost-Europa's beigetreten waren; keines-
wegs aber beweist sie, wie man wollte, eine vorangegangene Geltung des
slawischen Ritus in Böhmen. In solchem Falle hätten die päpstlichen
Worte sicher anders gelautet.
3) Vgl. Alzog, Kircheng. S. 299 etc.
60
tzungen des Bisthums durch kaiserliche Belehnung (Investitur) em-
pfangen, und hiedurch unter die Fürsten des Reiches eingereiht
werden. Darum verfügte er sich sobald als möglich an den kaiser-
lichen Hof, der damals bald da, bald dort, nicht selten sogar jen-
seits der Alpen sich aufhielt. Zuletzt bedurfte er noch der Be-
stätigung des Metropoliten von Mainz, der zu diesem Zwecke erst
eine gewissenhafte Prüfung des Wahlaktes vornahm und im gün-
stigen Falle sofort dem Erwählten die bischöfliche Weihe ertheilte.
Der neu geweihte Bischof kehrte dann erst nach Böhmen zurück,
hielt seinen feierlichen Einzug in Prag und wurde in Gegenwart
des Landesfürsten, der Geistlichkeit, des Adels und des Volkes
auf den bischöflichen Thron zur Seite des Hauptaltars in der Set.
Veitskirche geleitet. Der Klerus sang dabei den ambro siani sehen
Lobgesang (Te Deum laudamus), Adel aber und Volk in späterer
Zeit den etwas entstellten Refrain des nationalen Liedes Gospodi
pomiluj: Christe keynaclo und Krles (Kyrie eleyson). Es war ein
Tag allgemeinen Jubels im ganzen Lande.1)
2. Zum ersten Bischöfe wurde Dietmar auserkoren, ein from-
mer deutscher Benediktinermönch aus Magdeburg, ein Mann von gros-
ser Gelehrsamkeit und Beredsamkeit, bei Fürst und Volk — wohl seit
längerer Zeit apostolischen Wirkens in Böhmen — beliebt als ein
vorzüglicher Kenner der slawischen Sprache, und eben hiedurch
zum neuen hohen Amte ausnehmend geeignet.2) Er empfing die
Investitur noch vom Kaiser Otto I. am 23. März 973 zu Quedlin-
burg3) und die bischöfliche Weihe von seinem Erzbischofe Rupert
zu Mainz.4) Acht Jahre lang durchwanderte er sofort als Bischof
das weite Gebiet seiner Diöcese, führte viele Tausende, die bisher
noch dem Heidenthume angehangen hatten, durch die h. Taufe zum
') So ist bei Cosmas die Inthronisation des Bischofs Dietmar beschrieben.
Wenn hier schon vom Volksrufe Knies erzählt wird, so ist dies wohl ein
Anachronismus. Vgl. Tomek, Gesch. Prags I. 77 u. 78.
2) Cosmas ad a. 967. — Crugerius sacr. pulv. ad 2. Jan.
3) Ännal Queälirib. a 973. Annal. Sax;. a. 973. Otto I. starb noch im selben
Jahre am 7. Mai.
4) So Fabricius II. Sax. in Otton. I. Rupert regierte dem Schematismus der
Mainzer Diöcese nach von 970—975. Weleslawin und Pesina (Phosphorus
septicornis) nennen irrthümlich den Erzbischof Hatto, den Vorgänger Ru-
perts, Kreibich (memorabilia, MS. bei S. Thomas in Prag) und Andere Ru-
perts Nachfolger Wiligisis als Consecrator.
61
christlichen Glauben ein und weihte sehr viele Kirchen.1) Letztere
hatte theils der gläubige Landesfürst erbaut (20 an der Zahl),
theils verdankten sie dem freigebigen Eifer des neuen Oberhirten
ihre Entstehung.2) An h. Eifer in der Bekämpfung der alten heid-
nischen Laster und in der Hebung eines echt christlichen Lebens
wurde er das Vorbild aller folgenden Bischöfe:3) Mit begeisterter
Rede und wohlbedachter Strenge suchte er sein Volk vorzüglich
den herrschenden Ausschweifungen in Trunk und Wollust zu ent-
reissen.4) Dem Klerus wollte er durch sein eigenes Leben ein
Vorbild frommen Wandels geben.5) Seine Zeit war aber zu kurz
und die Gebrechen im Volke waren zu tief eingewurzelt, als dass
er eines vollkommenen Gelingens seiner Bestrebungen sich hätte
rühmen können. Diess beklagte er denn auch auf seinem Sterbe-
bette unter heissen Thränen.6) Er ging am 2. Jänner 982 im
Rufe der Heiligkeit in ein besseres Leben hinüber.7)
§.17. Der heilige Adalbert.
1. Wenige Wochen nach Dietmars Tode, am 19. Februar
982, versammelte sich das verwaiste Volk (Priester und Laien)
um seinen Fürsten in Lewy Hradec8) und mit einstimmigem Jubel
ward hier als Nachfolger im bischöflichen Amte ein „Landsmann
begrüsst, dessen Adel, Reich thum, Wirken und Leben ganz vor-
züglich mit der neuen Ehrenstellung harmonirten".9) Es war Adal-
bert, der Sohn Slawniks, des oben10) erwähnten Grafen von Libic,
und der frommen Gemahlin Stfezislawa. Sein Geburtsname war
Wojtech (Vincentius. ! ') In seiner Kindheit bereits von schwerer
l) Cosmas.
3) Vgl. §. 7. n. 3, und §. 15. n. 5.
3) Kreibich 1. c.
4) Vgl. später seine Klage auf dem Sterbebette.
5) Kreibich 1. c. .
6) Vgl. Primus S. Adalberti biographus, apud Mabill. c. I. p. 851. Er schrieb
sein Werk schon zur Zeit des Kaisers Otto III. und auf Befehl desselben-
7) Cosmas und Aeneas Sylvius. Pertz XL 536.
8) Cosmas.
9) Primus biographus S. Adalberti.
,0) Vgl. §. 8. n. 2.
ll) Vincentius nennt ihn ein bei Dobn. anndl. IV. 111 citirter Codex von M.
62
Krankheit auf dem Altare der seligsten Jungfrau (zu Libic?) wun-
derbar geheilt,1) war er durch ein frommes Gelübde der Eltern
dem geistlichen Stande und dem besonderen Dienste der h. Gottes-
mutter geweiht worden.2) Um 962 wurde er als Kind von dem
aus Russland heimkehrenden Missionsbischofe Adalbert gefirmt. Von
972 an verlebte er 9 Jahre als Schüler der Wissenschaften in
Magdeburg,3) wo er unter der Leitung des Philosophen Obtricus
ausgezeichnete Fortschritte machte. „Diese ganze Zeit hindurch
ahmte er in keiner Weise diejenigen nach, welche Uebles thaten,
und folgte eben so wenig dem Rathe derer, die auf Unnützes und
Knabenhaftes sich verlegten. In ihm erblühte die Gerechtigkeit
seines Vaters und in seiner jugendlichen Brust erglänzte das treue Ab-
bild der Frömmigkeit seiner Mutter." 4) Hier erwählte er den geist-
lichen Stand und empfing mit dem Kleide des Klerikers den neuen
Namen Adalbert. 5) Im J. 980 kehrte er als Subdiacon ins Vaterland
zurück 6) und stand 982, damals wohl schon als Priester, bei dem
Sterbebette des frommen Bischofs, dessen Nachfolger er werden sollte.
2. Seine Investitur und Weihe als Bischof ward durch den
Umstand verzögert, dass zur Zeit der Erwählung Kaiser und Erz-
bischof eben in Krieg mit den Saracenen verwickelt im südlichen
Italien weilten. Erst am 3. Juni 983 empfing er endlich zu Verona
Ring und Stab aus den Händen des Kaisers Otto IL und ebenda-
selbst am 29. Juni die bischöfliche Weihe 7) vom Mainzer Metro-
Cassino und ein altes Manuscript von S. Caecilia, deren beider die Acta
sanctorum ad 23. April gedenken. Dobner übersetzt den Namen Woytech
mit „Trost des Heeres".
!) Primus biographus S. Adalberti.
2) Älter biographus.
3) Alter biographus.
4) Primus biographus.
5) So Palacky I. 234. Der zweite Biograph des Heiligen und Cosmas (Vita
S. Adalberti) erzählen dagegen von einer aus Irrthum geschehenen zweiten
Firmung, in welcher Woytech den neuen Namen empfangen habe. Die
Böhmen nannten ihren nachmaligen Bischof noch immer mit dem alten
slawischen Namen, während bei den Deutschen der bekanntere Name
Adalbert üblich wurde. So kam es, dass man weiterhin den letzteren für
eine Uebersetzung des ersteren hielt.
6) Cosmas.
7) Tomek I. 650 nennt den 3. und 11. Juni 982; Palacky I. 235 richtiger
den 3. und 29. Juni 983, den Weihetag setzt der zweite Biograph ausdrück-
lich auf das Fest der hh. Petrus und Paulus.
63
politen Wiligisis — ein Heiliger von einem Heiligen am Feste der
heiligen Apostelfürsten.
Als Bischof zeigte sich Adalbert vor Allem als eifrigen Be-
förderer des Christenthums. Er widerrieth dem glaubenseifrigen
Herzog Boleslaw IL, länger noch Gewalt zu brauchen gegen die
Anhänger des Heidenthums: lieber möge die gänzliche Bekehrung
derselben der ausschliesslichen Sorge des Bischofs überlassen wer-
den. ') Nach dem Vorbilde Dietmars alle Gaue des weiten Vater-
landes durchwandernd, war er unermüdlich in der Verkündigung
des göttlichen Worts. Hierbei suchte er bald durch Unterricht
und Beispiel und bald durch kluge Strenge den vielfach verkom-
monen Klerus zu sich empor zu heben. Mit heiligem Eifer kämpfte
er gegen die heidnische Barbarei der Vielweiberei und gegen das
herrschende Laster der Unzucht. 3) Die üblichen Ehen unter nahen
Verwandten suchte er mit aller Macht zu verhindern und abzu-
stellen. 3) Auch gegen die allgemeine Trunksucht kehrte er mit
Muth seine geistlichen Waffen.4) Den Verkauf christlicher .Sklaven
suchte er wenigstens durch Auslösung derselben mit seiner eigenen
Habe zu verringern.5) Er selbst suchte keine andern Genüsse als die
der Tugend und Andacht, der Wohlthätigkeit und Frömmigkeit.
Je höher er stand, desto mehr befliss er sich der Demuth; je
reicher an irdischen Gütern, desto eifriger war er in der Entbeh-
rung und Selbstabtödtung. Stets speisten 12 Arme mit ihm, und allen
Kranken, von denen er Kunde erhielt, brachte. er persönlich Trost
und Hilfe. So suchte er Allen Alles zu werden und Alle vereint
zum Heile zu leiten.6)
l) Hajek a. a. 973.
8) Cosmas, Vita S. Adalberti.
s) Erben, regesta, p. 33.
4) Ebendaselbst. — In der Mitte des 13. Jahrhunderts schrieb die allgemein
herrschende Sage dem h. Adalbert die über alle Bürger, welche
sich mit Bierbrauerei befassten, in grauer Vorzeit verhängte
Excommunication zu. König Wenzel I. reichte in Rom um deren
Aufhebung ein. Durch eine Bulle Innocenz IV. ddo. Lugduni III. nonas
üecembris, wurde der Abt Clemens von Brewnow beauftragt, diese Ex-
communication zu relaxiren. Dobn. annal. IV. 340 und Monumenta Boem.
VI. 19.
5) Cosmas.
,;) Ebend. Palacky I. 237.
64
3. Zu seinem grossen Schmerze entsprach der Erfolg seinen
Bemühungen viel zu wenig. Da ward er endlich misstrauisch auf
seine Kraft. Es drängte ihn, den Hirtenstab in eine Hand zu legen,
die er für kräftiger hielt, am liebsten in die des Benedictinermönchs
Christian (Strachkwas), der als Bruder des regierenden Herzogs
bei Volk und Adel ein grösseres Ansehen und mehr Einfluss haben
könnte. Obgleich dieser die Annahme von sich abwehrte, ]) so eilte
doch Adalbert nach Rom, um dort zu den Füssen des Vaters der
Christenheit die Enthebung vom bischöflichen Amte zu erflehen.
Er erlangte wohl, was er so sehnlich wünschte; denn sofort wollte
er nach Jerusalem pilgern, um am Grabe des Erlösers einzig nur
der Andacht zu leben. Doch statt dessen nahm er auf den Rath
des frommen Abtes von Monte Cassino das Kleid des h. Benedict.
Als demüthiger Klosterbruder lebte er nun im Ordenshause seines
Rathgebers und begab sich später, da er sich hier noch als Bischof
behandelt glaubte, zu den Basilianern nach Valleluca und endlich
nach Rom ins Kloster des h. Alexius, wo er zuerst als Novize den
niedrigsten klösterlichen Arbeiten sich unterzog und alsbald alle
Brüder an Strenge und Frömmigkeit überbot.2)
4. Indess hatte Gott unser Vaterland mit Pest und Hungers-
noth schwer heimgesucht.3) Fürst und Volk sahen die Trübsal als
eine wohlverdiente Züchtigung für die früheren Kränkungen des h.
Bischofs an und sehnten sich nach seiner Rückkehr. Desshalb ver-
wendeten sie sich zuerst an den Metropoliten Wiligisis zu Mainz
und nachher mit dessen Rath und Hilfe im J. 992 nach Rom. Da
erhielt Adalbert vom Papste selbst den Befehl, in sein Bisthum
wieder zurückzukehren, indem die Böhmen ihm genauen Gehorsam
versprachen. Ohne Säumen fügte er sich dem Gebote — doch ohne
selbst dem klösterlichen Kleide wieder zu entsagen. Er nahm viel-
mehr zwölf Ordenssöhne des h. Benedict mit sich ins Vaterland,4)
als Genossen seiner Frömmigkeit, als Erstlinge eines künftigen Or-
densstandes und als vorzügliche Werkzeuge zur völligen Umwand-
lung seines Volkes. Auf dem Wege in sein Vaterland zog er —
*) Cosmas und Anndlista Saxo.
a) Cosmas. Palacky 239. Die Ablegung der Klostergelübde geschah am 17.
April 990 nach Palacky 1. c, — am 2. April 991 nach Erben regesta p. 33.
3) Cosmas.
4) Palacky I. 240.
65
als päpstlicher Legat — predigend und taufend durch das Land der
Ungarn und hatte selbst die Freude, dem h. Stephan das h. Sakra-
ment der Wiedergeburt zu spenden. ') Noch im J. 993 zog er end-
lich in Prag ein, mit lautem Jubel und mit Freudenthränen vom
Volke und von seinem Fürsten empfangen. 2) Vor dem versammelten
Adel des Landes verkündete der Herzog Boleslaw das Recht des
Bischofs, nach Anordnung der heiligen Gesetze alle unerlaubten
Ehen zu trennen, den kirchlichen Dezem zu erheben und, wo es
zweckmässig erscheine, neue Gotteshäuser zu erbauen. 3)
5. Leider kam ungeachtet der besten Vorsätze und der hei-
ligsten Versprechungen die böse Unsitte unserer Ahnen nur zu bald
wieder zum Vorschein. Diessmal war es die fürchterliche Blut-
rache, die aller christlichen Unterweisung zum Trotze Land und
Heiligthum entweihte. Die ehebrecherische Gattin eines Wrsowe-
cen hatte, verfolgt von ihrem blutdürstigen Gemahle und seinen
Brüdern, eine Zufluchtsstätte im Kloster S. Georg gesucht. Dort
schützte sie das Asylrecht der Kirche und sicherte ihr ein gerech-
tes Urtheil. Aber die wüthenden Verfolger schmähten und höhnten
den Bischof und mordeten die Verfolgte. Da sah sich Adalbert
genöthigt, den Bann der Kirche über die Frevler zu sprechen, und
zum zweiten Male pilgerte er nach Rom, um dort mit Erlaubnis s
des Papstes seine Tage in klösterlicher Einsamkeit zu beschliessen
(995). Während daheim die gebannten Wräowecen Rache dürstend
in einem von ihnen erregten Bürgerkriege die 4 Brüder des heil.
Bischofs sammt Weibern und Kindern in Libic ermordeten,4) be-
klagte und beweinte Adalbert in der Stille seines Klosters die arge
Verblendung seines Vaterlandes.
') Damberger, synchron. Geschichte V. 421. So auch Dubravius und der
zweite Biograph des h. Adalbert. Palacky I. 236 setzt (nach Dlugoss hist.
Pol.) die Reise nach Ungarn ins Jahr 984 und macht sie zu einem Abstecher
bei Gelegenheit einer in der Slowakei von Adalbert gehaltenen bischöfli-
chen_Visitation. Für das Jahr 993 spricht aber, abgesehen vom zweiten Bio-
graphen des Heiligen, auch der Umstand, dass Geisa in diesem Jahre seinem
Sohne als Nachfolger huldigen Hess, und dass auch Stephans Vermählung
mit Gisela in dieselbe Zeit fällt. Prinzen, die nicht schon als Kinder ge-
tauft waren, empfingen damals die Taufe meist bei solchen Gelegenheiten.
2) Cosmas.
3) Erben regesta p. 33 und Wattenbach p. 51 ex codice S. Crucis.
4) Tomek, Gesch. Prags I. 115. Palacky I. 243.
5
66
6. Unbekannt mit dem traurigen Ende seines Hauses, entschloss
sich der Heilige noch einmal zur Rückkehr. Von neuem drängte
der Erzbischof von Mainz zu diesem Entschlüsse ; Kaiser Otto III.,
der eben bei seinem Aufenthalte in Rom den zum Prior seines
Klosters erwählten Adalbert liebgewonnen hatte, vereinte damit
seine Bitten; von allen Seiten bestürmt, sprach endlich auch Papst
Gregor V. den Befehl zur Rückkehr aus, — diessmal aber zugleich
mit der Erlaubniss, dass Adalbert fortan sein Leben der Bekeh-
rung der Heiden weihen dürfe, wenn die Böhmen ihm keinen Ge-
horsam schenken würden. So folgte nun Adalbert zuerst seinem
kaiserlichen Freunde nach Mainz. Mit Entsetzen hörte er dort die
fürchterliche That der Wrsowecen. Da entsagte er seinem Vater-
lande — um fortan mit einigen treuen Gefährten unter den heid-
nischen Preussen als Apostel des Evangeliums zu wirken. Dort
sollte er den Tod eines Blutzeugen Christi finden. Nachdem er
auf der Durchreise durch Polen Manches für die Befestigung des
Christenthums gewirkt, weilte er in der Gegend von Danzig und
belehrte und taufte daselbst zahlreiche Haufen des Volkes. Als er
aber übers Meer an die Küste von Samland sich begab, wurde er
bereits von den barbarischen Bewohnern bedroht und misshandelt.
Zuletzt ward er auf dem Götzenfelde von Romowe von wüthcnden
Haufen überfallen, gebunden, noch stehend und betend mit Wurf-
spiessen durchbohrt, endlich mit zahllosen Wunden getödtet. (23.
April 997.) Sein unzertrennlicher Bruder Raclim (S. Gauclentius ')
und der Priester Benedikt brachten die Kunde dieses Martyrthums
zu dem Herzoge von Polen, der sofort den kostbaren Schatz des
h. Leichnams um theueren Preis von den Heiden erkaufte und
ehrenvoll in seiner Hauptstadt Gnesen begrub.2)
7. Gott verherrlichte seinen h. Blutzeugen alsogleich durch
zahlreiche Wunder. Schon im J. 1000 wallfahrtete Kaiser Otto III.
1) Radim — des h. Adalbert Bruder von Geburt, Ordensregel und Missions-
beruf — wurde nach seinem Bruder Missionsbischof für Polen (polnische
Schriftsteller nennen ihn irrig bereits Erzbischof zu Gnesen) und weihte
diesem Berufe sein ganzes übriges Leben. Er wurde in Gnesen begraben
und als Heiliger verehrt. Im Jahre 1040 wurde sein heiliger Leib zugleich
mit dem des h. Adalbert nach Prag übertragen und im Dome in der Ka-
pelle der hh. Cosmas und Damian beigesetzt.
2) Palacky I. 244 u. 245.
67
zu seinem Grabe, uiid erbaute noch im selben Jahre eine Kirche
in Aachen l) und im folgenden eine zweite zu Rom 3) zu Ehren
seines von allen Zeitgenossen als heilig gepriesenen Freundes. Die
Völker Polens und Böhmens verehrten ihn als ihren Landespatron.
An ihn sollte fortan eine — jetzt wenig verstandene — Sitte erin-
nern, die von Polen ausgehend, bald in allen Ländern Aufnahme
fand, wo unser Heilige gewirkt hatte. In Polen soll nämlich schon
Herzog Mesko nach Anhörung einer christlichen Predigt befohlen
haben, am nächsten Sonntage (dem 4. in der Faste) die alten
Götzenbilder zu zerschlagen und die Trümmer in Sümpfe und Ge-
wässer zu werfen. Das sei denn auch wirklich geschehen, und zur
Zeit des Aufenthalts des h. Adalbert mag auf dessen Drängen noch
die letzte Hand ans Werk gelegt worden sein. Seitdem bereiteten
die polnischen und böhmischen Kinder alljährig aus Stroh und
Fetzen ein Zerrbild der alten Götzen, trugen es aus den Ort-
schaften unter dem Rufe: Wir tragen den Todten hinaus, und
warfen es schliesslich ins Wasser. Der Sonntag, an welchem diess
geschah, heisst deshalb noch vielfach der Todtensonntag.3)
8. Es lag in der Natur der Sache, dass die bischöfliche
Wirksamkeit des h. Adalbert auch die jetzige Diöcese von Leit-
meritz nahe berühren musste. Sicher darf so manches der älte-
sten Gotteshäuser dieser Gegend unter jenen gesucht werden, die
der Heilige an so vielen Orten, wo er es für erspriesslich hielt,
aus eigenen Mitteln erbaute.4) Ohne Zweifel geschah diess be-
sonders auf den Gütern seiner Familie um Libic (im nachmaligen
Dekanate Hawran) und auf den schon erwähnten bischöflichen
Gütern. Der alten Tradition, dass er schon auf seiner ersten Vi-
sitationsreise auch nach Leitmeritz kam und daselbst nach den
apostolischen Bemühungen des Tages an dem fortan nach ihm be-
nannten Adalbertibrunnen Labung fand, haben wir bereits oben er-
wähnt.5) Seine Nachfolger auf dem bischöflichen Stuhle verewigten
') Chronica Aquisgran.
2) Dobn. annal. IV. 463.
3) Cureus cit. bei Bolelucky: Rosa Boemica p. 407 u. 407. In Böhmen ist
der 5. Faste nsonntag der sogenannte Todtensonntag. Die geschilderte ur-
alte Sitte ist jetzt vielfach im Ersterben.
4) Siehe N. 4 Schluss.
5) Vgl. §. 9.
5*
68
später sein Andenken an diesem Orte durch die Erbauung einer
Kirche zu Ehren des heil. Adalbert.1) Leider war es auch wieder
das Gebiet unserer jetzigen Diöcese, und namentlich die Gegend
von Leitmeritz und Saaz, welche eine Zeit lang den Unsegen jenes
Fluches trug, den der h. Bischof über ihre Herren, die Wrsowecen,
aussprechen musste. Es war eben eine traurige Zeit des Kampfes
zweier widerstreitender Elemente — des Heidenthums in seiner
letzten Kraft und des Christenthums in seinem Erblühen.
§. 18. Thiddag, Ekhard und Hyzo.
1. Während der zweimaligen Abwesenheit des h. Adalbert in Rom
hatte der meissnische Bischof Volcold (Volkhold) die notwendigsten
Functionen in der böhmischen Diöcese versehen.2) Nach Adalberts
völliger Entsagung sollte nun des Herzogs Bruder Christian (Strach-
kwas), der bereits sechzigjährige Mönch von S. Emmeram 3) den
bischöflichen Stuhl besteigen. Kaum anders als mit Widerstreben
nahm der Greis eine Würde an, gegen die er bereits früher sich
gesträubt hatte.4) Da starb er nach erlangter kaiserlicher Inve-
stitur — plötzlich vom Schlage gerührt zu Mainz (f 998), als er
eben zum Bischof geweiht werden sollte.5)
2. Nun wurde einstimmig ein frommer Mönch von Neu-Cor-
vey, Namens Thiddag (Deodatus, Bohdal) zum Bischöfe erwählt,
der im J. 995 durch seine ausgezeichnete Heilkunde das Leben
Boleslaws IL gerettet und seitdem in Böhmen weilend die allge-
meine Liebe sich erworben hatte.6) Er empfing am 7. Juli 998
zu Mainz die bischöfliche Weihe.7) „Er war ein würdiger Nachfol-
ger Adalberts, jungfräulich an Keuschheit, golden in seinen Sitten,
') Siehe §. 15. 5. b.
2) Ditmar und annal. Saxo.
3) In Regensburg.
4) Damberger V. 528.
5) Palacky I. 246. P. verwirft mit Recht das harte Urtheil des Cosmas, der
das „arripitiif atroci daemonio" wahrscheinlich für ein Gottesurtheil ge-
halten hat.
6) Ditmar, 1. 7. p. 414.
7) So erzählt Cosmas. (Vgl. Palacky.) Nach Fabricius (orig. Sax. fol. 228)
ward er vom Erzbischof Wiligis in Prag geweihet. Diese weit spätere
Nachricht ist minder glaubwürdig.
69
noch kostbarer in seinen Werken. Er trat ganz in die Fussstapfen
seines heiligen Vorgängers; streitend gegen die Laster des Volkes
ward er ein Martyr, zwar nicht dem Leibe nach, wohl aber in
seinem Herzen".1) Leider starb schon im ersten Jahre seiner bi-
schöflichen Verwaltung in Boleslaw IL sein kräftigster Schützer
und edelster Freund, (f 7. Febr. 999.) Auch für die jugendliche
Kirche des Vaterlandes starb der fromme — wenn auch zuletzt
etwas schwache Fürst viel zu früh. Ihm folgte „zu Böhmens Un-
glück der unwürdigste Mann, der je das Scepter geführt hat . . . .,
Boleslaw III , ein gemeiner Wüstling, schwach, misstrauisch,
geizig, grausam und rachsüchtig".3) Ein Wütherich gegen seine
eigenen Brüder, ein Tyrann gegen Alle — brachte er in Kurzem
(im Sommer 1002) das ganze Land zur verzweifelten Empörung.
Die Wrsowecen (von Saaz und Leitmeritz) stellten sich an die
Spitze. Boleslaw III. ward aus Böhmen verjagt und Wladiwoj von
Polen, der Sohn der böhmischen Doubrawka auf den Thron erho-
ben. Indess waren schon im J. 1000 die Gebiete von Krakau,
Schlesien, Mähren und Slowakei für Böhmen verloren gegangen, —
um sofort grossentheils auch der Diöcese von Prag entfremdet zu
werden. Polen und Ungarn beeilten sich, eigene bischöfliche Sitze
in den neuerworbenen Provinzen zu gründen. Noch im J. 1000
entstanden so die Bisthümer zu Breslau und Krakau, während Bi-
schof Thiddag nicht einmal in Böhmen selbst ein Plätzchen finden
konnte, um sein Leben vor der misstrauischen Wuth des unnatür-
lichen Tyrannen zu schützen.3) Hatte Wladiwojs Erhebung unse-
rem Vaterlande einige Ruhe gebracht, so stürzte es sein Tod (1 003)
aufs Neue in schreckliche Wirren. Jaromir, der Bruder des ver-
jagten Tyrannen muss in Kurzem diesem selbst wieder weichen.
Aber auch der wiedererhobene Boleslaw III. wird auf allgemeines
Verlangen noch im selben Jahre (1003) vom polnischen Herzoge
Boleslaw Chrobry verjagt, der sofort selbst den böhmischen Thron
besteigt. Doch diesen verdrängt wieder (1004) der deutsche Kaiser
Heinrich IL, mit dessen Hilfe Jaromir zum zweitenmal den Herr-
scherstab ergreift, — - um nach einiger Zeit (1012) neuerdings dem
') Cosmas.
2) Palacky I. 248.
3) Wiederholt vertrieben lebte er am Hofe des meissnischen Markgrafen
Ekhard. Ditmar VIT. 414. Vgl. Fabric. {orig. Saxon.)
70
jüngsten Bruder Udalrich zu unterliegen, und entmannt und später
auch noch geblendet zu Lissa sein trauriges Leben zu beschlies-
sen. ') Solche Verhältnisse mussten auch dem eifrigsten Bischöfe
die Häüde binden. Weit mehr, als sein Wort und Beispiel auf-
bauen konnte, riss da die Barbarei des Bürgerkrieges wieder ein.
Darum lebte Bischof Thiddag als ein „Martyr im Herzen"2) und
starb mit allem Schmerze eines unglücklichen Vaters am 10. Juni
1017. —
3. Bei der neuen Bischofswahl wünschte der Fürst seinen
Kaplan Pfibislaw, das Volk den durch Gelehrsamkeit berühmten
Horso von Budec, der Klerus aber den deutschen, jedoch der sla-
wischen Sprache kundigen Propst Ekhard. Letzterer trug endlich
den Sieg davon. Er war ein Verwandter des deutschen Kaisers
Heinrich II.3) und Ordensbruder des h. Benedikt, als welcher er ehe-
dem eine Zeit lang im neuerrichteten Kloster zu Brewnow gelebt
hatte.4) Um 996 war er bereits Abt des Benediktinerstiftes zu
Naumburg, welche Würde er 23 Jahre lang bekleidet haben soll.5)
Wahrscheinlich war er eben erst zur Propstei des Domkapitels in
Prag berufen worden,6) als ihn die Wahl zur bischöflichen Würde
traf. Er empfing die kaiserliche Investitur im Oktober zu Merse-
burg und ebendaselbst auch vorn anwesenden mainzer Erzbischofe
Erkenbald am 8. selben Monats die bischöfliche Consecration.7) Er
erwarb sich in seinem bischöflichen Amte den Nachruhm, dass er
der beredteste Verkündiger des göttlichen Wortes, mild gegen die
Armen, sanft und gut gegen die Niedrigen, muthig aber gegen die
Grossen gewesen sei.8) Gerade das letztere Lob lässt vermuthen,
») Vgl. Palacky I. 254—265.
2) Cosraas.
3) Dobner annal. V. 102 citirt hiefür eine kaiserliche Urkunde von 1004.
Vgl. auch Palacky I. 265 und Tomek I. 650.
4) Ziegelbauer, hist. monast Bfevnov, p. 112. Er beruft sich auf alte Manu-
scripte von Brewnow.
5) Dobner annal. V. 102.
6) Aehnliches geschah öfters auch bei andern Kapiteln. Als Propst wird
Ekhard von Pesina (Phosphorits septicomis) und in einem Manuscripte des
Prager Canonicus Bubna (Canon capituli Prag, im Prager Kapitelarchive)
angeführt.
7) Dies weist Dobner nach in annal. V. 102.
8) Cosmas.
71
dass auch er in der Bekämpfung der sittlichen Gebrechen des
Landes in die Fussstapfen des h. Adalbert getreten ist. Seinen geist-
lichen Eifer beweist auch die angeblich im J. 1023 an den gesamm-
ten Klerus erlassene Verordnung, dass fortan „jeder Landgeistliche
wenigstens einmal im Jahre an einem bestimmten Tage in Prag
sich einfinden müsse, um über sein Seelsorgsamt und die ihm an-
vertraute Heerde Rechenschaft zu geben.1) So richtete er also
auch in unserem Vaterlande das alte kirchliche Institut der Diö-
cesansynode ein als das bewährteste Mittel des Bischofs, eindring-
lich auf den gesammten Klerus und durch diesen auf das Volk zu
wirken. Ueberdiess ist es das Verdienst Ekhards, dass er die bis-
herige Decemabgabe an den Klerus regelte. Fortan sollte von je-
dem Joch Feldes ein Mass Weizen und ein Metzen Haber an den
Seelsorger abgeführt werden.2) Der vierte Theil dieser Abgabe
gehörte der Ortsgeistlichkeit, ein zweiter Viertheil dem Bischöfe,
ein dritter den Armen; der vierte sollte zur Erhaltung des Got-
teshauses verwendet werden.3) Der ausgezeichnete Bischof starb
leider schon am 8. August 1023, vom Fürsten, Volk und Klerus
mit vielen Thränen beweint.4) Auch Kaiser Heinrich war tief er-
schüttert über seinen Verlust.5)
4. Noch in demselben Jahre folgte Hyzo in der bischöflichen
Würde nach. Man hält ihn für einen Eingebornen unseres Vater-
landes, angeblich derselben edlen Familie der Buzowicen entspros-
sen, die nachher in den Linien der Herren von Waldek, Schellen-
berg und Hasenburg (mit dem gemeinsamen Wappenzeichen des
') Hajek a. a. 1023.
3) Cosmas. Hajek. Dieses alte Mass war ein cylindrisches Gefäss im Breiten-
durchmesser ä Handflächen und in der Höhe 5 Handflächen und 2 Finger-
breiten messend, an der Rückseite mit dem herzoglichen und bischöflichen
Siegel versehen. (Hajek ad 1022.) Hajek sagt, dass jeder Ackersmann
seinem Priester diesen Decem abzuliefern hatte. Nach Cosmas geschah
dies an den Bischof. In der Sache ist beides dasselbe. Der Priester
sammelte eben diese Abgabe im Namen des Bischofs, dem die Anordnung
der weiteren Vertheilung derselben zustand.
3) So das älteste Pönitentiale Böhmens (vor 1150) in Höflers Concilia Pra-
gensia p. VIII (nach Cod. Bibl. Univ. III. F. 6. f. 231).
4) Cosmas, — Hajek a. a. 1024.
5) GJiron. Quedlinburg, apud Meibom. III. 295.
72
Eberkopfes) zu hoher Berühmtheit gelangte.1) Er hatte einst der
frommen Ordensfamilie der Benediktiner zu Bfewnow angehört3)
und war unter seinem bischöflichen Vorgänger zur Propsteiwürde
im prager Domkapitel3) erhoben worden. Ein Greis von seltener
Schönheit, edel von Geschlecht aber noch viel edler in seinem
Leben,4) ausgezeichnet in der Kenntniss der heiligen Schriften,5) —
lenkte er, ohne es zu wollen, bei der neuen Bischofswahl aller
Augen und Herzen auf sich. Er empfing am 29. Dezember 1023
die bischöfliche Weihe zu Bamberg von seinem dort weilenden
Metropoliten 6) Aribo. Er ist wohl die Seelengüte selbst gewesen ;
denn ohne einen Akt der Strenge zu erwähnen, rühmt unser älte-
ster Chronist7) ihm nach, dass er täglich 40 Arme speiste, wobei
er persönlich die Tischgebete sprach und selbst die nöthige Bedie-
nung leistete, dass auch Niemand so bekannt im eigenen Hause
sein kann, als dieser Bischof es in den Häusern der Kranken und
der Gefangenen war. So starb er, „von Allen nicht anders, als
wie ein Vater beweint," am 30. Jäner 1030. 8) —
§. 19. Bischof Severus.
1. Wir begegnen nun wieder einem heiligen Manne unter den
Nachfolgern eines Heiligen. Es ist Severus, dessen Andenken
das alte Martyrologium der prager Kirche mit den Worten be-
wahrt : „Tertio calendas Julii ordinatio sancti Severi episcopi
sexti Pragensis ecclesiae." (Am 29. Juni die Bischofsweihe des
J) Pesina Phosph. p. 605, Bubna Canon capituli Prag. MS. mit Berücksichti-
gung der Erörterungen Palacky's über altböhmische Adelshäuser II. 2. S. 10.
Cosmas nennt ihn einfach: nöbüis genere.
2) Ziegelbauer: hist. monast. JBrevnov, p. 112; er beruft sich auf alte Manu-
scripte des Klosters.
3) Als solcher erscheint er in Bubna's Canon cap. Prag. MS. und in Pesina's
Phosph. p. 605.
4) Cosmas.
5)Hajek ad a. 1024.
6) Dobner annal. V. 127.
7) Cosmas.
8) Ebendaselbst. Pesina hielt ihn für den Verfasser der schon öfters citirten
lieblichen Legende des h. Wenzel. Dieselbe befindet sich in einem grossen
Pergament- Codex der Prager Kapitelbibliothek, und in einer Abschrift (von
W. Duchowsky 1763) in der k. k. Universitätsbibliothek zu Prag.
♦**
73
heiligen Severus, sechsten Bischofs der Kirche zu Prag.) Einer
edlen Familie Böhmens entsprossen, ]) ausgezeichnet durch zierliche
Gewandtheit und eben so eifrige als treue Dienstfertigkeit, war er
als junger Kleriker im fürstlichen Gefolge — eine seltene Erschei-
nung — der Liebling des Fürsten sowohl, wie des gesammten
Hofes. Damals verschmähte er es nicht, ausnahmsweise einmal
den herzoglichen Leibkoch zu machen, indem er auf der Jagd einen
Eberschweif auf das künstlichste für seinen Fürsten bereitete, um
dafür das scherzhafte Lob entgegenzunehmen: für solch ein köstli-
ches Gericht sei er eines Bisthums werth.2) Später soll er dage-
gen das Mönchskleid genommen und im Kloster zu Brewnow ein
Leben der Frömmigkeit begonnen haben.3) Zuletzt war er, wie
seine beiden Vorgänger, in das Domkapitel zu Prag eingetreten
und hatte daselbst die Würde des Propstes erlangt.4) Der fort-
dauernden Gunst des Herzogs Udalrich, und dem allgemeinen
Ruhme, dass er der erste sei in allen geistlichen Pflichten, 5) ver-
dankte er nach Hyzos Tode seine Erhebung auf den bischöflichen
Stuhl. Schon im Anfange des Jahres 1030 gewählt, erlangte er
doch wegen des damaligen Zerwürfnisses Udalrichs mit Kaiser
Konrad IL erst am 29. Juni 1031 die kaiserliche Investitur und
die bischöfliche Weihe.6) Als Bischof liess er es in keiner Weise
an Fleiss und Eifer mangeln, um die ihm anvertraute Diöcese zu
ausgezeichneter Blüthe zu bringen.7) Desshalb ging er vor Allem
an die Fortsetzung des Kampfes, den schon Bischof Dietmar be-
gonnen hatte. Die noch immer nicht völlig überwundenen altheid-
nischen Unsitten fanden in ihm einen energischen Gegner.8) Dabei
zeigte er sich selbst als Freund der Andacht und Selbstabtödtung,
indem er unter Anderem im J. 1036 bei einem gewaltigen Erdbe-
ben, welches Häuser und Thürme niederriss, nicht blos eine allge-
!) Paprocius — irregeführt durch den böhmischen Namen Sebir — nennt ihn
einen Berkowsky von Sebirowa.
2j Cosmas a. h. a. Marignola p. 268.
3) Ziegelbauer, hist. monast. Brevnov. p. 112.
4)Pesina: Phosph. und Bubna: canon cap. Prag.
5) Cosmas.
6) Cosmas. Marignola. Dobner annal. V. 178.
7) Anonymus apud Menken, tom. 3.
8) Dies beweisen seine späteren Gesetze.
74
meine Faste zur Versöhnung des göttlichen Zornes ausschrieb, son-
dern auch selbst aller Speise und alles Trankes sich enthielt und
unablässig auf dem Boden liegend unter heissen Thränen die Er-
barmung des Himmels anflehte.1)
2. Im Jahre 1037 am 9. November verschied Herzog Ulrich,
der stete Gönner unseres Bischofs. Der noch lebende blinde Ja-
romir führte selbst unter allgemeiner Rührung den Sohn des Ver-
storbenen, Bretislaw, den böhmischen Achilles, auf den Herzogstuhl.
Dieser hatte vordem — übermüthig genug — aus einem Kloster
in Schweinfurt in der Person der dort in Erziehung befindlichen
Schwester des Markgrafen Otto sich eine Gemahlin geraubt. Küh-
nen Muthes hatte er Mähren von den Polen zurückerobert und den
Titel eines Herzogs daselbst angenommen. Eigenmächtig hatte er
im Bunde mit Kaiser Konrad den ungarischen König Stephan be-
kriegt. Zuletzt hatte er, flüchtig vor seinem Vater, an der Spitze
eines deutschen Heeres die Wiederaufnahme ins Vaterland sich
erzwungen.2) Da konnte es wohl nicht fehlen, dass Bischof Seve-
rus als Günstling und treuer Anhänger des Vaters Udalrich nicht
eben ein Liebling des Sohnes ward. Bretislaw brachte die kühn-
sten Pläne, vereint mit dem tapfersten Muthe, mit auf den Her-
zogstuhl. Böhmens alte Grösse, das riesige Reich der beiden er-
sten Boleslawe, wollte er wieder erneuern. Auch die Unabhängig-
keit von Deutschland wollte er sich erstreiten. In zwei Feldzügen
(1038 und 1039) eroberte er das polnische Reich. Der kostbare
Schmuck der Kirchen des Landes wanderte nach Böhmen. Da
ward auch der Leib des heil. Adalbert unserem Lande wiederge-
geben. Bischof Severus, der mit seinen Mannen am Zuge hatte
theilnehmen müssen, liess das wilde Kriegsvolk vor der Erhebung
des heiligen Leichnams drei Tage lang fasten und Busse thun.
Zugleich nahm der Herzog, diessmal im Einverständnisse mit dem
Bischöfe und auf Einrathung desselben die Gelegenheit wahr, in
feierlicher Weise einige Gesetze zur endlichen Abstellung altheid-
nischer Missbräuche zu verkünden und von allen Anwesenden be-
schwören zu lassen. Darauf ward unter Psalmengesang das Grabmal
des Heiligen geöffnet, süsser Wohlgeruch duftete Allen entgegen, meh-
') Hajek a. h. a.
2) Vgl. Palacky I. 270—277.
75
rere Kranke wurden plötzlich gesund. Der Leichnam ward völlig un-
versehrt gefunden, und zugleich mit den Leibern des seligen Gau-
dentius, ersten Erzbischofs von Gnesen (Adalberts Bruder Radim)
und der heiligen Märtyrer des Benediktinerordens Benedikt mit
den Brüdern (Matthäus, Isaak, Johannes und Christinus) mit gros-
sem Pomp an der Spitze des Heeres nach Prag übertragen. ') (Fest
der Uebertragung des h. Adalbert und Benedikts mit den Brüdern
am 25. August.)
3. Die in Gnesen so feierlich beschworeren Gesetze, kraft
welcher endlich der Kampf der jugendlichen Kirche Böhmens mit
den Ueberresten des alten Heidenthums beendigt werden sollte,
sind folgende:
a) Die Ehen, welche bisher wie Anstalten der Unzucht und
ähnlich den wilden Thieren gehalten wurden, sollen jetzt nach den
Bestimmungen der heil. Kirchengesetze gesetzlich, einfach und un-
auflöslich sein, so, dass der Mann mit einem Weibe, und das Weib
mit einem Manne zufrieden lebe. Wenn aber das Weib den Mann
oder der Mann das Weib verachten, und unter ihnen ein Streit
bis zur Scheidung ausbrechen sollte, so soll derjenige Theil von
beiden, welcher zur früheren rechtmässigen Verbindung nicht zu-
rückkehren will, zwar nicht nach der frühern Sitte des Landes
zur Sklaverei verdammt, sondern vielmehr kraft dieser unverän-
derlichen Anordnung ohne Unterschied der Person nach Ungarn
verbannt werden und in keiner Weise ihm erlaubt sein, sich los-
zukaufen oder ins Vaterland zurückzukehren. Wer dagegen han-
delt, der sei im Banne.
b) Dasselbe Urtheil soll jene unkeuschen Jungfrauen und
Witwen treffen, welche überwiesen werden, dass sie ihren guten
Namen verloren und die Keuschheit verletzt, oder in Unzucht em-
pfangen haben. Wenn aber ein Ehe-Weib sich beklagt, dass ihre
Liebe nicht erwiedert und dass sie vielmehr von ihrem Manne
roh behandelt und geschlagen werde : so werde unter ihnen ein
Gottesgericht gehalten,2) und wer als schuldig unter ihnen erschei-
nen wird, der möge die Strafe erleiden.
') Cosmas.
3) Gottesgerichte waren noch lange Zeit bei den Gerichten in allen Ländern
das vorzüglichste Beweismittel. Auch sie waren eigentlich ein Ueberrest
des früheren Heidenthums.
76
c) So sollen auch diejenigen, welche eines Mordes geziehen
werden, vom Erzpriester dem Grafen (2upan) der Stadt gemeldet
werden. Der Graf soll sie vor sich rufen und die Widerspensti-
gen in den Kerker werfen, bis sie entweder Busse thun, oder,
wenn sie läugnen, durch Feuer- oder Wasserprobe (Gottesgericht)
geprüft werden, ob sie schuldig sind. Bruder- und Vatermörder
aber, sowie, wer einen Priester getödtet, oder eine ähnliche Blut-
schuld auf sich geladen bat, die soll der Erzpriester dem Grafen
oder Herzog anzeigen, welcher sie an Händen und Leibe gebrand-
markt aus dem Lande verbannen wird, damit sie gleich Kain, ruhe-
und heimatlos die Erde durchirren.
d) Es sei im Banne, wer ein Schankhaus, welches die Wurzel
alles Uebels, der Ausgangsort der Diebstähle, der Todschläge, Ehe-
brüche und aller übrigen Sünden ist, errichtet und ein bereits er-
richtetes erwirbt. Der Schankwirth, der dieses Gesetz verletzt,
soll auf dem mittelsten Markte an einen Pfahl gebunden und bis
zur Ermüdung des Schergen geschlagen und seines Haupthaares
verlustig werden. Seine Getränke sollen keineswegs konfiscirt,
sondern auf die Erde ausgegossen werden, damit Niemand mit dem
fluchwürdigen Trünke sich beflecke. Wer als Trinker ergriffen
wird, soll nicht früher aus dem Kerker entlassen werden, als bis
er 300 Groschen in den herzoglichen Schatz erlegt hat.
e) Märkte dürfen an Tagen des Herrn durchaus nicht gehal-
ten werden. Wenn Jemand an Sonn- und Festtagen bei irgend
einer knechtlichen Arbeit angetroffen wird, so soll die Arbeit und
das dabei befindliche Vieh vom Erzpriester hinweggenommen und
überdiess der Betrag von 300 Groschen in den Schatz des Herzogs
erlegt werden.
f) So sollen auch diejenigen, welche es wagen, ihre Todten
in Feldern und Wäldern zu begraben, dem Erzdiakon ein Rind und
in den herzoglichen Schatz 300 Groschen zahlen, den Todten aber
neuerdings auf dem Begräbnissplatze der Gläubigen beerdigen.1)
4. Wir dürfen nicht zweifeln, dass diese Gesetze unter so er-
greifenden Umständen gegeben, so feierlich beschworen, und ebenso
von dem strengen Fürsten wie von dem eifrigen Bischöfe auf das
Pünktlichste vollzogen, einen erfreulichen Umschlag in den reli-
') Cosmas.
77
giös-sittlichen Zuständen unseres Vaterlandes hervorgebracht haben.
Was Dietmar als unerfüllt in der Todesstunde beklagt, was den h.
Adalbert zum Martyr gemacht hatte, um was alle ihre bisherigen
Nachfolger so ernstlich bemüht gewesen waren : das schien nun
endlich in der Hauptsache erreicht. Der siegreiche Kampf des
Christenthums mit den Resten des alten Heidenthums war in der
Mehrheit des Volkes zu Ende gediehen. Nur insgeheim opferten
noch hin und wieder einige Bauern hinter dem Rücken ihrer
christlichen Priester den alten „Diasen," beteten zu ihren alten
Hausgötzen (Skfety), begruben ihre Todten in den altheiligen Hai-
nen, feierten Trauerfeste (Tryzny) über ihren Gräbern und wand-
ten sich zu den Nordslawen in Rethra und Arkona um geheime
Belehrung in ihrem Aberglauben. ') Diesem letzten Unwesen machte
um das J. 1106 der eifrige Herzog Bfetislaw IL im Vereine mit
dem Bischöfe Herrmann ein Ende. —
§. 20. Fortsetzung.
1. Für den Bischof Severus folgte nun eine Zeit der schwer-
sten Verlegenheiten und der grössten Bedrängnisse. Des Helden-
herzogs kühne Bestrebungen für Böhmens Grösse und Selbststän-
digkeit, in der Heimat mit Jubel begrüsst, anderwärts aber desto
unliebsamer aufgenommen, waren die Quelle dei selben. Wie einst
Rastislaw von Mähren seine Befreiungspläne vorerst durch Herstel-
lung kirchlicher Selbstständigkeit eingeleitet hatte: so jetzt auch
Bfetislaw. Er wollte das Bisthum in Prag zum Erzbisthum erhe-
ben, und so die hergebrachte Abhängigkeit Böhmens vom Metro-
politen in Mainz beseitigen. Eifrige Unterhandlungen wurden be-
reits in Rom gepflogen, — ohne Wissen und Willen des Erzbischofs
Bardo.2) Welche schiefe Stellung unseres Bischofs Severus, der
nicht wagen durfte, die Pläne des ungestümen Herrschers zu durch-
kreuzen! Aber Bfetislaw schien noch viel weiter gehen zu wollen.
Als er im J. 1039 den Bau des Klosters Sazawa vollendet hatte,
führte er dort slawische Mönche aus den ruthenischen Gegen-
den Ungarns mit griechisch -slawischem Ritus ein.3) Da
') Palacky I. 336, cit. Adami Bremensis hist. eccl. p. 37.
2) Palacky I. 278 Note. Cit. Annalist. Saxo p. 477.
3j Ginzel: Gesch. der Slawenapostel, S. 139. cit. Kopitar. Dass der neue
78
es sich um eine damals noch nicht dem Schisma verfallene, von
der Kirche geduldete liturgische Ausnahme zu Gunsten eines
einzigen Klosters zu handeln schien, glaubte wohl Bischof Severus
seine Einwilligung geben zu müssen, um nicht das traurige Aer-
gerniss eines gänzlichen Zerfalles mit seinem heftigen Fürsten her-
aufzubeschwören. Aber — wie einst Rastislaw — so mochte wohl
auch unser böhmische Achilles die Einführung der slawischen
Sprache in die Feier des Gottesdienstes als ein besonders dienli-
ches Mittel für seine politischen Pläne erachten,1) und es lag sehr
nahe, dass er desshalb bei der Neuerung in Sazawa nicht stehen
bleiben werde. Grund genug, um die Besorgnisse des mainzer Me-
tropoliten noch zu steigern, und dadurch die Verlegenheit des Bi-
schofs Severus zu vermehren.
2. Nun hatte Bfetislaw eben auch die Eroberung Polens
vollendet. Die Klagen der vertriebenen Witwe Mecislaws II. bei
Kaiser Heinrich III. und die Klagen des Volkes wegen Verletzung
und Plünderung der Kirchen bei Papst Benedikt IX. in Rom schie-
nen der Welt über Bfetislaws Pläne die Augen zu öffnen. Auch
Severus war als Theilnehmer im Kampfe und wegen der Hinweg-
nahme der Reliquien des heil. Adalbert und anderer Heiligen schwer
beinzichtigt. Nur mit Mühe vermochte Bfetislaw vorläufig noch
den Frieden mit Heinrich III. zu erhalten, welcher — einer der
grössten Regenten der Geschichte — ganz der rechte Mann war,
um das Gedeihen der für Deutschland so gefährlichen Entwürfe
des böhmischen Helden zu hindern.2) Indess musste eine böh-
mische Gesandtschaft durch ein reumüthiges Geständniss und durch
Betheuerung ernstlicher Busse die Verzeihung des Papstes gewin-
nen. Dieselbe erfolgte auch in der That unter der Bedingung:
dass Herzog und Bischof als Busswerk gemeinschaftlich an einem
geeigneten Orte ein Kloster erbauen, dasselbe mit allen kirchli-
chen Erfordernissen hinreichend versehen, und erprobte geistliche
Personen daselbst einsetzen, welche für alle Zeit Gott dem Herrn
zur Sühne und zum Heile der lebenden und abgestorbenen Christ-
Ritus der graecoslawische war, beweisen die 1S55 von Prof. Const. Höfler
aufgefundenen glagolitischen Fragmente, die nach dem Urtheile Safariks
Bestandtheile von liturgischen Büchern nach griechischem Ritus sind.
') Ginzel, ebendaselbst.
a) Palacky I. 281 und 279.
79
gläubigen eifrig dienen.1) In folge dessen entstand das noch heute
bestehende Kollegiatstift zu Alt-Bunzlau. Von der Errichtung
eines Erzbisthums in Böhmen war nun keine Rede mehr.
3. Unterdessen war an Heinrichs Forderung, die geraubten
polnischen Silberschätze innerhalb eines bestimmten Termins auf
Heller und Pfennig zu ersetzen,2) die längere Erhaltung des Frie-
den gescheitert. Im August 1040 standen zwei deutsche Heere an
Böhmens Grenzen, das eine unter dem Kaiser in Baiern, das andere
in Meissen unter Anführung des Erzbischofs von Mainz. Welche Lage
für Severus: auf der einen Seite der ungestüme, misstrauische
Landesfürst, auf der andern der Träger der kaiserlichen Krone,
welcher er bei seiner Investitur den Eid beständiger Treue gelei-
stet hat,3) und der strenge Metropolit, welcher mit ihm nach Sy-
nodalrecht vorzugehen droht!4) Die Expedition des Kaisers schei-
terte durch eine Niederlage am 23. August 1040 am Fusse des
Böhmerwaldes. Da musste auch das bereits bis Brüx vorgedrun-
gene Meissnische Heer den Rückweg suchen. Glücklicher war der
zweite Feldzug im nächsten Jahre. Am 8. September 1041 wehte
auf dem nachmaligen Zizka-Berge bei Prag das deutsche Banner.
Da floh Severus insgeheim in das kaiserliche Lager, um mit in-
ständigen Bitten denjenigen zu überwinden, der als Sieger bereits
vor den Thoren stand. Bretislaw musste Frieden schliessen und
alle seine kühnen Pläne aufgeben. Aber schwer war seine Rache
gegen jene im Lande, welche dazu mitgewirkt hatten. So fiel der
zu den Deutschen übergegangene Graf Prkos von Bilin unter dem
Schwerte des Henkers.5) Der Bischof Severus konnte sich nur da-
durch retten, dass er bis in das J. 1042 am Hofe des Kaisers
verweilte. Der letztere selbst leitete endlich in diesem Jahre bei
Bfetislaws Anwesenheit in Regensburg die Wiederversöhnung ein.
Da kehrte Severus ins Vaterland zurück, leider zu seinem Un-
glücke. Er fand da Ketten und Kerker.6) Doch wurde er endlich
— wohl auf Verwendung des Kaisers selbst — wieder befreit und
') Cosmas.
*) Cosmas ad a. 1040.
3) Vgl. Dolmer annal. 5. 265, und Gerlacus, Momtm. Boem. 1. 126.
4) Annaliata Saxo, a. h. a.
5) Palacky I. 286 u. 287.
6) Cosmas.
80
der kräftigen Fürsorge für seine Diöcese wiedergegeben. Bis zu
Bfetislaws Tode scheint wieder ein erträgliches Verhältniss zwischen
dem weltlichen und dem geistlichen Oberhaupte bestanden zu
haben. In dieser Zeit betheiligte sich Severus an den Synoden zu
Pavia und Sutri (1047) zur Beseitigung eines traurigen Schismas;
mehr als wahrscheinlich auch an der Synode zu Mainz (1049), wo
es sich in Gegenwart des Kaisers und des Papstes um die Abstel-
lung aller Simonie und der ungesetzlichen Priesterehen handelte ;
endlich wieder bei einer Synode zu Mainz (1054), wo auf Verwen-
dung und Bitte der Römer der Bischof Gebhard von Eichstädt
zum Papste gewählt wurde.1) Herzog Bfetislaw aber benützte
diese Zeit zu edlen kirchenfreundlichen Werken. Im J. 1048 ver-
mehrte er die Stiftung des Benediktinerpriorats zu Raigern bei
Brunn (Raihrad) und erwirkte dessen Erhebung zu einem selbst-
ständigen Kloster. In gleicher Weise vergrösserte er darauf die
Besitzungen der Klöster Bfewnow, Ostrow und Sazawa.3) Er starb
am 10. Jan er 1055.
4. Unter Bfetislaws Sohne Spytihnew IL kehrte Sever's gol-
dene Zeit zurück. Dieser „ Vater des Klerus" gab — gewiss mit
Zuthun des Bischofs — dem Vaterlande die völlige Einheit in der
Liturgie zurück, indem er die seit Aufgebung der ehrgeizigen
Pläne Bfetislaws nutzlos gewordene slawische Liturgie des
Klosters Sazawa durch Entlassung der ruthenischen Mönche
und Aufnahme einer Kolonie von Bfewnow wieder beseitigte. Wohl
bewog ihn hiezu auch der Umstand, dass der griechische Ritus,
dem jene slawische Liturgie erwiesener Massen folgte, seit etlichen
Jahren (1054) zugleich mit der griechischen Kirche schismatisch
geworden war.3) Fromm und eifrig im Dienste des Herrn verrich-
tete Spytihnew die kirchlichen Andachten inmitten seines Klerus
mit einer Pünktlichkeit, die Allen zum Muster dienen konnte. Er
stiftete im J. 1057 das neue Kollegiatstift inLeitmeritz zu Ehren
des h. Martyrs Stephan, das im Laufe der Zeiten zu einem Bis-
thum sich gestalten sollte. Im J. 1060 legte er auch den Grund zu
einer neuen Domkirche in Prag an der Stelle der alten vom h. Wenzel
') Vgl. Dobner annal. V. 290, 291, 302, 323.
2) Urkunden in Erben reg. 45, 44, 47 und 50.
3) Chron. Sazaviense I. 97.
81
erbauten, deren Umfang dem Bedarfe nicht mehr genügen konnte. *)
Die Vollendung derselben erlebte er nicht; er starb am 28. Januar
1061. Mit dem alten Dome war gleichsam auch die alte Zeit der
böhmischen Kirche verschwunden; mit der neuen S. Veitskirche
und mit dem neuen Herrscher sollten neue Interessen und neue
Bewegungen auch die Kirche Böhmens in Anspruch nehmen.
Severus überlebte den kirchenfreundlichsten Fürsten nur we-
nige Jahre. Er starb — als ein Heiliger verehrt — am 9. De-
zember 1067 2), nachdem er noch im Jahre 1063 seine Einwilli-
gung zur Errichtung eines eigenen Bisthums in Olmütz und zur
Beschränkung der bischöflichen Jurisdiction von Prag auf die Grän-
zen des eigentlichen Böhmens gegeben hatte. 3) Hiedurch war für
die Zukunft eine desto kräftigere Entfaltung des kirchlichen Le-
bens ermöglicht.
§. 21. Die Theilnahme der meissnischen Bischöfe am siegreichen Kampfe
gegen das Heidenthum im Norden Böhmens.
1. Der Kampf gegen die Ueberreste altheidnischer Sitte in Böh-
men und die endliche Ueberwindung derselben war die grosse Auf-
gabe dieses Zeitraums gewesen. Wie allerwärts, so hatten die Bi-
schöfe Prags im Vereine mit den glaubenseifrigen Landesfürsten
diese Aufgabe auch in jenen Gegenden der Diöcese, die jetzt den
leitmeritzer Sprengel bilden, mit glücklichem Erfolge gelöst.
Dasselbe Werk war aber auch imäussersten Norden des
Landes, in den zur meissner Diöcese gehörigen Gebie-
ten zu vollbringen gewesen. Hier nun hatten die Oberhirten von
M e is s e n ebenfalls redlich ihre Pflicht gethan, — eine um so schwe-
rere Pflicht, als es hier zugleich einen harten Kampf gegen tiefge-
wurzelte nationale Antipathien galt.
2. Auf den ersten Slawenbekehrer im Gebiete von Budisin,
Lausitz und Zagost war Volcold nachgefolgt (972 — 993), der
Freund und Gesinnungsgenosse des h. Wiligisis von Mainz, der
J) Palacky I. 295—297.
2) Cosmas a. h. a.
3) Dobner annal. V. 379. — Augustinus Olomucensis. — Cosmas gibt dage-
gen das Jahr 1067 an.
6
82
eifrige Reformator seiner Geistlichkeit. Als Glaubensbote in den
Norden seines Sprengeis zu ziehen hinderten diesen leider die
damaligen Aufstände aller Wenden (981 und 982), die allerdings
zunächst gegen die Bedrückungen ihrer deutschen Gebieter gerich-
tet waren, aber zugleich auch zu argen Kämpfen gegen die von
Deutschland gekommenen christlichen Institutionen des Landes aus-
arteten. Vielleicht gingen da die Früchte der Bemühungen
des seligen Burcbard in trauriger Weise zu Grunde. Eine glück-
lichere Zeit erlebte der nächste Nachfolger Eido (Egidius, 993 —
1015). Ein neuer Aufstand der Wenden, den der Widerwille gegen
die fremden Sieger hervorgerufen, hatte im J. 995 ein für die deut-
schen Waffen glückliches Ende gefunden. Da zog Eido, der ehe-
malige Klosterbruder von Magdeburg, persönlich als Glaubensapostel
nach Zagost und Budisin, und gewann durch Wort und Beispiel
der Lehre Christi neuerdings zahlreiche Bekenner. !) Wenn es
begründet ist, dass eben in der Stadt Budisin im J. 999 eine stei-
nerne Kirche — wohl an der Stelle einer zerstörten hölzernen aus
früherer Zeit — vollendet ward8), so ist unzweifelhaft Bischof
Eido der Consecrator derselben gewesen. Er starb schon im Jahre
1015 im Kufe der Heiligkeit. 3) Die neue Kirche in Budisin aber
blieb der Mittelpunkt des christlichen Bekenntnisses der gesammten
Gegend. Unter Bischof Eido kam der Tradition nach auch der
heilige Bruno (Graf von Querfurt, Missionserzbischof für Preussen)
in die Gegend von Budisin und predigte da in der „Kapelle zu
Jüterbok", — angeblich auch in Gabel (c. 1000).4) Dennoch war
das alte Heidenthum in den Gauen Budisin und Zagost nicht völlig-
besiegt. Es kräftigte sich noch einmal an dem Hasse gegen die
Fremden, als der christliche Polenherzog Boleslav Chrobry in den
Jahren 1003 und 1007 dieser Gegenden sich bemächtigte. Auch
der deutsche König Heinrich IL, der Heilige, fand als neuer Herr
dieser Landschaft die Gemüther Vieler in heftiger Erbitterung, nicht
nur gegen die fremde Macht, sondern auch gegen den christlichen
1) Fabricius annal. Misn.
2) Es war diess dieselbe Kirche, welche 1215 als alt und finster abgerissen
wurde. Sie stand an der Stelle des jetzigen Chors des S. Peterdoms. Vgl.
Sintenis: die Oberlausitz, S. 64.
3) Ditmarus et annalista Saxo bei Calles series episc. Misn. p. 55.
4) Palme: Rückblicke in die Vorzeit des böhm. Niederlandes. MS.
83
Glauben. Er musste mit dem Schwerte die Widerspänstigen be-
drängen (1015). *) Da flohen die Unbeugsamsten vor der Ueber-
macht des Königs in die dichten Wälder an der Gränze von Zagost
und Böhmen, wo sie wohl noch eine Zeit lang in stiller Verbor-
genheit ihre hergebrachten Ueberlieferungen bewahrten, endlich aber
dennoch durch den friedlichen Einfluss der böhmischen Nachbar-
schaft für die heilige Kirche gewonnen wurden. Die Sage bezeichnet
die heutigen Ortschaften: Kreibitz und Windisch-Kamnitz in Böh-
men, Oderwitz und Eubau in der Oberlausitz als ehemalige Nie-
derlassungen jener flüchtigen Wenden.2) Dieser aber waren am
Ende doch nur verhältnissmässig wenige gewesen. Die grosse
Mehrheit in der wendischen Heimat wollte dagegen mit dem
Segen des Friedens das Heil des Christenthums empfangen. Gewiss
thaten sofort die meissnischen Bischöfe Eil ward (Eduard 1015 —
1023),Hugbert(Wipert, 1023— 1024), und Theodorich (1024—
1046 3) ihr Möglichstes, um • das äussere Bekenntniss der Menge
zur heiligen Ueberzeugung des Herzens zu gestalten. Dennoch folgte
noch eine und zwar die letzte Reaktion. Alle Slawen, die zwischen
der Elbe und Oder wohnten und grossentheils durch mehr als 70
Jahre das Christen thum bekannt hatten, erneuerten im Jahre 1035
den Kampf gegen die Deutschen und brachten ihrer nationalen
Antipathie schon wieder den christlichen Glauben zum Opfer.4)
Da bedurfte es einer abermaligen Unterwerfung und eines neuen
Apostels.
3. Die neuen Bischöfe Meinhard (1046 — 1051), Reiner
(Reginhard, 1051 — 1060), der Vollender des S. Afraklosters in Meis-
sen, undCrafto, der ehemalige Propst von Goslar (1060 — 1066 5)
Hessen es wohl an heiligem Eifer für den Unterricht der Wen-
den nicht fehlen : aber sie alle übertraf ihr Nachfolger, der grosse
Wendenapostel, der heilige Benno(1066 — f 16 Junill06).
Dieser besuchte alljährig die einzelnen Städte und Dörfer seiner
ausgedehnten Diöcese. Besonders den Landschaften Zagost und
') Chron. Mansfeld. 239.
a) Vergl. Seite 30.
3) Calles series ejpiscoporum Misnensium. 55 — 64.
4) Helmold. L. I. — Chron. Slav. c. 16.
5) Calles series episcop. Misn. 65 — 73.
6*
84
Budisin widmete er seine oberhirtliche Sorgfalt. Es gelang ihm,
den Götterkult in den alten h. Hainen zu beseitigen, die den Göt-
tern geheiligten Bäume auszurotten, die heidnische Sitte, in Wäl-
dern und Feldern die Todten zu begraben, gänzlich aufzuheben, —
alles dieses durch die Kraft seines gotterleuchteten Wortes und
seines wahrhaft heiligen Lebens. !) Von höchster Bedeutung musste
es sein, dass er in diesen Gegenden als zeitweiligen Ruhesitz die
Burg G ö d a u 3) erwarb, wo fortan B e z e 1 a , die fromme Mutter
des heiligen Bischofs, die letzten Jahre ihres Lebens in Werken
der Gottseligkeit verlebte. Eine fromme Sage erzählte einst, als
Gödau noch katholisch war, dass dasselbst die gottselige Witwe
täglich, selbst in der härtesten Winterzeit die Kirche besucht und
hiebei den sie begleitenden Kaplan wiederholt aufgefordert habe,
in ihre erwärmten Fussstapfen zu treten. Hier fand sie auch ihre
letzte Ruhestätte, nachdem sie all ihr Eigenthum der bischöflichen
Kirche von Meissen testirt hatte. 3) Es leuchtet ein, dass die
Umgegend von Gödau, die sofort den Meissner Bischöfen als Ei-
genthum gehörte, und wo vielleicht schon in dieser Zeit die bischöfliche
Stadt Bischofswerde emporblühte, auch einer besonderen Fürsorge von
Seiten des h. Benno sich erfreute. So konnte es nicht fehlen, dass
der christliche Glaube insbesondere auch in dem jetzt böhmischen
Theile von Zagost, insoweit derselbe damals bereits bevölkert war,
endlich bleibende Wurzeln fasste und in Kurzem die edelsten
Früchte eines echtchristlichen Lebens trug.
]) Cosmas de Bretislav IL
a) Emser cit. bei Calles p. 78. Aehnliche Ruhesitze hatte Benno zu Bresnic
(Priesnitz bei Dresden), wo noch lange Zeit eine königliche Burg und ein
bischöfliches Lustschloss bestand (Huhn Lex. v. Deutschland).
3) De S. Bennone variorum scripta bei Menken scrip. II. p. 1856 etc.
85
Die kirchlichen Verhältnisse und Institutionen in der Zeit des
Kampfes der Kirche mit dem unterliegenden Heidenthume.
(972—1067.)
§. 22. Der Säcularclerus der Diöcese.
1. Aus den Seelsorgen der einzelnen 2upenburgen, wie wir
solche zur Zeit der Einführung des Christenthums in Böhmen ken-
nen lernten, waren unter den ersten Bischöfen bereits eben so
viele Archipresbyterate geworden, deren Gränzen wohl von
den spätem Dekanaten zur Zeit Karls IV. nicht bedeutend ver-
schieden waren. Nachweisbar ist diese Einrichtung im Jahre 1039
eine längst bestehende gewesen, da die damals am Grabe des heil.
Adalbert beschworenen Gesetze ausdrücklich die Existenz eines
Erzpriesters neben den einzelnen ^upenvorstehern voraussetzen. *)
Hiemit war aber auch das gleichzeitige Bestehen untergeordneter
Landseelsorgen (Pfarreien, plebaniae) bedingt.
Den Titel eines Archipresbyters (Erzpriesters) hatte ur-
sprünglich in der katholischen Kirche nur der der Weihe nach äl-
teste Priester am Sitze des Bischofs geführt, dem es in Verhinde-
rung des Letzteren zustand, die gottesdienstlichen Hauptfunktionen
zu verrichten. Seit dem fünften und sechsten Jahrhunderte treffen wir
bereits in vielen Diöcesen Rural-Erzpriester, deren Hauptaufgabe
es war, die Landgeistlichen eines gewissen Bezirkes zu beaufsich-
tigen und deren Vergehen zur Kenntniss der bischöflichen Behörde
zu bringen. In der Karolingischen Zeit ist dieses Institut bereits
allgemein, und deshalb kaum zu bezweifeln, dass auch die Bischöfe
von Regensburg wenigstens einen solchen Erzpriester in Böhmen
angestellt hatten.3) In dieser Zeit bekamen auch die Archipres-
») Vgl. §. 19. N. 3. c, d, e.
2) Ein solcher war vielleicht der in dem frctgmentum praebendarum etc. et-
clesiae S. Georgii (Dobner. monum. VI. 342) im Jahre 912 ausdrücklich
erwähnte Archipresbyter Vlita bei S. Georg in Prag.
86
byterate, analog einer ähnlichen Einrichtung bei den Benediktiner-
Conventen und vielleicht auck von der gewöhnlichen Anzahl der
untergebenen Seelsorgstationen, schon den Namen Dekanate. Von
nun an, und also auch zu der eben geschilderten Zeit in unserem
Vaterlande, hatte der Erzpriester die Geistlichen seines Bezirkes
zu beaufsichtigen, kleinere Streitigkeiten derselben zu richten, die
Verordnungen des Bischofs in Vollzug zu setzen, die Ordinanclen
seines Sprengeis dem Bischöfe zur Weihe vorzuführen und am er-
sten Tage eines jeden Monats mit der ihm unterstehenden Geist-
lichkeit eine Pastoralkonferenz abzuhalten, deren Zweck haupt-
sächlich die gegenseitige Fortbildung und der Austausch gemein^
sanier Erfahrungen und Gedanken sein sollte.1)
Ursprünglich wohnten, wie aus den Severischen Gesetzen er-
sichtlich ist, die Erzpriester oder Dekane in den Zupensitzen. Spä-
ter zogen sie wohl in die bedeutendste Stadt des Bezirks, wo zu-
gleich die Cuda (das herzogliche Gericht) seinen Sitz nahm. Aus
dieser Zeit mag die Benennung der meisten Dekanate stammen.
Späterhin ernannte der Bischof irgend einen Seelsorger des Bezirks,
der aber desswegen seine Station nicht verlassen musste, zum Erz-
priester oder Dekan.2)
2. Ueber den Erzpriestern eines gewissen Umkreises stand in
der ebenerwähnten Zeit ein Archidiaconus (Erzdiakon, Erz-
dechant). Ursprünglich befand sich in einer Diöcese nur ein ein-
ziger Archidiakon und zwar am Sitze des Bischofs, wo er den
Unterricht und die Erziehung der jungen Kleriker leitete, die
Aufsicht über die Diakonen und alle niederen Kirchendiener führte,
und vorzüglich die Unterstützung und Verpflegung der Armen be-
sorgte. Das letztere Geschäft machte ihn alsbald zum Verwalter
der bischöflichen Einkünfte und in Folge dessen auch zum Gehilfen
des Bischofs in Sachen der allgemeinen Administration und Juris-
diktion. Man nannte ihn das Auge und die Hand des Bi-
schofs. Seit dem 8. Jahrhunderte wurden grössere Diöcesen
schon in mehrere Archidiakonate getheilt, denen eben so viele
Kural-Archicliakone nebst dem Archidiakon der Kathedrale
]) Vergl. Benedikt Weite Kirchenlex. 1. Band, 407 und 408.
8) Laut der Libri confirmationum. In diesen werden häufig Pfarrei' als De-
kane genannt, die keineswegs im alten Dekanatssitze wohnten.
87
vorgesetzt waren. In dieser Zeit und bis in's zwölfte Jahrhundert
visitirten und straften sie fast unabhängig die Pfarrer und Erzprie-
ster (Dekane), legten ihnen Abgaben auf, durften excommuniciren
und suspendiren, und hielten sogar mit dem Klerus ihres Spren-
geis kleine Synoden. ])
3. Im zwölften Jahrhunderte werden im Umkreise Böhmens
dreizehn Archidiakonate erwähnt , welche wahrscheinlich
auch schon unter den ersten Bischöfen bestanden. Ihre Titularsitze
waren : Prag, Kauf im, Bechin, Bischof-Teinitz (Tyn HorSow), Pilsen,
Saaz, Leitmeritz, Bunzlau, Königgrätz (Hradec), Rokytzan, Raudnitz,
Zircinewes (nördlich von Königgrätz) und Leitomischl. Raudnitz
und Rokytzan wurden später dem Archidiakonate von Prag, letzte-
res auch theilweise dem zu Pilsen, Zircinöwes aber dem Archi-
diakonate von Königgrätz einverleibt. Dafür erscheint nachweis-
bar seit 1216 das Archidiakonat von Bilin. 2)
Soweit die urkundlichen Nachweise zurückreichen (c. 1160),
waren die Archidiakonatswürden sammt den dazu gewidmeten Ein-
künften einzelnen nicht präbendirten Domherren des prager Dom-
kapitels zugetheilt, die als solche stabil in Prag wohnten und nur
zeitweilig ihre Archidiakonate bereisten. Im 13. und 14. Jahrhun-
derte und beziehungsweise auch in früherer Zeit bestand:
a) das Archidiakonat von Prag aus den Dekanaten
Prag, Benesov, Rican, Ofechov (Karlsteiner Gebiet), Podbrdy (un-
ter dem Brdywalde , Gegend von Beraun), Rakonitz, Schlan , Rip
(Georgsberg, Gegend von Raudnitz), Chlumin und Brandeis.
b) Das Archidiakonat von Kauf im aus den Dekana-
ten: Kauf im, Brod (Deutschbrod), Recic, Kolin und Stepanov.
c) Das Archidiakonat von Bechin aus den Dekanaten :
Bechin, Moldau (Gegend von Nechwalic), Chynov, Dudleby (Teind-
les), Wolyn, Bozen (Gegend von Rozmital) und Prachin.
d) Das Archidiakonat von Pilsen aus den Dekanaten:
Pilsen, Rokytzan und Klattau.
e) Das Archidiakonat von Bischofteinitz bestand
nur aus dem einzigen gleichnamigen Dekanate.
f) Das Archidiakonat von Königgrätz (Hradec) mit
J) Weite Kirchenlex. L, 405, 406.
2) Tomek, Gesch. Prags. I. 84.
88
den Dekanaten : Königgrätz, Jiöin, Bydzov, Kladsko (Grafschaft Glaz),
Dobru&ka, Königinhof (früher Dekanat 2iröin£ves), Kosteletz und
Braunau.
g) Das Archidiakonat Leitomischl (LitomysT) mit
den Dekanaten Litomysl, Hohenmauth (auch Dek. Wratislaw), Chru-
dim, Landskron und Poliöka.
h) Das Archidiakonat Leitmeritz aus den Dekana-
ten: Leitmeritz, Trebnitz und Leipa.
i) Das Archidiakonat von Jung-Bunzlau aus den
Dekanaten Jungbunzlau, Melnik, Havran (später Dek. Nimburg),
Kamenec (später Dek. Weisswasser), Turnau, Gabel und Zittau.
k) Das Archidiakonat von Saaz aus den Dekanaten:
Saaz, Elbogen (Sedlic), 2lutic (Luditz), Kadan und Tepl.
I) Das Archidiakonat von Bilin aus den Dekanaten:
Bilin und Aussig.
Ausserdem gehörte das Gebiet von Eger bis in die neue
Zeit zur Diöcese von Regensburg und die §.11 erwähnten Grenz-
gebiete der jetzigen Diöcese von Leitmeritz zum Bisthume Meissen. l)
§. 23. Die alten Seelsorgspfriinden der jetzigen Diöcese von Leitmeritz.
Wir zählen nun von den seit den ältesten Zeiten bis in die
Mitte des 14. Jahrhunderts entstandenen Landseelsorgen diejenigen
auf, welche sich im Umkreise der jetzigen Diöcese Leitmeritz be-
fanden. Insofern die in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts
ersichtliche Dotation derselben ein Massstab ihres Alters ist, er-
scheinen sie nach der Reihenfolge ihrer Stiftungszeit geordnet. 2)
In den allerseltensten Fällen ist ein bestimmtes Jahr der Entste-
hung sicher zu stellen. Doch ist anzunehmen, dass nahezu
das erste Drittel der Pfründen eines Dekanats bis in
die Zeit des 11. Jahrhunderts zurückreichen dürfte.
1. Im Leitmeritzer Archidiakonate, und zwar:
a) Im Dekanate Leitmeritz (Litomöfice) befanden sich
l) Nach dem Eegistrum decimarum bei Baibin Miscell. Dec. 1. lib. V. u. Pa-
lacky, Dejiny I. 2. priloha D.
a) Die eingeschaltenen Ziffern bedeuten den im J. 1384 mit päpstl. Bewilligung
von den einzelnen Kirchen an König Wenzel abgegebenen halbjährigen
Zehent in böhmischen Groschen. Seh. bedeutet Schock böhm. Groschen.
89
die Beneficien: Die Pfarrei Allerheiligen in Leitmeritz (1 Seh. 9
gr.), die Archidiakonatspfründe f (45 gr.) *), die Pfarreien HoStka f
(Gastorf 27), Robeö f (Robitsch 27) , 2itenic f (Schüttenitz 24),
Wetla f (Wettel 24), Hruäovan f (24), Libeäic (24), Strafte
(Strasnitz 24), Bickovice f (Pischkowitz 21), Usk (Auscha 21),
Tuhanf (18), Cerniöeves (Cernewes bei Wettel 15), Tfebusmf
(Triebsch 13), Levinf (12), Maleäovf (Maischen 12), S. Laurenz
in Leitmeritz (9), S. Adalbert in Leitmeritz f (9), Sobenicef (9),
Blizvedlf (Bleiswedel 9), 2ernosekf (Gross-Tschernosek 9), Libo-
chovan (9), Prackovice f (Praskowitz 9), Stebno (Steben 9), Kr esic f
(9), S. Stephan in Leitmeritz f (6), Kaplanei S. Nicolaus amRado-
byl (6), Zubrnicef (Saubernitz 6), ProboStovf (Proboscht 6), Pra-
chovaf (ehemals bei Hruschowan 6), Kostelec (Weisskirchen bei
Konoged6), S. Johann in Leitmeritz f (4), Mlikojedy (4), S. Georg
in Leitmeritz (3), Mukafov (Munkern 3), Cirkovic (3), Kaplanei S.
Peter in Leitmeritz f (3), Kaplanei S. Wenzel in Leitmeritz (3),
Launky (Launken bei Wettel). 2)
Es ist beachtenswerth, dass fast 2 Dritttheile der Pfründen
dieses Dekanats geistliche Kollatoren und somit wahrscheinlich
auch geistliche Gründer hatten.
b) Im Dekanate Leipa: Leipa mit der Filiale Dobronov
oder Dobern (1 Seh.) 3), DScin (Tetschen, der ältere £upensitz, 30
gr.), Äandov (Sandau 24), Kravary oder Radausov (Grabern f 18),
Nebuzan oder Nebocady (Neschwitz 17), Holany (Hohlen 15), Be-
ne§ov (Bensen 12), Drmy oder Stwolenky (Drumf 12), Mnichov
(ein jetzt verschwundenes Dorf um Quitkau und Töschen, 9), 4)
Jedlka oder Hewlice (Höflitz 9), Jezwe (Neustadtl 9), Stadt Kame-
nic (Böhm. Kamnitz 9), Pawlovice (Pablowitz 6), Kvitkov (Quitkau
6), Richnov (Reichen 6), Libechov (Libich 6), Slup (Bürgstein 6),
*) Die mit f bezeichneten Pfründen hatten geistliche Kollatoren, welche im
Verlaufe der Geschichte genannt werden sollen.
2) Ausser diesen gehörten auch noch die jetzt zur Prager Erzdiöcese gehö •
rigen Pfarreien Pocaply + (9) und Chodzovice bei Raudnitz f (9) zum leit-
meritzer Dekanate.
3) Dobern wurde 1392 eine selbstständige Pfarrei. Lib. Confir. ad 1392
und 1410.
4) Die Pfarrer von Quitkau u. Töschen werden in den Lib. conf. als Nach-
barn von Mnichow genannt.
90
Palic (Politz f 6), Drchlava (Dürchel 6), Wolfardsdorf oder Wol-
fartice (Wolfersdorf 6), Arnoldsdorf oder Arnoldice (Arnsdorf 4),
Skalice oder Langenau (3), Windisch-Kamenice (Windischkamnitz
3), Marquardsdorf oder Markwartice (Markersdorf 3), Tichlovica
(Tichlowitz 3) '), Cvikava (Zwickau 3), Rosendorf (3), Günthersdorf
(3), Bertholdsdorf (ein jetzt unbekanntes Pfarrdorf bei Algersdorf)
3), Kfibska (Kreibitz 3), Hostikovice (Hospitz bei Hohlen 3), Mer-
bordsdorf oder Merboltice (Mertendorf 3), Wernersdorf oder Wer-
nefice (Wernstadt 3), Conradsdorf oder Kunratice (Kunnersdorf 2),
Mergenthai (Mafenice? — ).
c) Im Dekanate Trebnitz: Die Pfarreien : Tf ebenice f
(Trebnitz 40), 2) Brozanf (1 Seh.), Libochovice (46 gr.), Dlasko-
vice (30), Chodzovf (30), Solany (Solan 27), Kozly f (Kosel 24),
Sirejovice f (Schirschowitz 21), Klepy (21), Kfesin (21), Tfebiw-
lice f (Tfiblic 21), Lovosicef (Lobositz 18), Merunice (18), Wele-
minf (18), Libceves (Liebschhausen 18), Sutom (16), Risutyf
(15), Chotesovf (12), Bausovicef (12), Duban (9), Robeice (Hrob-
schitz 9), Dolanek f (9), Zelkovice (9), Nedvedice (Nedweditsch 8),
Cizkovice (6), Slatinaf (6), MiroSovice (4), Mrzlice (Merschlitz 4),
Chauc (Kauzf 3), Lipa, Mokov.
2. Im Biliner Archidiaconate, und zwar:
ä) Im Decanate Bilin: Bilinf (48), die Archidiakonats-
pfründe f (45), Most f (Brüx 42), Duchcov (Dux 24), Rvenice (See-
stadtl 18), Teplice zu S. Johann f (18), Becov (Hochpetsch 18),
Teplice bei S. Maria (18), Zlatnik (Böhm. Schladnig 12), Wtelno f
(12), Radovesice (12), Kopie f (9), Jifetinf (Georgenthal 9), Neu-
dorf oder Novosedly (9), Luzice (Luschitz 9), Hradistef (Ratsch
9), Kostomlaty (Kostenblatt 9), Zabrusany (Sobrusan 9), Öaus
(Tschausch 6) , Slatinice (Deutsch Zladnig 6) , Jenik (Janigg 6),
Radeice f (Maria Ratschitz 6), Libkovicef (Liquitz 6), Nesveticef
(jetzt unbekannt 6), Holetice (Holtschitz 6), Zidovice f (Seidowitz
6), Kfemyz (6), die Klosterpfarre in Svetecf (Schwaatz 6), Dorf
Svetec f (6), Altosek f (6), Litvinov (Oberleitensclorf 3), Bohusu-
1) Um 1360 nach Lib. Confirm. eine selbstständige Pfarrei, 1384 Filiale von
Neschwitz. (Begistr. deeim.) Neuerdings selbstständig 1412 und 1413.
Lib. Confirm.
2) Blieb als Klosterpfarre im Einkommen zurück, da die Schenkungen meist
dem Kloster selbst zufielen.
91
dov (in der Gegend von Kulm und Mariaschein, 3), l) Ugezd Je-
nisuv (ügest, H. Osek, 3), Gelenke (Selnitz 3), S. Stephan (? 3),
Albrechtice (Olbersdorf 2), Daubravice f (ehemals am Fusse des
Schlossberges bei Teplitz gelegen, — ), Kliny (mons S. Wenceslai,
Göhrn — ), Novosedlice (Weisskirchlitz — ). ►
b) Im Decanate Aussig: Üsti (Aussig 1 Seh.), Trmice
(Türmitz 24), Krupa (Graupen 18), S. Adalbert in Aussig (18),
Chabafovice (Karbitz 18), Chvojno (Böhmischkahn 13), Svadovf
(Schwaden 12), Ktin (Hrtine 12), Sachov oder fiechlovice (Tschochau
10), Rudniky f (Raudnik 10), Waltifov (Waltirsche 9), Modlan f
(9), Brozanf (Prosanken 9), Chlumec (Kulm 9), Zim (Schima 9),
Tuchomyslf (Schönfeld 6), Wsebofice (Schöbritz 6), Skoratice
(Gartitz 6), Bofislav f (Boreslau 6), Mojzif (Mosern 6), Jilove
(Eulau 4), Kolcz (? 4), Arnoltice oder Arnoldsdorf (Arnsdorf 3),
Piozbölesy (Rosawitz 3), Zezice (Sesitz 3), Bukovf (Böhmisch-
Bockau 3), Schönborn (1), Peterswalde (0) , Königswald oder Li-
buchec (0), Lipovä oder Spenersdorf (Spansdorf — ), Cermna
oder Ludgersdorf (Leukersdorf — ), Habartice (Ebersdorf — ), Ko-
monin (Deutsch - Kahn — ), Naklefov (Nollendorf — ), Pfedlice
(Predlitz — ).
Ausserdem gehörten zu diesem Dekanate noch die jetzt säch-
sischen Ortschaften: Königstein (4), Strupin (Struppen 4), Kotlava
(Gottleube 4), Rynarec oder Reinhardsdorf (4), Heinrichsdorf
(Hermsdorf 4), Markvartice oder Marquartsdorf (Markersbach — ),
01e§nä (Oelsen) und Rosenthal ( — ).
3. Im Saazer Archidiakonate, und zwar:
a) Im Decanate Saaz: Zatec (Saaz), die Archidiakonats-
pfründe f (2 Seh.), die beständige Vikarie zu Saaz f 2) (36 gr.), die
Pfarrei Launy (Laun 2 Seh.), die Pfarreien Opocno (Opotschna 36),
Welika wes (Grossdorf, jetzt Michelsdorf 33), Dobromerice f (30),
Brlohf (Bierloch oder Brdloch 30), Hawran (30), Hf ivice f (27),
Libisice (Liebeschitz 27) , Wrutek f (Rudig 21), Ocihov f
(Gross-Otschehau 18), Podboranyf (Podersam 18), Neöemice (Ne-
!) Wir werden die Entstellung dieses Ortes unter Herzog Sobeslav I. 1125
erwähnen.
2) Die eigentliche Dekanatspfründe blieb als dem Mutterkloster Strahov
incorporirte Pfarre im Einkommen zurück.
92
tschenitz 18), S. Jakob in Saazf (18), Oboraf (15), Leneäice f
(15), Cerncme (15), Minie (15), 2abokliky f (Schaboglück 15), S.
Martin in Saaz (15), Skupice (15), Radiöeves (Raitschewes 15),
BMim (Ploscha 15), Strana (Strähn 15), Hradigtö (Hraidisch 12),
Holedeöf (Holleditz 12), Zlovödice (Lobotitz 12), Libödice (Liebo-
titz 12), Sobösuky (Sobiesack 12), Wolevöice f (Wolepschitz 12),
BuSkovicef (Puschwitz 12), Hofeticef (Horatitz 12), MScholupy
(Miecholup 12), Päovf (Schaab 12), Strupöice (Trupschitz 12),
Kryry (Kriegern 12), S. Andreas innerhalb des Klosters zu Postel-
berg f (10), Knezice (Kneschitz 9), Ranna (9), Cetoliby (Zittolib
9), Lipenec f (Lippenz 9), Susany (Zuscha 9) Nahasice (9), S. Ni-
colaus in Saaz (8), Bitozeves (Wittoses 8), Letov (Ledau 7), Li-
boöany f (Libotschan 7), Pnetluky f (Netluk 6), Äelec (Seltsch 6),
Libofice f (Liboritz 6), Hru§ovany (Hruschowan 6), Wysoöany f
(Wischezahn 6), Mory (Mohr 5), Skrlef (Skyrl 5), Wäestudy
(Schössl 5) , Bf ezno male (Kleinpriesen 5) , Sir em f (Zyrau 4) ,
Stankovicef (4), WSechlapy (jetzt unbekannt, 3), Selmice (ehemals
bei Opoöno 3), Dobricany (Dobritschan 0), S. Magdalena vor Saaz
(0), S. Michael in Saaz (0), Bfezany (Pressern, — ), Kostelec (un-
bekant, — ), Mlinaf e (ehemals bei Saaz, — ), Ober-Rocov ( — ),
Zidovice.
b. Im Dekanate Caaden: Caaden oder Kadanf (mit der
deutschen Ordenskommende vereint). *) Komotau oder Chomutov f (1
Seh.), Mastov f (Maschau, 42), Bfezno (Priesen, 18),Dolany(Dehlau,
18), Pfisecnice (Pfesnice, Pressnitz 18), Radonice (18), Cachovice
(Tschachwitz 18), Udlice (Eidlitz 15), Druskovice f (Drauschkowitz
15), Klasterec f (Klösterle 15), Wilemovice (Willomitz 15), Podlesice
(Podletitz 15), Pfiöaply f (Pritschapel 15), Turec f (Turtsch 12), Kra-
lup mit Kurbice (Körbitz 12), Zahofany (Sehries 12), Tusmicef
(Tuschmitz 9), Wintifov (Winteritz 9), Jirkov (Görkau 9), Kfimov f
(Chrima 9), Zelinaf (Seelau 6), Mikulovicef (Niklasdorf 5), Pru-
nef ov f (Brunnersdorf 3), Blatno f (Platten 3), Woc f (Wotsch 3),
Bystfice f (Wistritz 3), Slatina (jetzt unbekannnt, 3), Bolebof oder
Gottfriedsdorf mit Bernav (Göttersdorf 3), Mladejovf (einst bei
der noch bestehenden S. Stephanskirche in der Nähe von Köttowitz,
3), Uhoätany (Atschau 3), Chotöbudice f (Köttowitz 3), Okunov
l) Lib. confirm. a. a. 1401 etc.
93
(Okenau 3), Raöice (Redschitz 2), Rednice (Redenitz 2), Lauchov
Laucha 1), Schloss Pir§en§tein (Pürstein 0), Wolyne (Wohlau 0),
Lomazice (Lametitz 0), Kojetice (0), Schloss Hassenstein (0), Ot-
vice (Udwitz 0), Schloss Schumburk (Schönburg 0). !)
§. 24. Fortsetzung.
4. Im Bunzlauer Architliakonate, u. zwar:
a. Im Dekanate Bunzlau: DieArchidiakonatspfründe f (1
Seh. 18 gr.), MladäBoleslaw (Jungbunzlau) zu S. Johann Bapt. f
mit der dortigen Kommende vereint), Plasy (24), Kosmonosy (24),
Raysice (24), Osojnice (21), Zercice f (21), Semöice (19), LuStenice
(18), Syöin (18), Struhy (18), Studenka (18), Michalovice (18),
Bfezno (18), Stara (15), Bakov (15), Tynecf (12), Dobroviceves
(Dobrovice 12), Stakory (12), Debf (3), Mladä (2), Jablkynice (1),
S. Veit in Bunzlau f (?), Zamosti (?). — 2)
b. Im Dekanate Gabel: Jablona (Gabel 15) 3) Mimon
(Mems 30 gr.), Brniste" (Brims 9), Wartenberg (9), Sweborice (Schwa-
bitz 6) , Zakupy (Reichstadt 6), Seifertsdorf oder Vratislavice (5),
Kfizany (Kriesdorf 3), Osecna (Oschitz 3), Dubnice (Hennersdorf,
2), Brenna (Brenn 1), Dittrichsdorf (die ehemalige Lage unbe-
kannt, 1), Rinoltice (Ringelshain 1).
c. ImDekanate Melnik: Melnik f (1 Seh.), Nebuzel f (30),
Chöebus f ( Zebus 25), Duba (Dauba 24), Steti (Wegstädtl 24), Wysoka
(21), Libechov f (Liboch 18), Krpy (15), Liblice (15), Wtelno (15), Cho-
ruzicef (12), Radujen (Radaun 12), Krusina (Habichtstein? 12), De-
stna (Töschen 12), Kaninaf (9), Medonosy (9), Chodec (6), Ce-
öelice (5), Widim (3), Chlum (3), Zabory f (3), Repin f (3).4)
d. Im Dekanate Turnau: Turnov (Turnau 6),5) Hrustice
1) Der einst noch zum Kaadner Dekanate gehörige Pfarrort ^dar (Saar) ge-
hört jetzt zur Prager Diözese.
2) Der ehemalige Pfarrort Predmerice (mit 12 Gr. Z.), jetzt zur prager Erz-
diözese gehörig, unterstand gleichfalls diesem Dekanate.
3) Blieb wegen des Klosters daselbst im Einkommen zurück.
4) Hieher gehörten auch die jetzt zur Prager Erzdiözese gehörigeu Orte
Hlawno kostelni (21), Wsetaty (24) und Kozly (12).
5) Durch die nachmalige Klosterstiftung blieb dieses Beneficium im Einkom-
men zurück.
94
(12), Dubf (Böhm. Aicha — ), Pfepere (12), Jenisovice (12),
Laukovf (12), Hodkovice (Liebenau, 12), Semily (12), Roprechtice
(6) Letafovice f (6), Sezemice (6), Pfeslavice (6), Bzi (6), Wlasti-
bofice (6), Drzkov f (6), Boskov (6), Chocnejovice (5), Wysoke (4),
Brod (3), Olesna f (3), Nudvojovice (3>, Laukova (2), Jablonec f -(Ga~
blontz 0), Rychnovf (Reichenau 0).
e. Im Decanate Münchengrätz (Hradiste) : Hradiste (20) ')
Bösen (30), Wsen (21), Sobotka (18), Markvartice (18), Wse-
borsko (18), Solec (15), Mukafovf (9), Jablonec (9), Nepfivece (9),
Samsma (9), Mladejov (8), Mohelnicef (6), Osek (6), Libosovice
(6), Wlöipole (6), Ritonice (6), Wyskef (6) Bfezinaf (6), Hlavice
(6), Bausov (3), Swetlaf (0), Schloss Kost (?), Kfizenec (?).
f. Im Decanate Kamenec: Kamenec 2), Schloss Bezdez
f (Pösig, 3 Seh.), Bezno (30 gr.), Mseno (30), Bela f (Weisswasser) 3)
Kufiwody (Libera civitas, Freistadt, Hühnerwasser, 24), Chotetov
(24), Wtelna an der Iserf (22), Kovaii (21), Skalsko (18), Brodec
(18), Kadlinf (18), Gross-Slivno (15), Katusice (12), Bezdedice
(Klein-Pösig 12), Strenice (12), Kruh (12), Okny (12), Öejky (9),
Öista (6), Winecf (6), Klein-Slivno (5), Lobeö (3), Unter-Krupa
(3), Borejov (3), Sudomif (3), Mecizir (0), Doksy (Hirschberg — ) 4).
^. Im Decanate Havran: Havran 5), Lysaf (2 Seh),
Nimburg (1 Seh.), Rozdialovice (48), Welelib (36), Kostomlaty (30),
Wykleky (22), Jesenikf (21), Kfinec (18), Wäejany (18), Lauöen
') Ist durch die folgende Klosterstiftung im Einkommen zurückgeblieben.
3) Die Stadt dieses Namens dürfte einst in der Nähe von Mseno (bei Libo-
wis) gestanden sein, wo heute noch die Volkssage von einer dortigen al-
ten Stadt erzählt, welche durch die Pest der Einwohner beraubt und
in Kriegszeiten zerstört worden sein soll. Jedenfalls war die Stadt Ka-
menec schon im 13. Jahrhunderte nicht mehr vorhanden. Vielleicht wurde
gleich nach ihrer Zerstöruug die neue Cudenstadt Bela (Weisswasser) ent-
weder angelegt, oder wenigstens das Gericht dahin übertragen. —
3) Bela erscheint im Dezemregister von 1384 als Pfarrei darum nicht, weil
diese Pfründe damals längst schon in ein Kloster umgewandelt war.
4) Zu diesem Dekanate gehörten einst auch die jetzt zum prager Erzbisthume
zugetheilten alten Pfründen : Altbunzlau f (— ), Alt-Benatek (30), Skorkov
(15), Zdetinf (10) u. Drazice (9). — Neubenatek ward als Klosterseel-
sorge nicht mit eingezählt.
5) Die Öudenstadt dieses Namens bestand schon im 14. Jahrhunderte nicht
mehr. An ihrer Stelle steht j etzt die Einschicht Havransko.
95
(15), Psinice (15), Bosin (12), Umyslovice (12), Mcelyf (12), Zi-
tovlice (9), Budimefice (5), Hauska (Hospital — jetzt unbekannt
- o). ')
5. Kleine Theile von mehreren alten Dekanaten sind
der jetzigen leitmeritzer Diözese einverleibt: ,
a. Vom Decanate Luditz (Zlutice) des Saazer Archidia-
konats die Pfarreien : Widhostice (30), Nepomysl (Pomeisel 15), und
Stebno (Steben 15). 3)
b. Vom Decanate Zittau (Zitava) des Bunzlauer Archi-
diakonats : Hradek (Grottau 20), Chrastava (Kratzau 7) , Romberg
(Rumburg 6), Heinrichsdorf (Weisskirchen 6), Wetzelswalde (Wetz-
walde 6), Schönlinde (pulchra tilia, 4), Wernoldsdorf (Warnsdorf,
3), Liberec oder Reichenberg (2), Rochlice (Röchlitz 2), Wittich
(1), Rokytnik (Unter-Kratzau — ) und Ullrichsdorf (Ullersdorf — ).4)
c. Vom Decanate Jicin (Gitschin) des königgrätzer Ar-
chidiakonats : Libun (21), Tyn nad Rovenskem (15), Ober Aujezd
(9), Nieder Aujezd (9), Olesnice (3). 4)
') Ausserdem gehörten auch zu diesem Dekanate die dermalen nicht zur Di-
özese Leitmeritz zugetheilten alten Pfarrorte: Libic kamena (54), Po-
debrad (51), Wrbice (86), Ctineves (36), Katholisch-Libic (?) f (30), Dy-
mokury (30), Oskobrhy (18), u. Patek als Filiale von Podebrad (9).
2) Sämmtliche Beneficien dieses Dekanates: Manetin (1 Seh.,) Zlutice (45 gr.,)
Chyse (30,) Widhostic (30,) Rabenstein u. Stvolny (26,) Stedrä (24,) Audrc
(18), Stebno (15), Nepomysl (15), Nahorecice (15), Libyne (15), Brazec (15),
Skitaly (15), Krasov (12), Kreöov (12), Komarov (12), Kozlov (12), Puchov
(12), Moöidlice (12), Novosedly (12), Dupov (12), Pribenice (12), Neötiny
(12), Strhare (12), Walec (12), Straziste (9), Brlozec (9), Lukawa (9), Blatnä
(9), Lubenec (9), Kobyle (9), Tis (9), Luky (9), Brzin (9), Stfedka (9),
Ostrov (8), Radosovice (7), Bukovina (3), Lochotin (3), Sachsenburg (2).
3) Die vollständige Reihe der jetzt meist in Sachsen gelegenen Beneficien
dieses Dekanats : Zittau f (— ), Oderwitz (28), Grottau (20,) Friedersdorf (18),
Ostritz (18), Seitendorf (18), Herwigsdorf (15), Hennersdorf, später als
Filiale zu Rumburg (14), Reichenau (13), Ruppersdorf (12), Witchendorf
(12), Bertsdorf (12), Hennersdorf (10), Grossschönau (9,) Königshain (9),
Heinewalde (7), Kratzau (7,) Weisskirchen (6), Seifersdorf (6), Rumburg (6),
Grünau, Wetzwalde (6), Spitzkunnersdorf (6), Schönlinde (4), Eubau (3) ,
Warnsdorf (3), Türchau (3), Waltersdorf (2), Reichenberg, Röchlitz, Vogts-
dorf (2), Kleinschönau (1), Wittich 1), Hirschfelde (?), Unterkratzau und
Ullersdorf. —
4) Die vollständige Reihe : Jicin (44), Bechary (36), Drahoraz (36), Nemojöeves
96
d. Vom Dekanate Schlan (Slany) des Archidiakonats
Prag: Poöedölicef (24), Winarice (24), Chlumcany (15), Kystra (12)
und Orasice (6). ])
e. Vom Dekanate Rakonic (Rakovnik) des prager Ar-
chidiakonats: Jesenice (Jechnitz, 30), Zihlef (Schöles, 18), Blzany
(Flöhau, 15), Bilence (Wilenz, als Filiale v. Jesenik, 9), Öernoc
(Grossöernitz , 9), Strojetice (9), Podbofany f (Podersanken 6),
Sobechlebyf (Oberklee, 6), Bestno (Wiessen, 6), ChmeliStna (Chme-
leschen 3). 2)
f) Die jetzt nach Leitmeritz zugewiesenen Antheile der meiss-
27 , Konecchlumi (21), Libun (21), Kobausy (18), Neupaka (15), Kostelec
(15), Lomnice (15), Tyn (15), Zliw (15), Jilemnice (15), Chyjice (12), 2e-
leznice (12), Bystrice (12), Welis (12), Nieder Aujezd (9), Ober Aujezd
Ulibice (9), Nadslav (8), Ubislavice (6), üdrnice (6), Radim (6), Chotec
(6), Mlazovice (6), Luzany (6), Ostrozno (6), Nieder Brenna (6), Ober Bre-
nna (6), Libstat (6), Roztoky (4), Pecka (4), Öista (4), Smricno (4), Zebin (4),
Dolany (3), Novävcs (3), Alt Paka (3), Kalna (3), Olesnice (3), Ponikle (0),
Belohrad (?Albea, 0), Olesna (0), Stepanice (0), By§ice — , Chomuticky
— , Brada — , Kopidlno — .
1) Die vollständige Reihe : Kostelec (2 Seh.,) Budin (1 Seh.,) Stochov (39), Red-
ho§t (35), Srbec(30), Hradiste (30, ehedem bei Smeöno), Druzec und 2ilina(30),
Pchery (30), Poöedelice (24), Winarice (24), Smeöno (24), Telce (21), Dolin
(21,) Zvolineves (21), Radunice (21), Kralovice (20), Slavetin (20), Zlonice
(18), Palecl8, Öernochov (18), Wrani(18), Drinov (18), Peruc (18), ^elenice
(18) , Turany (18), Kladno (18), Horesovice (18), Klobuk (18), Wrbno (18),
Chlumcany (15), Kwilice (15,) Klein Paleö (15), Busceves (15), Tynec (15),
Prelic (15), Jecovice (15), Pozden (15), Risuty (15), Gross Lidice (15), Mestce
(15), Wrapice (12), Klein Lidice (12), Neprobilice (12), Schlan (12),
Straseci (12), Kystra (12), Smolnice (12), Mury (9), Malikovice (9), Ujezdec
(7), Knovice (6), Lukov (6), Orasice (6), Trstice (6), Kornhaus — .
2) Die vollständige Reihe : Zbeöno (2 Seh.), Rakovnik (1 Seh. 12 gr.), Kaunov
(1 Seh.), Potvorov (35), Slabce (32), Senomaty (30)2 2ebnice (30), Jesenik (30),
Kozlany (26), Nesuchyne (25), Kralovice (24), Oraöov (24), Hwozd (24), Cista
(21), Dekov (21), Milicov (18), Zihle (18), Lisany (18), Kolesovice (18), Li-
bynö (17), Dolany (17), WSehrd (15), Ujezd (15), Blzany (15), Mutejovice
(15), Bälec mit Bratronice (15), Rehly (15), Krchleby (15), Ostrovce (12),
Olesna (12), Nezabudice (12), Herrndorf (10), Luzna (9), Bilence (9), Öer-
noc (9,) Strojetic (9), Weclov (9), Wäesulov (9), Skryje (8), Sobächleby (6),
Podborany (6), Be§tno (6), Rausinov (6), Skrivan (6), Horosedly (6), Sanov
97
nischen Dekanate: Sebnitz, Löbau, Budisin, Seidenberg und Frei-
berg wurden bereits §.11 näher bezeichnet. *)
§. 25. Die Hofgeistlichkeit.
1. Seit die Fürsten unseres Vaterlandes zum Christenthume
sich bekehrt hatten, unterhielten sie an ihrem Hofe mehrere Prie-
ster, deren ursprünglicher Beruf es war, für die geistlichen Be-
dürfnisse ihres Herrn und seines Hofhaltes Sorge zu tragen. Da
für ihr geistliches Amt eine eigene Kapelle in der fürstlichen Burg
erbaut wurde, so erhielten sie von dieser den Namen Capellani
des Herzogs und hiessen endlich auch in übertragenem Sinne und
kollektiv die h e r z o g 1 i c h e C a p e 1 1 e. Wir haben schon zur Zeit Bo-
fiwojs einen solchen Kapellan in der Person des Paul Kaych ken-
nen gelernt. Diese Hofkapläne hatten selbstverständlich ihren
Herrn auch in den Krieg zu begleiten. Einzelne derselben trugen
bei solcher Gelegenheit die Waffen des h. Landespatrons Wences-
laus dem Heere voran, Panzer, Helm und Speer, an welch' letzte-
rem späterhin die 1125 aus der Kirche zu WYbiöan (kaurimer
Kreises) erhobene Fahne des h. Adalbert 2) befestigt war. Andere
ermahnten zur Tapferkeit im Streite unter dem Schutze der hei-
ligen Landespatrone. 3)
2. Diese herzogliche Kapelle vermehrte sich bedeutend , als
die Beziehungen unseres Vaterlandes mit der nahen und fernen
christlichen Nachbarschaft sich erweiterten. Zu den nun notwen-
digen und oft wiederkehrenden Botschaften, insbesondere an den
kaiserlichen und päpstlichen Hof, und zur Vernehmung der an den
Herzog selbst entsendeten fremden Gesandten bedurfte man vor
Allein verlässiger Männer von entsprechender Geschicklichkeit und
ausreichender Sprachenkenntniss. Wro anders aber hätte man solche
damals finden können, als in den Reihen der Klerisei? Dazu kam
(6), Mestec (3), Chmelistna (3), Chlistov bei Slabce — , Kraucova — , Pa-
nosi Ujezd — Knezewes.
1) Das Verzeichniss der in der jetzigen Prager, Königgräzer u. Budweiser
Diözese gelegenen alten Seelsorgspfründen — mit Ausnahme der bisher
schon einbezogenen Dekanate — folgt im Anhang.
2) Palacky I. 395.
3) Cosmas a. a. 1126. Tomek Gesch. Prags I. 111.
7
98
sehr bald auch die in gleichem Schritt mit der neuen christlichen
Kultur immer vollkommener werdende innere Staatsregierung, welche
häufig die Ausfertigung landesfürstlicher Urkunden und nicht sel-
ten auch einen gediegenen rechtsverständigen Beirath nothwendig
machte. Auch in diesem Stücke war man in der ersten Zeit ein-
zig an den Klerus angewiesen. Man zog deshalb die geeigneten
Persönlichkeiten in grösserer Anzahl zur landesfürstlichen Kapelle,
wo sie nun grossen Theils als scribae (Schreiber), und notarii
publici (Urkundenverfasser) zu fungiren hatten. An der Spitze
dieser geistlichen Beamten stand fortan der oberste Kanzler
(supremas cancellarius), dem zur Beihilfe ein Unterkanzler (siib-
cancellarius) beigegeben war. Diese sowie auch die mit der
eigentlichen Hofseelsorge betrauten Hofkapläne erhielten für ihre
Verdienste alsbald einträgliche kirchliche Pfründen und aus ihrer
Mitte wurde auch zumeist der Bischof gewählt.1) Ein in jener
Zeit sehr verbreiteter Missbrauch war es, dass solche Pfründen-
besitzer häufig auch ferner noch am herzoglichen Hofe und im
fürstlichen Dienste blieben, so dass ihr kirchliches Amt dabei fast
ganz vernachlässigt worden wäre, wenn sie nicht wenigstens zur
Wahrung desselben sogenannte Vicarii (Stellvertreter, Vikare) be-
stellt hätten.
3. Je weiterhin, desto mehr entfaltete sich in unserm Vater-
lande das Institut der Hofkapläne. Ebenso wie der Herzog, hatte
alsbald auch dte Herzogin und der Bischof eine eigene Hofka-
pelle, 3) allmälich mit allen Titeln und Abstufungen des herzog-
lichen Hofes. Hiezu kamen in Kurzem auch noch eine Menge
Titular-Hofkapläne, welche nicht bloss vom Landesfürsten,- sondern
— erweislich im 13. Jahrhunderte — auch vom Papste ernannt
wurden. Diese Auszeichnung traf häufig verdiente Landgeistliche,
welche nichtsdestoweniger ihre Beneficien beibehielten, — nicht
selten aber mit landesfürstlicher und päpstlicher „Provision" (Vor-
bestimmung) für die nächste in Erledigung kommende höhere
Pfründe. 3) Auch die blossen Titel Notarii, Domicelli (Hausgenos-
!) Vgl. Tomek Gesch. Prags I. 110.
8) Ebendaselbst I. 112.
3) Der Papst gab solchen die sogenannten provlsorias (Uteras), addressirt
an irgend ein Domkapitel mit dem Auftrage, bei einer der nächsten Ka-
99
sen) und fiäeles Secretarii (treue Geheimschreiber) wurden in sol-
cher Weise vom Landesfürsten an einzelne Priester ausserhalb des
eigentlichen Hofhalts verliehen. ])
§. 26. Die Klöster und Kapitel aus dieser Zeit.
1. Wir übergehen die Entstehung des Mönchswesens über-
haupt; auch sei es blos im Vorübergehen gesagt, dass dieses im
Abendlande vom 5. Jahrhunderte an durch den heiligen Benedict
den gewaltigen Aufschwung erfahren hatte, nicht blos eine Uibungs-
schule des Christenthums nach Innen, sondern auch eine Pflanz-
und Pflegeschule desselben nach Aussen zu werden. In beständi-
ger Trennung von der äusseren Welt, in demüthiger Unterwerfung
unter den Willen des geistlichen Obern, und wie ohne eigenen
Willen, so ohne eigene Habe, trieb der fromme Ordensmann des
h. Benedict in strenger Ordnung und beständiger Selbstkasteiung
sein Tageswerk, das Ora und Labora (bete und arbeite). Den
sieben kanonischen Stunden des Gebetes und den frommen Uibun-
gen der Betrachtung und heiligen Lesung waren nützliche Handar-
beit, Studium, künstlerische Thätigkeit und vorzüglich die mühe-
volle Anfertigung der noch jetzt von uns bewunderten kostbaren
Abschriften heiliger und klassischer Werke in schöner Wechsel-
folge angereiht. So lebten die frommen Brüder in grösster Fru-
galität (Fleischspeisen waren nur Kranken und Schwachen gestat-
tet) aller Welt zum erbaulichen Beispiele. Darneben besorgten
sie in eigenen Schulen (Klosterschulen) den Unterricht der Kleinen
im Lesen, Schreiben, Rechnen und Singen, und ebenso die Weiter-
bildung der heranwachsenden Jugend in den freien Künsten und
Wissenschaften. Je zehn Brüder standen unter einem Dekan, die
ganze Genossenschaft verehrte den „Abt" ( Ablas) als ihren geist-
lichen Vater, dem für die innere Leitung der „Prior" und für die
ökonomischen Geschäfte der „Propst" (Praepositiis) zur Seite
pitelwahlen auf die Inhaber Bedacht zu nehmen. (Das reglstrum literarum
receptionis in canonicos ecclesiae Pragensis, Manusc. der Kapitelbibl. in
Prag, enthält eine Menge Beispiele aus den Jahren 1378 — 1389).
]) Ein sehr interessantes Manuskriptwerk des Prof. Dr. Const. Höfler: „Hi-
storische Monumente über das Königthura in Böhmen" — bringt mehrere
Beispiele solcher Titular-Ernennungen.
7*
100
stand. Wer solchem klösterlichen Leben freiwillig sich weihen
wollte, musste anfangs ein und in späterer Zeit gar fünf Jahre als
Novitiiis (Neuling, Novize) zur Probe im Kloster leben, damit es
sich herausstelle, ob der Kandidat dem Orden und der Orden dem
Kandidaten gefalle. Darneben aber gab es auch zarte Knaben,
die nicht selten schon als Säuglinge von ihren Eltern dem Klo-
sterleben geweiht wurden. 1 ) Diese wurden im Kloster selbst mit
aller Sorgfalt für das Ordensleben erzogen. Falls die Eltern für
sie das Gelübde abgelegt hatten, durften sie nie mehr in die Welt
zurücktreten. Ihr Erbtheil fiel dem Kloster zu; jedoch durften sich
die Eltern auf ihre Lebenszeit dessen Nutzniessung vorbehalten.
Auch diese dem Kloster geweihten Zöglinge (Oblati) unterzogen
sich nachher dem Noviziate. Der Entschluss des Novizen, im Or-
den zu leben und die förmliche Aufnahme in die Zahl der Brüder
besiegelte das feierliche Gelübde oder die sogenannte Profess (pro-
fessio) auf die Ordensregel. Da diese Regel auch für weibliche
Vereine sich eignete, so konnte es nicht fehlen, dass es in Kur-
zem auch Benedictinerinnenin zahlreichen Klöstern gab, fromme
Frauen, welche durch ein heiliges Gelübde sich verpflichteten, nach
der Regel des h. Benedict unter einer Aebtis sin (Äbbatissa) und
unter der geistlichen Führung des Benedictineror-
dens zu leben.
2. Nach dem Vorbilde der Benedictinerklöster entstanden seit
dem 8ten Jahrhunderte auch geschlossene Vereine von Weltgeist-
lichen, die nach einer strengen Regel lebten, die D o m- und C o 1-
legiat stifte. Ihr erster Begründer war der fromme Bischof
Chrodegang von Metz (742 — 766). Dieser übertrug einfach die
Regel des h. Benedict in seinen bischöflichen Haushalt, (c. 755.)
Die geistlichen Brüder lebten in einem gemeinsamen Hause (clau-
strum, Kloster) und der Reihe nach besorgte einer von ihnen den
gemeinsamen Tisch. Stundengebet und Betrachtung, geistliche Lesung,
Studium und Unterricht waren die Beschäftigung des Tages. Auch
die auswärtigen Geistlichen hatten wenigstens an Sonn- u. Festta-
gen nach beendigtem öffentlichen Gottesdienste im geistlichen Hause
zu erscheinen, wo sie ihren Platz am gemeinsamen Tische fanden
und dann den frommen Uibungen des Tages sich anschlössen.
') So Boleslaws des I. Sohn Strachkwas (Christian).
101
Weibern und Laien war der Zutritt durchaus verboten. Die geist-
lichen Brüder, welche nach einer solchen Regel (Canon) ohne
besondere Gelübde lebten, Messen Canonici. Von dem Gebrauche,
täglich nach abgesungener Prim in einem eigens dazu bestimmten
Saale nebst einem Abschnitte der h. Schrift auch noch ein Ka-
pitel aus der Hausregel vorzulesen, Messen sie alsbald auch Capi-
tulares und die ganze Körperschaft „das Kapitel." An die Stelle
des Abtes trat hier in der Leitung des Vereines der Bischof oder
an dessen Statt der Archidiaconus (Primicerius). Später besorgte auch
hier die ökonomischen Geschäfte ein Praepositus (Propst), die innere
Disciplin aber ein Decanus (Dechant). Der geistliche Bruder, wel-
cher die Domschule als Pflanzstätte des künftigen Klerus zu lei-
ten hatte, ward Scholasticus, der Leiter des Choralgesanges Cantor
genannt. Die Aufsicht über die Gebäude (besonders der Kirche)
besorgte der Custos, die werthvollen Kirchensachen bewahrte der
Thesaurarius (Schatzmeister) oder Sacrista. ])
3. Wie diese Einrichtung allmälig an allen bischöflichen
Domkirchen eingeführt wurde und dadurch die Domkapitel ent-
standen: so fand sie auch alsbald Anwendung bei jenen Landkir-
chen, an welchen ein zahlreicher Seelsorgsklerus angestellt war.
Häufig aus eigenem x\ntriebe, noch öfter aber auf Anordnung des
Bischofs und auf Grund frommer Stiftungen von Seiten der Fürsten
und anderer Wohlthäter entstanden hier geistliche Vereine (Collegia)
unter derselben Piegel Chrodegangs. Diess ist der Anfang der so-
genannten Collegiatstifte oder Collegiatkapite 1. Hier
repräsentirte der Propst den geistlichen Vater. Ein Dechant
wurde häufig erst viel später eingesetzt, nachdem das vermehrte
Einkommen der Körperschaft eine weitere Vermehrung der Mit-
glieder möglich machte.
4. In unser Vaterland kam der Orden des h. Benedict be-
reits zu einer Zeit, wo die eigenthümlichen Lehenverhältnisse der
germanischen Staaten schon so manche Abweichung von der stren-
gen Regel herbeigeführt hatten. Man hatte die Klöster aller Or-
ten mit bedeutenden Ländereien dotirt, welche anfangs unbebaut,
durch Fleiss und Geschick der Mönche in Kurzem zu blühenden
') Dr. Ginzel: Die kanonische Lebensweise der Geistlichen. (Regensburg 1851.)
S. 24—32. Regula Chrodegangi episcopi ebendaselbst S. 109 — 140.
102
Gauen mit zahlreichen Dorfschaften u. Weilern sich gestalteten.
Zahlreiche Kirchen erhoben sich im Unikreise des Stiftes '), die
nun der Seelsorger bedurften. Das drängte die Vorsteher, die ur-
sprüngliche Sitte zu verlassen, nach welcher nur ausnahmsweise
ein oder einige Brüder des Klosters der Priesterweihe theilhaftig
wurden, um grade nur die geistlichen Bedürfnisse des Hauses zu
bestreiten. Jetzt ward es zur Regel, die Mehrzahl Priester im Or-
den zu haben. So lange es anging, besorgten diese in Exkursionen
vom Kloster aus die Seelsorgen des Umkreises, immerhin schon
eine Lockerung der alten Strenge, die den Mönch ausschliesslich nur
innerhalb seines Klosters leben liess. Allmälich aber wurde es
auch nothwendig, einige Priester behufs der Seelsorge zu exponi-
ren. Doch geschah diess in erster Zeit nur in der Weise, dass
diese zum wenigsten ein Kollegium von 3 Brüdern bilden und un-
ter einem eigenen Praepositus (Propst) ihr klösterliches Leben in
einem gemeinsamen Hause fortsetzen mussten. So enstanden die
klösterlichen Propsteien. Anderseits wurden nun die Kloster-
äbte durch den umfangreichen Besitz den mächtigsten weltlichen
Herren gleichgestellt, während sie diese noch in feiner Sitte und
wissenschaftlicher Bildung weit übertrafen. Kein Wunder also,
wenn sofort die Landesfürsten solche Klostervorsteher an ihre Höfe
zogen und mit Ehren und Auszeichnungen überhäuften. Für die
Klöster selbst ward diess eine weitere Gelegenheit, die strenge
Disciplin des Hauses noch mehr zu lockern, während auf der an-
dern Seite die bedeutenden Einkünfte dem Wohlleben die Thore
zu öffnen begannen. —
5. In den Stiftungen Chrodegangs lag dagegen schon von al-
lem Anfang her ein Keim des späteren Verfalles. Hier war den
Kanonikern der Besitz eines Privateigenthums gestattet geblieben.
Diess führte sehr bald zur Auflösung des gemeinsamen Lebens.
Zumal als diese Stifte zu Versorgungsanstalten der nachgebornen
Söhne des Adels wurden, glaubte man den einzelnen Kanonikern
einen eigenen Haushalt und eigene sogenannte Praebenclen (Pfrün-
den) aus dem Stiftungseigenthume einräumen zu müssen. Nur für
gewisse fortdauernd gemeinsame Bedürfnisse wurden einzelne Stif-
') Das Kloster St. Gallen hatte beispielsweise 400 Pfarrkirchen in seinem
Landgebiete.
103
tungsantheile als sogenannte Obeclientiae ') für die gesammte Kör-
perschaft zurückbehalten. Seitdem wurde es auch zur Regel, dass
die Kanoniker mit den niederen Weihen sich begnügten, durch die
sie für den Genuss ihrer Pfründen befähigt blieben, ohne eben die
Möglichkeit aufzugeben, glücklichen Falls im Weltleben sich noch
viel besser zu versorgen. Selbst an verheirateten Kanonikern sollte
es mit der Zeit nicht fehlen.
In unser Vaterland wurden die Dom- und Collegiatkapitel noch
mit ihrer ursprünglichen Regel verpflanzt, die aber hier wie ander-
wärts in kürzester Zeit den angedeuteten Neuerungen sich fügen
musste.
§. 27. Das Collegiatstift und das Kloster der Benedictinerinnen zu St. Georg.
1. Schon im J. 912 hatte Herzog Wratislaw I. den Grund zu
der Kirche S. Georg gelegt, in welcher nachmals der Leichnam
der h. Ludmila eine ehrenvolle Ruhestätte fand. Gleichzeitig hatte
er dabei ein Collegium von Geistlichen gestiftet, welche den hei-
ligen Dienst daselbst versehen sollten. Es waren diess, wie bereits
erwähnt wurde3), 1 Erzpriester3), 4 Priester4), 2 Diakonen und
2 Subdiakonen. Dieses Collegium führte von allem Anfange an ein
gemeinsames Leben nach der Regel Chrodegangs und wurde so
das älteste Collegiatstift in Böhmen. Die Mitglieder dieses Stiftes
führten auch hinfort den Namen Canonici. Eines Dekans und Prop-
stes bei St. Georg wird nicht erwähnt. Bei dem Umstände, dass
nach der Errichtung des Nonnenklosters bei St. Georg diesem Ka-
pitel nur die untergeordnete Rolle der Conventsseelsorge zufiel,
') Obedientia d. i. Gehorsam. So hiessen gewisse Güter desshalb, weil der
Mitgenuss derselben vom kanonischen Gehorsam (von der treuen Erfüllung
der Pflichten des Kanonikers) abhing. Wer nicht beim Kapitel wohnte,
oder wer den kanonischen Hören sich entzog, wurde von der Theilnahme
ausgeschlossen.
2) §. 5. S. 14 und 15.
3) Ein von Hammerschmidt MsL monast. St. Georgii zitirtes altes Manusc.
nennt als die ersten Erzpriester, die wahrscheinlich die Stellvertreter des
Regensburger Bischofs für ganz Böhmen waren, Wlita u. Mylata.
4) Als erste Priester bei St. Georg werden ebendaselbst genannt Byelka,
Öas und Hmylen.
104
scheint auch meist nur ein oder der andere Canonicus mit den Di-
akonen und Subdiakonen daselbst gewohnt zu haben. Die übrigen
finden wir zugleich als Mitglieder anderer Kapitel und selbst auch als
Landseelsorger untergebracht. ') Als Präbenden des Kapitels werden
genannt : Holus (Holowaus) mit Wein- und Ackerzehenten in Gross-
Owenec und Zinsungen in Otwojec; Knezewes mit Zehenten in Si-
fejovice und von 3 Häusern in Leitmeritz; Statiwnice; Pfilep mit
dem halben Zehenten in Chorausek und Gross-Owenec; Bohenice
mit Ackerzehenten in Lichucewes. Ueberdiess gab es noch zwei
Diakonatspfründen, bestehend aus Zinsungen zu Postfizin, Jungfer-
Bfezan und Bofanowice und einem Grundstücke in Ochwojec, und
zwei Sub diakonatspfründen mit Gründen und Zehenten in Daudlebec
und Hlupohlaw, später dafür in Brezan, Boranowice, Opatowic und
Wrutic. 2)
2. Neben dem Collegiatstifte erhob sich um 970 das erste
Kloster des Benediktinerordens in unserm Vaterlande. Mlada, die
fromme Schwester Boleslaws IL hatte in Rom nebst der Errichtung
eines eigenen Bisthums für Böhmen auch noch die Erlaubniss er-
wirkt, als erste böhmische Ordensschwester einige fromme Genos-
sinnen um sich zu versammeln und ein Ordenshaus für selbe er-
bauen zu dürfen. So wurde sie die erste Aebtissin von St. Georg.
Grossartig war die Dotation, welche zum Theile schon die edle
Stifterin, mehr aber noch der religionseifrige Bruder und seine
Nachfolger dem ersten und ältesten Kloster Böhmens zuwendeten.
Es gehörten alsbald 129 verschiedene Dorfschaften, die einen ganz,
die andern theilweise dazu. Ein so umfangreicher Besitz bot eben
so sehr die Mittel als die Gelegenheit, einen guten Theil zur völ-
ligen Christianisirung und zur geistigen Hebung des Vaterlandes
beizutragen. Das Kloster S. Georg hat diess redlich gethan und
dadurch eben so segensreich nach Aussen als nach Innen gewirkt.
3. Eine Urkunde von 1228 3) nennt uns alle Besitzungen des
Klosters in der Ordnung der Äupen, in denen sie gelegen waren.
Die meisten derselben befanden sich im Umkreise von Prag. An-
') Vgl. Hammersch. p. 7—10.
2) Vgl. Hammersch. ebencl. u. Regisl clecim. v. 1384. vgl. Erben regest. 336
u. 337. Tomek Gesch. Prags I. 510.
3) Erben regesta 336.
105
dere lagen in den Äupen von Leitmeritz, Melnik, Hawran, Netolic
(Bechyn), Prachin, Pilsen und Bozen. Uns interessiren zumeist die
Ortschaften innerhalb der jetzigen Diöcese von Leitmeritz, welche
ohne Zweifel ihre erste kirchliche Entwicklung dem Kloster zu St.
Georg zu verdanken haben.
a. Vor Allen wendet sich da unser Auge' nach dem Umkreise
von Trebnitz in der leitmeritzer Zupe. Hier blühte Trebnitz
selbst unter der Fürsorge der frommen Ordensoberinnen frühzei-
tig zur Stadt und zum Dekanatssitze heran. Nicht zu ferne davon
empfingen Sirejovice (Schirschowitz bei Tschischkowitz) und
W e 1 e m i n schon in früher Zeit — durch Vermittlung der klöster-
lichen Grundobrigkeit eigene Seelsorgen. Im J. 1384 gehörten
diese drei Pfründen entschieden zu den besten und darum wohl
auch ältesten des Decanats. ') Ausser diesen alten Pfarrorten ge-
hörten vom Anfange an noch mehrere Orte der Umgegend zu dem-
selben klösterlichen Güterkomplexe. Es waren Chodovlice und
Hlupohlav, das heutige Chodolitz und Oppolau, beide auf dem
Dominium Tschischkowitz, Boztesice, das heutige Postitz auf
dem Dominium Priessnitz und Schöbritz, Polep auf dem jetzigen
Dominium Enzowan, 2) Po die sin, jetzt Padloschin bei Türmitz,
Chwalowic, ehemals in der Nähe von Sutom gelegen, Borec,
das jetzige Boretz auf dem Dominium Lobositz, und Wransko,
wahrscheinlich das heutige Prohn auf der Herrschaft Bilin. Uiber-
diess gehörten in dieser Gegend dem Kloster ursprünglich auch
noch der neunte Theil des Markteinkommens und des Eibzolles in
Aussig und in Leitmeritz. 3) In späterer Zeit erwarb das
Kloster zu diesen Besitzungen auch noch das Dorf Ujezdec, 4)
jetzt Grossaujezd bei Pischkowitz, und zwar vom deutschen Or-
den, in dessen Eigenthum es zugleich mit Pischkowitz und einigen
andern Ortschaften im Jahre 1219 gelangt war. 5) Unter den spä-
tem Gütern von St. Georg, vielleicht erst von diesem gegründet,
«) Vgl. §. 23. l. c
a) Diess wurde schon vor 1262 vertauscht für eine entsprechende Besitzung
in der prachiner Zupe. Vgl. Tomek Gesch. Prags I. 508.
3) Urkunde Erben regesta 336 und 337.
4) Dasselbe ward dem Kloster 1437 durch Verpfändung an Hynek von Wald-
stein entzogen. Palacky Archiv cesfoj I. 505.
5j Erben regesta 376.
106
erscheint auch das Dorf K o 1 o 1 e ö auf dem heutigen Gute Tschisch-
kowitz. *) — Nebst diesen eigenen Besitzungen des Klosters lagen
in derselben Gegend auch noch einige der erwähnten Präbenden
des Kollegiatkapitels, welches dem Kloster St. Georg zur Seelen-
leitung beigeordnet war.
h. In der ehemaligen Zupe und dem alten Decanate von
Melnik besass das Kloster St. Georg wahrscheinlich von allem An-
fange her die Pfarrorte Nebuzely und Chorusice, von denen
der erstere nach Massgabe des im Jahre 1384 sichergestellten
Pfründenvermögens nächst Melnik und wohl zugleich mit Chcebuz
(Zebus) die älteste Kirche des ganzen Decanats besass, letzterer
aber (Chorusice) nach der Zeit ein beliebter Sommeraufenthalt der
Aebtissin und einiger geistlichen Schwestern wurde, die nach der
Sitte jener Zeit in dem klosterähnlich angelegten Herrschaftsge-
bäude unter Beobachtung der h. Regel zeitweilig wohnen durften.
Der eben genannte auch noch anderwärts zu erwähnende Umstand
hat Veranlassung gegeben, dass hin und wieder das ehemalige
Bestehen eines Frauenklosters in Chorusic angenommen worden
ist, von welchem aber eine sichere historische Spur gar nicht
gefunden werden kann. 3) Ausserdem gehörten derselben geistli-
chen Obrigkeit die in derselben Gegend gelegenen Ortschaften
Gross-Aujezd, Wrutice und Chorausky auf der jetzigen
Herrschaft Melnik, ferner Ninechow auf der D omaine Liblic und
der neunte Theil des Markteinkommens in Melnik. 3) Nebstbei
lagen in diesem Komplexe auch die bereits erwähnten Antheile der
Kapitelpräbenden (Chorousek, Wrutice).
1) Dieser Ort' wurde erst 1436 samt Trebnic, Chodovlic, Hlupohlav, Welemin
und Sirejovic durch Verpfändung (für 1000 Seh.) an Johann Kaplir von
Sulewic, dessen Erbsitz Sulewic u. Kostal in der nächsten Nähe lag, ent-
fremdet. Hammerschmidt hist. monasterii St. Georg ii p. 86 und 87.
2) Die urkundlichen Libri confirmationum berichten dagegen eine Pfarrprä-
sentation für Chorusic durch die Aebtissin Anna von St. Georg im J.
1419. Für Nebuzely erscheinen solche Präsentationen 1399 und 1409;
in letzterem Jahre ward der nachmals so berühmte prager Canonicus An-
dreas Broda als Pfarrer in Nebuzely durch die Aebtissin Anna präsen-
tirt. Libr. confirm. — Der Kirche in Chorusic schenkte 1405. 1. Juli
Johann Schebek von Gross-Sliwno einen Jahreszins von 45 böhm. Groschen.
Lib. ErecL XIII. M. 1.
3) Urkunde Erben regesta p. 336 und 337.
107
c. In der Zupe und im alten Decanate von Hawran besass
das Kloster die Dörfer Winafec und Kobylnik auf dem heu-
tigen Dominium Dobrawitz, ferner das jetzt unbekannte Dorf Kne-
nic (und in dem derzeit zur prager Diöcese gewiesenen Antheile
das alte reiche Pfarrdorf Libic nebst den Orten Osek, Oldris, Od-
fepes und Sädowi). l)
Noch gehörte in frühester Zeit zu dem genannten Kloster der
Zehent vom ganzen Dorfe Celejovice auf dem Dominium Kost
und Rakow im bunzlauer Kreise, und von 4 Höfen im alten Pfarr-
orte Blzany, dem heutigen Flöhau im saazer Kreise;2) ausser-
dem der neunte Theil vom Markteinkommen in der Stadt Saaz. 3)
Auch erscheint es weiterhin als Grund- und Patronatsherrschaft
des in demselben Kreise gelegenen Pfarrdorfes Hofetice, des
heutigen Horatitz. 4)
Aus all' dem Erwähnten ist ersichtlich, dass die Stiftung und
der Bestand des ersten Nonnenklosters in Böhmen auch für das
Gebiet unserer jetzigen Diöcese Leitmeritz eine hohe Bedeu-
tung hat.
4. Die anderweitigen Güter des St. Georgklosters waren: im
Piakonitzer Kreise Tynec, Statenic, Suchydol, Kamyk, Lichucewes,
Nutomic, Hradek, Husinec, Rez, Okof, Knezewes, Zelunic, Knowic,
Holowaus, Wrbno, Tauzetin, Otwojic, zwei Owenec, Bojmitz, Motol,
Ko§if, Lubesow, Chrasfan, Hofelic, Rehel, Stradonic, Bratronic;
im Kaufimer Kreise Brnek, Neratowic, Jungfer - Brezan, Örnkow,
Dusnik, Swemyslic, Bofanowic, Strizkow, Sestlic, Bechowic, Kfi-
wäwes, Repöic, Radejowic, Olsnic, Uhrinowes, Psaf, Zabehlic,
Karlin, Opolel, Knenic; in dem Berauner Kreise Borek, Krnian^
Solopisk, Daublebetz, Dusnik, zwei Mokropes, Let, Otmik, Boh,
Bnecic, Läz; in dem Pilsner Kreise Lukow, Newid, Bujesil, Liblin ;
in der Zupe von Netolic Baworowic, Karlowic, Malesic, Ctimi-
rowo-Wesce, Radcic, Pohorowic, Strunkowic; in der Zupe von
Prachin Welenow, iKrsic, Rewnetic, Zamlynan, Wlckowic, Muka-
row, Bratronic, Pazejow, Sewitinsko, Cejkowic; in der Zupe von
>) Urkunde Erben 336 und 337.
8j Ebendaselbst.
3) Hammersclimidt 1. c. p. 68 ex bulla Gregorii IX. dd. 1233.
4) Libri Confirm. ad a. 1386 und 1410 berichten Präsentationsakte.
108
Pilsen (pilsner und klattauer Kr.): Tauss, Jiwan, Ptenin, Otesic,
Benowic, Horek, Nowäkowic, Zizenkowic, Tynec , Daudlebec,
Obytec, Bnisic ; in der Zupe von Bozen (Prach. u. Ber. Kr.) Hra-
dist, Za horou, Pole, Podruhli, Husinec, Drahynic, Luskowic, Ste-
zow, ReteÖ. Ueberdiess gehörten dem Kloster eine Menge Ze-
hentorte. ')
§. 28. Das Benedictinerkloster Brewnow oder St. Margareth.
1. Das erste Männerkloster nach der Regel des h. Benedict
war in Böhmen das Kloster St. Margareth in Brewnow nächst
Prag. Die Stiftung desselben war das Lieblingswerk des h. Adal-
bert nach seiner ersten Rückkehr von Rom im Jahre 993. Er
hatte, wie bereits erzählt wurde, in Rom selbst das Ordenskleid
genommen. Um die fromme Gemeinschaft, die er damals lieben
gelernt, daheim nicht darben zu müssen, mehr aber noch,
um dem Vaterlande eine Pflanzschule frommer Zucht und heiliger
Wissenschaft zu eröffnen, brachte er zwölf Ordenssöhne aus dem
Kloster des h. Alexius und Bonifacius zu Rom mit sich nach Böh-
men zurück. Gross waren ohne Zweifel die eigenen Opfer, die er
nun für die Gründung des neuen Ordenshauses brachte; eben so
gross war aber auch die Freigebigkeit, womit sich der edle Fürst
Boleslaw IL bei der Dotirung der neuen Stiftung betheiligte. So
konnte schon am 14. Januar 993 die feierliche Einweihung des
neuen Klosters und seines Gotteshauses erfolgen. 3) Späterhin tra-
ten die Nachfolger der beiden Gründer in die Fussstapfen der
frommen Vorfahren und auch der erwachende Wohlthätigkeitssinn
der Gläubigen legte im Laufe der Zeiten reiche Spenden auf den
Altar des allbeliebten Klosters nieder. Sie thaten es Alle in der
frommen Meinung, eben hiedurch ein Scherflein den eigenen ge-
ringen Verdiensten für die Ewigkeit zuzulegen und dadurch „das
Heil ihrer Seele" zu fördern. 3) So erblühte Bf ewnow als erstes zu-
gleich auch zum reichsten Ordenshause unseres Vaterlandes, und
') Vgl. Tomek G. P. I. 93.
3) Ebendaselbst 93.
3j Diese Intention ist in allen Stiftungs- und Sehenkungsb riefen jener Zeit
ausdrücklich angegeben.
109
allmälig entstanden von da aus mehrere Propsteien, wie zu
Bayhrad (Raigern) in Mähren, Braun au, Polic (bei Braunau),
Nezamysl und Koste lec in Böhmen und zu Wahl&tadt in
Schlesien, von denen die ersteren weiterhin zu förmlichen Klöstern sich
emporschwangen. ') Die frommen Ordenssöhne suchten ihrerseits
nicht allein durch Gebet und frommes Beispiel, sondern auch durch
klösterliche Kunst und Wissenschaft und vor Allem durch gewis-
senhafte Förderung des kirchlichen Lebens in Böhmen überhaupt
und insbesondere in ihrem eigenen Landgebiete den besten Dank
an unser Vaterland abzutragen.
2. Für unser jetziges Diöcesangebiet hat Bfewnow eine grosse
Bedeutung gewonnen, nicht nur als Mutterkloster für andere klö-
sterliche Institute, die unserer Gegend unmittelbar angehörten, son-
dern auch durch einige Besitzungen, welche dasselbe hier erwor-
ben, und durch die besondere geistliche Türsorge, welche es die-
sen gewiss durch alle Zeiten zugewendet hat.
a. In der alten Zupe von Melnik erhielt das Kloster schon
zur Zeit seiner Stiftung einen werthvollen Besitz, und zwar vor
Allem das schon damals (993) bestandene Pfarrdorf Chcebuz,
das heutige Zebus „mit einer Kirche, zwei Höfen nebst hinrei-
chendem Lande und dem Berge Ostrow". 2) Wahrscheinlich war
die erwähnte Kirche eine von jenen zwanzig, welche der fromme
Herzog Boleslaw vorher erbaut hatte, ohne Zweifel die Mutterkirche
vieler andern im Umkreise. Am 27. September 1341 ward die-
selbe vom damaligen prager Bischöfe Johann IV. dem Kloster
derart incorporirt, dass hinfort das Pfründeneinkommen „zum An-
kaufe von Fischen der Gastfreundschaft willen" dem Kloster selbst
anheimfallen sollte, welches aber dagegen verpflichtet wurde, fortan
einen Vicarius (Stellvertreter des Pfarrers) in Chcebuz zu erhal-
ten. 3) Im Jahre 1384 konnte diese Kirche zu dem bedeutenden
Zehentbetrage von 25 böhmischen Groschen für ein halbes Jahr
sich bekennen. 4)
b. In der Zupe von Leitmeritz erhielt Bfewnow ebenfalls schon
') Ziegelbauer hist. mon. Brevn. 176.
a) Urkunde Erben regesta p. 33 und 34.
3) Ziegelbauer hist. mon. Brevnov p. 268., Tomek G. Pr, I. 477.
4) Registrum decimarum 1384.
110
bei Gelegenheit seiner Stiftung das Dorf H r d 1 y , mit den dorti-
gen „Ansiedlern, Waldungen, Sümpfen und dem ganzen Egerflusse
bis zu dessen Mündung in die Elbe".1) Dieses Hrdly ist heute noch
mit seinem schönen Schlossgebäude der Amtsort des bfewnower
Gutes Hrdly, in dessen Umkreis dermalen die theils von Hrdly
aus erst gegründeten, theils allmälich erworbenen Ortschaften
Poöaply mit einer wohl bis ins 13. Jahrhundert zurückreichen-
den Pfarrei, dann Trawcice (Drabschitz), Zadusniky und An-
theile von den ebenfalls sehr alten Pfarrorten BauSovice (Bau-
schowitz) und Dolanek einbezogen sind.2) Von allem Anfang an
gehörte auch das Dorf und der Hof Wlence „mit allein Zuge-
hör", das heutige Altlenzel auf dem Dominium Ploschkowitz, zum
Kloster Bfewnow. Nebstdem hatte auch die ganze Zupe Leitme-
ritz zugleich mit den Zupen von Tetschen (später Leipa) und
Bilin die sogenannten Rauchpfennige an jenes Kloster zu
entrichten, 3) Diese Zuweisung an das Kloster Bfewnow geschah
unzweifelhaft durch den Bischof Adalbert, welcher das Bisthum
auf andere Weise zu entschädigen wusste. Noch in den Jahren
1301 und 1341 bestätigten die Bischöfe Gregor und Johann dem
Kloster Bfewnow den Bezug dieser Rauchpfennige.4) Ausserdem
hatte dieses Stift schon ursprünglich im jetzigen leitmeritzer
Diöcesangebiete den zehnten Theil vom Markt- und Zupengerichts-
einkommen in Leitineritz, und wie von allen damaligen Gränz-
zöllen in Böhmen, so auch von dem zu C h 1 u m e c , dem heutigen
Kulm, den siebenten Theil und ebensoviel auch von den Eib-
zöllen in Leitmeritz und A u s s i g zugewiesen erhalten. 5) Uiber-
dies mag auch die bedeutende Schenkung des Grafen Eppo von
Bilin (1043) als eine uns näher interessirende angesehen werden,
obgleich ihr Gegenstand der Bezirk von Sebranic bei Zwittau in
Mähren gewesen ist.6)
Anderweitige Besitzungen im Jahre 993 werden noch ge-
') Urk. Erben regesta 33 u. 34.
2) Heutzutage gehört hier nur das linke Egerufer zur Leitmeritzer Diöcese
und sonach von den erwähnten Ortschaften nur Bausowice.
3) Urkunde wie oben.
4) Tomek Gesch. Pr. I. 477.
5) Urkunde wie oben (Erben 33 und 34).
6) Herz. Bestätigungsurkunde Erben reg. 43.
111
nannt: Bfewnow mit Umgegend, Welezlawin und Luboö mit
Waldung, Ruzyri, ein Theil von Kuromirtwice, 2 Mühlen an der
Moldau bei Prag, Wrane und Skochowic, der Zehent von Eadotyn,
in Rybnik und Pofic (letztere jetzt Theile von Prag), ein
Theil von Liböic, Oyppernic, Nemcice (pilsner Kr.), Tfebestowic,
Mraöenic (kauf. Kr.), Abgaben von der prager Burg, von der pils-
ner 2upe, von den Landeszöllen in Domazlic und Kralup, von dem
Marktgelde in Schlan, Pilsen, Kaufim und Chrudim. Alsbald ver-
mehrten sich diese Besitzungen durch neue Erwerbungen, nament-
lich in den Gegenden von Horazdowitz, Bakonitz und Prachin. ])
§. 29. Das Kloster Ostrow. Das Kloster Sazawa und der heilige Pro-
kop, Die Anfänge des Klosters Miinchengrätz.
1. Als zweite Stiftung für die geistlichen Söhne des h. Be-
nedict ist das Kloster Ostrow (lusula, Insel, weil auf einer Insel
der Moldau am Einflüsse der Sazawa gelegen) anzusehen. Es ver-
dankte seinen Ursprung dem religiösen Eifer und der Freigebig-
keit Boleslaw's des Frommen um das Jahr 999, 2) und war nicht
sowohl eine Tochteranstalt Bfewnow's, als vielmehr des bairischen
Klosters Altaich (Altaha), aus welchem der erste Abt Lambert vom
Stifter selbst berufen wurde. 3) Für das Gebiet der jetzigen
Diöcese Leitmeritz hat dieses Kloster lediglich durch seinen all-
gemeinen Einfluss auf die Hebung des christlichen Lebens im
Lande eine Bedeutung : die Besitzungen haben — mit Ausnahme
!) Ebendaselbst. Vgl. Tomek I. 93 u ff. Es werden genannt: 30 Untertha-
nen in Prag, BHstwi und Wikan (kaur. Kr.), Budehostic und Theile von
Nutomic, 2ehrovic und Zliöin (rak. Kr.) Smilovic, Kwasejovic und Theile
von Zduchowic, Podmokl und Krepenic (ber. Kr.), ein Theil von Rakovic
(prach. Kr.), zwei Hydcic, Hajna, Nezamyslic, Krajnic, Skodra, Dwokotlok,
Ziwohybic, Zichowic Psar, Krawolusic, Wolisowic, Stankowic, Theile von
Aujezdec, Domoraz, Kalenic (prach. Kr.), Chylic (elbog. Kr.) und der Zoll
in Breznic.
2) Hajek versetzt die Stiftung ins Jahr 978. Doch hat Bonaventura Pitter in
seinem St. Guniherus p. 148 etc. die obige abweichende Behauptung
nachgewiesen.
3) Die zweifelhafte Stiftungsurkunde (?) bei Erben regesta p. 38.
112
der vorübergehenden Erwerbung eines Grundstückes von 3 Pflug-
maass Ackers in Libochowic, das um 1205 von der edlen Ma-
trone Dobrowest dem Kloster geschenkt wurde, unsere Gegenden
nicht berührt. *) Dasselbe gilt auch von den Propste ien, die im
Laufe der Zeiten von Ostrow aus gegründet wurden. Die berühm-
teste derselben war St. Iwan an der Höhle des h. Iwan, die durch
eine Schenkung des Herzogs Bfetislaw I. um 1040 entstanden war, 3)
und nach der husitischen Bewegung, in der sie den Mönchen
von Ostrow eine sichere Zuflucht geboten hatte, durch Hilfe eines
Herrn von Hasenburg zu einem förmlichen Kloster erhoben wurde. 3)
Ausserdem wird schon in den ältesten Zeiten auch Z aton bei Kru-
mau als Propstei von Ostrow angeführt, zu deren Gründung eben-
falls eine Schenkung Bretislaws I. Veranlassung geboten hatte. 4)
Ebenso besass das Kloster eine Propstei zu Schi an, wo im J.
1410 neben dem Propste, der zugleich Pfarrer war, noch acht Or-
denspriester lebten. 5)
2. Eine grössere Bedeutung für uns, wenn auch nicht durch
einen Landbesitz innerhalb unseres Gebietes, so doch durch die
zeitweilige Eigenthümlichkeit einer neuen Liturgie hat das Kloster
Sazawa. Als ersten Gründer desselben, damals aber noch im be-
scheidensten Umfange, verehren wir den h. Prokop.
Dieser — aus Chotaun bei Kaufim gebürtig — hatte einst
zu jenen Priestern unseres Vaterlandes gehört, denen es nur schwer
gelingen wollte, allen Uiberresten heidnischer Sitte zu entsagen.
]) Vgl. die Bestätigungsurkunde dd. 1205 bei Erben reg. 222. Jenes Grund-
stück in Libochowic besass Ostrow wenigstens um 1400 nicht mehr. An-
derweitige Besitzungen: Theile von Trebenic, Otrocynewes, Weliz, Kolo-
wrat, Wrysowic, Crynuc, Turscy, Chomutowic, Tuklek (Hawran), Bratre-
now, Sedlec, Borenowic, Maskowic, Networic, Hrusic, Uscic (?), Putim,
Pokatic, die ganzen Dörfer Mezun, Horutic, Postupic, Pristupim und die Kir-
chenpatronate von Krusina, St. Jakob in Domazlic, die Fähre an der Sazawa
und einige Antheile an den 2upeneinkünften. (Vgl. Erben 222.)
s) Urkunde bei Erben reg. 50.
3) Dobner annal. V. 116. Die Behauptung des Crugerius, Pesma und Ziegel-
bauer, dass St. Iwan von 1020 an als Kloster bestanden habe, ist unhi-
storisch. Cruger ad 16. Jan. Pesina Phosphoriis septicornis p. 126. Ziegel-
bauer hist. mon. JBrevnov p. 199.
4) Urkunde bei Erben reg. p. 60.
5) Lib. Erect IX. G. 4.
113
Er war beweibt gewesen. Aber er hatte endlich den weltlichen
Banden sich entrissen: von den Seinen hinweg und all sein Hab
und Gut verlassend war er in eine waldige Einöde an der Sazawa
gezogen, um dort als Einsiedler einzig nur für Gott und für das
eigene Seelenheil zu leben. Sein frommer Eifer machte ihn aber
bald, erst in der Nähe und dann in weiteren Kreisen bekannt. Fortan
wallten zu seiner Höhle ganze Schaaren von Pilgern, die der Für-
bitte, des Trostes oder der Lehre bedurften. Auch der Herzog
Udalrich zählte zu seinen Verehrern. Da baute endlich Prokop
von den ihm gebrachten Almosen eine Kapelle und ein Klösterlein,
und sammelte um sich einige Brüder für ein stilles Leben nach
der Regel des h. Benedict. Er selbst wollte unter diesen nichts
anderes, als der Diener Aller sein (1032). Diess war der erste
Anfang des Klosters Sazawa. ')
Mittlerweile war Bfetislaw I. zur Herrschaft in Böhmen ge-
langt. Wir kennen seinen Plan, die ursprüngliche Grösse des böh-
mischen Reiches wieder herzustellen und auch die kirchliche Un-
abhängigkeit desselben herbeizuführen. So dachte er an die Ein-
führung eines eigenen slawischen Ritus in Böhmen, und erkor —
wenigstens im stillschweigenden Einverständnisse mit dem Bischöfe
Severin — das Kloster Sazawa zur Pflanzschule desselben. Ei-
häute es prachtvoll aus und dotirte es reichlich (1039).3) Alsdann
berief er griechisch-slawische Mönche aus dem Lande der Ruthe-
nen, welche den Gottesdienst nach griechischem Ritus in slawischer
Zunge verrichteten, 3) und bewog den h. Prokop, die Würde des
Abtes in der neuen Klostergemeinde zu übernehmen. Bfetislaw's
kühner Plan endete mit seiner Niederlage im J. 1041, und somit
verlor die neue liturgische Colonie in Sazawa ihre Bedeutung für
das Land. Desto schöner aber erglänzte von Tag zu Tag die Hei-
') Chronic, monachi Sazav.
a) Ursprüngliche Besitzungen: der Fluss Sazawa von Milobuz bis zur Höhle
Zakolnika mit den anliegenden Aeckern, Wiesen, Waldung und Zugehör
und das Dorf Zkramnik. (Erben reg. 47, Cosmas.)
3) Dass es diese und nicht die römisch-slawische Liturgie des h. Methud war,
ist jetzt unzweifelhaft. Vgl. Ginzel Gesch. der Slawenapostel p. 140 cit.
Safarik u. Höfler (glagolitische Fragmente). Die Nachschrift des Sazavo-
Emautinum Evangelium ed. Hanka.
8
114
ligkeit des Abtes Prokop. Stark in der Selbstverleugnung, gross
in der Nächstenliebe, eifrig in jeder Tugend, unübertrefflich in sei-
ner Demuth, war er der Gegenstand der Liebe und Verehrung Al-
ler. Er starb als ein Heiliger am 25. März 1053. ]) Bald folgte
ihm auch sein herzoglicher Gönner in die Ewigkeit. (10 Jan. 1055.)
So gross immerhin die slawischen Sympathien seines Nachfolgers
Spytihnew IL waren, so wenig Billigung fand bei diesem überaus
frommen Regenten die liturgische Neuerung in Sazawa. Schon 1056
mussten die slawischen Mönche. das Kloster wieder verlassen und
eine Colonie lateinischer Klosterbrüder von Bfewnow zog in die
Stiftung des h. Prokop ein. Als Propstei von Sazawa erscheint nach-
mals Z b i s o w 3) im Caslauer Kreise.
&L* u$. Angeblich schon 1054 gründete Hermann von Ralsko ein
BenedictinerklosterinderNähe des heutigen Münchengrätz, das
er mit Mönchen von Tornach bevölkerte. 3) Vielleicht war diese
Stiftung damals nur eine unansehnliche Propstei. Sie sollte aber
nachher zu grosser Bedeutung gelangen, als ein neuer Hermann v.
Ralsko sie 90 Jahre später dem neuen Orden der Cisterzienser
übergab.
§. 30. Das Domstift St. Veit in Prag.
1. Gleichzeitig mit der Errichtung des Bisthums war auch
die sämmtliche sehr zahlreiche Geistlichkeit bei der St. Veits-
kirche, vielleicht sogar in der ganzen Burg und in dem Burg-
flecken Prags, zu einem Domkapitel vereinigt worden, 4) welches
einem vom Bischöfe eingesetzten Vorsteher oder Propste (praepo-
situs) unterstand. 5) Es wurde bereits erwähnt, dass unser Vater-
') Cliron. monachi Sazaviensis.
2) Lib confirm. MS. ad 26. Oct. 1377.
3) Paprocky, und Illustr. Chronik II. 161.
4) Der erste Biograph dos h. Adalbert setzt das Bestehen von prager Dom-
herren (canonici) zur Zeit des h. Adalbert voraus, ohne diesen als Stifter
zu nennen.
5) Der h. Adalbert ernannte zu dieser Würde seinen vertrauten Freund
und Rathgcbcr Wclich (Villieo).
115
land das Institut Chrodegangs im Zustande des beginnen-
den Verfalles empfing. In der That erfahren wir, dass bis zur
zweiten Hälfte des eilften Jahrhunderts — also in der ganzen
bisher geschilderten Periode — das gemeinsame Leben der pra-
ger Capitularen nichts weniger als ein streng geregeltes war. Nach
dem Berichte unseres ältesten sachkundigen Chronisten ') waren damals
die Domgeistlichen nur dem Namen nach Canonici : zumeist unge-
bildet und ungelehrt, verrichteten sie den Chordienst sogar in
weltlicher Kleidung. Erst mit der neuen Periode begann für die-
ses Domkapitel eine neue bessere Zeit. Nichtsdestoweniger war
auch jetzt schon das Domstift, beziehungsweise die damit verbun-
dene Domschule, die Pflanzstätte der böhmischen Seelsorgs-
geistlichkeit.
2. Die ausgedehnten Capitel-Güter, deren Erwerbung nach
Zeit und Art nicht allseitig erweisbar ist, lagen zum Theile auch
in unserer jetzigen Diöcese Leitmeritz, und es ist mit allem
Rechte anzunehmen, dass ebendaselbst — abgesehen von dem all-
gemeinen Segen eines derartigen Instituts — ein massgebender
Einfluss des Capitels auf die Gestaltung der religiösen Verhält-
nisse nicht fehlen konnte.
Mit urkundlicher Sicherheit lassen sich im Umfange der
jetzigen Diöcese Leitmeritz die nachstehenden Besitzungen nennen :
a. Im saazer Kreise vor Allein der Pfarrort Psow, das heu-
tige Schaab nächst Podersam. Dieser Ort war einer der ältesten
Obedienz-Orte 2) des Domstifts. Im Jahre 1186 ging derselbe durch
einen Gütertausch an den Orden der Johanniter über 3) und end-
lich um 1400 aus dem zeitweiligen Privatbesitze des Johann Ste-
nic, Grossmeisters der Kreuzherren mit dem rothen Sterne, in das
Eigenthum des letzteren Ordens. 4) Später als Psow erscheint der
Pfarrort Ocehow, das jetzige Gross-Otschehau , als Präbende 5)
') Cosmas.
a) Vgl. S. 103.
3) Tomek G. Pr. I. 83. — Urkunde in Erben regesta p. 175.
4) Vgl. Sommer Saazer Kreis, S. 291.
5) Vgl. Seite 102.
8*
116
eines von Bischof Johann im Jahre 1305 gestifteten Domherrn.1)
Der von hier im Jahre 1384 entrichtete Halbjahrszehent von 18
böhm. Groschen (von Psow 12) bürgt für ein erhebliches Alter der
hiesigen Kirche. 3) In dieser Gegend lagen auch die Präbenden-
güter Libesowice, das heutige Lisch witz auf dem Gute Libo-
ritz, Wrbice3), das heutige Fürwitz auf der Herrschaft Peters-
burg, Dötan4), wahrscheinlich das heutige Gödesin auf der Do-
maine Weitentrebetitsch 5) und um 1305 auch Wetrugic, das
jetzige Wedruschitz, und Sedcic, das jetzige Scheditz auf dem
Gute Schönhof. 6) Uiberdiess war auch das Dorf Krty (mit Aus-
nahme eines der Kirche in Tis gehörigen Hofes), das heutige
Gerten auf der Herrschaft Petersburg, im Jahre 1227 durch testa-
mentarische Schenkung von Seiten des Brüxer Grafen Kojata, des
noch oft zu nennenden Wohlthäters mehrerer kirchlichen Institute
Böhmens, in den Besitz des prager Domstifts übergegangen. 7) Im
l) Tomek G. P. 423 und 424. Unter den Präbenden von 1384 erscheint die-
ser Ort bereits nicht mehr.
3) Begist. decimarum bei Baibin.
3) Wrbice bildet .1384 mit Kojetice (?) eine Präbende von 1 Seh. 15 Gr
Halbjahrszehent.
4) Dieses heisst bei Pesina irrthümlich Dieciny in districtu Litomericensi,
wenn er damit nicht etwa Decany (das heutige Jetschan bei Triblitz)
meint, das aber dem Kloster Doxan gehörte. Vgl. Erben reg. p. 325.
5) Dieser Besitz ward dem Kapitel erst am St. Thomastage 1420 entfremdet
durch Verpfändung von Seiten des Kaisers Sigismund an die Brüder Hein-
rich und Bohunek von Sprimberg um den Preis von 200 Seh. Palacky
Archiv I. 509.
6) Tomek G. P. I. 423, wo aber statt Sedcic Ledcic gesetzt ist, angeblich
im saazer Kreise, obgleich in letzterem kein Ledöic zu finden ist.
Nach Pesina Phosph. p. 684 gehörte aber auch ein Sedcic dem Kapitel,
das nun allerdings nicht fern von Wetrusic liegt. Das dort zugleich ange-
führte Ledöice möchte ich für das im rakonitzer Kreise halten. Uebrigens
war jenes Sedcic zur Zeit des Königs Johann bereits in den Besitz der
Familie Sekyrka übergegangen, welche sich fortan von Sedcic nannte (die
jetzigen Grafen von Wrsowec). Lib. erect. XII. G. 8. XIII. G. 1.,
XIII. J. 3.) — Der Umstand, dass diese Familie um 1390 noch an-
dere von Pesina angegebene Capitelgüter in der Nähe besass, scheint für
die Identität des erstem Orts zu sprechen. (Lib. erect. ibidem.)
7) Urk. bei Erb. reg. p. 332. Vgl. Tomek G. Pr. I. 17G.
117
Jahre 1 389 wird auch ein dorn stiftlicher Lehensmann (Wacho von
Wrany) zu Hfiwice auf der jetzigen Domaine Neuschloss ge-
nannt. ') Die Pfarrpfründe daselbst zahlte im Jahre 1384 einen
halbjährigen Zehent von 27 Groschen. 2) Im Jahre 1341 schenkte
König Johann dem Domstifte den Zehent vom« Bergbaue inBfes-
n i c 3) und zugleich von allen Silbergruben in Böhmen.
b. Im bunzlauer Kreise besass das Capitel von unbekannter
Zeit her den alten Pfarrort Mcely im Dekanate Hawran (jetzt
zum Gute Detenic gehörig). Dieser Ort war eine eigene Capitel-
präbende, welche sich 1384 mit 42 Groschen am Halbjahrszehent
betheiligte. 4) Urkundlich übten hier die prager Capitularen in
den Jahren 1366, 1368, 1390, 1398 und 1402 das Collaturrecht
aus. 5) Auch ein Theil des Dorfes Sowinice, jedenfalls im bunz-
lauer Kreise gelegen, erscheint als Besitzung des Capitels; nur
ist ungewiss, ob diess der Ort desselben Namens auf dem heuti-
gen Dominium Kfinec oder der ebenso genannte Ort auf der jetzi-
gen Herrschaft Swijan gewesen ist. 6) Uiberdiess bezog das Dom-
stift noch gewisse Zehnten in der alten Zupe von Melnik, um
welche es im Jahre 1260 einen Streit mit dem Bischöfe Johann III.
führte. 7)
c. Im leitmeritzer Kreise, und zwar im alten Dekanate von
Trebnitz gehörte dem Domstifte das alte Pfarrdorf fiisuty 8), das
*) Lib. erect. XII. C. 6.
2) Begist. decim.
3) Diplom, regis Job. cit. in Dobn. mon. Boh. tom. IV. 10.
4) Begist. decim.
5) Namentlich werden als Collatoren genannt: 1368 der Capiteldekan, 1390
Wenzel von Genczenstein zugleich Canonikus am Wysehrad, 1398 der Ca-
nonikus Andreas von Gewiöka und 1402 der Custos am prager Dom und
zugleich Scholasticus am Wysehrad Franz Gewiöka. Lib. confirm. a. h. a.
6) Dieses Sowinice wurde am 27. Dezember 1420 durch Kaiser Sigismund an
Wenzel ven Walowic verpfändet. Palacky Archiv I. 546.
7) Tomek G. P. 425. cit. eine Urkunde des Domcapitels.
8) Für die Identität dieses Risuty bürgt der Umstand, dass der andere Pfarr-
ort gleichen Namens bei Schlan in den Confirmationsbüchern ausdrücklich
als Collatur des Klosters zum h. Geist in Prag genannt wird. Die gegen-
teilige Angabe Heber's (Böhmens Burgen VII. 68), nach welcher das Dorf
Risuty bei Schlan dem Capitel gehört habe, scheint, wie einige andere
118
heutige Rissut bei Merunitz, das bis zum Jahre 1384 ein so an-
sehnliches Kirchenvermögen erwarb, dass es damals mit dem be-
deutenden Halbjahrsbetrage von 15 böhm. Groschen am allgemeinen
Kirchenzehent sich betheiligen konnte. ]) Erweislich übte daselbst
das prager Capitel noch in den Jahren 1364, 1404, 1405 und
1418 das Collaturrecht aus. 2) Im Jahre 1364 erscheint ein Je§ek
von Risuty als Lehensmann des prager Domcapitels und übt als
solcher das Collaturrecht in der Pfarre zu Liböewes (Liebsch-
hausen) aus. 3) Muthmasslich gehörte also auch dieses uralte
Pfarrdorf, das im Jahre 1384 schon 18 prager Groschen halbjäh-
rigen Kirchenzehent zahlte, dem Capitel zu Prag. 4) Im Jahre
1390 wird Pesik von Minie als Collator genannt. 5) Derselbe stif-
tete 1396 27. Juli 2 Vikaristen an dieser Kirche. 6) Im Jahre
1411 erst werden die Herren von Hasenburg als Collatoren eines
Altarbenenciums angeführt. :) Uibrigens besass auch das Colle-
giatstift Wysehrad von 1068 an einen Zinsbauer und einen Klei-
derwäscher in Libcewes. 8) Das Dorf Risuty ging 1437 (am
Sonntage vor St. Katharina) sammt dem Dorfe Lahost9), dem
heutigen Loosch auf dem Dominium Dux, durch kaiserliche Ver-
desselben Verfassers , auf einer Verwechslung gleicher Ortsnamen zu
beruhen.
T) Registrum deeimarum bei Baibin.
s) Namentlich erscheinen als Collatoren: 13G4 der Dechant Wratiwoj, 1404
und 1405 die Canonici Blasius und Lupus, letzterer auch Dechant von
Allerheiligen ; 1418 der berühmte Canonicus Andreas von Broda, den
wir bereits als Pfarrer von Nebuzel kennen gelernt haben. (Lib. confirm.
a. h. a.)
3; Lib. confirm.
4) Regist. deeimarum.
5) Lib. confirm.
6) Lib, erect. XL N. 9. Seine Söhne Christoph und Wlcek v. Minie und Pesik
v. Horetic erscheinen noch 1401 und 1416 als Wohlthäter der Kirche in
Libcewes.
7) L. Conf. VI. u. VII.
8) Erben reg. 77.
°) Dieser Ort erscheint bei Pesina irrig unter dem Namen Lahowice. Das
wirkliche Lahowice, am Einflüsse der Beraun in die Moldau, gehörte den
Klöstern Ostrowund Kladrub, und ein zweites Dorf dieses Namens bej
Liebschhausen dem leitmeritzer Capitel. Vgl. Erben reg. 36, 89, 53.
119
pfändung an Jakob von Wrsesowic und dessen Erben über. ' ) In
derselben Gegend gehörte dem Domstifte von jeher auch der noch
viel ältere Pfarrort Kozly, das heutige Kosel auf dem gleich-
namigen Gute. 2) Dieses Dorf muss wohl eine der ersten christ-
lichen Kirchen des ganzen Dekanats — wahrscheinlich durch das
Domstift selbst — erhalten haben, da dieselbe im Jahre 1384 so-
gar bis zu einer halbjährigen Zehentleistung von 24 böhm. Gro-
schen sich erschwingen konnte. 3)
3. Als anderweitige Pr ab enden des Capitels von St. Veit
werden im Zehentregister des Jahres 1384 folgende genannt4):
Krc (36 gr.), Beluk (17 gr;), Libeznice (54 gr.), Hofany (43 gr.),
Jesenice (48 gr.), Postonice (54 gr.), Wysocany (38 gr.), Horne-
tice (2 Seh.), Zemechy (30 gr.), Pacetice (1 Seh.), Kbel (45 gr.),
Pfilepy mit ßukol (42 gr.), Treboratice (21 gr.), Zlonice (26 gr.),
Chrast (30 gr.), Solenice und Trapöice (48 gr.), Ujezdec (36 gr.),
Kojetice mit dem bereits erwähnten Wrbice (1 Seh. 15 gr.), Ctine-
ves (36 gr.), Studec mit Stfedokluky (2 Seh.), Holowice (3 Seh.),
die zweite Präbende in Jesenice (24 gr.), Nehwizdy (45 gr.),
Horka (18 Seh. 16 gr.), Kobilis (1 Seh.), Pocetice mit Babenice
(20 Seh. 38 gr.) , Zlonin (30 gr.) , die zweite Präbende in
Kbel (42 gr.), Wrbec bei Mseno, rak. Kr. (17 gr.) und Postfizin
(11 gr.). Hiebei waren die Besitzungen der Propstei, des Dom-
dekanats, der Domscholasterie und des Archidiakonats (von Prag),
sowie die der übrigen Archidiakonate, endlich die der Kirche selbst
noch nicht mit eingerechnet. Auf den Propst entfielen damals 12
Schock, auf den Deehant nur 36 Groschen, auf den Scholasticus
1 Schock, auf den Archidiakon 2 Schock, auf die 65 Beneficiaten
der Domkirche zusammen 21 Schock und 57 böhmische Groschen
Halbjahrszeh ent.
1) Palacky Archiv IL 453.
2) Sommer : Leitm. Kreis S. 63.
3) liegist. deeim. bei Baibin.
4) BegisL cleeim. 1384. Die beigesetzte halbjährige Zehentleistung ist ein
Massstab des Gesammteinkommens. Näheres über die Verhältnisse des
Dpmklerus in einem spätem Abschnitte.
120
§. 31. Fortsetzung.
1. Der fleissige Sammler der historischen Merkwürdigkeiten
des St. Veitsdoms, Thomas Pesina von Cechorod *), hat uns ein
alphabetisches Verzeichniss der angeblichen ehemaligen Besitzun-
gen des prager Capitels zusammengestellt. Derselbe nennt da
nicht weniger als 262 verschiedene Orte der verschiedenen Kreise
Böhmens und fügt schliesslich noch die Bemerkung bei, dass er
die Namen vieler anderen nicht mehr anzugeben vermöge. Diess
Verzeichniss strotzt aber von Unrichtigkeiten. Einmal fehlt schon
mehr als die Hälfte der verhältnissmässig wenigen urkundlich
sicher gestellten Capitel-Besitzungen in jenem Verzeichnisse, und
einige der angegebenen sind mit ungenauen Namen bezeichnet.
Dann aber werden die unterschiedlichsten geistlichen Besitzungen,
namentlich viele erzbischöfliche, in die Zahl mit einbezogen. End-
lich werden alle jene Ortschaften kurzweg als Capitelgüter ange-
führt, wo doch dem Stifte lediglich ein oder das andere Grund-
stück, oder gar nur ein fundirter Jahreszehent oder etwa eine zu
Dienstleistungen verpflichtete Familie angehörte. Diess voraus-
geschickt, nennen wir nachgehends diejenigen Orte innerhalb der
jetzigen Diöcesangränzen von Leitmeritz, welche ausser den oben
sichergestellten ehedem ein Eigenthum des prager Domstifts gewe-
sen sein sollen.
2. Die vorzüglichsten derselben lagen
a. im alten Archidiakonate von Saaz. Vor allen ist da der
alte Pfarrort Zabokliky (Schaboglück) zu nennen, der im Jahre
1384 schon die erhebliche Summe von 15 böhm. Groschen als halb-
jährigen Kirchenzehent entrichtete. 3) Seit den Zeiten des Königs
Johann hatte dieser Ort zugleich mit dem von Pesina ebenfalls
als Capitelgut genannten benachbarten Dorf e Cejkowice (Tsche-
kowitz) die nahen Herren Sekyrka von Sedöic, welch' letzteren
') Phosphorits septicornis. Pragae 1673, pag. 684 und 685.
a) Megistrum decimarum bei Baibin.
121
Ort wir bereits als früheres Capiteldorf kennen lernten, zu Be-
sitzern. l) Ausserdem werden von Pesina noch erwähnt: die Dör-
fer Dubcany auf dem jetzigen Gute Dobritschan, Käme na
wo da, das heuitige Stenwasser auf der Domaine gleichen Namens,
L e w o n i c e, das heutige Lewanitz auf der Herrschaft Postelberg 2),
Nechranice, das jetzige Dorf Negranitz auf dem Dominium
Hagensdorf, Kwenice, wahrscheinlich das jetzige Ferbentz, und
Wiskow, beide bei Postelberg, Zbrasin, das dermalige Praschin
bei Laun, und Strkowice auf dem heutigen Gute desselben Na-
mens. 3)
b. Im Bereiche des ehemaligen Archidiakonates von Leitme-
ritz und Bilin werden angeführt: vor allen das Pfarrdorf Tre-
biwlice, jetzt Tfiblitz genannt, welches im Jahre 1384 als eine
der ältesten Stationen des Dekanates den sehr bedeutenden Halb-
jahrs-Kirchenzehent von 21 böhm. Groschen entrichtete. 4) Hier
aber erscheinen sicher vom J. 1370 an eigene Herren von Tfebiwlice
als weltliche Grundherrschaft, so dass ein Capitelbesitz daselbst
in frühere Zeit versetzt werden müsste. 5) Vielleicht beschränkte
») Libri erect. XII G. 8, XIII G. L, XIII J. 3. Libri confirm. ad 1360,
1413, 1416 und 1417. — Ein Heinrich von Sedcic erscheint 1393 in einer
Angelegenheit, welche den Kirchenzehent von Libetic betrifft, als Schieds-
richter. Derselbe schenkte am 27. Mai 1396 der Kirche zu Zabokliky 30
Seh. Zinsen zur bessern Dotirung des Pfarrers. (Ebend.) Erst um das Jahr
1500 gelangte Sedcic mit Zabokliky und Cejkowice (damals mit Kralowa
Lhota) an die Saazer Stadtgemeinde. (Heber Böhmens Burgen VII. 147.)
3) Vielleicht ist hier, auch eine Verwechslung mit Lewinice geschehen, einer
alten Besitzung des Klosters Brewnow in der Grafschaft Glatz. (Vgl. Erben
reg. 443 ad a. 1238.
3) Möglicher Weise irrte sich hier Pesina mit dem Dorfe Strunkowice im
prachiner Kreise, welches heute noch dem Propste des prager Kapitels an-
gehört.
4) Regist. deeimarum bei Baibin. — Die in Sommers Topographie S. 77 mit-
getheilte Sage vom Ursprünge des Ortes zwischen 1444 und 1504 wider-
spricht der erwähnten urkundlichen Thatsache und vielen andern sicheren
Nachrichten des 14. Jahrhunderts.
5) Libri confirm. Genannt werden daselbst: 1370 die Brüder von Trebiwlice
nebst Milebor von Zelkowic und Jarek von Solan, — 1404 und 1405 Fritz,
Bures und Johann von Trebiwlice mit Kunes von Solan als Collatoren.
Nach den Libris Erectionum: 1397 Zdenko von Kostelec und die Nonne
122
sich ein solcher Besitz überhaupt auf gewisse Zehentbezüge.
Ausserdem nennt uns Pesina noch ein Chutnewes, welches nur
das jetzige Kuttendorf bei Libeschitz sein könnte, ferner Choto-
mefice, das heutige Kuttomirsch auf der Herrschaft Lobositz,
J i f e t i n , wohl den alten Pfarrort dieses Namens, das heutige
Obergeorgenthal '), Wodolice auf dem Dominium Liebs chhausen,
und Pisfany bei Leitmeritz. Nebstbei zieht er auch die erzbi-
schöflichen Besitzungen dieser Gegend, Wtelno (bei Brüx),
Geiersberg, Sobechleby (Sobochleben) , Mars chow (Mar-
schen), H o t o w i c e (Hottowitz) , T u h a n 3) , 0 b o r a und W r s o-
wice, und ebenso das zur leitmeritzer Propstei gehörige Dorf
Slatina und den zum Kloster Bfewnow zuständigen Ort Wlence
(Mlinec) in die Reihe der hiesigen Capitelgüter.
c. Im Umfange des alten Archicliakonats Bunzlau werden
namhaft gemacht: das sehr alte Pfarrdorf Libechow (Liboch),
welches 1384 mit 18 b. Groschen am allgemeinen Kirchenzehent
sich betheiligen konnte. 3) Urkundlich ist nur bekannt, dass im
J. 1395 die Stiftungsbezüge für ein von den Mansionaren der pra-
ger Domkirche abzuhaltendes Jahresgedächtniss auf diesem Libe-
chow hafteten. 4) Möglich, dass dieser Umstand zu der Annahme
führte, der Ort selbst habe dem Domstifte zugehört. Erweislich
erscheinen wenigstens im Anfange des 15. Jahrhunderts die Berka
von Duba auf Auscha als Grundherren und Collatoren in Libe-
Sophie von Semic als Stifter eines Jahrgedächtnisses, 1400 Johanna von
Trebiwlice als Stifterin zweier Jahrgedächtnisse durch Schenkung eines
Hauses sammt Garten und Aeckern, 1405 die Brüder Rudiger und Erhard
von Skalka als Kirchenwohlthäter. Erect. XII. J. 10., XIII. E. 2, VIII. C. 6.
]) Urkundlich erscheint hier wenigstens um 1400 die Familie von Koldic als
Grundobrigkeit. Anna von Koldic erbaute 1409 abseits von der bisheri-
gen Marienkirche eine neue zu Ehren des h. Nikolaus (Niedergeorgenthal)
und erwirkte ddo. 14. April 1409 auch die Erhebung der letztern zur
Pfarrkirche. Lib. Erect. IX. D. 1. Lib. confirm. ad 1409.
3) Hier konnte auch eine Verwechslung mit dem noch jetzt zum Capitel ge-
hörigen Dorfe Tuchyne im frühern berauner Kreise geschehen sein.
3) Megistrum decimarum.
4) Dobner de Mansionariis. Das Anniversarium galt den Eltern des Libe-
chower Pfarrers Johann.
123
chow. l) Auch der alte Pfarrort Kadi in (im ehemaligen Dekanate
Kamenec) soll eine Besitzung des Domcapitels gewesen sein; je-
doch waren hier die Freiherren von Berka auf Hauska wenigstens
um das Jahr 1400 Grundherren und Collatoren. 2) Im J. 1384
zählte Kadlin mit einer Zehentleistung von 18 böhm. Groschen
bereits zu den besten und wohl auch ältesten Pfründen des De-
.kanats. 3) Erst im J. 1445 gelangte das hiesige Pfarrpatronat
durch Verleihung von Seiten des Chwal Berka auf Hühnerwasser
an das Augustinerkloster zu Biela (Weisswasser. 4) — Auch R a-
dujen (Radaim teutonica in der Nähe der alten Deutschherren-
kommende Bepin) wird als Capitelgut angeführt. Dieser Ort be-
sass eine ziemlich alte Pfarrkirche, welche 1384 sich mit 12 böhm.
Groschen am Kirchenzehent betheiligte. 5) In dieser Zeit hatte es
den deutschen Orden als Grundobrigkeit und hiess desshalb auch
Badaun teutonica. Nebstbei nennt uns der oft erwähnte alte Ge-
schichtsschreiber des prager Domstifts als weitere Besitzungen des-
selben die Dörfer Wselisy auf der Domaine gleiches Namens,
Mlazice bei Melnik und Winartice, vielleicht richtiger das
jetzige Winafice auf der Herrschaft Dobrowic. Auch das erzbi-
schöfliche Pfarrdorf Zeröice wird unter Einem den hiesigen Ca-
pitelbesitzungen beigezählt.
d. Noch werden in demselben Verzeichnisse mehrere Ort-
schaften genannt, deren Namen wohl auch innerhalb unserer
Diöcese, aber eben so gut auch in andern Theilen Böhmens vor-
gefunden werden. Als solche mögen hier die folgenden genannt
werden: Charvatice, Chvojenec (Klein - Kahn ?), Horka,
Lipeii, Minie, Moravany, Okruhly (Scheibendorf bei
Niems?), Podol, Pnetluky (Netluk?), Rohosec, Radaun,
Stebno (Stehen?), TfemoSnice, Wrbka, Zidovice, Za-
lesly und Zahaji. 6)
1) Libri confirm. a. h. a. Genannt werden: 1414 Heinrich von Duba auf
Auscha, und 1418 Ales von Duba auf Drazic (und Auscha).
2) Libri confirm. Genannt wird 1414 Heinrich Berka in Huska.
3) Begist. deeimarum.
4) Libri Elect. XIII. Y. 19.
5) Begistr. deeimar.
G) Ausser den angeführten Orten nennt Pesina(Phosp.684 und 685): Bisice,
124
§. 32. Das Collegiatstift SS. Gosmas und Damian zu Altbunzlau.
1. Es würde bereits oben *) erzählt, dass der Herzog Bre-
tislaw I. und der Bischof Severus für die angemasste Uebertragung
der Reliquien des heil. Adalbert von Gnesen nach Prag und für
Bikos, Blahotice, Bratronice, .Bukole, Butovice (1256 für Zbraslav), Berko-
vice, Becvarek, Biskupice , Bohuiiovice , Budce, B archovice , Borec, Bafie,
Beluk, Bukova, Bohuslavice, Brezany, Brzokol, Brandeis bei Schlan, Bozi-
hnevice, Brezova bei Beraun. (Uebergangen: Belvice, BedHckovice, Brez-
nice male.) — Ein Theil von Ctinoves, Calirov, Cachow, Cernilow, Chirsin,
Öanka, Chlistovice, Chleby, Clivatlina, Chudecin, Chrastov, Chlistovice.
(Uebergangen Cista, Öizovka.) — Draskovice, Drzice, Drchkov, Duby, Da-
minoves. (Uebergangen Dwrzkov, Dedibaby, Dusniky, Detineky, Detan.) —
Jesenice, Jence, Jirno, Jeröonice, Jirenec. (Uebergangen Jasena.) — Kri-
vausy, Kviö, Koturov, Kameny Aujezd, Kovarovice, Krivany, Koricany,
Klein-Kucharek, Kostelec bei Pilsen, Kbel bei Prosyk, Krechor bei Kolin?
Krabeice, Krocihlav, Koncice, Kopist, Konice bei Brod, Knistice, Kiivice,
Krivany, Kutrovice, Kobilniky , Krö. (Uebergangen Kozolupy, Kobilisy,
Kaisperk.) — Lliota, Liboc, Libeznice, Leelcice, Lasice, Lesnice, Lazan-
ky, Libcov, Litovice, Libocliovicky bei Okor, Lisolay in Scharka, Libko-
vice, Loket (Kaurim) Lesany, Lniste bei Zebrak. (Uebergangen Lahost.)
— Malesice, Malikovice, Milce, Martineves bei Budin, Modrany, Myslin,
Miletice bei Welwar, Mikovice, Miskovice, Mirovice, Mokry, Mokropsy,
Mokrusov. (Uebergangen Miyn, Malesov, Moldautliein, Kichnow.) — Ne-
il wizd, Newlekov, Neumerice, Neelwez, Netlwedice, Netis, Netrebice, Ne-
radice, Netrevice, Nezetice. (Uebergangen Nizeboliy.) — Odolena Woda,
Osusin, Owcary, Onomysle, Omeklas, Omozin, Otwojice. (Uebergangen
Onomysk.) — Polehrad, Policany, Pabenice, Poliorice, Pcliery, Pnovice>
Ptiö, Postrizin, Poricany, Prebog , Plesnice, Prusce, Podlusky, Predonin,
Pribisov, Pecin, Poöeradec, Pasovice, Popovice, Popovicky. (Uebergangen
Prestupy.) — Radiice, Rostok, Ilepice, Radosovice, Rovna, Ranna, Risice,
Rivice, Rochanov. (Uebergangen Rozmital, Rudice.) — Slavosov, Sterbo-
holy, Seellec, Öitar, Sobin, Svinarj Stehlavy, Stredokluky, Slupice, Sale-
tice, Sulice, Sukdol, Srbice , Stochov, Statewnice, Swidna, Senice, Stu-
padla. (Uebergangen Swetic, Svojetin, Saky.) — Trebotov, Tymakov, Tu-
choraz, Tmany, Tusec, Turkovice, Trisnovice. (Uebergangen Tuchlovice.)
— Uhercice, Ujezdec bei Bikos, ein Theil von Wlasim, Welikawes, Wse-
radice, AVeska, Wranow, Wtelno, Wesce, Walenec, Wsehromy. (Ueber-
gangen Winetice, Wsestudy, Weltrus, Wrbcany.) — Zwolinewes, Zlo-
nice, Zlatnik, Zerpice, Zemech, 2ehrovice, Zariby, Zbinice, Zahrivec, Zir-
öice, Zruc, Zypec, Zatwor, Zaliorany.
}) Seite 78.
125
die ihnen zur Last gelegte Beeinträchtigung der polnischen Kirchen
nur unter der Bedingung die Verzeihung des apostolischen Stuhles
erhielten, wenn dieselben als Busswerk geeigneten Orts ein Gottes-
haus mit einem Kloster erbauen, dasselbe mit allem Erforderlichen
hinreichend versehen und erprobte geistliche Personen daselbst
einsetzen würden, welche für alle Zeit zur Versöhnung Gottes und
zum Heile der lebenden und abgestorbenen Christgläubigen daselbst
im heiligen Dienste leben sollten. l) Aus diesem Grunde nun
stifteten die beiden hohen Büsser das Collegiatstift Altbunz-
lau. 3) An die Stelle der alten Kirche SS. Cosmas und Damian,
in welcher der Leib des h. Wenzel einst drei Jahre lang geruht
hatte, wurde ein neues Gotteshaus erbaut und zugleich dem heili-
ligen Landespatrone Wenzel gewidmet. Am 18. Mai 1045 ward
die neue Kirche feierlich vom Bischof Severus consecrirt.3) Die Ein-
führung der Kanoniker, welche hier unter der Leitung eines Propstes
und eines Dechants den kirchlichen Dienst versehen sollten, scheint
erst um 1052 erfolgt zu sein, da der Stiftungsbrief erst aus dieser
Zeit datirt ist.4) Die freigebigen Stifter versorgten sie reichlich mit
Landbesitz und wiesen ihnen zins- und dienstpflichtige Leute in Menge
zu. Ausser den nöthigen Ackersleuten, Hofdienern, Hausknechten,
Aufwärtern, Kirchenwächtern, Glöcknern, Fischern, Gerbern, Schu-
') Cosmas.
3) Dom- und Collegiatstifte galten ihrer Regel wegen als eine Art von Klö-
stern. Es kamen auch häufig Fälle vor, dass solche Stifter ohne weitere
Umstände wirkliche Klöster wurden und zwar dadurch, dass an die Stelle
der Chorherren regulirte Canoniker berufen wurden. Dies geschah z, B,
in Klosterneuburg.
3) Cosmas, Pulkava, Weleslawin nennen das Jahr 1046, Pubitschka III. 335
weiset nach, dass es 1045 geschah. Die älteren Chronisten nennen die
neue Kirche durchwegs eine zu Ehren des h. Wenzel geweihte. Da aber
das Capitel stets SS. Cosmas und Damian hiess, so ist wahrscheinlicher,
dass der Name S. Wenzel nur den Namen der frühern Patrone beigefügt
wurde, wie dies erweislich auch mit dem S. Veitsdome in Prag geschah.
Weleslawin und Andere nennen als Consecrationstag den 20. Mai.
4) Bei Erben regesta p. 47. u. Bdlbini epitome lib. III. p. 191. Dobner an-
nal: V. 310. Nach Palacky (im Anhange zu Erben reg. p. 624) ist dieser
Stiftungsbrief von zweifelhafter Aechtheit und soll derselbe nicht vor dem
Ende des 12. Jahrhunderts abgefasst sein.
126
stern, Pechsiedern, Schäfern, Müllern und Schmieden fehlte es so-
gar nicht an einem Schildarbeiter, Bildhauer, Goldschmied, Drechs-
ler und Zuckerbäcker.
2. Im Umkreise der jetzigen Diöcese von Leitmeritz wurden
dem Stifte schon ursprünglich der Maierhof und das alte Pfarr-
dorf Lysa '), die jetzige Stadt gleichen Namens und die Dorf-
schaften Detenice und Mlikafi im jetzigen Bunzlauer Kreise
zugewiesen, erstere heute noch der Amtsort eines gleichnamigen
Gutes, letztere aber dermalen völlig unbekannt. Ueberdiess hatte
es eine Abgabe an Honig zu beziehen von den Ortschaften Rauny
(vielleicht dem heutigen Raudny auf dem Gute B. Aicha oder dem
Dorfe Raudne auf dem Gute Turnau und Skal), von Libinic (?),
Losenic (?), Osek (vermuthlich dem alten Pfarrorte dieses Na-
mens auf der Herrschaft Kost 2) und Wlkowa (auf dem Gute
Laucin). Auch besass es zur Kirchenwache verpflichtete Unter-
thanen in dem alten Pfarrdorf e Bezno 3) und in den Ortschaften
Wlkowa und Dobrowice. Aus den Städten Saaz und Jung-
bunzlau bezog es den zehnten Theil von allem herzoglichen Ge-
richtseinkommen; ebenso von allen Grundstücken, die zu beiden
Städten gehörten, den Zehnten an Garben und an Gross- und
Kleinvieh; auch von allen in Erbpacht gegebenen Besitzungen
') Dieser Hof hatte vorher dem Grafen Mutis gehört. Um 1355 finden wir
hier die Kaiserin Anna als Grundherrin, welche die hiesige Pfarrcollatur
dem neuen S. Carlskloster in Prag übertrug, worauf die Kirche in Lysa
durch Urkunden der Kaiserin, des Kaisers, des Papstes und des Erzbi-
schofs für immer dem Kloster incorporirt wurde. (Lib. Erect. III. P. 1.
(cid. 1387, ibid. III. H. 3, XII B. 2.) Diese Kirche war damals ent-
schieden die reichste des ganzen Archidiakonats, indem sie 1384 2 Seh.
zum halbjährigen Kirchenzehent beisteuern konnte. {Begist. deeimarum.)
3) Diese um 1360 sicher unter der Collatur der Herren von Wartenberg auf
Kost stehende Pfarrkirche zahlte 1384 nur 6 böhm. Groschen zum Kir-
chenzehent, ist also wohl Jüngern Ursprungs. {Begistrum detimamm. —
Libri confirm. ad 1360, 1363, 1379 und 1380.)
3) Bezno hatte eine der ältesten Kirchen des Dekanats Kamenec, indem selbe
1384 mit 30 Gr. am Kirchenzehent sich betheiligte. Im Jahre 1369 er-
scheint ein ßohunko von Libis als Grundherr und Kirchenwohlthäter.
(Begist. deeimarum. — Libr. Erect. I, K. 6. dd. 1369 und 1371. — Lib.
confirm. 1373. 1399.)
127
derselben Städte den zehnten Theil des erzeugten Honigs und
der üblichen Friedenssteuer.
Nebst diesen ursprünglichen besass Altbunzlau erweislich in
späterer Zeit noch einige andere Güter im Bereiche der jetzigen
Ieitmeritzer Diöcese. Zu diesen gehörte Malesow, das heutige
Maischen bei Gastorf, ein uraltes Pfarrdorf, das der selige Hroz-
nata, Stifter der Klöster Tepl und Choteschau schon 1197 seinem
Kaplane Holofernes geschenkt hatte. ') Wann und wie es an das
Collegiatstift zu Altbunzlau gekommen sein mag, ist nicht wohl zu
ermitteln. Sicher aber übte daselbst um 1360 der altbunzlauer
Propst als Grundherr das Collaturrecht aus. 2) Im J. 1384 ent-
richtete Malesow 12 b. Groschen als halbjährigen Kirchenzehent. 3)
Ausserdem gehörte noch das Dorf Wlkcinewes, wahr-
scheinlich das jetzige Dorf Wolfschlinge auf dem Gute Schwaden,
und ein Ort unbekannter Lage, Namens Klein-Wolenec 4), der-
selben Grundobrigkeit.
3. Im Jahre 1384 werden folgende anderweitige Präbenden
des Capitels als zehentpflichtig aufgezählt 5): Owcary (1 S.); Po-
powice (34 gr.); eine zweite Präbende in Popowice (34 gr.); eine
dritte ebendaselbst (21 gr.); Howorewice (21 gr.); Nedomice (1 S.)5
Susna mit einem Antheile von Ohaf (14 gr.); Koncice (30 gr.);
Hlawna nebst einem zweiten Hlawna und Antheilen in Ohaf, Kon-
cice und Dusna (18 gr.) ; die Präbende Ohaf mit einem Antheile
von Koncice (20 gr.); eine zweite Präbende in Hlawna mit einem
') Die Schenkungen Hroznatas betrafen grossentheils diese Gegend. (Hruscho-
wan, Prachowa, Drum, Prc-boscht, Ploschkowitz, Schwaden, Skalice, Nezly
u. s. w.) Dies und der Umstand, dass ein anderes Malesow (Stadt und
Burg im caslauer Kreise) wohl schon seit 1143 zum Kloster Sedlec ge-
hörte, ein drittes (im klattauer Kreise) jetzt zerstörtes Dorf aber nie als
Pfarrort genannt ist, spricht für die Identität dieses Malesow.
3) Libr. confirm. ad 25. Mai 1361. Collator : Pjopst Zawis von Racine wes.
3) Itcgistr. decimarum.
4) Wlkcinewes und Wolenec maly wurden zugleich mit dem Dorfe Wratkow
(casl. Kr.?) im Jahre 1436 durch Verpfändung Seitens des Kaisers Sigmund
dem Stifte entfremdet. (Palacky Archiv I. 517, 540, IL 179.)
5) Regist. clecim. Diese Präbenden umfassen auch die Pfründen aller Kleriker
in Altbunzlau, da letztere nicht besonders- genannt werden.
128
Antheile in Ohaf (28 gr.) ; eine dritte Präbende in Hlawna (9 gr.) ;
Bylichow (30 gr.); Howofewice (21 gr.); zwei Präbenden in Dusna
(15 und 18 gr.) und zwei Präbenden in Susna (15 und 18 gr.). ')
§. 33. Das Collegiatstift S. Stephan in Leitmeritz.
1. Die Geschichte hat dem frommen Herzoge Spytihnew IL
den Ehrennamen Vater des Klerus gegeben und durch alle
Jahrhunderte bewahrt: die Vorsehung aber hat das schönste Mo-
nument seiner freigebigen Religiosität in allen Stürmen der Ver-
gangenheit bewahrt und einer ruhmvollen Gegenwart überliefert —
das Capitel bei S. Stephan in Leitmeritz, dessen letzter
Propst imJ. 1656 der erste Bischof der leitme itzer Diöcese gewor-
den ist. Spytihnew IL stiftete dasselbe im J. 1057 „zum Heile
seiner Seele" für den heiligen Dienst an der neuen „ehr-
würdigen Kirche, die er ebendaselbst zur Ehre Christi,
der seligsten Jungfrau Maria, des Erstl ingsmartyrs
Stephanus und anderer Heiligen erbaut hatte. 2)
2. Burg und Stadt Leitmeritz 3) muss in dieser Zeit wieder
unter der landesfürstlichen Gewalt gewesen sein; diess deuten die
mannigfachen Rechte an, welche Spytihnew seiner neuen Stiftung
') Als anderweitige Besitzungen werden genannt: Popovice, Prisnin, Zapy,
Dfevcice, Drisech, Unterthanen in Kresenic, Lubosin, Podlesin, Obodi,
Postrizin, Znocice, Bezenec, Maslovic, Letecek, Lubacic, Syritic, der Ze-
hent von Caslau und Görlitz, eine Abgabe von Zizelic; in Mähren der
Zehent von Rokican, Znaim, Bechow und von den Brückenzöllen der
Thaja, Abgaben in Olmütz, Prerau, Spitignew, Godonin, Bracislaw, Stra-
honin, Brunn, Pustimir, — und die Dörfer Blatinic, Pregnic, Naluchi, Va-
nolusi, Na wranie, Dolni, Surgust (Zlup), Mikulöic, Prusy, Troskotowic,
Drinowic, Pulin, Na gradku, Bechamir, Bantik, Plesitic, Masowic, Sanow.
(Erben reg. 47 u. 48.)
8J Worte des Stiftungsinstruraents nach der Ottokarisclien Connrmationsur-
kunde im leitmeritzer Kapitelarchiv. Die Ansicht dieser alten Kirche bie-
tet das Titelbild nach einem alten Gemälde.
3) „Castrum Litomericense" lieisst in dem bestätigten Stiftungsinstrumente
der jetzige Domhügel, wo die alte Collegiatkirche an der Stelle der jetzi-
gen Domkirche sich erhob, Vgl. auch §. 9. n. 1.
129
sofort auch innerhalb der Stadt einräumte. Seit dem Tode des h.
Adalbert war das mit dem Fluche der Kirche beladene hiesige Grafen-
geschlecht der Wrsowecen dem schrecklichsten Lose anheimgefallen.
Wohl war einer derselben um das J. 1000 sogar Schwiegersohn
Boleslaw's des Grausamen geworden, und auch die übrigen hatten
ein hohes Ansehen am Hofe des unwürdigsten .Fürsten errungen.
Aber gerade sie hatten im J. 1002 an der Spitze der Empörung
gestanden, welche einen polnischen Prinzen auf den böhmischen
Thron erhob. Kaum war daher der vertriebene Boleslaw im Jahre
1003 wieder zur Herrschaft gelangt, so rächte er sich furchtbar
an seinen falschen Freunden. In der Nacht des Faschingdienstags
erdolchte er mit eigener Hand seinen Schwiegersohn und Hess auch
die Gehasstesten der übrigen durch seine Diener ermorden (10.
Februar 1003). Muthmasslich ist damals das Privateigenthum
der geächteten Familie in und um Leitmeritz an die landes-
fürstliche Kammer gefallen. ') So finden wir nun im Jahre 1057
den kirchenfreundlichsten Fürsten als alleinigen Herrn von Leit-
meritz und zahlreichen Orten im Umkreise. So war es ihm auch
leicht, seine schönste Stiftung durch reiche Einkünfte in der näch-
sten Nähe zu versorgen.
3. Bevor wir die Dotation des für uns so wichtigen Colle-
giatstifts näher beleuchten, thut es Noth, der beiden Urkunden
etwas ausführlicher zu gedenken, welche uns über jene Aufschluss
geben sollen. Die entschieden echte von beiden ist ein Bestäti-
gungsbrief des Königs Pfemysl Ottokar I. vom J. 1218, der noch
jetzt im Original im leitmeritzer Capitelarchiv vorliegt. Derselbe
beruft sich ausdrücklich auf den damals vorgelegten ersten Stif-
tungsbrief des Herzogs Spytihnew, welcher aber in Folge hohen
Alters bereits vermodert gewesen sei. 3) Eben deshalb aber will
der ottokarische Brief ausdrücklich den Wortlaut des Origi-
nals erneuern, „damit nicht etwa durch Vergessenheit
*) Am Ende des 11. Jahrhunderts finden wir die Nachkommen der Unglück-
lichen wieder auf einige Zeit im Besitze der leitmeritzer (und saazer)
Grafenwürde, aber nur um selbe schon im Jahre 1096 von Neuem und
endlich im Jahre 1108 durch den blutigsten Untergang für immer zu ver-
lieren. Vgl. Palacky Gesch. Böhm. I. 342—348 und 360—363.
3) „Ex sui vetustitate jam putridum."
9
130
die Güter jener Kirche entfrem dct werden mochten." ])
Wir besitzen also in dieser ottokarischen Bestätigungsurkunde zu-
gleich den ächten Text des ursprünglichen Stiftungsinstrumentes 5)
und somit auch eine sehr genaue Kenntniss der ältesten Stamm-
besitzungen unseres Kapitels.
Nebst der ottokarischen Urkunde besitzen wir noch ein angeb-
lich ursprüngliches Stiftungsinstrument des Herzogs Spytihnew,
dessen Inhalt aber von dem im Bestätigungsbriefe citirten Wort-
laute der Form nach gänzlich und auch dem Inhalte nach vielfach
abweicht. Diese zweite Urkunde war im J. 1825 noch im Origi-
nale im leitmeritzer Capitelarchive vorhanden, ist aber von da
bis zum J. 1834 auf bisher nicht ermittelte Weise abhanden ge-
kommen. Uebrigens hat uns der gelehrte Dobner 3j ein Facsimile
desselben aufbewahrt, sowie auch anderseits eine genaue Abschrift
des bekannten Geschichtsforschers -P. Athanasius a S. Josepho mit
beigegebenen kritischen Noten im bischöflichen Archive zu Leit-
meritz, und eine angeblich collationirte zweite Abschrift in der
prager Universitätsbibliothek 4) vorhanden ist. Nach dem Facsimile
Dobners ist der nicht ganz vollständige Wortlaut in Erbens Re-
gesten 5) abgedruckt. Diess Actenstück ist ohne Zweifel unächt,
weil ja das echte Original schon im J. 1218 ganz modrig war und
einer Erneuerung in der ottokarischen Urkunde bedurfte, daher
nicht wohl bis zum J. 1825 in vollkommen leserlichem Zustande
sich erhalten konnte. Dazu kommt noch die Abweichung von dem
]) „Fecimus renovari et sigillorum nostrorum impressione confirmari, in
nullo antiqui privilegii, quod tale est, tenore mutato."
2J Nur eine einzige Stelle erscheint mangelhaft. Es werden nämlich nur 13
dem Kapitel vollständig gehörige Ortschaften namentlich angeführt, ob-
gleich kurz vorher die Schenkung von 14 solchen Ortschaften erwähnt
wird. Es ist aber wahrscheinlich, class die Auslassung des einen Namens
mit Vorsatz geschah, weil vielleicht der betreffende Ort zur Zeit der
Ausstellung des ottokarischen Briefes nicht mehr im Besitze des Kapitels
sich befand.
3) Annal. V. 325.
4) M. S. I. D. 2.
5) P. 51.
131
Wortlaute des ottokarischen Instrumentes. ') Es scheint das
angeblich spytihnewische Instrument eben nichts mehr und nichts
weniger zu sein, als eine ziemlich treuherzige vermeintliche Wie-
derherstellung des ursprünglichen Stiftungsbriefes und zwar aus
einer Zeit, wo weder der letztere noch die ottokarische Bestäti-
gung beim Kapitel vorfindig war. Solche Zeiten konnte es in
Böhmen wohl öfters gegeben haben, etwa nach dem Tode Pfemysl
Ottokars IL, nach dem Tode Wenzels HL, in den hussitischen und
in den lutherischen Tagen. Da flohen die Capitularen mit ihren
schriftlichen Schätzen von ihren Sitzen und nahmen mit der Zeit
irgend eine Landpfarre an. In Folge dessen hatten dann die Ca-
pitelvorsteher gar viele Mühe in ruhigerer Zeit die nach allen
Seiten hin verschleppten Urkunden wieder zusammenzubringen. 2)
Oft mussten sie sich wohl auch damit begnügen, den Inhalt der
verlorenen Dokumente nach den Aussagen verlässiger Gedenkmän-
ner neu aufzuzeichnen.
Muthmasslich ist so die angebliche spytihnewische Urkunde im
14. Jahrhunderte entstanden. Nichts desto weniger ist sie für unsere
Sache von einiger Bedeutung. Sie hebt manchen Zweifel in der
Lesung der ursprünglichen Ortsnamen, und indem sie auf Grund
der lebendigen Tradition einer späteren Zeit entstanden ist, nennt
sie uns auch manche Besitzung, welche das Kapitel erst nach Pfe-
mysl Ottokar I. erworben und zu oder unmittelbar vor der Zeit
ihrer Abfassung noch besessen hat.
4. Ein bestimmtes Stiftungsjahr nennt weder das eine noch
das andere Dokument. Der Umstand aber, dass in den bis ins
14. Jahrhundert zurückreichenden Akten des Capitels immer das
Jahr 1057 als Jahr der Stiftung angenommen ist 3) und die stetige
mündliche Tradition des Capitels selbst nöthigen auch uns zur
Annahme des Jahres 1057. 4)
') Vgl. Palacky in Öasopis öesk. Museum. X. 1836. p. 323—346.
2) Dies beweisen mehrere Akten des prager erzbischöflichen und des leitm.
bischöfl. Archivs.
3J Nach dem M. S. des Laurentius Slavik, Domdechants zu Leitmeritz (1777):
Observatio historica in pervetustum diploma Spitignei IL (Im leitm. Capi-
telarchive.)
4) Dobner annal. V. 351, gestützt auf Neplacho, nimmt das Jahr 1058, Pu-
9*
132
1. Die Besitzungen und Einkünfte des neuen Collegiatstifts
waren wahrhaft grossartig. Der fromme Stifter beabsichtigte
eben nichts Geringeres, als die religiöse Familie des neuen
Gotteshauses von allen zeitlichen Sorgen zubefreien
und in ihrer Art zu fürstlichem Ansehen zu erheben. J)
Wir nennen vor Allen jene Orte, welche nach Angabe des
ottokarischen Briefes dem Capitel zur Gänze angehören sollten.
a. Das uralte Pfarrdorf Kfesic, welches heute noch zum
Eigenthume des Bisthums, beziehungsweise der Propstei gehört. 2)
Seit der völligen Abtheilung der Präbenden war dieses Dorf dem
Propste zugetheilt, jedoch so, dass nebstbei noch zwei Kanoniker
zur Gänze und ein dritter zum Theile ihre Präbendeneinkünfte von
hier bezogen. Diese Präbenden waren im J. 1384 so bedeutend,
dass jede derselben mit 21 b. Groschen am halbjährigen Kirchen-
zehent sich betheiligen musste. Die Pfarrpfründe in Kfesic ent-
richtete damals zu dem gleichen Zwecke 9 b. Groschen. 3) Es ist
nicht zu zweifeln, dass die letztere ihre Entstehung der opferwilli-
gen Frömmigkeit der Capitularpröpste verdankte, welche auch je-
derzeit das Collaturrecht über dieselbe ausübten. 4) Im J. 1412
wurde auch der grössere Theil der Einkünfte des Propstei- Vicari-
sten in Kfesic fundirt. 5) Im J. 1437 gelangte der Ort zeitweilig
durch kaiserliche Verpfändung in den Besitz der Stadt Leitmeritz. 6)
b. Auch das Dorf (villa) Zasada T), dermalen eine Vorstadt
von Leitmeritz, ursprünglich aber wahrscheinlich der eigentliche
bitschka's Chronik aber ohne Angabe eines Grundes gar 1059 an. Ne-
plachos Angabe dürfte auf die Consecration der Capitelkirche zu bezie-
hen sein.
') Dies sagt das in der ottok. Urkunde citirte Instrument des Stifters.
3) Die Urkunden nennen es Cresici. Nebenbei sei hier erwähnt, dass bei
Errichtung des Bisthums zuJLeitmeritz der damalige Propst Rud. Schiein itz
Bischof wurde und für sich und seine Nachfolger das Propsteieinkommen
als bischöfliche Dotation beibehielt, gegen dem, dass er und seine Nach-
folger dafür sorgen würden, die Propstei von Neuem zu stiften.
3) Begistr. decimarum.
4) Libri confirm. ad 1391, 1402, 1415.
5) Libri confirm. 31. Aug. 1412.
6) Palacky Archiv I. 501.
7) Nach beiden citirten Urkunden.
133
Burgflecken, wurde eine Besitzung des Collegiatstifts. Hier erhob
sich — in unbekannter Zeit — die Pfarrkirche zu Ehren des h.
Adalbert unter bischöflicher Collatur. ') Auch befanden sich da-
selbst später mehrere Residenzhäuser der Capitularen. 2)
c. Das Dorf Praskowice in der Nahe von Leitmeritz. 3)
Als das Capitel im J. 1319 Schritte zur Wiedererwerbung mehre-
rer in der vorhergegangenen unruhigen Zeit verlorenen Güter that,
gehörte wohl auch Praskowitz bereits zu diesen letzteren, da in
den vom J. 1358 an laufenden Confirmationsbüchern eines Colla-
turrechtes des Capitels für diesen Ort nicht mehr gedacht wird.
Derselbe war — in unbestimmbarer Zeit — in den Besitz des Klo-
sters der Benediktinerinnen zu Teplitz übergegangen, welches er-
weislich in den Jahren 1416 und 1417 Seelsorger für die Kirche
allda präsentirte. 4) Diese Pfarrkirche selbst gehörte im J. 1384
wohl zu den Jüngern des leitmeritzer Dekanats, indem sie sich da-
mals nur mit 4 b. Groschen am allgemeinen Kirchenzehent bethei-
ligen konnte. 5)
d. Der Pfarrort Slatina in der Nähe vonLibochowitz.6) Im
J. 1319 wurde derselbe vom Propste Adalbert mit Bewilligung des
Capitels emphyteutisch, jedoch unter Vorbehalt gewisser Jahres-
zinsen, veräussert, um mit dem Erlöse andere verloren gegangene
!) Vgl. §. 15. n. 5. 6.
3) Nach Akten des Bischofs Schleinitz im bischöfl. Archive.
3) Die ottok. Urkunde nennt es Ptachichi, was sicher Prachichi zu lesen
ist. Das spytigneische Instrument nach der Leseart des P. Athanasius a
S. Josepho (MS. des bischöfl. Archivs) und der collationirten Abschrift der
Prager Universität (I. D. 2) nennt es Pracici. Nach Dobners Facsimile des
an dieser Stelle mutilirten Originals heisst es Praci . . . nach der Leseart
Erbens (regesta p. 51) erscheint esalsPran... . Letzterer (Erben regest ap-
774) aber bezeichnet wieder anderwärts als hier gemeintes Capitelgut ein
Dorf Ptacici, angeblich gleichbedeutend mit Ptaßice, welcher Name aber
nirgends vorfindig ist. Da diese Güter sonst ohne Ausnahme in der Ge-
gend von Leitmeritz lagen, so ist dasselbe auch von obigem Orte anzunehmen.
Dann aber ist es unter den noch bestehenden oder ehedem bestande-
nen, insofern selbe bekannt sind, nur das jetzige Praskowic.
4) Libr. confirm. a. h. a.
5) JRegistrum decimarum.
6) Dieser Ort wird nur im ottokarischen Instrumente genannt.
134
Capitelgüter wieder einzulösen. l) Dennoch verblieb das Collatur-
recht über die Pfarrkircke daselbst, welche 1384 den Beitrag von
6 Groschen zum halbjährigen Kirchenzehent leistete 2), nach wie
vor dem leitmeritzer Propste, der davon noch in den Jahren 1391,
1405 u. 1408 Gebrauch machte. 3)
e. Der alte Pfarrort Chauc, die jetzige Filiale Kauz bei
Selnic. 4) Derselbe blieb fortan bis zur Verpfändung (durch K.
Sigismund an Jakob von Wresowic) im Jahre 1437 5) ununter-
brochen im Besitze des Stiftes, und zwar seit der Trennung der
Präbenden als Antheil des Propstes, der erweislich noch im Jahre
1402 sein Präsentationsrecht in der Besetzung des hiesigen
Pfarrbeneficiums ausübte. 6) Nebenbei erscheinen allerdings im
Jahre 1363 „Die Bürger vonBrüx" als Collatoren eines Altaristen-
beneficiums daselbst, 7) und 1381 ein Hinko von Kowzlak als
Stifter eines beständigen Jahreszinses von 1 Schock und 6 böhm.
Groschen. 8) Da aber diese Kirche nichts desto weniger im Jahre
1384 nur 3 b. Groschen zum halbjährigen Kirch endecem beitragen
konnte, 9) so scheint sie immerhin eine der Jüngern in der Ge-
gend gewesen zu sein. Später schenkten neue Wohlthäter, und zwar
1386 Ulrich von Dobfic, und 1392 Mixo (Nikolaus) von Ujezd je
ein Schock jährlicher Zinsungen zu diesem Gotteshause. 10) Alle
diese Herren scheinen Lehensträger des jeweiligen Propstes zu
Leitmeritz gewesen zu sein.
') Originalurkunde im leitm. Capitelarchive dd. IV. nonas Decembris 1319. —
So erklärt sichs von selbst, warum die später abgefasste angebliche Stif-
tungsurkunde von dieser Besitzung nichts mehr weiss. —
3) Begistrum decimarum.
3) Lib. confirm. ad h. a.
4) Im ottokarischen Instrumente heisst dieses Dorf Huchi, im spytigneischen
Huesci. — Erben (regesta 737) bezeichnet diese Namen als Chuc\
5) Palacky Archiv IL 453.
6) Lib. confirm. ad h. a.
7) Ebendaselbst ad h. a. Altaristen wurden von Kirchenwohlthätern über-
haupt und nicht bloss von den Patronen gestiftet.
8) Libr. Erect. XII. F. 2.
9) Begistrum decimarum.
10) Lib. Erect. XII. A. 11. u. D. 14.
135
f. Nebst den bisher erwähnten 5 alten Pi'arrorten nennt uns
die ottokarische Urkunde noch folgende Dorfschaften, welche ur-
sprünglich zur Gänze1) dem Capitel gehörten: Pirne (Pirney),
wahrscheinlich ein ehemals zwischen Leitmeritz und Trebautitz
gelegenes Dörfchen am Fusse der Berghöhe, die heute noch den
Namen Pirney führt und zu den bischöflichen Besitzungen gehört ; 5)
Trebesici das jetzt noch bi schöil. Dorf Tf ebautic ; :j) R e p c i c i,
das heute noch zum Bisthume gehörige Dorf Ober - Kepsch ; 4) T i n e z,
das dermalen zur Domdechantei gehörige Dorf Alttein, von wel-
chem das ganze Gut den Namen Teinic führt 5) ; Z e d 1 z e, wohl
das heutige Selz (Sedlec) auf dem Gute Enzowan, das aber nur
kurze Zeit dem Stifte verblieb;6) Dubech, wahrscheinlich das
jetzige Dubitz bei Türniitz, :) welches erst im Jahre 1436 durch
kaiserliche Verpfändung an Johann Kaplif von Sulewic der
Propsteipräbende entzogen, wurde 8) ; Lubessovichi, das jetzige
Liebschitz (Libesice) bei Kauz auf der Herrschaft Biiin, welches
ebenfalls erst im Jahre 1437 zugleich mit Kauz durch eine gleiche
Verpfändung aus dem Eigenthume der leitmeritzer Propstei in
den Besitz des Jakob von Wfesowic überging;9) endlich Popovo
1) Die ottokarische Urkunde nennt sie „integras villas" zum Unterschiede
von solchen Ortschaften, wo nur einzelne Ministerialen dem Capitel zuge-
hörten. Schon dies spricht dafür, dass unter villae nicht Höfe , sondern
Dörfer gemeint sind. Ueberdies bestätigen unzählige; Beispiele aus la-
teinischen Urkunden des Mittelalters, dass villa stets eine Dorfschaft,
dagegen pagus einen Gau und curia einen Hof bedeute.
2) In der spytig. Urkunde : Prrna.
3) In der spytig. Urkunde: Trebessici.
4) In der spytig. Urkunde: Pteptici. Dieses Dorf wurde 1470 unter dem Na-
men Kepöice als Besitz der Propstei an einen leitmeritzer Bürger ver-
pfändet und 1472 an einen Herrn v. Kopist veräussert, 1490 aber wieder
erworben. (Acten im Capitelarchive.)
5) In der spytig. Urkunde Tince.
6) Dieses wird in der spytigneischen Urkunde nicht mehr genannt, war also
zur Zeit der Abfassung derselben längst abhanden gekommen.
7) Das spytig. Instrument nennt es abweichend Dubessevici.
8) Dubec — zugleich mit den Gütern des Klosters St. Georg in dieser Ge-
gend verpfändet um 1000 Seh. Palacky Archiv 1.502.
9j Palacky Archiv II. 453. Obgleich Lubessovichi (im spytig. Dokumente Lu-
136
(oder nach dem spytigneischen Dokumente Ponovi), ein jetzt un-
bekannter Ort, wenn es nicht etwa die ehemalige Burg Panna auf
dem an Kfeschitz anstossenden Gute Zahofan ist.
2. Es ist zu erinnern, dass die ottokarische Urkunde aus-
drücklich 14 ganze Dorfschaften aufzählen will, die dem Capitel
von Spytihnöw geschenkt worden sind, deren jedoch nur 13 nament-
lich anführt. Dafür nennt uns das angeblich spytigneische Dokument
mit Ueibergehung von Slatina und Zedlce l) vier neue Ortschaften,
welche erst später in den Besitz des Capitels gelangt sind, vielleicht
mit Ausnahme eines einzigen, welches eben das in der ottokari-
schen Urkunde ausgelassene vierzehnte Capiteldorf der ersten
Zeit sein dürfte.
a) Ich nenne vorerst Bau§ovice, das alte Pfarrdorf in
der Nähe von Leitmeritz, welches wahrscheinlich von einem
ehemaligen Besitzer, Namens Bonus, den Namen (Bohusowice, Buso-
wice) erhalten haben dürfte. Schon im Jahre 1226 gelangte ein
Theil dieses Dorfes durch Kaufvertrag von Seiten eines ge-
wissen Bruno, dem Sohne Bleks an das Kloster Doxan 2), während
der andere Theil sich weiterhin im Besitze des Klosters Bfewnow
findet. Nichts desto weniger erhielt sich hier eben noch ein klei-
nes Besitzthum der leitmeritzer Capitularen sicher bis 1384, wo
dasselbe ausdrücklich als Theil einer besondern Capitelpräbende
(zugleich mit einem Einkommen von K r e § i c und Cernowes)
genannt wird. Diese Präbende zahlte damals 21 böhmische Groschen
als Halbjahrszehent ab. Die Pfarrkirche in Bausowice, deren
Collatur dem Kloster Doxan zustand, entrichtete zu dieser Zeit zu
gleichem Zwecke 12 böhmische Groschen und war somit sicher
eine der altern in der Gegend. 3) Die in der spytigneischen Ur-
bessevici) auch der gewöhnliche ältere Name von Libochowitz ist, so ist
doch nur jenes Libesice damit gemeint, da dieses letztere erweislich im-
mer bis 1437, ersteres aber wahrscheinlich gar nie dem Capitel angehörte.
!) Das erstere war in dieser Zeit emphyteutisch vertheilt, das andere wohl
bereits gänzlich entfremdet.
2) Mika: Das ruhmwürdige Doxan. S. 43.
3) Begist. decimarum. — Wir kommen später bei Gelegenheit der Stiftungs-
geschichte von Doxan noch einmal auf diesen Ort zu sprechen.
137
künde weiter noch erwähnten Besitzungen des Collegiatstiftes
sind: Mal§ow, das heute noch zum Domdekanate gehörige Dorf
Malitschen , — B r e z a, das heutige Dorf Presey auf dem Do-
minium Schwaden — und der alte Pfarrort Hocsow, das jetzige
Chodzow auf dem Dominium Wrsowice.
b. Dieser Pfarrort Chodzow, der im Jahre 1384 bereits die sehr
bedeutende Summe von 30 böhmischen Groschen als halbjährigen
Kirchenzehent entrichtete , und daher gewiss zu den ältesten der
Gegend gehörte, war wenigstens von 1358 an nicht mehr im
Besitze des leitmeritzer Capitels, da in den von 1358 bis 1419
laufenden prager Confirmationsbüchern eines hiesigen Collaturrechts
des leitmeritzer Capitels nicht gedacht wird. Vielmehr finden wir im
Jahre 1370 einen Johann und einen Heinrich von Chodzow als
Patrone des Pfarrbeneficiums. ]) Die Erben des ersteren werden noch
im Jahre 1395, und unter diesen der erwähnte Heinrich noch
1415 in öffentlichen Acten genannt. 3) Es ist leicht möglich, dass
dieses Chodzow eben der 14te ursprünglich zum leitmeritzer
Capitel gehörige Besitzort gewesen und vielleicht schon um 1218
in andere Hände gekommen war, so dass die ottokarische Urkunde
einen Grund hatte, selben nicht mehr zu erwähnen.
§. 35. Fortsetzung.
1. Ausser den jetzt genannten vollständigen Ortschaften wurden
dem Capitel auch noch sehr viele Antheile anderer Dörfer
und unters chiedlicheBezüge an Geld und Naturalien,
sowie auch eine Menge unterthäniger Dienstmannen
mit ihren Familien von dem edlen Stifter zugewiesen.
a. Bei der Stadt Leitmeritz selbst gehörten dem Capitel
zwei Weinberge mit den dafür nöthigen leibeigenen Winzern
und dreissig leibeigenen Arbeiterinen. Nebstbei waren hier dem
Capitel hundert Stück Zugvieh (Stuten nach der spytig. Urkunde)
') Libri Confirm. ad h. a.
2) Palacky Archiv I. 401, IL 354 und III. 483.
138
mit den erforderlichen Weideplätzen, hundert Schafe, dreissig Kühe,
siebenzig Schweine, und von der Stuten - Heerde alljährig jedem Ca-
nonicus ein Füllen zur Bestreitung seines Anzuges zugewiesen. ') In
späterer Zeit wird hier „ein Wald vor der Stadt nebst anstos-
senden Aeckern und einem Weinbergsabhange" als ein Capitelbesitz
genannt.2) Einer jener Weinberge hiess im Jahre 1403 „Mazana"
(wohl die jetzige „Mastna hora"). Ein gewisser Theil an Aeckern un-
terhalb dieses Weinberges bis zum Thale „Bazele" ward damals
dem Vikar des Propstes zugewiesen. ;;)
b. Inder Zupe von Leitmeritz erhielt das Capitel in 12
verschiedenen Dörfern zinspflichtige Bauern, und in 11 andern
„die einem fürstlichen Haushalte geziemenden Dienstleute. u 4) In
Zasada, der jetzigen Vorstadt von Leitmeritz, wurden ihm Glöck-
ner, Winzer, Schuster, Kürschner, Gerber, Wagner, Schmiede, Hei-
zer und eine Menge anderer Ansiedler als Dienstleute zugewiesen.
Insbesondere gehörten dem Kapitel auch „die Fischer unter-
halb der Leitmeritzer Burg." Die Wohnungen derselben
bilden heute noch den bischöflichen Dominical-Ort Fischerei.
Ebenso wurden in Pokratice (Pokratitz) 3 und in Zitenice
(Schüttenitz) 1 Winzer sammt ihren Grundstücken dem Collegiatstifte
geschenkt . 5) Hieraus entstand sofort dieObedienz inPokra-
titzund Schüttenitz, welche unter andern im Jahre 1411
ausdrücklich erwähnt wird. 6) Im Jahre 1586 wurde diese durch
den Propst Wolfgang mittelst Ankauf eines neuen Gutes entweder
') So beide Urkunden.
2) Spytign. Urkunde.
3) Urkunde im leitmeritzer Capitelarchive.
4) Ottok. Urkunde. Diese Dienstleute (ministeriales z= näpravnici) waren
meist Handwerker und Bedienstete, welche damals die grosse Masse der
böhmischen Stadtbewohner ausmachten, auch wohl in benachbarten Dorf-
schaften angesiedelt waren, jederzeit aber zur Dienstleistung bei der lan-
desfürstlichen Burg und Öuda zugewiesen waren. Solche Ministerialeu waren
für ihre Dienste mit landesfürstlichen Gründen ausgestattet: in Folge des-
sen wurden sie — obwohl persönlich frei — vom Landesfürsten beliebig
an andere Dienstherren überlassen. (Vgl. Palacky II, S. 30.)
5) Beide Urkunden.
6) Lib. Erect. VIII. 0. 2.
139
vermehrt oder zu einem Theile wieder hergestellt. ') Selbst bis
zum heutigen Tage besitzt das Bisthum, beziehungsweise die
Propstei zu Leitmeritz einen Antheil der Dörfer Pokratitz und
Schüttenitz. Uiberdies erscheinen in dieser Gegend als Wohnsitze
der Capitelministerialen noch die Ortschaften: tSecrpi2), jetzt
unbekannt (1 Dienstmann), Bozsko3), vielleicht eine im soge-
nannten Thale Boschke zwischen Trnowan und Leitmeritz be-
standene, jetzt verschwundene Ansiedlung (1 Wagner), Tfebautic
bei Leitmeritz (2 Bauern), Trnowan ebendaselbst (1 Schmied),
Nuönic4) und Lukow5), beide auf der jetzigen Herrschaft Lie-
beschitz (je 1 Dienstmann), Böhmisch- Kopist undBrnian6)
auf dem Gute Doxan (dort 1 Feldwirth und hier ein Pferdezüchter),
Pia du jen bei Gastorf7) und Auscha8) (je 1 Bauer), St ranne
wahrscheinlich Stran9) auf dem Dominium Drum (1 Bauer), Pi-
sfany10). Zernoseky, Libochowany, Zalesly, Tlucen n),
Prosmyky, sämmtlich heute noch bei Lobositz (je 1 Bauer,
nur in Libochowan 1 Fischer und in Tlucen ein Feldwirth oder
Gärtner), Wy äkow l2) jetzt zur Herrschaft Postelberg gehörig
(1 Bauer), Lukowice, das jetzige Lukawec auf dem domdechant-
lichen Gute Teinitz (1 Schuster), Dlaskowice (2 Bauern) und
endlich ChotöSow auf der Herrschaft Libochowitz (1 Feldwirth).
') Protocollum praeposiio rum LitomMS. der erzbisch. Bibliothek in Prag.
3) Dieses wird nur in der spytign. Urkunde genannt. Erben pag. 52 liest es
Stcrrpi und bezeichnet es pag. 787 als gleichbedeutend mit Strpy.
3) Na-boschi im ottokarischen und Na boste im spytign. Dokumente. Erben
reg. 714 erklärt es als Bozsko.
4) Nuchnicih im ottok. und Nucnicih im spytign. Dokumente. (Erb. reg. 762.)
5) Lukove im ottok., Luchove im spyt. D.
6) Brennarim ottok., Bremass im spyt. D. Erbe 715 bezeichnet es als Briiany.
7) Kaduyne im ottok., Radvine im spyt. D.
8) Uskri im ottok., Usti im spyt. D. Erben reg. 795 erklärt es als Üsti.
9) Na ztranen im ottok., Gastranen im spyt. D. Erben reg. 786 erklärt es
als Stranne.
10) Peschas als Lokativ im ottok., und Palceass im spyt. D. Erben reg. 767
bestimmt es als Pistany.
n) Natlcni nach dem ottok., Na diem nach dem spytig. D. Erben 791 be-
zeichnet es als Tlucen (im Lokativ).
,3) Na vulkonine im ottok. und spytign., Na Wisskouve im spyt. D. nach Er-
bens Leseart p. 52.
140
c. In der 2upe von Bilin erhielt das Stift die Hälfte der
jetzt unbekannten Dörfer Kostelec, K o n o j e d und Tribrusko1) und
ebensoviel von Dubrawice, einem ehemals am Fusse des
Schlossberges bei Teplitz gelegenen Pfarrdorfe, dessen wir später
wieder gedenken werden, — desgleichen in Aussig einen dienst-
pflichtigen Bauer und einen Fischer, ebenso einen Bauer in
Kopist bei Brüx, und einen Bienenzüchter zu Trnowany2),
dem heutigen Turn bei Teplitz. 3)
d. In der alten bunzlauer Zupe gewann das Capitel
Unterthanen in den Ortschaften Chotetow, dem jetzigen Kuttenthal
auf der Herrschaft Brandeis (1 Schmied), in D f i s y 4) in derselben Ge-
gend, jetzt demDekan des altbunzlauer Capitels gehörig (1 Feldwirth),
und inB o z en, wahrscheinlich dem heutigen Bosin auf der Herrschaft
Kr inec. (1 Koch mit einer Feldwirthschaft.) Der letztere Ort (Bosin)
erscheint früh als eigene Pfarre, welche 1384 den Betrag von 12
böhmischen Groschen zum halbjährigen Kirchenzehent beisteuerte.5)
Als Collatoren erscheinen dort um diese Zeit eigene Herren von
Bosin und später die Herren von Rozdalovic und Lomnic , eine
Linie der Wartenberger. 6)
e. In der alten Zupe von Saaz hatte das leitmeritzer
Collegiatstift noch Unterthanen in Chotesow7) dem heutigen
Chotieschau auf der Herrschaft Petersburg (1 Dienstmann), LeSky8)
jetzt Lischka auf dem Dominium Lienz und Lust (1 Bienenzüch-
x) Oder sollten etwa diese 3 Orte irriger Weise in die Biliner 2upe verlegt
sein und in Wirklichkeit eben nur das Kostelec, Konoged und Triebsch
bei Auscha bedeuten?
3) Der Lokativ Trnovaz in der ottok., Trnoss in der spyt. nach Athanasius und
Trnovass nach Erbens Leseart.
3) Beide Dokumente setzen die Zahl der dem Capitel gehörigen Bauern in
dieser 2upe auf 12 an.
4) In den Urkunden der Lokativ Brizak.
5) Hegist. decimarum.
G) Lib. Confirm. ad 1362, 1377, 1379, 1389, 1397, 1413.
7) Hotsove im ottok., Hotetove im spytig. D.
8) Locativ Lescah im ottok., und Lesskah im spytig. D. Vgl. Erben 747.
141
ter), und Lubno % vielleicht dem jetzigen Luban (Hlubang) auf
dem Gute Schönhof (1 Bauer). Im alten Bezirke von Bozen (süd-
lich von Pribram) erhielt endlich das Capitel noch je einen Dienst-
mann in Drazovice und in Zivohost. 3)
Alle bisher genannten Unterthanen hatten den gesetzlichen
Zehent an das Collegiatstift zu entrichten. 3)
Nach dem spytigneischen Dokumente waren insbesondere die
in den Zupen von Bunzlau und Saaz wohnhaften Bauern zur Lie-
ferung desselben Honigs an das Capitel verpflichtet, den sie vor-
dem an den herzoglichen Hof selbst abgeführt hatten. Anderseits
aber waren nach dem ottokarischen Dokumente alle dem Kapitel
zugewiesenen Dienstmannen von allen Künsten und Gewerben mit
Weibern, Söhnen und Töchtern angehalten, ihren betreffenden Dienst
nach Wochen beim Capitel persönlich zu versehen.
2. Ausser diesem Allen hatte Spytihnew IL seiner neuen
Stiftung auch noch mehrere Regalien zugewiesen.
a. Hiezu gehörte zunächst der grösste Theil des E 1 b e - Zo 1 1 s in
Leitmeritz selbst. Die Einheimischen sollten von dem Salze und allen
andern messbaren Artikeln, die sie auf der Elbe verführten, für ein klei-
nes Schiff überhaupt 15 Groschen, und für ein grosses 2 alte Metzen
der messbaren Waaren an das Capitel abgeben. Fremde dagegen
mussten von einem grossen Schiff 2 grosse Metzen und von
einem kleinen so viele Groschen abliefern, als es Metzen geladen
hatte. 4) Später ward die Abgabe der Fremden auch Regel für
die Einheimischen. 5) Von allen übrigen Erträgnissen des landes-
fürstlichen Eibzolls sollte dem Capitel die Hälfte anheimfallen. 6)
Ganz derselbe Zoll musste auch bei zugefrorner Elbe von allem,
') Im ottok. D. Tubne, im spytig. Lubue. Erben erklärt es als Lubno p. 750.
3) Die ottok. nennt die Orte Drazovici und Sivohoschi, die spytigneische aber
Drasovici und Sivogossici.
3) Ottok. Urkunde.
4) Ottok. Urkunde.
5) Spytign. Urkunde.
6) Zu diesen Erträgnissen zählen die Stiftungsurkunden die Abgaben: Ho-
mutone, Odchodne, Gostine, Gernecne, Sitne, Otroce. Athanasius a S. Jo-
sepho interpretirt sie als Vorspanns-, Abfahrts-, Fremden-, Topf-, Ge-
treide- und Knechtzins.
142
was zum Kauf oder Verkauf den Fluss passirte, an das Capitel
abgeführt werden.1) Später wird auch noch eines besondern
Wehrgeldes gedacht, welches das Stift von allen Schiffen an der
ersten Wehre unterhalb der Stadt zu erheben hatte. 2)
b. In derselben Weise erhielt das Capitel — wohl etwas
später — 3) den Bezug mehrerer bisher landesfürstlicher Einkünfte
des leitmeritzer Zupengerichtes, und zwar der allgemeinen Sam-
melgelder, der Verkaufs- und der Gerichtstaxen, der soge-
nannten Mordsteuer und des üblichen Confiscations-, Vo-
gel- und Schimpf g eldes.4) Dagegen besass es schon ursprüng-
lich den Ertrag der Uiberfuhr bei Aussig und den zehnten Theil
des Gränzzolls bei Kulm, 5) welcher letztere später auf den ach-
ten Theil erhöht worden zu sein scheint. 6)
!) Beide Urkunden.
3) Spytign. Urkunde.
3) Erst die vermeintliche Spytigneische Urkunde macht davon Erwähnung.
4) Das spytign. Instrument nennt diese Bezüge: Venditiones, eigentlich Ver-
äusserungen, hier die dabei zu zahlende Taxe; Swod, eigentlich die
Einführung, hier die bei der Zuweisung eines Grundeigenthums zu ent-
richtende Steuer; Glava, eigentlich „der Kopf", hier die Mord- oder
Strafsteuer (von 20 Groschen), welche damals jeder Bauer einer Zupe er-
legen musste, in welcher ein Mord vorgefallen war, ohne dass der Thä-
ter entdeckt werden konnte (vgl. Urkunden bei Ziegelbauer bist. mon.
Brevnov. p. 250 und 279); Narok, eigentlich die peremptorische Vorla-
dung vor Gericht, hier aber die Geldstrafe geringerer und das eingezo-
gene Vermögen grösserer Verbrecher gegen fremdes Eigenthum (vgl. eine
Urkunde Ottokar's I. ddo. 1222 26. Aug. bei Erben reg. pag. 306 und
307). Nedoperne, eigentlich noch nicht ganz befiederte Vögel, hier das
bei Gericht zu zahlende Strafgeld für die Entwendung solcher aus ihren
Nestern (vgl. das älteste Stadtrecht der alten Stadt Prag cit. im MS. des
P. Äthan, a S. Josepho über den spytig. Stiftungsbrief); Grrdost, eigent-
lich Anmassung, Verachtung eines Andern, hier das dafür bei Gericht zu
zahlende Sühngeld. (Vgl. ebendaselbst.) Palacky (IL 38) hält Svod für
das gerichtliche Verfahren jener Zeit gegen Diebe.
5j Ottok. Urkunde.
6) Spytign. Urkunde. Dieser sehr alte Ort Kulm besass frühzeitig schon eine
eigene Pfarrkirche, welche im Jahre 1384 bereits den erheblichen Halb-
jahrszehent von 9 böhm. Groschen entrichten konnte. Als Collatoren des
Pfarrbeneficiums erscheinen — soweit die prager Confirmationsbücher zu-
143
c. Zu den späteren Besitzungen des Collegiatstifts sind auch
die zum Schlüsse der Spytigneischen Urkunde nachgeschriebenen
Schenkungen zu rechnen, deren fromme Verleiher ebendaselbst
ausdrücklich genannt werden. Es sind dies: Ein Morgen Landes
(circuitus, aujezd) bei Caslau, vom Grafen Hroznata, wohl dem
Stifter von Tepl und Choteschau, also um das J. 1200 geschenkt,1)
— ein Landbesitz in Lahowice auf dem jetzigen Dominium
Liebschhausen, vom Herzoge und zugleich Bischöfe Heinrich, also
um das J. 1185 dem Capitel gewidmet, — ein ähnlicher Landbesitz
in Pokutice, dem heutigen Pokotitz auf der jetzigen Herrschaft
Hagensdorf im saazer Kreise, geschenkt von einem gewissen Wil-
helm,— ebenso ein Landbesitz in Ploskowice, dem jetzigen kai-
serlich- ferdinancläischen Landsitze bei Leitmeritz, verehrt von
einem gewissen Paul, — und endlich ein Landbesitz mit zwei un-
terthänigen Dienstmännern in Dolanek beiDoxan, von einem ge-
wissen Wlach dem Capitel einverleibt. 2)
ä. Ausser den in beiden Stiftungsurkunden aufgezählten Be-
sitzungen erwarb das leitmeritzer Capitel in etwas späterer Zeit
(um 1368), wohl als Erbe nach dem Propste Johann von Kanryk,
den Pfarrort Zubernice, mit dem nahen Orte Lestina, die
heutigen bischöflichen Orte Saubernitz und Leschtine. 3) Zubernice
besass damals eine Pfarrkirche, die wenigstens im J. 1384 eben
nicht mehr zu den allerjüngsten gehörte, indem sie zu dieser Zeit
schon 6 böhmische Groschen als halbjährigen Kirche nzehent ab-
rückreichen — die Grundherren von Tetschen. (Vgl. Regist decim. — Libr.
Conf. ad 1361, 1363, 1411.)
1) Die Urkunde nennt diesen Besitz circuitus Cesslav. Nach Erben reg. p.
722 ist dies Caslav.
2) Die Urkunde nennt die Orte in der Localform : Lagovicih, Pocudicih,
Plosskovicih und Doleass.
3) Laut der Libri confmnationum übte der Propst Johann von Kamyk am
10. April 1363 das Präsentationsrecht für Zubernice in Gemeinschaft
mit seinem Bruder Heinrich von Kamyk aus, so dass der betref-
fende Ort wohl als Familienbesitz gelten muss. Weiterhin erscheint da-
gegen im Jahre 1368 der neue Propst Heinrich von Hakenbrunn als all-
einiger Collator, sowie auch spätere Akten bis 1437 den jeweiligen Propst
als Eigenthümer von Zubernice und Lestina nennen.
144
führte. l) Im J. 1437 (28. September) wurde der Besitz von Zuber-
nice und LeStina durch den Kaiser Sigismund an Heinrich von
Waldstein verpfändet. 3) Dasselbe geschah damals auch mit 6 dem
Capitel unterthänigen Dienstmannen in Zahofan, deren Erwer-
bung unbekannt ist. 3) — In den Dezemregistern des Jahres 1384
erscheinen schliesslich noch als vorhusitische Besitzungen des leit-
meritzer Capitels: ein Präbendenantheil im Dorfe Cernewes
bei Wettel, wo jedenfalls schon sehr früh eine eigene Pfarrkirche
bestand, die 1384 schon als eine der bestdotirten Kirchen des De-
kanats den seltenen Halbjahrszehent von 15 böhmischen Groschen
entrichten musste, — ferner der Meierhof Chysnowbei Leitmeritz,
der damals für 3 Präb enden das Einkommen lieferte, deren eine
21, und die beiden andern je 12 böhmische Groschen zum Kir-
chenzehent des Jahres 1384 beisteuerten, — endlich noch eine Ca-
pitelpräbende in Lista (vielleicht Lisa im bunzl. Kreise?), welche
im J. 1384 mit 21 böhmischen Groschen die halbjährige Zehent-
leistung abtrug. 4) Uiber die Erwerbung dieser Besitzungen lässt sich
etwas Gewisses nicht angeben. Dasselbe gilt auch von einem Wald
bei Tocna (berauner Kr.?), in dessen Besitze „die Diener der
Kirche von St. Stephan in Leitmeritz" im J. 1390 erscheinen,
ebenso auch von einem Jahreszinse im Betrage von 6 Seh. böhmi-
scher Groschen, welche die Grundherren von Pokratitz im J. 1381
an dieselben Geistlichen bei St. Stephan zu entrichten hatten.5) Im
J. 1409 schenkte Nicolaus Preller von Gurim (Kauf im) „der Kirche
zu St. Stephan" noch einen Weinberg. 6) Auf die besondern Be-
sitzungen der leitmeritzer Capiteldekanie und die nachhusitischen
Erwerbungen des Capitels kommen wir später zu sprechen.
e. Zur bleibenden Sicherung des Eigenthums unseres Colle-
giatstifts war schliesslich vom Stifter selbst ein schwerer Fluch
über alle künftigen Verletzer desselben ausgesprochen und der
Stiftungsurkunde einverleibt worden, mit den Worten: „Wenn Je-
J) Begistrum deeimarum.
8) Palacky Archiv I. 505.
3) Ebendaselbst.
4) Lib. Erect. XII. C. 16.
5) Urkunde im leitm. Capitelarchive.
6) Lib, Erect VIII. H. 8.
145
mand von allen diesen (Besitzungen) auf Anrathen des Teufels ir-
gend etwas vermindern sollte, so möge derselbe in Gemeinschaft
mit eben demselben (Pathgeber) die ewigen Strafen in alle Ewig-
keit erleiden. Amen." ' )
§. 36. Fortsetzung.
1. Das C oll at urrecht zur Propst ei des leitmeritzer
Capitels war von dem frommen Stifter dem jeweiligen Landesfür-
sten vorbehalten worden. Während dies von allem Anfange her
durch die Auswahl der Personen selbst angedeutet wird, bezeugen
dies in etwas späterer Zeit ausdrücklich die noch vorfindigen Ur-
kunden. So präsentirte nach dem unbestreitbaren Zeugnisse der
offiziellen prager Confirmationsbücher in der ganzen Periode der-
selben (1358 — 1419) immer der böhmische König zu jener Pfründe,
und bei einer Confirmation im J. 1358 sagen diese Confirmations-
bücher sogar ausdrücklich: „Pa tron ist der Kaiser (bezie-
hungsweise der König) selbst."3) — Die für die ebenso ansehn-
liche als einträgliche Würde ausersehenen Männer gehörten fast
durchgängig — wenn nicht vielleicht ohne Ausnahme — dem Col-
legium der landesfürstlichen Hoikapläne und Notare an. Bald aus
den edelsten Familien des Landes entsprossen, bald durch Gelehr-
samkeit und Gewandtheit in politischen Geschäften ausgezeichnet
waren sie unbezweifelt die Zierde und der Stolz der Klerisei des
Vaterlandes. Zur propsteilichen Würde erhoben blieben sie — nach
dem Zeugnisse fast unzähliger Urkunden 3) — nichts desto weniger
im landesherrlichen Dienste und bekleideten sogar wiederholt die
einflussreichste Würde des obersten Kanzlers. Der durch die Ca-
nonen der Kirche gebotenen Residenzpflicht wurde eben nur auf
das Allernothdürftigste dadurch genügt, dass sie in der Regel die
höchsten Feste der Kirche und ihres Stiftes an der ihnen anver-
trauten Capitelkirche feierten, im Uebrigen aber die Leitung des
') Beide Stiftungsurkunden.
2) Libri Confirm. ad a. 1358, 1363, 1396, 1401, 1407.
3) Vgl. unter Andern Erben regesta von 1057 — 1253.
10
Lt
146
geistlichen Collegiums einem sogenannten Vizepropste und später
dem Dekane und Yizeclekane, die Besorgung der gestifteten kirchli-
chen Funktionen hingegen einem von ihnen dotirten Vikare über-
liessen. *)
Die Geschichte der einzelnen Pröpste mag füglicher erst im
nächsten Abschnitte beginnen.
2. Ueber die Aufnahme der Capitularen in das leitmeritzer
Collegiatstift fehlen eingehende Nachrichten; es ist aber anzuneh-
men, dass sie von der Aufnahme in das Prager Capitel, das heute
noch ein Receptionsbuch aus dem 14. Jahrhunderte besitzt, 2) nicht
wesentlich verschieden war. — Da ein derartiges Stift ursprünglich
eben nur die Einrichtung und häufig auch den Namen eines Klo-
sters hatte: so besass ein Canonicus als solcher auch keinen be-
sonderen Ehrenvorrang, und die Aufnahme in das Collegium er-
folgte nach Massgabe der Unterhaltsmittel des Stiftes, so oft ir-
gend ein geeigneter Kleriker der niedern oder höheren Weihen sie
ansprach, durch die freie canonische Wahl der Stiftsbrüder. Der
Eintritt hochadeliger Kleriker mit besondern Nebeneinkünften führte
allmälig zur Lockerung des gemeinsamen Lebens und endlich zur
Trennung des Capitelvermögens in einzelne Präbenden mit einzigem
Vorbehalt einiger sogenannten Obedienzen, deren Ertrag der Com-
munität verblieb. ,T) Hatten die leitmeritzer Canoniker zur Zeit
der Stiftung und auch etwas später noch in völliger Gemeinschaft
des Besitzes in einem Hause — wahrscheinlich in der nachmaligen
Propstei — beisammen gelebt, wie dies der Stiftungsbrief andeu-
tet 4), so bezogen sie nun ihre besonderen Wohnungen, deren ei-
') Diese Praxis ist aus den späteren Urkunden ersichtlich. Uebrigens be-
stand sie in jener Zeit an allen Dom- und Collegiatcapiteln. Der leitme-
ritzer Propstei-Vikar hatte sein fundirtes Einkommen in Kresic. (Vgl.
§. 35 n. 1.)
3) Begistrum Canomcorum Pragensium (1378—1390). MS. der prager Capi-
telbibliothek. Eine genaue Abschrift hievon im leitm. bischöfl. Archive.
3) Daraus wurden die sogenannten Präsenzgelder für die Theilnahme am
gemeinschaftlichen Chorgebete, gemeinschaftliche Leistungen des Capitels
nach Aussen hin und insbesondere die Naturalbezüge der einzelnen Ca-
noniker bestritten. (Vgl. §. 26. 5.)
4) Damals hatte ihnen der Propst gewiss in ähnlicher Weise den Unterhalt
147
nige nach der Zeit in der Vorstadt Zasada ausdrücklich erwähnt
werden. Die bedeutenden Einkünfte der Präbenden machten so-
fort die Competenz der Jüngern Söhne des Landesadels zur Regel,
und die daran geknüpften vortrefflichen Aussichten auf hohe Stel-
lungen in Kirche und Staat verliehen nun auch den , Landcapi-
tularen einen vielbeneideten Ehrenrang, obgleich diesen die gleichzei-
tige Verwaltung einflussreicher kirchlicher Aemter nicht in dem
Masse, wie den Capitularen des bischöflichen Doms zu Statten
kam. Wegen der Unentschiedenheit, ob in der Kirche oder im
Staate die gewünschte Beförderung ihnen werde zu Theile werden,
zogen solche Capitularen in der Regel es vor, bis zum Austrag der
Sache nur die niederen Weihen oder höchstens etwa das Subdia-
konat zu empfangen, und zwar um so mehr, als sie hiemit ein ge-
ringeres Mass von Pflichten zu übernehmen hatten. Zur Besor-
gung des notwendigen Gottesdienstes wurden in Folge dessen be-
sondere Priester (ministri ecclesiae S. Stephani) und ein eigener
Pfarrer angestellt, die sämmtlich nicht in das Collegium der eigent-
lichen Capitularen gehörten. ]) — Zu dieser Zeit, wo die Auf-
nahme in das Capitel schon als eine hohe Ehre galt, wurde die
canonische Wahl der Canoniker von Aussen her stark beeinflusst.
Nicht genug, dass adelige Herren ihre Söhne unmittelbar und durch
den Landesfürsten zur Wahl empfahlen: man wendete sich auch
zu liefern, wie dies stiftungsgemäss im Capitel zu Wysehrad geschah. Hier
gab der Propst zu diesem Zwecke jede Woche 1 junge Kuh, 12 Hühner,
6 Ferkel, 1 Eimer Meth von 17 Maass und ebensoviel Bier mit Freistel-
lung dessen, was er darüber geben wollte. Zur Winterszeit sollte er statt
der jungen Kuh 2 dreijährige Schweine geben. Ausserdem sollten die
Canonici zur Fastenzeit jede Woche 80 Groschen für Fische und zur
Sommerszeit halb so viel erhalten, ausser wenn ein grösserer Feiertag
auf einen Freitag fiele. — Vgl. Tomek G. Pr. I. 88. — In Leitmeritz war
durch die Stiftung ausdrücklich der dritte Theil der Einkünfte vom Elb-
zolle in Leitmeritz, vom Gränzzolle zu Kulm, von der Ue berfuhr in Aussig
und von den Naturallieferungen an Honig dem Collegium der Canoniker
mit Ausschluss des Propstes zugewiesen.
') Dieser Pfarrer und jene Ministri werden in den Akten des Capitels öfters
genannt. Das Collaturrecht der Pfarrei besass der Propst. Vgl. Lib.
eonfirm,
10*
148
unzählige Male nach Rom um einen Provisions- oder Gnaden-
brief (literae provisionis und l. gratiosae) des Papstes selbst zu
erlangen. [) In Folge dessen ward die canonische Wahl in sehr
vielen Fällen ganz illusorisch. Vielleicht war es wieder die Menge
der so Empfohlenen, die eine andere neue Massregel in Uebung
brachte. Man wählte sofort bei einer Apertur mehrere neue Ca-
pitularen, bald in der Weise, dass etwa zwei Gewählte in die Prä-
bende sich theilten, bald wieder so, dass nur der eine das ganze
Einkommen bezog, die andern hingegen in ihren früheren Stellun-
gen und Beneficien bis auf eine weitere Erledigung verblieben. So
entstanden die Medii praebenäaü und die Non praebenäati, deren
auch im leitmeritzer Capitel, sowie anderwärts, gedacht wird.
3. Die ursprüngliche Anzahl der leitmeritzer Canoniker ist
nicht wohl zu ermitteln. Im J. 1384, wo die Besitzungen des Stif-
tes eher ab- als zugenommen hatten, nennen uns die Dezemre-
gistei' mit Einschluss des Propstes und des gestifteten Dekans aus-
drücklich 12 Capitularen. Damals wrurden folgende separirte Prä-
benden als zehentp tüchtig aufgeführt : Die Propstei mit halbjährigen
6 Schock böhmischen Groschen, die Dekanie mit 39 böhm. Gro-
schen, zwei halbe (nicht besonders bezeichnete) Präbenden, die eine
mit 9 und die andere mit 2 (soll wohl heissen 12) b. Groschen,
die erste Präbende zu Chisnow mit 21 b. Groschen, die zweite und
dritte ebendaselbst mit je 12 b. Groschen, die Präbende in Bau-
sowic, Kfe&icund Cernowes mit 21 b. Groschen, 2 ganze Präben-
den in Kfesic, jede mit 21 b. Groschen, eine Präbende in Lisa
ebenfalls mit 21 b. Groschen, endlich eine letzte nicht besonders
bezeichnete Präbende ohne Zehentleistung. a)
4. Wir besitzen noch 2 uralte Insiegel des leitmeritzer Dom-
stifts. Das eine ältere ist oval und zeigt den h. Stephanus in einer
gen Himmel schwebenden Stellung, über dem Haupte einen Ge-
genstand, der wahrscheinlich die dem Capitel gehörige Reliquie
des Armes des h. Erstlingsmartyrs bedeuten soll. Die Umschrift
lautet:,, S. (igillam) S(an)C(t)L SttphaniLutomiricensls^ . Das zweite
Siegel zeigt den verklärten Heiligen, wie ihn zwei Engel mit der
i) Vgl. §. 25. 3.
2) Megistrum decimarum.
149
Heiligenglorie bekränzen. Die Umschrift lautet: „S(igühim) ca-
pittdi Liithomericcn(sis) ecle(siae) sancti Stephanie und eine Schrift
innerhalb dieser Umschrift: „Protliomart (yr) S. StepJianas" .
§. 37. Das Collegiaistift S. Peter in Melnik.
1. Auch die Geburtsstadt der heiligen Ludmila wurde früh-
zeitig durch die Gründung eines Collegiatstifts ausgezeichnet. Von
den älteren örtlichen Traditionen wird Hroznata Graf von
Melnik, der um das J. 1020 aus dem irdischen Leben abgeschie-
den sein soll, als Gründer des Stiftes bezeichnet.1) Nach Andern
soll gar schon die Herzogin Emma, Witwe Boleslaws IL die
Stifterin gewesen sein, 2) dieselbe, welche im J. 1006 im Rufe der
Heiligkeit wahrscheinlich zu Melnik, dem nachmals gewöhnlichen
Wohnsitze der verwitweten Herzoginnen, gestorben ist.3) Noch An-
dere setzen offenbar irrig die Gründung um das Jahr 1088 an und
bezeichnen den damaligen Bischof Gebhard als einen besonderen
Förderer der neuen Stiftung. 4) Da ein Fundationsinstrument bis
jetzt nicht ausfindig gemacht werden konnte, so lässt sich in die-
ser Sache kaum etwas Sicheres behaupten. Das Wahrscheinlichste
dürfte aber sein, dass das in Melnik schon frühzeitig wohnhafte
Priestercollegium entweder aus eigenem Antriebe oder auf höhe-
res Geheiss die Lebensweise des h. Chrodegang annahm, und dass
die. reichliche Dotation des so entstandenen Capitels in gleichmäs-
siger Weise der Familie des Zupans von Melnik, sowie den daselbst
wohnhaften herzoglichen Witwen, und nicht minder auch den geist-
lichen Oberhirten des Landes zu verdanken war. Die Zeit der
ersten Einrichtung des Capitels fällt jedenfalls vor das Jahr 1086,
wo wir zum erstenmale einem Propste von Melnik begegnen, und
zwar dem gelehrten Severus, welchem unser ältester Chronist Cosmas
das erste Buch seiner Chronik gewidmet hat. 5)
l) Vgl. Sommer's und Schaller's Topographien.
8) Palacky I. 330.
3) Vgl. Marignola. Auch Dobner V. 2L
4) Illustr. Chronik von Böhmen. I. 6.
5) Cosmas.
150
Die alte Collegiatkirche trägt jetzt den Namen SS. Peter und
Paul. Ursprünglich aber und bis zu seinem Untergange hiess das
Collegiatcapitel nur St. Peter. Dies beweist das alte In Siegel
der Propstei aus der Zeit des Propstes Zbinko von Hasenburg
(c. 1390—1403). Es zeigt uns den h. Petrus in sitzender Stel-
lung, in der Rechten die Schlüssel und in der Linken das Evan-
gelienbuch haltend. Hieniit ist noch das damalige Wappen der
Herren Zajic von Hasenburg verbunden. Die Inschrift lautet:
Sigillum Capituli Melnicensis. ')
2. In Ermanglung eines Stiftungsinstruments und irgend einer
spätem Confirmationsurkunde sind wir genöthigt, die ehemaligen
Besitzungen des Melniker Capitels lediglich aus mannigfachen Ur-
kunden der vorhusitischen Zeit zusammen zu suchen, ohne dadurch
die Ueberzeugung gewinnen zu können, dass so alle Güter dessel-
ben zu unserer Kenntniss gelangen werden.
a. Im J. 1233 verkauften der Propst und die Capitularen
von Melnik die ihnen bisher gehörigen Dörfer Tizowa und Per na
wegen allzu grosser Entfernung an das Kloster Kladrau. 2) Da nun
letzteres Kloster im J. 1239 zu Tizowa in der Grafschaft Glatz ein
Geschenk von 2 Feldmass Acker entgegen nimmt 3), so ist in
obigem Verkaufe wohl dieses Dorf und in Folge dessen mit dem
gleichzeitig verkauften Orte Perna wohl auch der einzige Ort die-
ses Namens in Böhmen, nämlich Perna auf dem Dominium Bran-
deis im königgrätzer Kreise gemeint. Von dem Erlöse der verkauf-
ten Ortschaften wurden nun im J. 1233 unter Einem zwei näher
gelegene Dörfer Namens B a b i c e und Cernewes für das Capitel
angekauft. 4) Sehr wahrscheinlich ist ersteres das heutige Gross-
Babice auf der Domaine Uhrinewes im früheren kaufimer Kreise,
letzteres aber wohl mit Sicherheit das bereits erwähnte Dorf Cer-
1) Die Beschreibung dieses Siegels in Lib. Erect. XII. J. 15.
2) Urkunde : Erben regesta p. 383. Hier heisst der eine Ort Prinna, in der
spätem Confirmationsurkunde des Königs Wenzel ddo. 13. Dezember
1233 aber Pirna. Vgl. Erben reg. p. 386.
3) Urkunde : Erben reg. p. 453.
4) Erben ebendaselbst. Hier heisst der zweite Ort Crimnuvez, dagegen aber
in der schon citirten Confirmationsurkunde richtiger Chernnevez.
151
newes bei Wettel im leitmeritzer Kreise, dermalen noch zum Gute
Brozan gehörig, das wir alsbald als Besitzung des melniker Prop-
stes kennen lernen werden. In diesem Cernewes besass — wie
erzählt wurde — auch das leitmeritzer Capitel im J. 1384 einen
Präbendenantheil. ')
h. Im Jahre 1243 8) verkauften in ähnlicher Weise der Propst
und das Capitel zu Melnik an das Kloster der Prämonstratense-
rinnen zu Chotesow im pilsner Kreise einen ansehnlichen Güter-
complex in jener Gegend, der vielleicht vom Stifter des genannten
Klosters, Hroznata Grafen zu Melnik, dem Collegiatstifte seiner
Vaterstadt geschenkt worden war. Vom Ertrage dieses Verkaufes
sollten die „zum Nutzen der Kirche (in Melnik) contrahirten Schul-
den, welche aus dem beweglichen Besitze derselben nicht gedeckt
werden konnten," bezahlt werden. Der veräusserte Besitz bestand
aus dem Berge und Walde Wrabina mit seinem ganzen Zubehör,
V
und aus den Dorfschaften C er notin, T uro wund einem zweiten
Cernotin. Der Verkaufspreis betrug 300 Mark feinen Silbers. 3)
Das eine Dorf Cernotin gehört heute noch zum Dominium Cho-
teschau, und nicht fern davon ist das jetzige Städtchen Cernosin
ohne Zweifel das ehemalige „andere Cernotin." Als das ehemalige
Dorf Turov wird die dermalige Waldstrecke Terny bei Choteschau
bezeichnet. 4) Der Berg und Wald Wrabina lag ebendaselbst.
c. Im Jahre 1290 kaufte Propst Ulrich vom leitmeritzer Stadt-
richter Conrad eine Mühle mit 4 Gängen an der Elbe gegenüber
der Stadt Leitmeritz. König Wenzel IL bewilligte auf die Bitte
i) Vgl. §. 34.
3) Eingeleitet und von König Wenzel bewilligt war das folgende Verkaufs-
geschäft schon im Jahre 1238. (Urkunde Erben reg. p. 435) Beendigt ward
es erst im Jahre 1243.
3) Urkunde: Archiv des prager Capitels B. I. IL 5. und Erben reg. 519. Die
Schreibweise lautet hier — wie damals gewöhnlich — Chirnotin, Turovo
et aliud Chirnotin. Die Confirmationsurkunde von 1247 (Erben p. 553)
nennt sie Chrinotin, Thurov et aliud Chrinotin cum silva Vrabina. Die
Leseart Öernotin nach Erben p. 722.
4) Köpl: Das ehemalige Prämonstratenser-Chorfrauen-Stift Chotieschau. S. 9.
Hier wird statt Turov der Name Tarnov genannt.
152
des melniker Capitels die Befreiung dieser Mühle von allen Zinsen,
Steuern und Herrendiensten. ])
d. Im Jahre 1321 wurde vom Propste Heinrich (Berka) im
Einverständnisse mit dem Capitel der Hof TremoSna im pilsner
Kreise nebst einem zweiten ungenannten in der nächsten Nähe von
Pilsen an die Inwohner der gleichnamigen Orte emphyteutisch ge-
gen sichere Jahreszinsen überlassen. 2) Das Dorf Tfemosna blieb
nichts desto weniger nach wie vor dem Capitelpropste unterthänig
und ward nachher in den Jahren 1415 und 1420 wiederholt durch
Kaiser Sigismund verpfändet. 3)
e. Im J. 1327 erlangte derselbe Propst Heinrich Berka vom
Könige Johann die Wiedererstattung des Dorfes Chfenowice,
welches eine Zeit lang dem melniker Capitel entzogen gewesen
war. 4) Es ist nicht wohl zu ermitteln, welche der jetzt noch be-
stehenden Ortschaften dieses Namens (im früheren caslauer und
zwei im budweiser Kreise) hiemit gemeint sein mag.
§. 38. Fortsetzung.
f. Die wichtigste Besitzung des Collegiatstiftes und insbe-
sondere des Propstes war ohne Zweifel das uralte Pfarrdorf Bro-
zan (Brozany) an der Eger. Die melniker Pröpste führten sogar
zuweilen den Namen „Pröpste von Brozan." 5) Die Pfarrkirche da-
selbst war im J. 1384 nebst Leipa entschieden die reichste Land-
') Hist. Monumente des Königthums in Böhmen. MS. des H. Prof. Höfler in
Prag. (Urkunden.)
3) Extractus ex diversis in archivo archiepisc. Prag, existentibus relationibus
circa statum ac proventus beneficiorum in dioecesi Litomericensi. MS. des
leitm. bischöfl. Archivs pag. 4. Der Hof zu Tremosna bestand aus 32
Hufen Landes, von denen jede fortan alljährlich eine Mark Silber nebst
4 Hühnern und 20 Eiern an das Capitel zu entrichten hatte. (Urkunde im
bischöfl. Archive.)
3) Palacky Archiv II. 448. und 449.
4) Bubna catalogus capituli Prag. MS. des prager Capitelarchivs.
5) Unter diesem Namen verliert er 1420 die Besitzung Kladrubec durch
Verpfändung. (Palacky Archiv II. 450.)
153
pfründe des ausgedehnten leitmeritzer Archidiakonats, indem sie
damals 1 Schock böhm. Groschen als halbjährigen Beitrag zum all-
gemeinen Kirchenzehent entrichtete. ' ) Dieser Umstand lässt auf
ein sehr hohes Alter des Beneficiums schliessen. Die Collatur stand
in der von den prager Confirmationsbüchern umfassten Periode
völlig unzweifelhaft den melniker Pröpsten zu. 3) Wie fast alle
Besitzungen des Melniker Stiftes, so ist auch Brozan in der Zeit
der traurigen Husitenkriege in fremde Hände gelangt.
g. Im Jahre 1371 am 6. März wurde vom damaligen Propste
Johann im Einverständnisse mit dem Capitel ein Besitzthum des
Collegiums, bestehend in einem Walde und mehreren Acker-
gründen, im p i 1 s n e r Kreise gelegen, verpachtet. 3)
h. Im J. 1378 im Monate Juli übte der damalige Propst Jo-
hann das Collaturrecht über das Pfarrbeneficium zu Komarow
bei Pardubitz aus. 4) Somit gehörte dieser Ort wahrscheinlich zu
den Besitzungen der melniker Propstei.
i. Im J. 1384 wird im damaligen Dezemregister eine mel-
niker Capitelpr abend e zu Hostonice angeführt, und mit
einem halbjährigen Dezembetrage von 24 böhmischen Groschen
besteuert. 5) Diese Präbende ist wahrscheinlich identisch mit dem
Maierhofe in „Hostiwice," welcher um das Jahr 1410 von dem mel-
niker Canonicus Miran an einen prager Bürger in bleibenden Pacht
gegeben, 6) und wohl in Folge dessen bei Gelegenheit der nach-
folgenden husitischen Unruhen dem Capitel ganz entfremdet wurde.
') Begistrum deeimarum.
2) Lib. confirm. Im Jahre 1367. 25. April präsentirt der Propst Johann, im
Jahre 1415 der Propst Constantin. Ausdrücklich genannte Pfarrer der näch-
sten Nachbarschaft erscheinen als Installatoren. Irrig versetzt also Heber (Böh-
mens Burgen III. 420) hieher ein Rittergeschlecht von Brozan, dessen letz-
ter Sprosse 1417 dieses Gut dem Kloster Teplitz hinterlassen habe. Dem
Kloster Teplitz gehörte erweislich das zweite Brozany (das heutige Pro-
sanken bei Teplitz), wo es schon 1366 das Collaturrecht ausübte. Die
erwähnten Herren von Brozan waren nur Lehensleute des Klosters.
3) Lib. Erect. I. K. 6, II. E. 5.
4) Lib. Confirm. ad h. a.
5) Begistrum deeimarum.
ü) Palacky Archiv II. 461.
154
Bezeichnen die beiden erwähnten Namen einen und denselben Ort,
so dürfte wohl die Leseart Hostonice vorzuziehen sein, und wir
hätten dann jene alte Präbende in dem heutigen Hostinice (oder
Hostimice) b'ei Brozan zu suchen, welch' letzterer Ort zugleich mit
dem benachbarten Cernewes ohnehin auch zum melniker Capitel
gehörte. ])
j. Zu derselben Zeit wird auch eine melniker Präbende zu
Kramole c genannt, welche ebenfalls mit 24 böhm. Groschen am
halbjährigen Kirchenzehent sich zu betheiligen hatte. 2j Es ist diess
gewiss das heutige Dorf Kramolsko oder Chramostek auf der fürst-
lich lobkowitzischen Herrschaft Melnik.
Je. Eine weitere Capitelpräbende mit einer halbjährigen Ze-
hentleistung von 21 böhmischen Groschen befand sich im Jahre
1384 zu Raus owic, und ebendaselbst sowie in dem Orte Wlina-
wes die Bestand iheile von zwei anderen Präbenden, deren jede 20
böhmische Groschen als Halbjahrszehent entrichtete. 3) Der eine
dieser Präbendentheile in Piausowic bestand urkundlich aus 2 Wie-
sen und einem Jahreszinse von 4 Schock böhm. Groschen. 4) Dieses
Rausowic ist unzweifelhaft das jetzige gleichnamige Dorf bei Mel-
nik, wovon ein Theil noch heute zum Dominium der königl. Leib-
gedingstadt Meluik gehört, und wo nach einem anderen Zeugnisse 5)
schon in der Zeit des Königs Wenzel IL vier erbliche Wirtschaf-
ten, eine Mühle und eine Wiese dem melniker Capitel gehörten.
Das genannte Wlinawes ist das heutige Wlinewes (Weisskirchen)
auf der fürstlich lobkowitzischen Herrschaft Melnik.
I. Im Jahre 1391 17. Februar widmete Hinko von Radec dem
Capitel zu Melnik einen Wald in Chi um als Stiftung für die
') Ein Hostiwice liegt nur im ehemaligen rakonitzer Kreise; war aber ein
alter Pfarrort, wo Melnik erwiesener Massen kein Collaturrecht besass.
2) Registrum deeimarum. Baibin liest den Namen Gramolcz.
3) Ebendaselbst. Der erstere Name lautet da Russovic (irrig gelesen Russonic).
4) Lib. Erect XIII. C. 9.
5) Extraetus ex diversis in arcl ivo arclipp. Prag, existentibus relationibus.
MS. des leitm. bisch. Archivs Fol. 3. Es wird daselbst ein Originale von
der Königin Elisabeth, König Wenzel, Bischof Gregor und Propst Ulrich
von Melnik zitirt.
155
Seelen seiner Gattin und des ehemaligen melniker Propstes Johann
von Landstein. [) Dieses Chlum ist wahrscheinlich der jetzige
gleichnamige Ort bei Turnau, wo sich auch zugleich ein Dorf Radeö
findet.
m. Im Jahre 1397 am 11. Juli veräusserte der Propst Zbinko
von Hasenburg um den Preis von 150 Schock prager Groschen
an Sulko von Chlistowa einen bis dahin dem Capitel zuständigen
Jahreszins von 11 pr. Groschen im „entlegenen Dorfe Babice",
und verwendete den Erlös zur Stiftung zweier Capläne an der Col-
legiat-Kirche zu Melnik. 3) Der erwähnte Ort war wahrschein-
lich das heutige Pobitz bei Tepl. Obige Caplanstiftung kam in
der Weise zu Stande, dass für das aus dem Verkaufe des babicer
Jahreszinses gelöste Geld ein Grundbesitz zu Rochov angekauft
wurde, bestehend aus 2 Feldmaass Aeckern nebst Wiesen und
Hutweiden. 3) Offenbar handelte es sich um die Erwerbung eines
„näheren" Besitzes, und somit wird das bei Brozan in der nächsten
Nähe anderer melniker Capitelgüter gelegene Dorf dieses Namens
als Ort der neuen Erwerbung anzunehmen sein. 4)
n. Am 7. September 1407 übte der melniker Propst Conrad,
und neuerdings am 20. April 1411 der Propst Constantin das Collatur-
recht über die Pfarrpfründe in Srbec aus.5) Im Jahre 1436 wurde
dieses „der Melniker Propsteiu gehörige Dorf durch Kaiser Sigis-
mund an Johann Kapier von Sulewic verpfändet. 6) Das einzige
alte Pfarrdorf dieses Namens, auch noch Srbice genannt, liegt
heute auf dem Dominium Chudenice im frühern klattauer Kreise.
Ehedem gehörte es zum Archidiakonate von Bischofteinitz (Tyn
Horsow) und zahlte im Jahre 1384 als eine der ältesten Pfründen
der Gegend 19 böhmische Groschen als halbjährigen Kirchen-
zehent. 6)
■) Lib. Mrect. IV. T. 1.
3) Lib. Erect. XII. J. 15.
3) Ebendaselbst.
4) Baibin las den Ort als Bochc-w, offenbar irrig, da der einzige Ort dieses
Namens ebenso entfernt wie Babice — im pilsner Kreise liegt.
5) Lib. Confirm. ad h. a.
6) Palacky Archiv I. 502.
7) Heg ist. decim.
156
o. Am 22. December 1418 präsentirte der melniker Propst
Constantin als solcher einen neuen Pfarrer zur Pfarrpfründe in
Hnewkow. ') Offenbar gehörte also auch dieses wahrscheinlich
auf der Domäne Blatna im frühem prachiner Kreise gelegene
Pfarrdorf zum Besitze des melniker Capitels, und zwar nach der
ausdrücklichen Bezeichnung in den Confirmationsbüchern als soge-
nannte Obedienz. Näheres ist von diesem Orte nicht bekannt.
Ob auch die alte Pfarre Kfecowice im früheren berauner Kreise
zur melniker Collatur gehörte, lässt sich nur vermuthen, da unterm
6. December 1401 dem dortigen Pfarrer die Verpflichtung aufer-
legt wurde, die jährlichen Exequien für den ehemaligen melniker
Propst Johann von Landstein abzuhalten. 2)
p. Am 24. August 1414 empfing das melniker Capitel als
Nachlass des Propstes Zdislaus vom Allerheiligen- Capitel in Prag
einen beständigen Jahreszins von 2 Schock und eine Geldschen-
kung von 20 Schock als Stiftung für ein Jahrgedächtniss. 3)
q. Im Jahre 1420 verpfändete Kaiser Sigismund das dem
„Propste zu Brozana gehörige Dorf Kladrubec (im frühem pra-
chiner Kreise) an Friedrich und Johann von Kolowrat. 4) Es ist
also auch dieses zu den alten Besitzungen des melniker Capitels
zu zählen.
r. Ohne nähere Angabe der Quellen werden noch als alte
Capitelgüter angeführt: 5)
Luzec und Kritov, wo die Canoniker besondere Höfe und
Pesiclenzen gehabt haben sollen. Vielleicht sind dies zwei der
in Balbins Decemregister vom J. 1384 ohne nähere Bezeichnung
gebliebenen Landpräbenden. Ersteres dürfte das jetzige Augustinergut
Luzec im frühern rakonitzer Kreise sein. Die Lage des zweiten
ist unbekannt.
Im Dorfe Byk bei Melnik besass das Capitel 6l/3 erbliche
Feldwirtschaften. Ebenso gehörten ihm die ebendaselbst gelegenen
') Lib. Confirm
3) Lib. Erect. XIII. J. 5.
3j Lib. Erect. X. C. 4.
4) Palacky Archiv IL 450.
5) Extractus ox diversis in archivo arclipp. Prag, existentibus relationibus.
MS. des leitmeritzer bischöflichen Archivs. Fol. 1 — 5.
157
Dorfschaften Wrutice, das durch testamentarischen Nach-
lass erworbene Ugezcl samt 6 Schock jährlichen Zinsungen, ferner
Borek, Skuhrov, Blaty, Mlazice und Zabof ') „mit allen
Rechten, Zehenten und der Abgabe eines Metzens Waizen von je-
dem Mühlgange von Wrutice längs des Ufers bis zur Elbe unter-
halb Melnik." 2j
Ueberdies bezog das Capitel von allen der Stadt Melnik
gehörigen Feldern ein bestimmtes Mass an Waizen und Hafer,
von 7 Feldwirthschaften in K o r i n 3), „welches der Königin ge-
hörte", den gesammten Zehent an Körnern und den halben Zehent
an Hausthieren, und vom Dorfe Chotec einen testamentarisch
legirten Jahreszins von 3 Schock böhm. Groschen, „und noch vieles
Andere, welches im Verlaufe der frühern ketzerischen Jahre der-
artig der melniker Kirche entfremdet worden ist, dass gar nichts
davon mehr übrig geblieben ist.u4)
§. 39. Fortsetzung.
1. Fassen wir die eben angeführten Besitzungen, die kaum
noch den ganzen Umfang des melniker Stiftsgebietes ausmachen,
ins Auge : so lässt sich wohl annehmen, dass die Anzahl der Ca-
noniker zu Melnik kaum viel geringer gewesen sein dürfte als an
den grössten Capiteln des Landes. Urkundliche Unterschriften zei-
gen uns allerdings z. B. im Jahre 1233 nur 6 5), und im Jahre
1403 gar nur 5 Capitularen neben dem Propste. c) Richtiger ist
aber ihre Aufzählung in einer Urkunde des Jahres 1371 :), wo
') In letzterem Orte kann Melnik nur Theilbesitzer gewesen sein. Das Col-
laturrecht der dortigen Pfründe stand wenigstens in den Jahren 1361 und
1372 dem Chorherrenstifte in Raudnitz zu. {Libr. Confirm.)
2) Es sind hier die am Klokotschbache gelegenen Mühlen gemeint.
3) Soll wohl Kokorin heissen.
4) Extr. ex cliv. relat. MS.
5) Erben regesta p. 383.
6) Lib. Erect.
7) Lib. Erect. I. K. 6.
158
ausdrücklich acht residirende Domherren genannt werden, und noch
bestimmter die Angabe der Zehentregister des Jahres 1384, wo
wir sogar die Präbenden der einzelnen näher kennen lernen. ])
Nebst der Propstei, welche damals 1 Schock und 45 Groschen
zum halbjährigen Kirchenzehent steuerte, finden wir da eine Prä-
bende in Hostinice mit der Zehentpflicht von 24 Groschen, eine
zweite in Kramolec mit gleicher Zehentleistung, eine dritte in
Piausinic und Wlinewes mit 20 Groschen Zehent, eine vierte in
denselben beiden Orten mit gleicher Zehentpflicht, eine fünfte in
Eausinic (ausschliesslich) mit 21 Groschen Zehentleistung, endlich
noch 3 andere in ungenannten Orten. Als zehnter Präbendat wird
der Pfarrer in Melnik angeführt, der unter der Collatur des Prop-
stes stand und von seinem bedeutenden Beneficium halbjährlich 1
Schok böhm. Groschen zum Kirchenzehent zahlte. — Die Aufnahme
ins Capitel fand jedenfalls in derselben Weise Statt, wie wir sie
bereits beim leitmeritzer Collegiatstifte kennen gelernt haben.
2. Das Patronatsrecht über die Propstei hatte unbezweifelt
der Landesfürst. Diess beweist neben der in den Confirmations-
büchern aufgezeichneten Praxis die im Jahre 1175 vom Kaiser
Friedrich I. an den Herzog Sobeslaw gestellte Forderimg, die Prop-
stei einem seiner (des Kaisers) Verwandten zu verleihen. 2) Die
Pröpste wurden ebenfalls in der Regel aus dem Kreise der landes-
herrlichen Hofgeistlichen genommen und blieben auch nach wie
vor meist in der unmittelbaren Nähe des regierenden Fürsten.
Die Mehrzahl derselben gehörten den edelsten Familien des Lan-
des, einige sogar selbst der Herrscherfamilie an: alle ohne Aus-
nahme spielten wenigstens durch Gelehrsamkeit und politische
Geschicklichkeit eine hervorragende Rolle in der Regierungsge-
schichte unseres Vaterlandes. 3) Die Geschichte der einzelnen
Pröpste von Melnik gehört dem nächsten Zeitabschnitte an.
') Registrum decimarum.
2) Erben regesta p. 155 und 156.
3) Vgl. die Unterschriften fast unzähliger öffentlicher Urkunden in Erbens
regesta und anderwärts.
159
§. 40. Die Metropolitan-Gewalt über Böhmen.
1. Es wurde bereits erwähnt, dass unser Väterland bei der
Errichtung des prager Bisthums dem erzbishöflichen Sprengel
von Mainz zugetheilt worden war. Die Oberhirten von Mainz übten
.-sofort wirklich die in den canonischen Gesetzen vorgezeichnete
kirchliche Obergewalt über unsere Bischöfe aus. Sie beschieden
die vom böhmischen Klerus im Einverständnisse mit dem Fürsten
und den versammelten Ständen zur bischöflichen Würde erwählten
Kleriker vor sich, und untersuchten auf das Strengste die Gesetz-
mässigkeit der geschehenen Wahl.
War letztere sicher gestellt, so erfolgte unmittelbar die bi-
schöfliche Consecration durch die Metropoliten selbst, in dessen
Hände der neue Bischof alsdann den canonischen Obedienzeid ab-
legte. ') Der Geweihte blieb hinfort der Jurisdiction des Erzbi-
schofs in der Art untergeordnet, dass letzterer die Aufsicht über
sein Leben und Wirken führte, Beschwerden der Gläubigen und
der Kleriker gegen ihn annahm und in erster Instanz entschied,
als höherer Richter über die am bischöflichen Gerichte verhandelten
Streitsachen erkannte, die Versäumnisse in den bischöflichen Amts-
handlungen nachholte, die nicht rechtzeitig besetzten Kirchenämter
im Wege des Devolutionsrechtes verlieh 2) und zeitweilig selbst die
Diöcese seines Suffragans visitirte.
2. Fast noch massgebender als der erwähnte unmittelbare
war der mittelbare Einfluss des mainzer Metropoliten auf die kirch-
lichen Verhältnisse unseres Vaterlandes. Er übte denselben durch
die von ihm berufene und geleitete Provinzialsynode. Die
1) Unsere Chronisten weichen nur in der Bezeichnung der Namen der be-
treffenden Erzbischöfe, nicht im Mindesten aber in der Darstellung der
obigen Thatsachen ab. Vgl. Cosmas, Dobneri annales, Pubitschka, Pesina
und die MMSS. von Coelestin Blumenberg, Bubna (catalogus capitoli Prag.)
undKreibich (memorabilia). Vgl. auch Tomek Gesch. Prags I. 216 und 403.
2) Wetzer & Weite Kirchenlexikon III. 699.
160
kirchlichen Gesetze dieser Zeit forderten, dass eine solche Synode
wenigstens einmal im Jahre in jeder Kirchenprovinz abgehalten
werde. ' ) Dabei hatten damals schon an der Seite des Erzbischofs
alle seine Suftraganbischöfe und alle mit einer ähnlichen Juris-
diction bekleideten Präl aten des Sprengeis und überdiess auch die
hiezu besonders angewiesenen exemten Kirchenfürsten der Umge-
gend zu erscheinen, — diese alle als Träger der an die Kirche
übertragenen göttlichen Gewalt. An der Seite dieser hatten die
Abgeordneten der Capitel die practische Weisheit, die beigezogenen
Theologen die kirchliche Wissenschaft und die eingeladenen Klo-
steräbte das Streben nach höherer christlicher Vollkommenheit zu
vertreten. Indem so der versammelte Episcopat die Erfahrung, die
Wissenschaft und die Frömmigkeit gleichmässig zu Ilathe zog,
übte er hier vor Allem seine Lehr- und Regierungsgewalt. D as zu
den feierlichen Sitzungen beigezogene Volk repräsentirte die hö-
rende Kirche. 2) Als unabweisliche Aufgabe lag der so versam-
melten Provinzialsynode ob, die kirchlichen Glaubenslehren zu be-
sprechen, die Streitigkeiten kirchlicher Personen in höherer Instanz
zu schlichten, Appellationen der von ihrem Bischöfe exeommunicirten
Kleriker und Laien entgegen zu nehmen, die Gebrechen des Le-
bens der Geistlichen und Gläubigen durch heilsame Statuten zu
heilen, und überhaupt Alles zu ordnen, was einer Ordnung in die-
sem Wege bedurfte. 3) Die Beschlüsse wurden dem römischen Stuhle
zur Bestätigung vorgelegt. 4)
3. Diese Art, Provinzialconcile abzuhalten, konnte dort streng-
stens eingehalten werden, wo die Theilnehmer desselben lediglich
Träger kirchlicher Würden waren. Im deutschen Reiche aber, wo
letztere zugleich zu den angesehensten Reichsfürsten zählten, stellte
])'Conc. Nicaen. II. av. 787. Die sogenannten apostolischen Canonen hatten
die zweimalige Abhaltung verlangt. Fessler : Provinzialconcil S. 44 und f.
2)Fessler: Prov. Concil S. 131.
3) Ebendaselbst, cit. canones apost., Corte. Nicaen. I (325), Conc. Antiochen.
(341), Conc. Calcedon. (451), Conc. Nicaen. II. (787.)
4) Schannat : Concilia Germaniae tom. II. pag. 703 liefert eine Menge Bei-
spiele. Vgl. auch Fessler 1. c. S. 158 und Binterim Prager Geschichte
der deutschen Concilien I. 229—236.
161
sich — wie vordem auch im fränkischen Reiche, — eine erhebliche
Abweichung von der ursprünglichen Form jener kirchlichen Zusam-
menkünfte heraus. Hier befanden sich die Metropoliten und Bi-
schöfe sehr oft im Gefolge des Kaisers oder fanden sich wenig-
stens einmal im Jahre bald auf dem allgemeinen Reichstage und
bald wieder auf einer Parti cular - Fürstenversammlung zusammen,
die der Kaiser eben in allgemeinen Angelegenheiten des Reichs oder
in besondern einer einzelnen Provinz zu versammeln pflegte. Da
bot sich nun von selbst die beste Gelegenheit dar, ohne neue Be-
schwerden unter Einem auch die vorgeschriebenen kirchlichen Sy-
noden abzuhalten, die nun nach Verschiedenheit der Versammelten
bald zu einer Provinzialsynode und bald wieder zu einem förm-
lichen Reichsconcile sich gestalteten. Hiebei waren nicht selten
auch die im Orte eben anwesenden weltlichen Fürsten und noch
öfter der Kaiser selbst zugegen, deren Rath und Wünsche die Bi-
schöfe willig hörten und beachteten. Die meisten jetzt noch näher
bekannten deutschen Synoden dieser Zeit waren Versammlungen
solcher Art. ]) Eigenthümlich musste sich hiebei die Stellung des
prager Bischofs gestalten. In Folge kaiserlicher Investitur war er
Reichsfürst, wie andere Bischöfe des Reichs; aber als Bischof im
Lande eines ziemlich unabhängigen Vasallen des Reichs, der gerade
in dieser Zeit sehr oft gegen die kaiserliche Obergewalt sich sträubte,
war er nur zu oft gehindert, an den Berathungen der Reichsbi-
schöfe Antheil zu nehmen. D esshalb finden wir ihn in den noch
erhaltenen Synodalberichten dieser Periode selten erwähnt. Nichts
desto weniger aber mussten die Beschlüsse der Provincialconcilien
des mainzer Metropolitansprengeis auch für ihn und seine Diözese
massgebend sein.
§. 41. Die Metropoliten dieser Zeit und ihre näher bekannte Wirksamkeit
für Böhmen.
1. Erzbischof Ruodbert (Rupert 970— 975) brachte die Er-
richtung des böhmischen Bisthums und dessen Einverleibung in
l) Vgl. Schannat: coneiüa Germaniae Tom. I & IL
11
162
die mainzer Metropolie zum Abschlüsse und consecrirte unsern
ersten Bischof Dietmar. l) Aus seiner kurzen Regierungszeit ist
uns weder ein anderweitiger Jurisdictionsact in unserem Vater-
lande, noch ein mittelbarer Einfluss durch neue Synodalgesetze
bekannt. Er starb am 13. Jänner 9*75. 2)
2.1hm folgte der heilige Wiligisis. (975— 1011 f 23. Febr.)
Aus niedrigem Stande entsprossen 3) war er in Folge seiner aus-
gezeichneten Eigenschaften zuerst Domherr zu Hildesheim und
von da oberster Kanzler des Kaisers Otto IL geworden. Seine
grossen Verdienste um Kaiser und Reich machten ihn zum Nach-
folger Ruodberts. 4) Als Erzbischof nahm er durch ein ganzes
Menschenalter den grössten Einfluss auf die Geschicke Europas.
Er blieb Ottos IL treuer Rathgeber bis zu dessen Tode. (983.) Er
überwachte die Jugend Ottos IIL, er verwaltete bis zu dessen Mün-
digkeit die Regierung des Reiches, er geleitete den jungen Kaiser
zur Krönung nach Rom und führte (996) in der Person des kai-
serlichen Hofkanzlers Bruno, des tauglichsten und tüchtigsten
Mannes jener Zeit, den ersten deutschen Papst Gregor V. auf
den Stuhl Petri. Er war es auch, der nach Ottos IIL Tode die
Kaiserkrone auf das Haupt Heinrichs IL brachte. Aber auch sein
kirchliches Amt verwaltete er mit Eifer und Einsicht. Namentlich
überwachte er aufs Strengste das kirchliche Leben und führte pflicht-
vergessene Priester mit unerbittlichem Ernste und ohne Ansehen
der Person zu ihrer Pflicht zurück. Dabei leuchtete er Allen
durch sein Beispiel voran. Die Kirche verehrte ihn alsbald seiner
seltenen Tugenden wegen als einen Heiligen. 5)
») Vgl. S. 69.
2) Euler: Erzb. Willigis von Mainz, Programm von Schulpforta 1860.
3) Spätere Biographen machen ihn zum Sohne eines Wagners und leiten von
diesem Umstände das Mainzer Wappen (ein Rad) her. Wappen ent-
standen aber erst in Folge der Kreuzzüge. Obendrein scheint das Mainzer
Wappen ursprünglich ein Kreuz mit Heiligenschein gewesen zu sein.
4) Papst Benedict VII. stellte ihm die Bestätigungsurkunde bereits im März
975 aus. (Euler^S. 19.)
5) Euler 1. c. weist alle diese Züge des grossen Mannes urkundlich nach. Vgl.
auch Hirschel: Gesch. der Stadt und des Bisthums Mainz S. 35 etc.— und
Latomi catalogus archiepiscop orum Mogunt. bei Menken script. rer. germ.
III. 477 etc.
163
Dieser ausgezeichnetste unter den Erzbischöfen von Mainz
weihte uns im J. 983 den h. Adalbert zum Bischöfe und bewirkte
in den Jahren 992 und 995 auf die Bitte unserer Vorältern die
Heimkehr des h. Oberhirten aus Rom. *) Im J. 998 consecrirte
er in der Person des frommen Thiddag einen neuen Bischof für
unser Vaterland. 2)
Aus seiner Zeit sind uns eine Menge theils Reichsconcile
theils Provinzial-Synoden bekannt, denen er an der Spitze seiner
Suffraganen beiwohnte. Hieher gehören die Provinzialsynode zu
Mainz am 28. April 976 3), der Convent zu Truttmann (977), die
Synode zu Ingelheim (979), der Convent zu Andernach (987),
die Synoden zu Halberstadt (991), zu Gaudersheim (995) und
neuerdings zu Gaudersheim (1000), zu Poelde am Harz und zu
Frankfiirt (1001), zu Arneburg und zu Truttmann (1005), zu
Frankfurt (1006 und 1007), zu Poelde (1007) und zu Werla (1008). 4)
Von hervorragender Wichtigkeit — auch für unser Vaterland —
war aber insbesondere die in Gegenwart des Kaisers Heinrich IL
abgehaltene Synode zu Arneburg im J. 1005. Daselbst wur-
den nämlich drei wichtige Synodalgesetze beschlossen: Ehe-
schliessungen in verbotenen Graden und Zeiten sollten streng-
stens gehindert, der Verkauf christlicher Sklaven an heid-
nische Herren völlig eingestellt und weltliche Grosse, welche der
öffentlichen Gerechtigkeit Hohn sprechen, mit der kirchlichen Ex-
communication bestraft werden. 5) Nicht minder belangreich war
auch die in demselben Jahre abgehaltene Synode zu Truttmann,
wo das kirchliche Fastengebot in Betreff der Vigilienfaste für ganz
Deutschland (und somit auch für Böhmen) dahin bestimmt wurde,
dass an den Vortagen der Feste des h. Johannes des Täufers, der
hh. Apostel Petrus urd Paulus, des h. Laurentius und Allerheiligen
bei blossem Brod, Salz und Wasser zu fasten sei; in den
l) Vgl. §. 17 n. 4 & 6.
3) Vgl. §. 18. n. 2.
3) Guden cod. diplom. I. cit. bei Euler p. 32 etc. Hier wurden genaue Sta-
tuten der Aschaffenburger Stiftsschule festgestellt.
4) Schannat: Concilia Germaniae tom. II. p. 658, 659, 668, 669, 674, tom. III.
p. 18, 21, 22, 27, 31, 33, 36, 38, 40.
5j Ebendaselbst II. p. 27. cit. Eckhart tom. I. scriptorum, Chronogr. Saxo
pag. 404., Dietmari Chronicon.
ii*
164
Vigilien der Himmelfahrt Mariens aber und der übrigen Apostel-
feste nach Art der üblichen vierzigtägigen Faste. In letzterer Art sollten
hinfort auch die Quatemberf asten gehalten werden. Uiberdiess
sollte auch der Freitag vor Weihnachten ein strenger Fasttag
bei blossem Brod, Salz und Wasser sein. ]) Nebstbei bestand wohl
damals in Böhmen noch das frühere regensburger Fasten Statut,
welches noch überdiess den Klerikern an allen Mittwochen und
Freitagen des ganzen Jahres die Enthaltung vom Weine gebot, —
nur mit Ausnahme der Zeit von Ostern bis Pfingsten, und von
Weihnachten bis Epiphaniä, ferner der Festtage der seligsten
Jungfrau, der hh. Apostel, der heiligen Michael, Johannes und
Martin. Zu andern Zeiten sollte einzig nur zu Gunsten der Kran-
ken, Reisenden, im Kriege Befindlichen und etwaiger Gäste eine
Dispens eintreten. 2)
3. Dem heiligen Wiligisis folgte der vormalige Abt von
Fulda, Erkenbold in der Metropolitanwürde nach. (1011 — 1021.)
Dieser erwarb sich den besondern Ruhm eines eifrigen Verfechters
der kirchlichen Ehegesetze. 3) Er weihte im J. 1017 für unser
Vaterland einen neuen Bischof in der Person des ehemaligen
naumburger Propstes Ekhard. 4) Er betheiligte sich an der Spitze
seiner Suffraganen an den Synoden zu Bamberg und Koblenz (1012),
zu Mainz (1012 und 1018) und zu Frieslar (1020). Insoweit die
dort gefassten Beschlüsse uns noch bekannt sind 5) , hatten sie für
Böhmen keine besondere Bedeutung.
4. Der Erzbischof Ar ib o (1021 — f 6. April 1031) war ebenso
berühmt wegen seiner persönlichen Frömmigkeit als wegen seines
oberhirtlichen Seeleneifers. 6) Ihm verdankte der böhmische Bischof
Hyzo die bischöfliche Consecration. 7)
Aus seiner Zeit sind uns eine Menge Synoden bekannt, an
denen er sich mit seinen Suffraganen betheiligte. Wir nennen hier
J) Ebendas. III. p. 31. cit. Dietmarus ex edit. Leibnitii tom. I. p. 380. Kran-
zius Saxoniae lib. IV. Cap. 35. —
2) Ebendas. III. p. 692. : Canones concilii Risbachensis a. 799. —
3)Latomi: Catalogus archiepiscoporum Mogunt. bei Menken Scriptores III.
481. — Hirschel Gesch. der Stadt und des Bisth. Mainz S. 39.
4) Vgl. S. 70.
5) Schannat. tom. III. 42, 43, 51, 52.
6) Vgl. Hirschel S. 39.
7) Vgl. S. 72.
165
die Synode zu Gruona (1022), die Provinzialconcilien zu Seli-
genstadt (1022) und zu Höchst (1023), die Reichssynode zu Mainz
(1024), die Synoden zu Frankfurt und Geislar (1027), zu Poelde
und zu Paderborn (1029). ') Von höchster Bedeutung für das kirch-
liche Leben der mainzer Metropolie und somit auch für Böhmen
war die Provinzialsynode zu Seligenstadt am 11. August
1022. Unser damaliger Bischof Ekhard wird zwar unter den
Theilnehmern nicht ausdrücklich genannt: der Umstand aber, dass
derselbe noch am S. Wenzelsfeste dieses Jahres eine Diözesansy-
node in Prag abhielt und überdiess die anerkannte Tragweite eines
jeden Provinzialconcils bürgen für die Annahme der seligenstädter
Beschlüsse in Böhmen. Vor Allem war es wieder das Fasten-
gebot, welches daselbst eine genauere Regelung erfuhr. Neuer-
dings wurde die Abhaltung jener Vi gilienf asten eingeschärft,
welche bereits die Synode zuTruttmann (1005) angeordnet hatte. 3)
Die bisher schwankende Zeit der Quatemberf asten wurde fest
bestimmt. Fortan sollte die erste derselben am ersten Mittwoch
des Monats März beginnen. Die zweite sollte im Monate Juni
gehalten werden, und zwar anfangend am zweiten, dritten oder
vierten Mittwoch desselben, je nachdem der erste Juni entweder
auf einen der ersten Wochentage, oder aber auf Donnerstag, oder
endlich auf einen der beiden letzten Wochentage fallen möchte.
Nur in dem Falle, als dann etwa die Vigilie des Pfingstfestes zu-
gleich ein Quatemberfasttag werden müsste, sollte die Quatember-
faste in die folgende Pfingstwoche verlegt werden. Die dritte Qua-
temberfaste sollte in die dritte Woche im September verlegt wer-
den, wenn der erste September auf einen der ersten Tage der
Woche (bis Mittwoch) treffen würde, in jedem andern Falle aber
erst in die vierte Woche des Monats. Endlich sollte die vierte
Quatemberfaste unmittelbar in der Woche vor der Weihnachtsvi-
gilie gehalten werden.3) Unter Einem wurden auch die verbo-
tenen Zeiten für Eheschliessungen festgesetzt, und zwar wurden
als solche die Zeit des Advents bis zur Oktav der Erscheinung
des Herrn, die Zeit von Septuagesima bis Ostern, die Fasttage
1) Schannat III. 55 etc.
2) Statuta syn. Seligenst. bei Schannat III. p. 55 etc. Artic. 1.
3) Statuta syn. Seligenst. Art. 2.
166
vor dem Feste des h. Johann, sowie die kirchlichen Fasttage über-
haupt und die Nächte vor hohen Festtagen bezeichnet. !) Den
Priestern wurde unter Andern eingeschärft, des Tages nicht
mehr, als drei heilige Messen zu lesen.8) Die Kirchenbusse
einer besondern vierzigtägigen Faste bei Wasser und Brod (carina)
sollte von den Beichtvätern nicht in kleinere Fasten vertheilt und
auch nicht gestattet werden, dass der Büsser innerhalb einer der-
artigen Busszeit seinen Aufenthaltsort wechsle, oder gar zur Um-
gehung der heimatlichen Busse einfach nach Kom pilgere, um
dort die päpstliche Absolution zu suchen. Letzteres sollte nur
nach Verrichtung der heimatlichen Busse und dann auch nur mit
einem Geleitschreiben des Bischofs geschehen. 3) Die Kirchenbusse
einer zeitweiligen Ausschliessung vom Gottesdienste sollte nicht
ohne besondere Erlaubniss des Bischofs wieder behoben werden. 4)
Die herkömmliche Sitte des Gottesgerichtes sollte auch fer-
nerhin in sonst unlösbaren ehe gerichtlichen Klagfällen beibehalten
werden. 5) — Diese Verordnungen werfen ein interessantes Licht
auf das damalige kirchliche Leben auch in unserem
Vaterlande.
5. Dem eifrigen Aribo folgt der heilige Bardo nach, der
ehemalige Abt zu Werden und zu Heresfeld (1031 — 1051). Dieser
erwarb sich ausser dem Rufe seiner Heiligkeit noch den Ehren-
namen des Chrysostomus seiner Zeit. 6) Er weihte unserem Va-
terlande den ausgezeichneten Bischof Severus. Leider sah er sich
später auch genöthigt, allen Ernstes den Separations-Bestrebungen
des böhmischen Herzogs Bretislaw I. entgegenzutreten und be
dieser Gelegenheit den allzu nachgiebigen Bischof empfindlich zu-
rechtzuweisen. 7) Er hielt im J. 1041 mit seinen Suffraganen eine
Synode zu Münster, an welcher unser Bischof Severus wegen
der damaligen traurigen Kämpfe seines Landesfürsten nicht theil-
!) Ebendas. Art. 3 & 11.
3) Ebendas. Art. 5.
») Ebendas. Art. 16. 17. 18.
4) Ebend. art. 19.
5) Ebend. Art. 7. 13.
6) Latomi Catalogus und Hirschel 1. c. —
7) Vgl. S. 79 etc.
167
nahm. Ohne Zweifel wurden eben hier die gegen Severus einzu-
haltenden Massregeln berathen. Näheres ist uns jedoch nicht be-
kannt. ') Im J. 1049 betheiligte sich Bardo mit mehreren seiner
Suffragane an dem unter dem Vorsitze des Papstes Leo IX. er-
öffneten Concile zu Mainz, wo eben Bardo selbst und sofort der
jeweilige Metropolit von Mainz zum apostolischen Legaten erklärt
und mehrere Gesetze zum Besten der Kirche, insbesondere gegen
die noch häufig auftauchenden Gebrechen der Priest er ehe und
der Simonie verkündigt wurden. 2)
6. Erzbischof Leopold (1051 — 1059), vordem Propst von
Bamberg, wohnte im J. 1053 einer ebenfalls von Papst Leo IX.
zu Worms versammelten Synode bei. Ebenso betheiligte er sich
noch in demselben Jahre an der Pieichssynode zu Bamberg und im
J. 1054 an der Erwählung des Papstes Victor IL zu Mainz. 3) Für
unser Böhmen wird uns aus seiner Wirkungszeit etwas Belangrei-
ches nicht berichtet. Die bewegteren Ereignisse im Leben seines
Nachfolgers Siegfried (1060 — 1084) gehören bereits der nächsten
Periode an.
§. 42. Die Diözesansynoden dieser Zeit.
1. Die Diözesansynode war von jeher die eigentliche Lehr-
und Zuchtschule des Bischofs, der wesentlich kirchliche Akt, wo
der Oberhirt in Mitten seiner Priester nach vorhergegangener Be-
rathung die ihm von Gott gegebene Gesetzgebungs- und Regie-
rungsgewalt feierlich ausübte. 4)
Nach den alten kirchlichen Vorschriften sollte der Bischof
zu diesem Zwecke einmal im Jahre seine Geistlichkeit um sich
versammeln. 5) In unserer Periode hatte er ausser seinem eigenen
l) Schannat III. 110.
8) Schannat III. 112.
3) Ebendas. III. 119. 124.
4) Fessler: Provincialconcil, S. 16, cit. Binterim pragm. Geschichte der deu-
tschen Concile, Philipps Diözesansynode.
5j Nachweisbar galt dies schon im 3. Jahrhunderte als allgemeiner Brauch,
seit dem 6. Jahrhunderte aber bereits als bestimmtes Gesetz. Vgl. Fess-
ler S. 42 etc.
168
Domcapitel noch die Vertreter der Collegiatcapitel, die Vorsteher
der Ordenshäuser und die Seelsorgspriester der ganzen Diözese zu
berufen. In der Versammlung musste ihm Rechenschaft abgelegt
werden über die Führung des geistlichen Lehr- und Hirtenamtes;
hier wurden die Beschlüsse der allgemeinen Concilien und der
Provinzialsynoden zur Darnachachtung verkündet; hier wurden die
besonderen Anordnungen zum Heile der Diözese erlassen; hier
wurde endlich, wo es Noth that, offenes Gericht über die durch
kirchliche Gesetze verpönten Vergehungen der Kleriker und Laien
abgehalten. *) Insbesondere mussten die eigens erwählten und be-
eideten Synodalzeugen aus dem Laienstande dabei aussagen, was
von den Laien in jedem Jahre öffentlich gegen Gott und die
christliche Religion geschehen war und wessen etwa die allgemeine
Meinung den Einzelnen beschuldigte. In Folge dessen wurde der
Angeklagte vorgeladen, sich zu vertheidigen, die Kirchenbusse zu
leisten oder er verfiel den Strafen nach Gewohnheit des Landes. 2)
Die entscheidende Stimme in der Synode stand allein dem Bischöfe
zu; doch hörte er zuvor in den sogenannten Congregationen die
Meinungen, Auskünfte, Bitten und Wünsche seiner Geistlichkeit.
Die Entscheidungen erfolgten in feierlichen Sessionen unter Zu-
lassung des Volkes. Die Dauer einer solchen Synode erstreckte
sich in der Regel nicht über 3 oder 4 Tage.3)
2. In unserem Vaterlande wurden solche Diözesansynoden der
kirchlichen Ordnung gemäss ohne allen Zweifel schon seit der Er-
richtung des prager Bisthums regelmässig abgehalten. Wenn wir
aus der Sitte des zwölften Jahrhunderts einen giltigen Rückschluss
auf unsere älteste Periode uns erlauben dürfen, so fand die Ver-
sammlung immer am Feste des heiligen Wenzel in Prag selbst
statt, und es nahmen daran auch alle Edlen des Landes berathen-
den Antheil. 4) Eine ausdrückliche Erwähnung der regelmässigen
Abhaltung dieser kirchlichen Versammlungen finden wir, bei der
Mangelhaftigkeit der älteren Quellen, nach der Chronik Hajek's
') Fessler 1. c.
8) Höfler Concilia Pragensia p. XVIII.
3j Fessler 1. c. p. 41 etc. p. 59 etc.
4) Contin. Cosmae ad ann. 1134 erzählt es als herkömmliche Sitte, dass
damals am S. Wenzelsfeste „alle Edlen Böhmens, Geistliche sowohl als
Weltliche," in Prag zusammengekommen seien.
169
erst unter unserm vierten Bischöfe Ekhard im Jahre 1023. Der-
selbe soll nämlich die Verordnung erlassen (oder erneuert ?) haben,
„dass jeder Landgeistliche wenigstens einmal im Jahre an einem
festgesetzten Tage sich in Prag einfinden müsse, um da Rechen-
schaft über die ihm anvertraute Heerde abzulegen." ') Unter Ei-
nem sollten die Seelsorger bei dieser Gelegenheit die herkömmli-
chen Rauchgroschen (denarii fumales) an den Bischof abführen,
eine Abgabe, die ihren Namen wahrscheinlich von der Gelegenheit
ihrer Erhebung erhielt, nämlich von dem ehemals üblichen Um-
gange des Seelsorgers am h. Dreikönigsfeste, wo er die Wohnun-
gen der einzelnen Familien unter Gebet, Besprengung mit Weih-
wasser und Beräucherung mit Weihrauch einsegnete und die-
sen Act durch Anschreibung der Anfangsbuchstaben der Namen
der 3 Weisen gleichsam bestätigte.2) — Einer weiteren Diözesan-
synode wird bis in die Mitte des eilften Jahrhunderts nicht aus-
drücklich erwähnt, gewiss nur desshalb, weil solche Versammlun-
gen nichts weniger als etwas Ausserordentliches waren und darum
einer besondern Erwähnung kaum bedurften. Erst dann, wenn ihre
Berathungen massgebend in die öffentlichen Verhältnisse des Lan-
des eingriffen, wie diess späterhin vielfach der Fall war, mussten
unsere alten Chronisten von ihnen nähere Kenntniss nehmen.
3. Wenn auch bis jetzt eine nähere Angabe aller einzelnen
Diözesansynoden der ältesten Zeit und ihrer Beschlüsse kaum mög-
lich ist 3) : so wissen wir doch von den Synodalbeschlüssen über-
haupt grade genug, um das kirchliche Leben der ersten zwei christ-
lichen Jahrhunderte unseres Vaterlandes würdigen zu können. Zu-
nächst scheint unser Vaterland in dieser Zeit von allen häreti-
schen Anfechtungen ganz frei geblieben zu sein; von solchen
findet sich nämlich weder in den damaligen Beschlüssen der
mainzer Provinzialconcile noch in allen einheimischen Anordnungen
eine Spur. Desto mehr hatten unsere Diözesansynoden gegen die
sittlichen Gebrechen unseres Volkes zu streiten und wir
») Hajek ad a. 1023.
3) Noch bis in die Gegenwart herab bestand in sehr vielen Gegenden die
an die Schullehrer übergegangene Sitte des Dreikönigsganges, und die dar-
auf beruhende Abgabe (Coleda) der sogenannten Rauchheller.
8) Höfler hat in der Einleitung seines Werkes: Concilia Pragensia 1862
zuerst einige ausführliche Synodal-Statuta dieser Zeit veröffentlicht.
170
irren nicht, wenn wir eben diese Synoden als das vorzüglichste
Mittel ansehen, durch welches unsere ersten Bischöfe in dieser
Richtung dem Christenthume die volle Geltung erkämpften. Die
diessfälligen Bemühungen Dietmars, des h. Aclalbert, Thiddags und
Ekhards wurden bereits namhaft gemacht. In ihre Zeit fallen
wohl auch die strengen Synodalgesetze ■ ) gegen die U n k e u s c h-
heit im Lande2), gegen die Ehen in nächster Verwandt-
schaft bis zum fünften Grade herab3), gegen die Unmässig-
keit in Essen und Trinken4), gegen alle abergläubischen
Gebräuche und insbesondere gegen heidnische Todtenfeierlich-
keiten. 5) Auch die Ausspendung der heiligen Sakramente wurde
durch solche Synodaldekrete geordnet Die Taufe musste durch
dreimaliges Untertauchen im Taufbrunneu geschehen, und durfte
ausser im Nothfalle nur an den Samstagen vor Ostern und Pfing-
sten verrichtet werden. 6) Die heilige Messe durfte nur nüchtern
und an consecrirten Orten, und nie ohne Alba, Fanon T) und Ca-
sula gefeiert werden; auch sollte jeder Gläubige nur den Gottes-
dienst seines eigenen Seelsorgers besuchen, und an den 3 höchsten
Festen des Jahres das h. Sakrament der Busse empfangen. 8) Die
heilige Communion wurde unter der Formel: Corpus et sanguis
Domini nostri Jesu Christi proficiat tibi in vitam ceternam" ge-
spendet, und es wurde hiebei die in den consecrirten Kelch ge-
tauchte heilige Hostie gereicht. Jeder Gläubige sollte die h.
Communion dreimal im Jahre — zu Weihnachten, Ostern und
Pfingsten — empfangen. 9)
') Bei Höfler, Einl. zu Concilia Pragensia.
3) Auf diessfällige Sünden waren Kirche nbussen von 3 Tagen bis zu 15
Jahren gesetzt. (Ebend. p. IX.)
3) Die Ehe eines Weibes mit zwei Brüdern und eines Mannes mit 2 Schwe
stern wurde mit lebenslänglicher Excommunication bestraft. (Ebend. VIII.
vgl. XIV.)
4) Hieher gehörten auch die Verbote gewisser Speisen: des Blutes, der er .
stickten oder gefallenen Thiere, der durch solche verunreinigten Flu ssig-
keiten und a. (Ebend. XL)
5} Ebend. XVI. & XVII.
6) Ebend. XIII. & XV.
7) Fanon ist ein damals üblicher Name für den Manipel. Vgl. Wetzer &
Weite Kirchenlex. VI. 215.
8j Höfler Conc. XIV. XV.
9) Ebend. IX. Diese Sitte wurde im 12. Jahrhunderte im ganzen Abendlande
171
4. Als öffentliche kirchliche Feste waren angeordnet: Das
Weihnachtsfest, die Feste S. Stephan, S. Johann Evangelist, Un-
schuldige Kinder, Oktav der Geburt Christi, Erscheinung des Herrn,
Maria Reinigung, der heilige Samstag, Ostern, die 3 Bitttage, Christi
Himmelfahrt, Pfingsten, Johann der Täufer, die .12 Aposteltage,
Maria Himmelfahrt, S. Michael und das Kirchweihfest des Ortes. l )
Die kirchliche Faste wurde strengstens eingeschärft, und zwar
ebensowohl die vierzigtägige, als alle übrigen kirchlichen Fasttage s),
welche die Provinzialsynode von Seligenstadt angeordnet hatte. In
diesem Stücke zeigt sich sogar in jener Zeit ein besonderer Eifer,
der die kirchlichen Anordnungen in seiner Art noch verschärfte. 3)
Insbesondere geschah diess bezüglich der vierzigtägigen Faste. So
wohnte Spytihnew IL die ganze Fastenzeit hindurch im prager Ca-
pitelhause oder im Kloster zu Bfewnow. Mit geistlichen Kleidern
angethan sang er hier täglich vor der Frühmesse die üblichen
Psalmen mit ausgebreiteten Händen oder knieend. Nüchtern bis
zur Mittagszeit befasste er sich ausschliesslich mit geistlichen
Dingen, erst nach der massigen Mahlzeit durfte man ihm mit welt-
lichen Geschäften nahen. Von der ersten Abendstunde bis zur
ersten Morgenstunde hielt er strenges Stillschweigen und kürzte
selbst die nächtliche Ruhe mit Wachen und Gebet. 4) Wie die
Sitte der nächsten Zeit zeigen wird, stand ein derartiges Beispiel
durchaus nicht vereinzelt da. — Die Geistlichkeit wurde zum
allgemein und bildete gleichsam den Übergang zur allgemeinen Annahme
der Communion unter Einer Gestalt im 13. Jahrhunderte. Letztere war
stets dogmatisch zulässig, jedoch in den ersten Jahrhunderten nur aus-
nahmsweise (bei Kindern, Kranken, Verfolgten, Reisenden, Einsiedlern)
üblich. Alsbald aber arbeiteten fromme Scheu, locale Armuth und gegen-
seitige Furcht (insbesondere in Pestzeiten) gleichmässig an der Ausdeh-
nung dieser Art zu communiciren, die alsbald gegen Irrlehrer in Schutz
genommen werden musste und so endlich zur Regel wurde.
») Ebend. XHI.
3) Als Busse für einen gebrochenen Fasttag war ein 40tägiges Fasten bei
Wasser und Brod, und als Busse für die Verachtung der vierzigtägigen
Faste ein Jahr Kirchenbusse angeordnet. (Ebend. XII.)
3) Das Fasten an Sonntagen musste sogar besonders verboten und mit einer
einwöchentlichen Kirchenbusse belegt werden. (Ebend. XII.)
4) Vgl. Tomek. G. Pr. 106.
172
strengsten kirchlichen Leben und zur gewissenhaften Persolvirung
des Breviergebets (auch in den betreffenden Nachtstunden) ange-
wiesen.1)— Noch sei einiger eigentümlicher Gebote jener Zeit ge-
dacht. Streng verboten war der Genuss aller unreinen Speisen.
Unrein war Alles, was mit unkeuschen Gegenständen, mit Blut
und Excrementen von Menschen und Thieren und mit Abgestor-
benen in Berührung gekommen war, auch Alles, was von wilden
Thieren und Hunden gebissen und zerrissen worden war, ebenso
alles Erstickte. — Jeder Gläubige musste verhalten werden, das
Gebet des Herrn und das apostolische Glaubensbekenntniss sowohl
in der Mutter- als in der lateinischen Sprache zu erlernen. —
Jeder Priester sollte einen Kleriker oder Scholaren bei sich ha-
ben, der die Episteln und Lectionen lese, bei der Messe respon-
dire und mit ihm die Psalmen singe. — Die Functionen bei Tau-
fen und Leichen sollten unentgeltlich sein. — Das Weihwasser
sollte alle Sonntage erneut werden. — Den Katechumenen sollte
zur österlichen Zeit statt der Communion nur Salz und Wasser
gereicht werden.3)
5. Alle Uiber tretungen mussten durch lange Kirchen-
bussen gesühnt werden, die oft nur für eine einzige Sünde bis zu
15 Jahren und selbst auf Lebenszeit sich erstreckte. 3) Die gänz-
liche oder theilweise Lossprechung von diesen Kirchenbu^en, die
zugleich die wirkliche Sühnung der noch erübrigenden zeitlichen
Strafen in sich schloss — der kirchliche Ablass — wurde
nur den Confessis et communicaüs 4) (denen, die gebeichtet und
kommunizirt hatten) gegen anderweitige bestimmte Busswerke er-
theilt, — und zwar in dieser Zeit zumeist nur in Rom selbst,
wohin der Büsser mit einem Geleitschreiben des Bischofs pilgern
musste. 5) Als höchste Strafe wurde die Exe o m munication
verhängt. 6) Bei den kirchlichen Untersuchungen dieser Zeit be-
») Höfler conc. Prag. XI— XV. N
2) Ebend. XI— XV.
3) Siehe die obigen Koten.
4) So lautet der Eingang aller Ablassdecrete.
5) Erben regest, p. 55 enthalten ein solches Geleitschreiben des Bischofs
Severus.
6) S. die Statuten des Severus.
173
gegnen wir noch vielfach den Gottesgerichten.1) Die kirch-
lichen Anordnungen dieser Zeit schliessen in würdiger Weise mit
den bereits erwähnten Statuten des Bischofs Severus ab.2)
§. 43. Die Schalen.
Mit der Einführung des Christenthums musste nothwendig
auch das Institut der christlichen Schule unserem Vaterlande zu
Theile werden. Von jeher hat die katholische Kirche den ihr ge-
wordenen Auftrag ihres Stifters im weitesten Sinne erfasst und be-
folgt: sie ward die Lehrerin der Welt, nicht bloss in Sachen
des Heiles, sondern auch im irdischen Wissen. Als unser Vater-
land seine Kinder der h. Kirche zuführte, war es anderwärts be-
reits allgemeine Sitte, dass die Priester in Flecken und Dörfern
für die kleinen Kinder der Gläubigen. Schule hielten, ohne Bezah-
lung dafür zu nehmen. 3) Ja dieselben hielten sich bereits an vie-
len Orten geistliche oder weltliche Lehrgehülfen, welchen sie eine
anständige Versorgung im geistlichen Hause verabreichten, — ge-
wöhnlich dieselben Männer, welche bereits den kirchlichen Dienst
des Messners und Organisten versahen.
Es kann uns demnach nicht befremden, alsbald ausdrückliche
Erwähnungen von blühenden Schulen bei den wichtigeren Gottes-
häusern unseres Vaterlandes zu finden. Eine solche Schule treffen
wir noch vor Errichtung des Bisthums bei der Kirche am Tein,
im Schlosse zu Tetin, zu Budeö und in den vorzüglichen Orten
des Landes.4) Alle dieselben übertraf damals an Bedeutung die
l) Ebendaselbst.
■) S. §. 19.
3) Verordnung des Bischofs Theodulf von Orleans vom J. 885. Verordnung
der Synode von Mainz vom J. 813. Verordnung des Königs Pipin v. J.
762. — Verordnungen Karls des Grossen etc. Die diessfälligen könig-
lichen Verordnungen (capitularia) waren nur Veröffentlichungen der ge-
legenheitlich der jährlichen Reichstage von den eben versammelten Bi-
schöfen gefassten Synodalbeschlüsse. — Vgl. meinen Aufsatz über die
christl. Volksschule im Jahrbuche für Eltern und Erzieher 1855. S. 56—79.
4) Raphael Ungar: Gedanken von dem Zustande der Schulen und der lat.
Literatur in Böhmen vor Errichtung der hohen Schule in Prag. S. 33 & 42.
174
Schule in Budeö, welche Spytihnöw I. zugleich mit der dortigen
Kirche errichtet hatte und wo der h. Wenzel von seinem Lehrer
Unego eine Bildung in der lateinischen und slawischen Literatur
„gleich einem Priester" empfangen konnte. *) Auch noch in späterer
Zeit behauptete diese Schule einen hohen Ruhm und das böhmische
Volk war hochherzig genug, im Jahre 1017 den durch hohe Ge-
lehrsamkeit berühmten geistlichen Lehrer Horso von Budec für die
„bischöfliche Würde zu empfehlen. 2) Es unterliegt kaum einem
Zweifel, dass gleichzeitig mit Budec auch Leitmeritz, Melnik, Bilin,
Saaz, Tetschen und andere alte Zupensitze im Umkreise der jetzi-
gen Diözese von Leitmeritz ähnliche Schulen erhielten. Viele der-
selben gingen in ihren Bemühungen ebenso wie die zu Budec weit
über die ersten Anfangsgründe des Wissens hinaus.
2. Die Stiftung des Bisthums in Prag nöthigte zur Erweite-
rung des Schulwesens. Nach den Capitularen Karls des Grossen,
die durch die herrschende Metropolitanverfassung nachgehends auch
Böhmen berührten, „mussten in jedem Bisthume (und in jedem
Kloster) Schulen errichtet werden, in welchen die Söhne der Freien
sowohl als der Leibeigenen die Sprachlehre, Ton- und Rechenkunst
erlernen sollten." 3) Auch musste ja dem Bischöfe viel daran ge-
legen sein, eine wissenschaftlich gebildete Klerisei unter seiner ei-
genen Aufsicht heranbilden zu lassen. Der heilige Chrodegang von
Metz hatte seine derartige Domschule dem von ihm ins Leben
gerufenen Domcapitel, beziehungsweise dem Canonicus Scholasticus
anvertraut. Seinem Beispiele folgten alle Bischöfe, — auch bereits
der erste Bischof von Prag. Die am prager Capitel zu allen Zei-
ten bestandene Würde des Scholasticus und die öftere ausdrück-
liche Erwähnung der dort befindlichen Schülerschaft ist eine genü-
gende Bürgschaft dafür. 4) In ähnlicher Weise entstanden sofort
ähnliche Schulen auch bei den Collegiatcapiteln des Landes, zu-
nächst in Altbunzlau, Leitmeritz, Melnik und am Wysehrad. Da
das prager Bisthum zur mainzer Metropolie gehörte, so ist wohl
1) Vgl. S. 47 und 48. Faust. Prochaska: de lib. art. in Boh. fatis 50 etc.
2) Hajek ad a. 1018.
3) Cap. v. 788 bei Ungar 1. c. p. 31 u. 32.
4) Vgl. Cosmas ad a. 1074. Cont. Cosmae ad a. 1248. Neplacho in Dobn.
monum. IV. p. 111. etc.
175
anzunehmen, dass auch in den böhmischen Domschulen die vom
Erzbischofe Wilegisis im J. 976 zu Mainz eingeführte Schulordnung
angenommen wurde.1) Nach dieser wohnten die „canonischen
Schüler" ohne Ausnahme im Hause des Scholasticus, der an seiner
Seite noch einen Hülfslehrer (secundarius) und einen Schaffner ha-
ben sollte. Diese Schüler wurden von eigens dazu bestimmten Prä-
benden mit Kost und Kleidung versehen und leisteten dafür ent-
sprechende Dienste beim kirchlichen Gesänge. Ohne Erlaubniss
des Scholasticus durfte kein Schüler „unterrichtet und bestraft wer-
den." Ausser den „canonischen Schülern" konnten immerhin auch
Externisten dem Unterrichte beiwohnen. Der Scholasticus sollte
in der Würde der nächste nach dem Dechant des Capitels und
nöthigen Falls dessen Stellvertreter sein. Fremde Kleriker, die als
Reisende die Stadt besuchten, sollten unter seiner Jurisdiction
stehen. Zu seiner weitern Ausbildung durfte er allein sogar drei
und mehrere Jahre lang vom Capitel ferne sein. 2) Selbstver-
ständlich erstreckte sich der Unterricht über Alles, was dem Kle-
riker und künftigen Priester zu wissen unentbehrlich war.
3. Mit den Benedi ctinermönchen mussten nothwendig auch
ihre Schulen nach Böhmen verpflanzt werden, und in ihren neuen
Klöstern konnten sie nicht allzulange zurückbleiben hinter dem Lobe,
das schon der unbekannte Biograph des Paderborner Bischofs
Meinwerk, ein Schriftsteller des 11. Jahrhunderts den Schulen ihrer
Klöster in Deutschland spendete. Dieser schreibt nämlich zunächst
von ihrer Schule zu Paderborn : „Es blühten da Uibungen in vielen
Arten der Wissenschaften und gutgeartete Knaben und Jünglinge
wurden nach einer regelmässigen Lehrart unermüdet unterrichtet.
Es gab da Tonkünstler, es zeichneten sich Dialektiker aus, Lehrer
der Redekunst und vortreffliche Grammatiker. Die Lehrer der freien
Künste bearbeiteten das Trivium (Grammatik, Rhetorik, Dialektik) ;
auch widmeten sie ihren ganzen Fleiss dem Quadrivium (Rechen-
kunst, Geometrie, Tonkunst, Sternkunde). Horaz war da im Schwünge
und der grosse Virgil, Crispus Salustius und der feine Statius.
l) Diese Schulordnung wurde auf einer Provinzialsynode zu Mainz am 28.
April 976 beschlossen.
3) Ungar 1. c. p. 24—28.
176
In der Schrift aber und in der Malerei (der Bücher) spricht ihrem
Fleisse die Erfahrung vielfältiges Lob." ]) Dass übrigens die böh-
mischen Klöster des Ordens solche Schulen wirklich ebenfalls be-
sassen, dafür bürgt ausser ihrer Regel auch noch die nachfolgeude
Geschichte. Ihrem Beispiele folgten alsbald alle andern Ordens-
vereine, die nach ihnen in unser Vaterland kamen. Während die
eifrigen Mönche die männliche Jugend zur Wissenschaft leiteten,
thaten auch die frommen Klosterfrauen ihr Möglichstes für eine
erspriessliche Erziehung der Jungfrauen zumal aus den edleren
Geschlechtern des Landes.
4. Obgleich das Institut der Schule in unserem Vaterlande
unter der sorgsamen Pflege der Kirche schon in dieser Zeit be-
stens gedieh: so drängte doch der edle Wissensdurst so manchen
einheimischen Jüngling in die Fremde, um dort zu den Füssen
weltberühmter Lehrer eine noch tiefere Weisheit zu lernen. Schon
der h. Adalbert weilte zu diesem Zwecke in seiner Jugend zu Mag-
deburg. Seinem Beispiele folgten alsbald die Söhne des herzog-
lichen Hauses und der besten Familien des Landes. Eben am
Schlüsse der von uns geschilderten Zeit treffen wir den Prinzen
Jaromir mit seinem Jugendfreunde, unserem ältesten Chronisten
Cosmas, als Schüler an der berühmten Schule zu Lüttich. 3) Die
Gelehrsamkeit stand bereits hoch in Ehren. Bereits erschwang sich
nur derjenige, welcher unter Allen der Gebildetste war, zu den
höchsten Aemtern in der Kirche und im Staate.
1) Ebendaselbst S. 43.
2) Cosmas ad a. 1055, 1061, 1125. Illustr. Chronik von Böhmen I. 11.
ZWEITE PERIODE.
Die Blütfhezeit der botanischen Kirche.
I. Zeitraum.
Die Theilnahme des christlichen Böhmens an der kirchlichen Refor-
mation. 1068—1200.
§. 44. Der Geist der neuen Zeit.
1. Wir treten in einen neuen Zeitraum ein. Die Einführung
der christlichen Lehre im Lande und im Leben der Böhmen ist
bis auf wenige Uiberreste des alten Aberglaubens, die alsbald auch
noch verschwinden, völlig vollendet. Unser Vaterland steht nun
ebenbürtig unter den zahlreichen Gliedern des christlichen Staaten-
kreises. Nothwendig wird es desshalb von der grossen Bewegung
miterfasst, die eben damals mit wunderbarer Kraft alle Theile der
christlichen Welt ergriff: es war diess eine Bewegung zum Bessern,
zum Idealen.
Die Kirche Christi trauerte seit einiger Zeit tief über den
unkirchlichen Geist ihrer Diener. Das Kaufen geistlicher Pfründen
um Geld und Geldeswerth (Simonie) und ein gänzliches Hintan-
setzen des priesterlichen Cölibats waren die grossen Uibel, die
damals die Mehrzahl des Klerus befleckten. Es war so geworden
in Folge der eigenthümlichen Verhältnisse früherer Zeit und des
argen Missbrauchs, der sich derselben bemächtigt hatte. Die Do-
tation geistlicher Aemter mit Grundbesitz hatte die Geistlichen
fast durchgängig zu Lehensträgern weltlicher Herren gemacht, und
diese hatten eben desshalb die Einführung jener ins geistliche Amt
12
178
sich angeeignet. (Investitur.) Das war besonders in einer Zeit ge-
schehen, da die päpstliche Gewalt zum Spielballe sich bekämpfender
Parteien erniedrigt wenig nach Aussen zu wirken vermochte. Seit-
dem aber gelangten nicht selten die Untauglichsten und Unwür-
digsten, sogar Leute ohne alle geistliche Bildung zu den hohen und
höchsten geistlichen Ehren, und diess zumeist durch schnöden
Kauf. (Simonie.) Kein Wunder, dass nun selbst Beweibte in die
kirchlichen Aemter sich eindrängten, ohne hiemit nach alter Sitte
dem ehelichen Leben zu entsagen, während andere ganz offen dem
sündhaften Conciibinate huldigten. Kein Wunder, wenn unter sol-
chen Obern die alte kirchliche Zucht und Sitte sowohl im Säcu-
lar- als im Klosterklerus immer weniger Beachtung fand. Kein
Wunder auch, wenn bei dem täglich wachsenden Verderben der
Geistlichkeit auch Bohheit und Laster aller Art in die Heerde der
Gläubigen drangen. Dieses und nur dieses ist das finstere Mittel-
alter, eine Zulassung der Vorsehung, um mitten unter den grössten
menschlichen Gebrechen die Göttlichkeit der katholischen Kirche
desto unwiderleglicher zu bewähren.
2. Erhaben über diesen Gebrechen stand der grösste Mann
jener Zeit, Gregor VII., der Heilige. Zum Nachfolger des h. Pe-
trus bestellt hielt er es für die Aufgabe seines Lebens und seines
Amtes, eine Beformation des Klerus und der gesammten Christen-
heit einzuleiten. ]) Dazu galt es aber vor Allem, jene zwei all-
gewaltigen Bande zu zerreissen, die den Klerus an die Welt, und
die Bischöfe an die Fürsten fesselten, die Priesterehe und die
durch Simonie befleckte weltliche Investitur. Das abgeschlossene
enthaltsame Leben sollte bessere Priester bilden, und die freie ca-
nonische Wahl geeignetere Oberhirten bestellen: diese und jene
sollten dann vereint an der Veredlung der Christenheit arbeiten.
Wo möglich sollte so allmälig das schönste Ideal verwirklicht
werden : nicht mehr die einzelnen Gläubigen bloss, und nicht mehr
bloss die einzelnen Familien, ja auch selbst nicht mehr die ein-
zelnen Staaten bloss sollten nach Innen und Aussen christlich sein ;
sondern alle Reiche insgesammt sollten wie liebende Geschwister
in eine grosse christliche Staatenfamilie sich vereinen. Innerhalb
') Epist. Gregorii VII. (I. 27. 28. 30, II. 1.45. III. 15. IV. 28 V. 5. 7. 10. 15.
VII. 10. 23. VIII. 9. IX. 21 etc.
179
dieser sollte Pries terth um und Königthum einig sein und nach
Einem streben, nach dem Frieden der Welt. ]) Zu diesem Zwecke
sollte über diese Familie die h. Kirche als gemeinsame Mutter
Aller herrschen, und alle Glieder, auch Kaiser und Könige sollten
ihrem Gebote als gute Christenkinder Folge leisten. 3) So sollte
damals schon die Verheissung des göttlichen Stifters von einer
Heerde und e i n e m Hirten sich erfüllen. Für wahr, ein hohes Ideal,
würdig, das Zeitalter der Ideale — das helle Mittelalter — zu er-
öffnen. Dem hohen Gedanken Gregors, den auch seine Nachfolger
treu bewahrten, stellte sich erst in Heinrich IV. die rohe Gewalt,
und später in dem grossen Hohenstaufen Friedrich I. ein anderes
Ideal, das einer kaiserlichen Universalmonarchie, entgegen. Da
rieben im langen Streite die entgegenstrebenden Pläne sich auf.
Das aber war der Gewinn der neuen Zeit : die Freiheit der Kirche
war gesichert, die Pieformation war gelungen, die Menschheit hatte
sich für Ideen begeistern gelernt.
3. Die Hülle ist gebrochen: schöner als je entfaltet sich nun
das segensvolle Leben der Kirche. Der christliche Heldensinn de-
müthigt im Osten, Süden und Norden die kirchenfeindlichen Hei-
den und bahnt dem h. Glauben nach allen Seiten hin neue Wege.
Die christliche Frömmigkeit ruft neue Ordensvereine ins jugend-
frische Leben und baut ihnen allerwärts die Stätten eines gottge-
fälligen und weltbeglückenden Wirkens. Die christliche Wohlthä-
tigkeit bietet allen Leidenden und Bedrängten nahe und fern eine
ersehnte Zuflucht. Die christliche Wissenschaft gründet sich in
zahlreichen Universitäten ihre sicheren Asyle. Die christliche
Kunst strebt in wundervollen Domen himmelan. Selbst das gemeine
Leben will durch Genossenschaften aller Art sich veredeln. So wird
die neue Zeit zur Glanzperiode des Mittelalters.
Unser Vaterland folgt Schritt für Schritt dem Geiste der
neuen Zeit, erst widerstrebend, dann freudig und voll Hingebung.
Wir betrachten hier zunächst die Zeit bis über die Mitte des 13.
Jahrhunderts; es ist die Zeit der inneren Reformation unseres
Vaterlandes, der allmälige Uibergang zu seinem goldenen Zeitalter.
l)Epist. I. 24. 60. Vm. 21.
2J Epist I. 19.
12
180
§. 45. Bischof Gebhard (Jaromir).
1. Am 9. Dezember 1067 war der greise Bischof Severus
im Rufe der Heiligkeit aus diesem Leben geschieden. Schon in
den Tagen des Herzogs Bfetislaw war die Nachfolge auf dem bi-
schöflichen Stuhle dem jungen Prinzen Jaromir zugedacht und vom
herzoglichen Vater zugesagt worden. Desshalb hatte dieser die
entsprechendon geistlichen Kenntnisse sich angeeignet, zuletzt an
der damals hochberühmten Schule zu Lüttich, ohne aber eine ent-
schiedene Neigung für den geistlichen Stand gewinnen zu können.
Nach wie vor wollten ihm Waffen, Jagd und Spiel besser gefallen
als Talar und Brevier. So erreichte ihn die Kunde vom frühzei-
tigen Tode seines auf den Vater gefolgten ältesten Bruders Spy-
tihnew IL (f 28. Jan. 1061), und er beeilte sich sofort in die Hei-
mat zu kommen, um bei der in Aussicht stehenden Länderverth ei-
lung statt des anzuhoffenden Bisthums lieber ein Theilfürstenthum
zu gewinnen. Doch fügte er sich dem Zureden des älteren Bruders
und nunmehrigen Herzogs Wratislaw IL und Hess sich nun sogar
zur Versicherung seines Eintritts in den geistlichen Stand die Dia-
konatsweihe ertheilen. Leider aber vergass er diese nur allzubald.
Ueberwältigt von dem alten Hange nach Waffen und Freiheit ent-
floh er mit etlichen Freunden nach Polen und scheute sich sogar
nicht, dort seine abenteuerliche Kriegslust durch Theilnahme an
einem Kriege gegen sein eigenes Vaterland zu befriedigen.1) Da
starb eben der Bischof Severus. Kein Wunder, dass unter solchen
Umständen Klerus und Fürst an nichts weniger, als an die Erhe-
bung Jaromirs auf den Bischofsstuhl dachten. Der Wahllandtag
wurde in Mitten des Heerlagers bei Dobenin (vielleicht Döberle
bei Trautenau) gehalten, wo man eben zum Kampfe gegen die Po-
len versammelt war. Hier rief Wratislaw den Propst Lanzo von
Leitmeritz an seine Seite, allen bekannt als hochgebildet und in
Sitte und Leben würdig der bischöflichen Ehre. , Der Herzog fand
kaum ein Ende des Lobes für diesen ausgezeichneten Priester, und
') Vgl. Palacky I. 298.
181
reichte ihm sodann — die Uebereinstimmung Aller voraussetzend —
eigenhändig Ring und Stab, das erste Beispiel einer bischöflichen
Investitur in Böhmen ohne Intervention des Kaisers. Doch da er-
hoben sich die Freunde Jaromirs: vor Allen der Graf Kojata und
der Zupan Smil von Saaz, und mit ihnen die jüngeren Brüder des
Herzogs, denen Alles an der Gewinnung eines bischöflichen Bun-
desgenossen in der Opposition gegen ihren herzoglichen Bruder
gelegen war. Man mahnte schreiend an die Zusage Bretislaws, ver-
lästerte den Lanzo als Fremdling und rief zu den Waffen. Wirk-
lich Hess sich die Mehrzahl der anwesenden Krieger durch die fa-
natischen Reden der Unzufriedenen hinreissen und zog mit ihnen
in ein festes Lager bei Opocno. Der Bürgerkrieg schien unver-
meidlich. Da gab Wratislaw seinen Entschluss auf, — und Jaromir
bestieg sofort den Bischofsitz unter dem Namen Gebhard. Am 30.
Juni 1068 erhielt derselbe vom Kaiser Heinrich IV. zu Mainz die
Investitur, und am 6. Juli vom mainzer Erzbischofe Siegfried die
priesterliche und darauf die bischöfliche Weihe. ')
2. Es begann eine traurige Zeit für unser Vaterland. Der
nur allzu weltlich gesinnte neue Bischof, in Streit und Feindschaft
erhoben, ward nimmer dem Frieden hold. Ein Dorn im Auge war
ihm schon gleich nach seinem Amtsantritte das neue, von seinem
Vater 1063 errichtete mährische Bisthum zu Olmütz, in welchem
er eben so sehr eine Beschränkung seiner Gewalt als eine Ver-
kürzung seiner Einkünfte erblickte. Er klagte desshalb schon 1068
gegen die herzogliche Kammer und gegen das neue Bisthum beim
h. Stuhle in Rom, und als er von dort statt der gewünschten Hülfe
ernste Ermahnungen erhielt 2), zog er gar mit bewaffnetem Gefolge
nach Olmütz, und vergass sich soweit, seinen bischöflichen Gegner
zu schmähen und körperlich zu misshandeln. Da sandte Herzog Wra-
tislaw an Papst Alexander II. den deutschen Priester Hagen zur
Klage; und als dieser, wohl nicht ohne Wissen des Bischofs, von
Räubern misshandelt und zur Rückkehr genöthigt wurde, schickte
er eine zweite Gesandtschaft mit um so dringlicherer Beschwerde
dahin. Indess hatte auch das Capitel von Olmütz seine Relation
') Cosmas etc. Vgl. Palacky I. 304 etc. Tomek G. P. I. 126.
3) Vgl. Brief Alexanders IL dd. 1071 bei Erben regesta p. 58.
182
über das Vorgefallene nach Rom gesendet. ]) In Folge dessen kam
ein päpstlicher Legat, Namens Rudolph, mit voller Gewalt zu rich-
ten und zu strafen, nach Prag, 2) und dieser sprach auf einer Syn-
ode der geistlichen und weltlichem Grossen des Landes, auf der
aber Gebhard unter Berufung auf seinen Metropoliten zu erschei-
nen sich weigerte, den Kirchenbann gegen den unfriedlichen Bi-
schof aus. 3) Als aber sofort der Klerus des Landes, noch viel
fach in die Bande der Priest er ehe verstrickt, und eben desshalb
ein nach allen Seiten durchgreifendes Einschreiten des päpstlichen
Legaten fürchtend, die Stolen zerriss, die Altäre entblösste und
alle gottesdienstlichen Handlungen einstellte, ward die Strafe in
die blosse Suspension vom bischöflichen Amte und Einstellung der
bischöflichen Einkünfte gemildert. Gebhard floh ins Ausland. Der
Bischof von Olmütz administrirte das prager Bisthum, Herzog
Wratislaw hatte bereits die bischöflichen Besitzungen in Verwahrung
genommen. 4)
Vergebens beklagte sich der mainzer Metropolit Siegfried
über angebliche Umgehung seiner Metropolitanrechte bei dem (am
22. Apr. 1073) neu erwählten Papste Gregor VII. 5) und bedrohte
selbst den Herzog mit dem Banne. Er erlangte durch wiederholte
Klagen nichts Weiteres, als einen ernsten Verweis des für sein hei-
liges Amt begeisterten Vaters der Christenheit. 6) Indess wurden
zwei neue Legaten (Bernhard und Gregor 7) nach Böhmen gesendet,
') Vgl. Palacky I. 306—308. Akten in Erben regesta num. 139 und 140
pag. 58.
2) Nach Palacky I. 308 ist diess der erste päpstliche Legat gewesen, dessen
die böhm. Geschichte erwähnt. Doch sagt späterhin Gregor VII. in einem
Briefe an Herzog Wratislaw (dd. 8. Juli 1073, bei Erben pag. 58) aus-
drücklich: es seien solche Legaten bisher nur selten in jene Gegenden
gesendet worden, so dass einige alldort solche Sendung für etwas neues
halten.
3) Vgl. Palacky I. 308.
4) Tomek Gesch. Prags I. 102. Joh. Marign. in monum. Boh. II. 273.
5) Klage bei Erben reg. p. 60.
6) Schreiben Gregors d. d. 18. März 1074. Erben reg. p. 62. Regesta Gregorii
VII. in Palacky's „üal. Reise*' I. epist. 60.
7) Genannt im Schreiben Gregors an Wratislaw. Erben reg. p. 59.
183
theils zur Anbahnung einer Reformation des Klerus, theils um den
Bischof neuerdings vor ihren Richterstuhl zu rufen oder ihn nach
Rom vorzuladen unter Androhung „des Schwertes des apostoli-
schen Zornes bis zu seiner Vernichtung." ]) Da unterwarf sich
endlich der stolze Gebhard und entschloss sich, beim päpstlichen
Stuhle selbst ein mildes Gericht zu suchen. Zum Zwecke der Reise
wies ihm nun der Herzog auf Verlangen des Papstes die bischöf-
lichen Einkünfte wieder zu*) und Gebhard erschien am 13. April
1074 demüthig vor der in der Salvatorskirche zu Rom versam-
melten Synode. Dort bekannte er seine Schuld, unterzog sich der
auferlegten Busse und kehrte dann ausgesöhnt mit der Kirche in
seine Diöcese zurück. 3j Bischof Gebhard war durch die ernsten
Erfahrungen der ersten Jahre seines bischöflichen Wirkens wenig
gebessert worden. Nach wie vor liebte er den Streit. In Böhmen
begann er alsbald seine vermeintlichen Gegner am Hofe seines her-
zoglichen Bruders zu e.ccommuniciren; in Mähren usurpirte er die
Güter des Bischofs von Olmütz. Neue Klagen von beiden Seiten
zogen ihm noch im J. 1074 neue Zurechtweisungen des Papstes
zu. 4) Erst auf einer zweiten Synode zu Rom (2. März 1075) kam
eine Theilung der in Mähren gelegenen bischöflichen Güter und hie-
durch der Friede zwischen Gebhard und dem olmützer Bischöfe
zu Stande.
§.46. Die Theilnahme am Investiturstreite.
1. Seit längerer Zeit schon hatten eifrige Päpste gegen die
traurigen Gebrechen des Klerus geeiert. So hatte bereits Clemens IL
!) Brief Gregors an Herzog Wratislaw dd. 8. Juli 1073; Regesta pp. Gre-
gorii VII. in Palacky's „ital. Reise" I. epist. 17.
2) Briefe Gregors an Wratislaw und Gebhard, dd. 31. Jan. 1074, Erben
reg. p. 61., — Regest. Gregorii VII. I. epist. 44.
3j Brief Gregors an W. dd. 16. April 1074 meldet diese Aussöhnung und
fordert die volle Restitution in die bischöfl. Einkünfte. Regesta Gregorii
VII. I. epist. 78.
4J Epist Gregorii VII ad Gebhardum, Wratislaum et Joanncm Olomuc. bei
Erben reg. 64 & 65.
184
1047 auf einer Synode zu Eom die Simonie mit schweren Stra-
fen bedroht, war aber bald darauf eine Beute des Todes geworden. *)
Nicht minder hatte Leo IX. (1048—1054) durch persönliche Reisen,
Missionen und Nationalconcilien gegen die Sittenlosigkeit und Si-
monie des Klerus gestritten. 2) Auch Nicolaus IL hatte auf einer
römischen Synode (1059) die schärfsten Verordnungen gegen die-
selben Vergehen erlassen. 3) Zuletzt noch hatte auch Alexander IL
durch eifrige Legaten allerorts eine gründliche Reformation der
Geistlichkeit angestrebt. 4)
2. Seit Leo IX. war es immer ein und derselbe grosse Geist
gewesen, der die Nachfolger Petri zu so ernstem Vorgehen drängte:
der demüthige, fromme, gottbegeisterte Cardinal Hildebrand. Endlich
bestieg dieser selbst im J. 1073 den päpstlichen Stuhl. Nebst dem
guten Willen seiner Vorgänger brachte er die eiserne Kraft mit
in sein hohes Amt. So erneute er schon im J. 1074 die alten
Cölibatsgesetze. Darauf verkündete 1075 eine Synode zu Rom der
ganzen Welt: kein Kleriker könne sofort irgend eine geistliche
Weihe und irgend ein geistliches Amt durch Simonie erlangen;
keiner dürfe längerhin ein so erlangtes Amt fortbehalten; kein
un enthaltsamer Kleriker solle fortan einen Dienst des Altares ver-
walten, und keiner, der nicht die strengste Ehelosigkeit angelobe,
dürfte hinfort zu einem solchen Dienste gelangen; niemand solle
irgend ein geistliches Amt aus der Hand eines Laien (durch In-
vestitur) annehmen, und wer eines so annehme, solle abgesetzt,
und welcher Laie eines ertheile, solle aus der Kirchengemeinschaft
ausgeschlossen werden; das christliche Volk solle keine geistlichen
Functionen von Priestern annehmen, welche diese den Beschlüssen
der heiligsten und ältesten Concilien entsprechenden Verordnungen
übertreten. 5) Strenge Untersuchungen in Nähe und Ferne und un-
nachsichtliche kirchliche Strafen folgten den Verordnungen auf dem
1) Vgl. Alzog Kircheng. S. 442.
2) Vgl. ebend. S. 443; ebenso Voigt's Hildebrand S. 16. (cit. Wibertus vit.
Leonis IL c. 3.)
3) Vgl. Alzog. S. 446. Die Beschlüsse s. in Coleti S. S. Concilia XII. 50.
4) Vgl. Alzog S. 448. Voigt 124 176. 180. Palacky I, 308. Baron, annal. a.
1076., Lanfranc. canon. epist. IV. in Colleti coli. conc. XII. 202.
5J Voigt Hildebrand S. 306, Alzog S. 517. Mansi coli. conc. XX. 403 etc.
185
Fusse nach. So erfolgte der traurige Conflict mit dem deutschen
Könige Heinrich IV.
3. Nie hatte ein Fürst die Simonie in ärgerlicherer Weise be-
trieben, als eben jener durch Sittenlosigkeit , Grausamkeit, Cha-
rakterlosigkeit und unkirchliche Gesinnung so traurig berühmte
Heinrich. Nun drängten ihn die gross entheils von ihm erhobenen,
jetzt aber mit Absetzung bedrohten Bischöfe und Aebte seines
Reiches zum offenen Widerstände gegen den Papst. Als letzterer
im Jänner 1076 wegen fortgesetzter Simonie und Investitur mit kirch-
lichen Strafen drohte, antwortete Heinrich mit der unerhörten Scene
einer Papstentsetzung auf einer Aftersynode zu Worms (24. Jan.
1076). Da folgte die Strafe des Bannes. Mit der Absetzung in
Deutschland bedroht (auf der Fürsten-Versammlung zu Tribur im
Okt. 1076) löste der König wohl diesen Bann durch eine freiwil-
lige Kirchenbusse zu Canossa, verhinderte aber den von den Für-
sten gleichfalls geforderten auf einem deutschen Fürstentage zu
fällenden päpstlichen Schiedsspruch betreffs unzähliger Klagen durch
neue Feindseligkeiten gegen seine vermeintlichen Widersacher. Da
erfolgte seine Absetzung von Seiten der deutschen Fürsten und
die Wahl Rudolphs von Schwaben. (Nov. 1077.) Heinrich und sein
Anhang dagegen eröffneten den Bürgerkrieg in Deutschland, und
als Gregor endlich nach langem Abwarten für Rudolph sich ent-
schied und den Heinrich neuerdings in Bann erklärte, schritten
sie zur Wahl eines Gegenpapstes (Clemens III. 1080) und trugen,
siegreich in Deutschland, ihre Waffen selbst nach Italien. (1081.)
Rom fiel in ihre Hände (1083. 2. Juni). Clemens ward in die h.
Stadt mit Gewalt eingeführt, Heinrich von diesem zum Kaiser ge-
krönt, der h. Gregor starb in der Verbannung zu Salona am 25.
Mai 1085.
4. Noch 37 Jahre dauerte der traurige Kampf. Gregors Nach-
folger traten mit Kraft und Ausdauer für die Verordnungen ihres
grossen Vorfahren ein. Indess erlitt Heinrich IV. die erschütternde
Strafe seines gleichsam vatermörderischen Treibens. Bekämpft, be-
siegt, gefangen, entthront, fast mit Füssen getreten von seinem ei-
genen Sohne Heinrich V. starb er im J. 1106 — unausgesöhnt mit
der Kirche. Heinrich V. erneuerte noch zweimal den unglückse-
ligen Streit mit Rom, sah sich aber endlich im J. 1122 genöthigt,
in einem Concordate zu Worms die freie canonische Wahl zu geist-
18B
liehen Aemtern zu gestatten, und die kaiserliche Investitur auf die
Uiberreichung des Scepters an die Gewählten zu beschränken. Hie-
mit hatte die Idee des h. Gregor gesiegt und war die Möglichkeit
einer Reformation gesichert.
§. 47. Fortsetzung.
1. Unter den Anhängern Heinrichs IV. der mächtigste und
zugleich der treueste war unser Herzog Wratislaw. Vordem wrar
er ein treuer Verehrer des päpstlichen Stuhles gewesen, und war
ebendesshalb 1073 mit dem ungewöhnlichen Ehrenschmucke der
bischöflichen Mitra für sich und seine Erben beschenkt worden. ')
Jetzt aber hatten ihn wahrscheinlich die Vorstellungen eines min-
der kirchlich gesinnten Theiles des Klerus im Lande irre gemacht;
mehr noch zog ihn die eben erhaltene Schenkung Meissens und
der wendischen Ostmark (Lausitz), die er beide erst erobern sollte, zu
Heinrich hin; am meisten drängte ihn das Verlangen, auch noch die
Königskrone und die völlige Unabhängigkeit seines Reiches zu ge-
winnen. 3j Um diesen Preis opferte er die Freundschaft mit Rom.
Auch Bischof Gebhard war in Folge der vorhergegangenen Ereig-
nisse dem Papste Gregor viel zu wenig zugethan, um jetzt nicht
ebenfalls in die Reihe der erbitterten Gegner desselben zu treten.
Uiberdiess hoffte auch er vom Anschluss an den gewaltthätigen
Kaiser einen bedeutenden Gewinn, nämlich die gänzliche Aufhebung
des ihm so sehr verhassten Bisthums in Olmütz. So wurden die
beiden feindseligen Brüder zum erstenmale Freunde; eben dadurch
aber verfiel unser Vaterland zum erstenmale in ein kirchliches
Schisma. Dasselbe erhielt einen geeigneten Ausdruck in der er-
neuten Begünstigung und Wiedereinführung der slawischen (grie-
chisch-slawischen) Liturgie im Kloster Sazawa. Diese hatte
Wratislaw wohl als Prinz schon lieb gewonnen; um so theuerer
waren ihm zur Zeit Spytihnews IL die verbannten slawischen Mönche
als Mitgenossen seines Exils geworden. Desshalb führte er als
Herzog beide nach Böhmen zurück, und bemühte sich gewiss wie-
l) Urkde. dd. 17. Dec. 1073 bei Erben p. 59.
*) Vgl. Palacky I. 312—314.
187
derholt, und zuletzt im Jahre 1079 um ihre Anerkennung von Sei-
ten Roms. Freilich vergeblich, da die Päpste innerhalb ihres noch
unbestrittenen Jurisdictionskreises nicht wohl dieselbe griechische
Liturgie neu einführen lassen konnten, die soeben vor 2 Jahrze-
henden durch den Abfall der gesammten griechischen Kirche
schismatisch geworden war. (1054.) So erklärte sich wohl von selbst
das strenge Verbot Gregors VII. (2. Jäner 1080.) Wratislaw kehrte
sich jetzt nicht mehr daran. Er behielt dem Papste zum Trotze
seine slawischen Mönche , ohne aber ihre Liturgie im Lande
weiter zu verbreiten.
2. Vergeblich waren alle Ermahnungen des Papstes, den Um-
gang mit Excommunicirten zu meiden. ') Wratislaw leistete dem
gebannten Kaiser tapfere Kriegshilfe, erst in Deutschland gegen
die Partei Rudolphs von Schwaben, und von 1081 an auch in Ita-
lien gegen die Freunde Gregors. Böhmische Schaaren unter Wi-
precht von Groitsch betheiligten sich 1082 sogar an der Belagerung
Roms, und halfen die h. Stadt am 2. Juni 1083 gewaltsam erstür-
men, leider nicht, ohne den Vorwurf arger Grausamkeit auf sich
zu laden. Auch weiter noch und bis zur siegreichen Heimkehr
Heinrichs nach Deutschland (1086) hielten die Krieger Wratislaws
in den italienischen Kämpfen tapfer Stand. Dafür nun erlangte
unser Herzog auf einer Fürstensynode zu Mainz (Ende April 1086)
den lang gehofften Lohn, — den Königstitel und die Königskrone.
Letztere setzte auf kaiserlichen Befehl der Erbischof Engelbert von
Trier am 15. Juni desselben Jahres im Dom zu Prag auf Wrati-
slaws Haupt. 2) Auch unser Bischof Gebhard, der ebenfalls die dem
Bisthume eigenen Kriegsleute an die Seite Heinrichs gestellt hatte,
erlangte das Ziel seines langen ungestümen Sehnens. Schon am 1 1. Juni
1077 war er als der verlässigste von den geistlichen Freunden des
Kaisers zum Kanzler des deutschen Reiches erhoben worden, eine
Beförderung, die eben so sehr seinem Ehrgeize schmeichelte, als
sie Gelegenheit zu neuen Verdiensten bot. Als nun sein Bruder
die Königswürde empfing, ward er selbst gleichzeitig durch die
Aufhebung des ihm so verhassten olmützer Bisthums und durch
') JEpist. Gregorii ad Wratislaum bei Erben 70.
*) Vgl. Palacky I. 318 & 319 und A. m.
188
die Wiederherstellung der ursprünglichen Gränzen und Besitzungen
seines Bisthums zufrieden gestellt. * Kaiser und Gegenpapst ver-
bürgten ihm die neue Errungenschaft. 3) So standen die beiden
Brüder auf dem Gipfel ihrer Wünsche; aber das unglückliche Va-
terland trug zum erstenmale den Fluch des Abfalls vom wahren
Oberhaupte der Kirche.
3. Wratislaw wandte sich zuerst wieder dem rechtmässigen
Papste zu (1088), jedoch ohne hiemit der Freundschaft mit Hein-
rich gänzlich zu entsagen. Ursache dessen war schon die Weige-
rung des Gegenpapstes, den vom Kaiser erhaltenen Königstitel
sofort zu bestätigen. Um so günstigere Aufnahme fanden nun
noch die beredten Ermahnungen des vorlängst aus Meissen ver-
triebenen heiligen Bischofs Benno, der damals am Hofe Wratislaws
sich aufhielt. So erfolgte die Versöhnung mit dem rechtmässigen
Papste Victor III., — selbst um den Preis der von diesem gefor-
derten Wiederaufrichtung des unerlaubter Weise aufgehobenen Bis-
thums zu Olmütz. Eben diess aber entzweite in unserem Va-
terlande Fürst und Bischof von Neuem. Letzteren zumal hatte
schon lange die Zumuthung verletzt, dem königlichen Bruder bei
Gelegenheit öffentlicher Feierlichkeiten die Krone aufs Haupt zu
setzen. Jetzt zum Aeussersten getrieben belegte er den König und
sein Haus mit dem Interdicte. 2) In Folge dessen sollte den Be-
troffenen aller Gottesdienst verwehrt, der Empfang aller Sacra-
mente mit einziger Ausnahme des Todesfalls verweigert, und das
kirchliche Begräbniss nur Geistlichen, Bettlern und Kindern bis
zum 2. Jahre gestattet sein. Das ernste Schweigen der Glocken
und die Art der Kleidertracht und Lebensweise sollten eine Zeit
allgemeiner Busse und Trauer verkünden. Ob diesem bischöflichen
Interdicte in unserem Vaterlande damals allgemeine Folge gegeben
ward, ist sehr zu bezweifeln. Wahrscheinlich fand Wratislaw da-
mals als Anhänger des rechten Papstes Priester genug im Lande,
die das strenge Verbot des schismatischen Bischofs nicht achteten.
Sicher ist, dass Gebhard sofort Böhmen verliess, in der Absicht,
um sich zu seinem schismatischen Papste Clemens III. zu begeben. 3)
'jSchannat, concilia Germ. III. 202, Urkunde bei Erben 73 & 74. Baibin u. A.
3)Sandel 245.
sj Cosmas.
189
Da fand er unterwegs am ungarischen Königshofe den Tod — ebenso
im Exile, wie der von ihm verleugnete Papst Gregor. (26. Juni
1089. ') Doch folgte ihm der Nachruhm ins Grab, dass er durch
die ganze Zeit seiner geistlichen Regierung allezeit ein Freund der
Armen gewesen sei. Insbesondere habe er in der h. Faste neben
den strengen Uibungen jener Zeit täglich vor und nach dem Psal-
mengebete die vor der Kirche versammelten Presshaften mit Al-
mosen betheilt und überdiess 40 Arme an einer öffentlichen Tafel
gespeist. Ebenso habe er dürftige Kleriker die ganze h. Zeit hin-
durch an seinen bischöflichen Hof gezogen. Auch habe er verord-
net, dass nach seinem Tode noch die tägliche Speisung der 40
Armen und eine zweimalige Bekleidung derselben alljährlich ein-
gehalten werden sollte. 2)
4. In anderer Weise, als Gebhard, und zwar früher noch,
als sein kaiserlicher Freund, sollte auch Wratislaw für die Theil-
nahme am unnatürlichen Kampfe gegen Gregor die zeitliche Strafe
der gekränkten Vaterwürde fühlen. Der eigene Sohn Bfetislaw,
beleidigt durch die offene Bevorzugung des königlichen Günstlings
Zderad, vergriff sich zuerst an diesem und sammelte dann ein
Heer zum Kampfe gegen den eigenen Vater. (1089.) Zwar folgte
eine Scheinversöhnung ; aber gleich darauf zog der erbitterte Sohn
zu Königgrätz alle Unzufriedenen des Landes an sich, um den
Kampf desto mächtiger wieder aufzunehmen. Da vermittelte ein
jüngerer Bruder Wratislaws eine neue Versöhnung und bewahrte
dadurch das Vaterland vor dem Fluche eines vatermörderischen
Krieges. Bfetislaw zog sofort, der Verzeihung des Vaters miss-
trauend, mit seinen Anhängern nach Ungarn. 3) Erst als Wra-
tislaw am 14. Jäner 1092 auf einer Jagd durch einen unglückli-
chen Sturz vom Pferde sein vielbewegtes Leben geendet hatte,
kehrte Bfetislaw nach Böhmen zurück und nahm — nur als Her-
zog — Besitz vom väterlichen Throne.
Wratislaw hatte sich den Ehrennamen eines Wohlthäters der
') Vgl. Palacky I. 321.
a) Cosmas. Dieser Chronist zeigt sich als den wärmsten Verehrer des Bi-
schofs Gebhard.
€) Vgl. Palacky 1. 325—328.
190
Kirchen, sowohl daheim als in der Fremde verdient. Am meisten
rechtfertigte diesen Ruf die Stiftung des Collegiatstiftes Wy§ehrad,
dessen wir später an geeigneter Stelle ausführlich gedenken werden.
§. 48. Bischof Cosmas.
1. Schon am 4. März 1090 war Cosmas von Klerus, Volk
und Fürsten zum Nachfolger Gebhards erwählt worden, ähnlich
seinem Vorgänger in der MilcUhätigkeit gegen die Leidenden, dessen
Gegensatz aber durch Demuth, Geduld und Versöhnlichkeit. ') Zwei
Umstände vereinigten sich dennoch, die Weihe eines so würdigen
Bischofs zu verzögern und dadurch unserem Vaterlande neue Ver-
legenheiten zu bereiten. Noch hatte König Wratislaw die Wahl
geleitet: da sollte nun der Gewählte allerdings dem rechtmässigen
Papste Urban IL gehorchen, aber doch auch von Kaiser Heinrich
IV. die vordem übliche Investitur erwerben. Letzteres nun verzögerte
sichbis zum 4. Jäner 1092, an welchem Tage Cjsmas za Mantua Ring
und Stab empfing. Da starb schon 10 Tage darauf König Wrati-
slaw und sein Nachfolger Bfetislaw wandte sich wieder der Partei
des Gegenpapstes Clemens zu. So war Böhmen neuerdings dem
unglückseligen Schisma verfallen, und es war nicht zu wundern,
dass nun der am rechtmässigen Papste hangende Metropolit von
Mainz (Rudhart) unserem Cosmas die bischöfliche Weihe versagte.
Böhmen aber entbehrte mit Schmerz so vieler dringenden Functionen
eines Oberhirten. So nur war es möglich, dass ein unbekannter
Abenteurer, der sich Bischof Ruprecht von Cavaillon (im südlichen
Frankreich) nannte und angeblich von einer Wallfahrt aus dem
gelobten Lande heimkehrte, allerwärts in unserem Vaterlande als
ein höchst willkommener Gast begrüsst wurde und auf Verlangen
Chrisam weihte, Kirchen consecrirte, Priester ordinirte und alle
denkbaren Pontifiealakte' verrichtete. Plötzlich aber war der bi-
schöfliche Gast aus dem Lande verschwunden, und nun erst stellte
sich sein Gebahren als ein frevelhafter Betrug heraus. Da mochte
der Erzbischof von Mainz mit der Weihe unseres Cosmas nun nicht
länger mehr zögern. Sie geschah auf einer Generalsynode des deut-
') Cosmas.
191
sehen Reichs am 12. März 1094. «) Um den Betrug des falschen
Ruprecht zu sühnen, ward verordnet: Alles solle nichtig sein, was
er gethan, die Kirchen seien von Neuem zu consecriren, die Ge-
tauften zwar nicht förmlich wiederzutaufen, wohl aber mit Chrisam
neuerdings zu firmen 3), das Chrisam sei neu zu weihen, die Or-
dinalen zwar nicht wieder zu ordiniren, doch aber unter die Or-
dinanden zu stellen und durch blosse Auflegung der bischöflichen
Hände mit der Segnung der Priesterweihe zu betheilen. 3)
2. Bisschof Cosmas soll der Begründer der fortan üblichen
jährlichen kirchlichen Hausvisitation gewesen sein. 4) Sie war das
Mittel und blieb das Denkmal der letzten und vollständigen Aus-
rottung aller Uiberreste altheidnischer Gebräuche. Sicher ist, dass
eben unter Bischof Cosmas der strenge Herzog Bfetislaw IL dem
Beispiele des h. Benno in Meissen folgend die noch übrigen heid-
nischen Haine und Bäume völlig ausrottete, alle abergläubischen
heidnischen Gebräuche und das herkömmliche Begraben in Wäl-
dern und Feldern vollends einstellte, und Zauberer und Zeichen-
deuter aus dem Lande verwies." 4) Bis hieher und nicht weiter
opferten hin und wieder einige Bauern ins Geheim den Diasen,
beteten zu ihren alten Hausgötzen (Skrety), und feierten aber-
gläubische Todteii feste (Tryzny) über den abgelegenen Gräbern der
Ihrigen. Bis hieher und nicht weiter fand der alte Götzen eult noch
einige Nahrung von Rethra und Arcona, den heiligen Orten der
Nordslawen her. 5) Da soll nun unser Bischof Cosmas das Seine
zu solchen Erfolgen beigetragen haben, indem er die Einrichtung ge-
troffen habe, dass die Seelsorger jährlich einmal unter Absingung
kirchlicher Hymnen die Wohnungen ihrer Kirchkinder besuchen
und dort das h. Reliquienkreuz zum Kusse reichen mussten. Wer
den Kuss verweigerte, sollte als Heide der Obrigkeit angezeigt wer-
den. 6) Dieser Umzug fiel in die h. Weihnachtszeit, und wurde die
') Marignolae thron, ad h. a. Vgl. Palacky I. 326 & 327, 337 & 338.
2) Also fand damals die Firmung noch unmittelbar nach der Taufe statt.
cj Marignola & Palacky 1. c.
4) Paprocii Didochus p. 94. & Balbini Epitome rer. Boh.
5) Marginator Cosmae L. IIL ad ann. 1106.
6j Adam Bremensis hist. eccl Palacky I. 336.
192
Veranlassung des vorläufig bereits erwähnten Dreikönigsumganges
aller folgenden Jahrhunderte. [ )
3. Ein beklagenswerthes Ereigniss trübte die letzten Lebens-
jahre des Bischofs Cosmas. Damals hatte eben die Periode der
Kreuzzüge begonnen, jener zweihundert ährigen Heldenkämpfe hoch-
begeisterter Christen des Abendlandes gegen die Christusfeindlichen
Heiden, deren wir geeigneten Orts ausführlicher gedenken wollen.
Im Jahre 1096 hatten mehr als eine Million willige Streiter in
allen Ländern des Westens sich erhoben, um sofort den ersehnten
Kampf zu beginnen. Leider wraren die ersten Schaaren derselben
ohne einsichtige Führer, aber um so reicher an blindem Eifer.
Ein Schwann solcher kam 1096 durch unser Vaterland. Hier hiel-
ten sie die friedlichen Juden Prags für die ersten Feinde, die man
vernichten müsse. Vergeblich suchte der greise Bischof die un-
bändigen Eiferer zu besänftigen. Sie Hessen den armen Verfolgten
nur die Wahl zwischen Taufe und Tod, und fragten nichts darnach,
wie unchristlich es sei, in solcher Weise Christen zu machen.
Kein Wunder, dass die gewaltsam Getauften nach dem Abzüge
ihrer Bedränger wieder zu ihrem alten Glauben zurückkehren
wollten, und dass die Reicheren, um diess sicherer zu bewerkstel-
ligen, sich anschickten, das Land zu verlassen. Da führte die
erste Gewaltthat zu einer zweiten. Herzog Bretislaw liess den
Wanderlustigen alle Barschaft abnehmen : nur arm, wie sie gekommen,
sollten sie wieder von dannen ziehem 2)
4. Cosmas erlebte noch den Untergang der slawischen Li-
turgie im Kloster Sazawa. Nach dem Tode Wratislaws war der
heftigste Zwiespalt unter den Bewohnern des Slawenklosters ent-
brannt. Jahre lang hatte eine Partei der dortigen Mönche den
Herzog Bretislaw mit den widersprechendsten Klagen und Beschul-
digungen gegen den sonst in Beredsamkeit und Kunst ausgezeich-
neten Abt Bozetech behelligt. Da entschloss sich der Herzog im
Einverständnisse mit den Grossen des Landes zu Ende des Jahres
1096, den streitsichtigen Mönchen und ihrer Liturgie den Abschied
zu geben. Schon am 3. Jäner 1097 zog eine latainisch-liturgirende
Kolonie aus Brewnow im Kloster Sazawa ein. Da wurden im un-
>) Vgl. §. 15. S. 55 Note 2.
3) Vgl. Palacky I. 343.
193
gestümen Eifer des Reformirens leider auch die gewiss werthvollen
glagolitisch-slawischen Kirchenbücher vernichtet. l) Die vertriebenen
slawischen Mönche irrten sofort in der Fremde umher. Nur einige
wenige kamen reuig in ihr Kloster zurück und erlangten, ob-
wohl unfähig zur Verrichtung des lateinischen Gottesdienstes und
Chorgesanges, barmherzige Aufnahme und Verpflegung bis an ihr
Ende. 2) Bischof Cosmas starb am 10 Dezember 1098. 3)
§. 49. Bischof Hermann.
1. Auf Cosmas folgte nach langer Zeit wieder ein Deutscher
im bischöflichen Amte, einer aus der Zahl der Hofkapläne des
verstorbenen Königs VVratislaw, 4) den wohl die nahen Beziehungen
Böhmens zu Heinrich IV. ins Land geführt hatten : Hermann, ge-
bürtig von Utrecht, 5) ein Verwandter des heiligen Bischofs und
Märtyrers Lambert 6), jetzt eben Canonicus von Prag und Propst von
Altbunzlau. ) Diesen hatte vor Allem der tapfere Wiprecht von
Groitsch 8) empfohlen als einen Mann, „der immer standhaft dem
(verstorbenen) Könige gedient, stets verlässig im Amte, treu in der
*) Chron. Sazaviense ad a. 1097. Wenige zerstreute Reste jener Bücher fand
1855 Prof. Const. Höfler, und es konnte daraus der Beweis hergestellt
werdeü, dass der Ritus in Sazawa der graecoslawische mit glagolitischen
Büchern gewesen sei. Ein anderes altslawisches Bruchstück, angeblich
vom h. Prokop selbst, und zwar mit cyrillischer Schrift geschrieben, das
sich nachmals im Besitze des Klosters Emmaus befand, und daselbst ei-
nem Jüngern slawischen (glagolitischen) Evangeliencodex beigebunden
wurde (dem n achmaligen französischen Krönungscodex zu Rheims, heraus-
gegeben von Hanka), scheint wo anders her zu stammen und dürfte auch
einer andern spätem Hand, als der des h. Prokop zuzuschreiben sein. Diess
glaubte schon Kopitar (Proleg. c. 7 zu Silvestre's Evangelia slav.) Ebenso
Miklosich und A. Vergl. auch Dr. Ginzel Slawenapostel S. 149—151 An-
merkung.
2) Vgl. Dr. Ginzel ibid. 145 & 146. — Chron. Sazav. ad a. 1097.
3) Cosmas u. Andere.
4) Cosmas (Brief des Wiprecht von Groitsch an Bretislaw). Nach Dobner annal.
VI. 151 und Cosmas ad a. 1124.
5) Nach Dobner Annal. VI. 151 u. Cosmas ad 1124.
6) Marignolae Chron. edit. Dobn. mon. IL 275.
7) Bubna catalog. capituli Prag.
8) Wiprecht war durch seine Verdienste in Italien Schwiegersohn Wratislaws
und Markgraf von Meissen und Lausitz geworden.
13
194
Durchführung der ihm aufgetragenen Gesandtschaften, keusch, nüch-
tern, demüthig und bescheiden, nicht heftig, nicht ehrgeizig, nicht
stolz, und was die erste Zierde eines Klerikers sei, vorzüglich ge-
lehrt, und soweit überhaupt menschliche Einsicht reicht, bekannt
als gut und vollkommen bis ins Kleinste, wenn nicht etwa das Ein-
zige ihm zum Nachtheile gereichen möchte, dass er — ein Fremder
ist."1) Diess letztere ward bei so ausgezeichneten Eigenschaften
gern übersehen. Hermann wurde am letzten Februar 1099 ein-
stimmig erwählt. Leider führten ihn die Verhältnisse jener Jahre
sofort dem Schisma in die Arme. Der Herzog, damals auf Hein-
richs IV. Seite stehend, wünschte die so streng verpönte kaiser-
liche Investitur und begleitete zu diesem Ende den neuen Bischof
persönlich nach Regensburg (April 1099). Doch war Hermann da-
mals der Weihe nach erst Diakon. Darum bewarb er sich nach
seiner Investitur zunächst um die Priesterweihe, die er in Gemein-
schaft mit unserem Chronisten Cosmas in Gran vom dortigen Erz-
bischofe Seraphin erhielt (11. Juni 1099). 3) Die bischöfliche Con-
secration konnte er, weil vom excommunicirten Kaiser investirt,
nicht vom rechtmässigen Metropoliten Rudhart empfangen, zumal
dieser eben damals als treuer Anhänger des rechtmässigen Papstes
in Verbannung lebte. 3) So weihte ihn der gegenpäpstliche Legat
Rupert am 8. April 1100 zu Mainz.4) Bretislaw überlebte diesen
Act nur kurze Zeit. Er starb am 21. Dezember desselben Jahres
in Folge eines Mordanfalls in den Waldungen von Bürglitz. Die
Geschichte rühmt ihn als ersten Stifter der Kirche und vielleicht
auch des Klosters (damals der Benedictiner) zu Leitomysl. 5)
2. Bis hieher hatte das Erbfolgegesetz Bretislaws I. gegolten :
der älteste aller Pfemysliden folgte immer in der Herzogswürde
über das gesammte Land. Nun aber hatte der zweite Bretislaw
diese Ordnung widerrechtlich umgestossen, und das Vaterland war
sofort durch ein Menschenalter allen Schrecken des Bürgerkrieges
') Brief Wiprechts bei Cosmas.
2) Vgl. Palacky I. 345 und Andere.
3) Joh. Latomi catal. archiep. Mogunt. apud Menken Scriptores rer. germ.
III. 491 und a. a. 0.
4) Cosmas. Palacky I. 345.
5) Dobner annal. VI. 41—45.
195
preisgegeben. Leider war vor Allen unser Bischof Hermann schwach
genug gewesen, dem Wunsche seines herzoglichen Gönners zu will-
fahren: jetzt nach dessen Tode rief er gar selbst den unrechtmäs-
sigen neuen Herzog, den nächsten Bruder Bfetislaws, Bofiwoj IL
ins Land und führte ihn — allerdings im Einverständnisse mit
den Grossen des Landes — auf den Thron (1101). Er stand auch
mit aller Macht fest zu ihm im folgenden Kampfe. Aber im J. 1107
unterlag Bofiwoj seinem mehr berechtigten Gegner Swatopluk. Um
den Preis von 10.000 Mark Silbers opferte auch der neue Kaiser
Heinrich V. den letzten Freund seines unglücklichen Vaters. Da
folgte nun für Bischof Hermann die Strafe des gethanen Unrechts.
Erst flüchtig in Bamberg bei seinem h. Freunde Otto, dann — wohl
nach demüthigenden Verhandlungen — heimgekehrt musste er es
erleben, wie der neue Herzog zur Bezahlung des Kaisers Alles
zusammenraffte, was in den Kirchen und auf den Altären an Gold
und Silber glänzte. Zudem musste er noch aus dem Kirchenschatze
70 Mark feinen Goldes beisteuern. Da seufzte das weite Land
über die neue Bedrängniss, die so zu dem noch immer fortdauern-
den Schisma sich gesellte. Aber bald sollte es über noch Schlim-
meres erschrecken. Am 27. Oktober 1108 begann Swatopluk die
blutige Ausrottung des mächtigen und zahlreichen Geschlechtes
der Wrsowecen, die damals insbesondere über die ausgedehnten
Zupanien von Leitmeritz und Saaz geboten. Nahe an 3000 Edle
des Landes sollen bei dieser Gelegenheit dem grausamsten Tode
verfallen sein. Da sank am 21. September 1109 der gewaltthätige
Fürst selbst durch Mörderhand. Von Neuem begann nun der Kampf
um den Herzogsstuhl. Drei Brüder führen gegen einander das blu-
tige Schwert. Wladislawl. wird (24. Dezbr. 1109) erst von Bofi-
woj IL, der nun wieder aus der Fremde heimgekehrt ist, verdrängt,
in Kurzem aber durch den Kaiser wieder erhoben (1110), jedoch
gegen Unterlassung des Saazer Gebiets an den jüngsten Bruder
Sobeslaw. Bald entbrennt wieder zwischeu diesen beiden der Kampf,
der mit Soböslaws Entsetzung endet (1113). Im J. 1117 gelingt
dem Bischöfe Hermann die Aussöhnung Wladislaws und Bofiwoj s,
so dass beide eine Zeit in Edelmuth wetteifern, indem jener dem
Throne entsagt, dieser aber das nördliche Böhmen bis an die Elbe
dem Bruder aufnöthigt. Aber im J. 1120 stehen sie schon wieder
13*
196
kämpfend einander gegenüber. Da siegt endlich Wladislaw I. und
behauptet das Reich bis an sein Ende (1125. ')
3. In diesem traurigen Bürgerkriege war es kein Wunder,
dass die sittlichen und kirchlichen Zustände Böhmens sich recht
düster gestalteten. „Alle Zügel des Stolzes, der Bosheit, der Hin-
terlist, der Ungerechtigkeit und aller Laster wurden gelockert." 2)
Da mussten denn wohl auch die Besitzungen der Kirche, auch ab-
gesehen von der allgemeinen Plünderung unter Swatopluk, manches
harte Unrecht dulden, und der sonst so brave Bischof konnte kaum
anders, als „zusehen, schweigen und ertragen."3) Aber auch in
der Geistlichkeit konnte es zu solcher Zeit, wo Alles verwilderte,
nicht besser werden. Das machte denn dem Bischöfe Hermann die
letzten Stunden so schwer. Offen und unter heissen Thränen be-
klagte er da die Schuld, die er an diesen Zuständen trage, viel-
leicht auch das traurige Schisma, in dem er sein Leben verbracht
hatte. 4j Das mochte ihn noch einigermassen trösten, dass er trotz
der schlimmen Jahre doch die Stiftung einiger grossartiger kirch-
licher Institute erlebt hatte. Es waren diess das Kloster Kladrau
(1108 zumeist von Swatopluk gegründet), das Collegiatstift Sadska
(1117 durch Bofiwoj IL), das Kloster Wilimow (1120 durch den
Grafen Wilhelm von Sulzbach, einen Verwandten der Gemahlin Wla-
dislaws I.) und wohl auch das Kloster Postelberg (c. 1121). Hermann
starb am 17. September 1122. 5)
§. 50. Bischof Meinhart.
1. Nach dem Tode Hermanns bestieg wieder ein Deutscher
den bischöflichen Stuhl Böhmens, Meinhart von Bamberg, wohl
ein ehemaliger Mönch des Klosters zu Bamberg, wo er nachmals
sein Jahrgedächtniss durch Ankauf des Dorfes Königsfeld stiftete,
jedenfalls ein besonderer Freund des dortigen h. Bischofs Otto, 6)
') Vgl. Palacky I. 344—387. u. Andere.
2J Bischof Hermanns Klage auf dem Sterbebette bei Cosmas.
3) Ebendaselbst.
4) Diess verschweigt natürlich der in Hermanns Schuld mitverwickelte Cosmas.
5) Vgl. Cosmas ad. a. 1122. Dobner annal. VI. 155. Auf die erwähnten Stif-
tungen kommen wir später ausführlicher zurück.
6J Conradus Ursberg ad a. 1124. Vgl. Dobner annal. 173.
197
nun aber seit längerer Zeit der vertraute Kaplan unseres Herzogs
Wladislaw und durch diesen Canonicus zu Prag und Propst des
Collegiatcapitels von Altbunzlau. l) Er soll nach Erledigung des
bischöflichen Stuhls von seinem herzoglichen Gönner ohne alle
Wahl gegen die herkömmliche Sitte und Ordnung einfach zum
Bischof ernannt worden sein ; erst in Folge der Klagen von Seiten
des Klerus und der Edlen des Landes habe Wladislaw die Erwäh-
lung seines Lieblings durch Uiberredung durchgesetzt. 3) Jedenfalls
lassen die nachfolgenden Anfechtungen des Bischofs eine Unregel-
mässigkeit seiner Erhebung vermuthen. Diese aber müssen unbe-
deutend genug gewesen sein, so dass der mainzer Metropolit Adal-
bert nach gepflogener Prüfung die Wahl bestätigen und dem Er-
wählten die bischöfliche Weihe ertheilen konnte (1122). In dem-
selben Jahre hatte übrigens das Concordat zu Worms (23. Septem-
ber, also noch vor der Wahl Meinharts) den langen Streit der
deutschen Kaiser mit der Kirche durch die Bestimmung geendet,
dass fortan die Wahl der Bischöfe dem Klerus allein anheimge-
stellt sei, dem Kaiser aber die Belehnung mit den Regalien zu-
kommen solle. Vielleicht bestand die Unregelmässigkeit bei der
Erwählung Meinharts, ebenso wie bei der seines Nachfolgers, le-
diglich in dem noch nicht beseitigten Einflüsse der Laien. 3)
2. Herzog Wladislaw starb am 23. Mai 1125 , nachdem er
sich durch die fromme Vermittlung des Bischofs (und des heil.
Otto von Bamberg) auf dem Sterbebette mit seinem aus der Ver-
bannung zurückgekehrten Bruder Sobeslaw ausgesöhnt hatte. 4) Die-
ser folgte nun in der Regierung nach, — leider durch eine neue
Verletzung des früheren Erbfolgegesetzes. Ebendesshalb ward unser
Vaterland neuerdings in traurige Kämpfe verwickelt, in denen aber
die Liebe des Volkes seinen aus der Schule des Unglücks her-
vorgegangenen ausgezeichneten Fürsten kräftig vertheidigte. Damals
sah die Ebene bei Kulm (im leitmeritzer Kreise) den schönsten der
Siege. Kaiser Lothar und Herzog Otto von Olmütz kamen aus
Meissen mit einem mächtigen Heere gezogen. Sobeslaw rückte
l) Kreibich tria memorabilia. MS.
3) Ilajek ad h. a.
3) Vgl. Palacky I. 388 u. 389.
4) Cosmas ad a. 1125.
198
ihnen entgegen, voran die eben aufgefundene Fahne des h. Adal-
bert auf dem Speere des h. Wenzel getragen. In jener Ebene
trafen sich die kampflustigen Schaaren : es galt nach dem Aus-
spruche SobSslaws, das Gottesgericht (bohusud) der offenen Feld-
schlacht über Recht und Unrecht entscheiden zu lassen. Da fiel
Otto von Olmütz im Kampfe, Lothar erlitt eine gänzliche Nieder-
lage der Seinen und musste um Frieden bitten (18. Februar 1126).
Der edle Sieger aber krönte seinen Sieg durch ein Freundschafts-
bündniss mit dem Besiegten. ') Die spätere Zeit fand am Sieges-
platze eine Kirche und Pfarre, — wohl auch einen Ort — Namens
Bohusüdov (Gottesgerichtsort). Wahrscheinlich hatte der dankbare
Sieger dieselben zum Gedächtniss des glorreichen Tages gegrün-
det. 2) — Doch war durch jenen Sieg die Ruhe des Landes noch
lange nicht gesichert. Soböslaw sah sich weiterhin noch genöthigt,
die wiederholten Auflehnungen seiner unzufriedenen Vettern da-
durch zu bändigen, dass er den Prinzen Bfetislaw (Sohn Bfeti-
slaws IL) erst in Dohna, dann in Jaromer und endlich im Schlosse
zu Tetschen gefangen setzte und (1130) sogar blenden Hess.
Ebenso musste er die Vettern Conrad IL von Znaim (1128) und
Wratislaw von Brunn (1129) durch Kerker und Verbannung unschäd-
lich machen.3) Bei einem neuen Aufstande im J. 1130 kam sogar auch
Bischof Meinhart, der gewiss nichts anderes, als die Befreiung des
jungen Bfetislaw wollte, in schweren Verdacht.
3. Meinhart kehrte eben aus Jerusalem heim, wohin seit dem
Jahre 1122 so viele böhmische Edlen als fromme Pilger gezogen
waren. 4) Da empfing ihn im Vaterlande die schwere Anklage, Mit-
anstifter der eben unterdrückten Verschwörung gewesen zu sein.
Der Schein sprach gegen ihn; denn auf der bischöflichen Burg zu
') Contin. Cosmae a. a. 1126. Vgl. Palacky I. 394—401.
2) Bohusudow als Pfarre genannt in libr. confirm. ad a. 1363 und 1414. Nach
den Dezemregistern von 1384 gehörte es zum alten Dekanate von Bilin.
Diess und der Widerspruch mit ziemlich alten Traditionen über den
Anfang Mariascheins lassen die Meinung Palacky's (Popis 55), dass Bohu-
sudow das heutige Mariaschein selbst sei, zweifelhaft erscheinen. In
diesem Falle hätte es wohl eben so, wie das anstossende Graupen zum al-
ten Dekanate Aussig gehört. Wahrscheinlicher lag Bohusudow etwas ent-
fernter von Graupen und näher gegen Teplitz hin.
3) Vgl. Palacky I. 402. Contin. Cosmae ad h. a. (1128—1131.)
4J Vgl. Cosmas ad a. 1122, 1123, 1124. Contin. Cosmae ad a. 1130.
199
#ircinewes und sogar im Beisein des Bischofs sollte das Complott
geschmiedet worden sein. Hier hätten vertraute Abgesandte des
in Tetschen gefangeneu Bfetislaw denen, die den Herzog Soböslaw
tödten würden, nichts geringeres als die Zupanien von Saaz oder
Leitmeritz oder nach Belieben eines der 3 höchsten Hofämter
des Landes verheissen. Bischof Meinhart selbst sollte den Für-
stenmördern dieses Versprechen unter einem h. Eide geleistet
haben. l) Solch' eine Schuld hatte man auf den noch abwesenden
Bischof gewälzt. Obgleich die vielen Widersprüche der Verhand-
lung und überdiess die angewandten Rechtsmittel diese Anklage
hinlänglich verdächtigten3), so bot selbe doch so manchem Unzu-
friedenen eine willkommene Gelegenheit, die Absetzung des von
ihnen als fremden Eindringling angesehenen Bischofs in Anregung
zu bringen. Sie klagten nun beim Metropoliten Adalbert in Mainz
und ebenso beim Papste Innocenz IL, der eben damals (1131) ei-
nem Concile zu Lüttich beiwohnte. Unterdessen war Meinhart mit
vielen Reliquien und Geschenken des griechischen Kaisers heim-
gekehrt. Da betheuerte er nun in Gegenwart seiner Ankläger und
vor vielen Zeugen dem Herzoge und den versammelten Grossen
des Landes mit einem h. Eide seine Unschuld. Ebenso reinigte er
sich durch Abgesandte vor seinem Metropoliten und vor dem als
Schiedsrichter beigeordneten h. Bischöfe Otto v. Bamberg von dem
schweren Verdachte. So glaubwürdig erschien seine eidliche Be-
theuerung, dass sofort die Bischöfe von Bamberg und Olmütz und
sämmtliche Aebte des Landes vor Herzog und Volk gleichfalls
seine Unschuld unter Niederlegung ihrer Stolen, deren sie fortan
im Falle einer Unwahrheit nicht mehr würdig sein wollten, feier-
lich beeideten. Nun reiste Meinhart selbst zum Concile nach
Rheims und reinigte sich dort vor dem eben anwesenden Papste
Innocentius IL durch dargebrachte Zeugnisse seines Metropoliten
und sogar des Herzogs Sobeslaw. Dennoch ruhten die Kläger,
darunter einige Canonici von Prag, noch immer nicht. Sie brach-
ten sofort ihre Klage nach Rom selbst. Da schickte Innocentius II
einen Legaten zur Untersuchung nach Böhmen, der ebensowenig
eine Schuld zu constatiren vermochte. Letztlich mag wohl der
*) Gont. Cosmae ad a. 1130. Vgl. Palacky I. 405 etc.
3j Palacky I. 404.
200
Erzbischof von Mainz die Klage geschlichtet haben. Meinhart ver-
söhnte sich mit seinen Anklägern und verzieh ihnen alles zuge-
fügte Leid. Herzog und Bischof waren und blieben fortan in-
nige Freunde. ])
4. Bischof Meinhart überlebte den traurigen Prozess nicht
lange. Er starb am 2. Juli 1134 zu Sekirkostel in Mähren, als
er eben aus Ungarn heimkehren wollte, wohin er nach dem Wunsche
Soböslaws einen neugebornen Prinzen begleitet hatte, der dort in
Gegenwart des zum Pathen gebetenen blinden Königs Bela ge-
tauft worden war. 2) Seine Zeit rühmte ihn als aufrichtigen Freund
der Kleriker und Mönche 3) und als frommen Tröster der Armen
und Fremdlinge.4) Die prager Kirche verdankt ihm die Stiftung
von 5 neuen Präbenden. 5)
§.51. Johann I. und Silvester.
1. Nach Meinharts Tode gab es der einheimischen Bewerber
um die bischöfliche Würde bei Soböslaw und Kaiser Lothar gar
viele. Freunde und Verwandte Hessen es auch an Fürbitten und
selbst an Versprechungen nicht fehlen. Dem Allen aber gab So-
beslaw kein Gehör, sondern er vereinigte sich mit dem eben da-
zumal zum Feste des h. Wenzel in Prag versammelten Klerus,
und zugleich mit dem Adel des Landes zur Wahl des damaligen Wy-
sehrader Propstes Johannes. Dieser, aus einer edlen Familie des
Landes entsprossen und von Hause aus in den nachmaligen Krei-
sen von Königgräz und Bidzow reich begütert, 6) war bereits 50
Jahre lang Priester und Canonicus, und seit 40 Jahren Dechant
und später Propst des genannten Collegiatstifts. In seiner äusse-
ren Erscheinung ward er von keinem Andern übertroffen; untadel-
') Contin. Cosmae ad a. 1131— 1133 Dobneri annal. VI. 214. 217. 219. 225 ut
226. — Palacky I. 407 etc.
3) Contin. Cosmae ad a. 1134.
3) So gegen das Kloster Kladrau (Sulgerius in annal. Zwifalt. I. 85) und das
Kloster in Bamberg (siehe oben).
4) Monach. Sazav. bei Menken III. 1803.
5) Pessina Phosphorus 532 cit. MS. Codex anniversariorum ecclesiae Pragensis.
G) Vgl. die nachmalige Stiftung des Klosters Strahow und das Fuagment der
Stiftungsurkunde bei Tomek Gesch. Prags. 99.
201
haft in seinen Sitten, gefällig in seinem Benehmen, freundlich und
sanft gegen Jedermann war er der liebenswürdigste Greis und auch
wirklich von Allen geliebt. Da setzte die hinreissende Ansprache
des Herzogs in der Versammlung des Klerus und der Edeln seine
Erwählung zum Landesbischofe mit Leichtigkeit durch. (29. Septbr.
1134.) ]) Anfangs des neuen Jahres zog nun der Erwählte vorerst
zum Kaiser Lothar nach Heidelberg, und empfing dort die Beleh-
nung mit den Regalien.2) Am 19. April 1135 erhielt er in Mainz
vom Erzbischofe Adalbert die bischöfliche Weihe. Heimgekehrt ins
Vaterland ging er mit allem Eifer an die Hebung des vielfach ge-
sunkenen kirchlichen Lebens. Ein vorzügliches Mittel hiezu ersah
er in dem vor Kurzem erst (1120) im Thale Premontre bei Rheims
vom h. Norbert gestifteten Orden der Praemonstratenser, der die
Pflichten der Canoniker und der Mönche vereinigte.
Schon im J. 1124 hatte die neue Stiftung des ehemaligen
Caplans Heinrichs des V. und Domherrn von Köln die Bestätigung
des päpstlichen Stuhles erhalten. Sie hatte sich seitdem in alle
Länder ausgebreitet, obwohl der h. Stifter selbst im J. 1134 als
Erzbischof von Magdeburg das Zeitliche gesegnet hatte. Bischof
Johann lernte den neuen Orden im J. 1138 durch Heinrich Zdik,
den Bischof von Olmütz kennen, der selbst ein Mitglied desselben
geworden war. Sofort widmete er von seinem väterlichen Erbe
bedeutende Gründe und Güter, insbesondere zwischen Königgräz
und Hofic, zur Erbauung des ersten Praemonstratenserklosters
Strahow, 3) dem bald ein zweites in Doxan und allmählich auch
viele andere nachfolgten. Auch dachte er daran, den Glanz sei-
ner alten Kathedrale zu erhöhen. In diesem Plane aber überraschte
ihn der Tod. Er starb nach einem ömonatlichen Krankenlager als
90jähriger Greis am 8. August 1139, — der älteste aller Bischöfe
in Böhmen, aufrichtig beweint vom Herzoge wie vom Klerus und
Volke. 4)
]) Cord. Cosmae ad a. 1134. Crugerius ad 14. Juni, Hammerschmidt gloria
et majestas elccesiae Wisehradensis.
2j Monach. Sazav. a. h. a. Dieser lässt aber die Belehnung noch durch Stab
und Ring geschehen, offenbar unkundig des Eides, durch welchen Lothar
diesem Rechte entsagt hatte. (Vgl. Dobner ann. VI. 238.)
3) Hammerschmidt u. Crugerius 1. c. Palacky I. 413. Tomek Gesch. Prags I.
99 cit. das Fragment der Stiftungsurkunde von Strahow.
4) Hammerschmidt 1. c.
202
2. Auf den Wunsch Soböslaws wurde sofort (29. September
1139) der Abt Silvester von Sazawa zum Bischöfe erwählt, „ein
Mann geziert mit allen Tugenden und mit edler Sitte, als Bewoh-
ner dieser Erde bereits ohne Vorbehalt dem Himmel gehörig." l)
Vor 2 Jahren erst war er mit dem Bischöfe Heinrich Zdik von
Olmütz als demüthiger Pilger in Jerusalem gewesen. Einen fröm-
meren Oberhirten hätte unser Vaterland nicht finden können. Da
erkrankte plötzlich (17. Dezember 1139) der Herzog Sobeslaw und
starb am 14. Februar 1140. Er hatte geglaubt, die Thronfolge
dadurch geordnet zu haben, dass er erst den Kaiser Conrad III.
auf dem Fürstentage zu Bamberg (22. Mai 1138) und dann die
Edlen Böhmens auf einem Landtage zu Sadska (29. Juni 1138),
letztere aber zum Theil durch strenge Befehle zur Anerkennung
des Successionsrechtes seines kaum zwanzigjährigen Sohnes Wla-
dislaw bewogen hatte. Jetzt aber — am 3. Tage nach Sobeslavs
Ableben — vereinigten sich die Grossen des Landes mit Umge-
hung des jungen Erben zur Wahl eines andern Wladislaw, des
ältesten Sohnes Wladislaws I. (17. Februar 1140.) Da sah der
noch nicht consecrirte Abt Silvester schwere Wolken über dem Va-
terlande sich zusammenziehn. In seiner Bescheidenheit glaubte
er sich zu schwach, in solcher Zeit dem bischöflichen Amte vor-
stehen zu können. Er entsagte also seiner Wahl (17. Februar 1140)
und zog sich in die Stille seiner friedlichen Abtei zurück.3) Hier
starb er nachher, geliebt von seinen Brüdern und verehrt von
allen, die ihm nahe gestanden waren, am 10. Februar 1161. 3) Weil
er nicht zur bischöflichen Weihe gelangt war, wird er da und dort
in der Reihe der Bischöfe nicht mitgezählt.4)
§. 52. Bischof Otto und die Reformation.
1. Schon wenige Tage nach der Entsagung Silvesters ward
der neue Bischof Otto gewählt (23. Februar 1140). Angeblich
aus dem edlen Stamme der nachmaligen Herren von Svabenic 5)
») Monach. Sazav. bei Menken III. 1806.
2) Palacky I. 412. u. 416. Contin. Cosmae ad h. a. Monach. Sazav. ibidem.
3) Monach. Sazav. bei Menken III. 1806.
4) So bei Pelina Pkosphorus, Kreibich tria memorabilia und A.
5) Kreibich. MS.
203
entsprossen, Sohn jenes Grafen Zderad, der am 11. Juli 1090 als
Günstling Wratislaws IL vom Prinzen Bfetislaw ermordet worden
war, und Bruder Letoslaws, des Erbauers der Kirche am Zderas
in Prag '), war er erst Canonicus des prager Capitels und Propst
zu Sadska, zuletzt Propst des prager Kathedralcapitels gewesen. 2)
Er erhielt zunächst vom Kaiser Conrad III. die Belelmung mit den
Regalien zu Mainz3) und ebendaselbst am 25. Juni 1140 vom Erz-
bischofe Adalbert die Bischofsweihe.4)
Die traurige Zeit, welche Silvester geahnt hatte, Hess leider
nicht lange auf sich warten. Wohl hatte Conrad III. keine weitern
Schwierigkeiten gegen die Erhebung Wladislaws IL erhoben, zumal
dieser eine Stiefschwester desselben als Gattin erwählte. Auch die
herzoglichen Verwandten schienen im ersten Augenblicke keinen
Kampf wagen zu wollen. Dafür aber verschworen sich schon im
Jahre 1142 dieselben Grossen des Landes, die den neuen Herzog
erhoben hatten. Statt des erwarteten Schwächlings hatten sie in
diesem einen kräftigen Herrn kennen gelernt. Darum versuchten
sie jetzt seine Entthronung und riefen desshalb die mährischen
Fürsten ins Land. Wladislaw IL war schon nahe daran, Alles zu
verlieren. Prag ward hart bedrängt. Feuerpfeile der Belagerer
setzten Kirchen und Klöster in Brand. Schon lag der Dom von
St. Veit mit seinen Schätzen in Asche, und auch das Kloster zu
St. Georg war eine Beute der Flammen. Da brachte ein deutsches
Heer unter der persönlichen Führung des Kaisers die ersehnte
Hilfe. Ohne eine Schlacht zu wagen, zogen die Gegner Wladi-
slaws nach Mähren zurück (7. Juni 1142). Erst im Jahre darauf
zog ihnen Wladislaw nach und verheerte weit und breit das Land
der Gegner, das seit der Verbannung des Olmützer Bischofs Hein-
rich Zdik, des treuen Freundes Wladislaws, auch noch unter dem
Fluche des kirchlichen Interdictes seufzte. Endlich folgte durch
die mit seltener Umsicht und ausserordentlicher Beharrlichkeit ein-
geleitete Vermittlung des päpstlichen Legaten Guido die Aussöh-
nung aller Parteien und die Wiederherstellung des Friedens (1143
') Bubna catal. cap. Prag. MS.
2) Contin. Cosmae ad h. a und Tomek Gesch. Prags I. 651. Bubna catalog.
cap. Prag. MS.
3) Kreibich 1. c. MS.
*)Monach. Sazav. Menken HI. 1803 ad a. 1140.
204
bis 1145). Indess war auch der zerstörte^Dom von St. Veit wie-
der aus seinen Trümmern emporgestiegen, gleichsam als Symbol
der nun folgenden Wiederherstellung des vielfach
verfallenen kirchlichen Lebens im weiten Vater-
lande. ()
2. Spät genug — achtzig Jahre nach dem Mahnungsrufe des
grossen Gregor — ward die geistliche Reformation Böhmens
(und Mährens) durchgesetzt. Bischof Otto war fromm genug, sie
ernstlich zu wollen und Herzog Wladislaw stark und willig, sie
durchführen zu helfen. Dazu fand sich nun in Innocenz IL der eifrige
Papst, der sie verlangte und in seinem Legaten Guido der rechte
Mann, sie in Angriff zu nehmen. Was vor Allem Noth that, war
die Zurückführung der Geistlichkeit unter das heilsame Gesetz des
Cölibates. Unser Vaterland war in die Kirche Christi zu einer
Zeit eingetreten, wo schlimme Verhältnisse vielseitig die gute Zucht
früherer Jahrhunderte gelockert hatten: so hatte es jenen Klerus
erhalten, der zu einem nicht unbeträchtlichen Theile bereits dem
h. Bischöfe Adalbert gar viel zu schaffen gab. 2) Manches mochte
durch den Feuereifer des heiligen Mannes besser geworden sein;
aber es war ihm nicht gelungen, das Uebel mit seiner letzten Wur-
zel zu beseitigen. So war es gekommen, dass im Jahre 1072 Papst
Alexander IL seinen in Sachen des Bischofs Gebhard gesandten
Legaten Rudolf zugleich anweisen musste, den Herzog Wratislaw
zu vermögen, dass er die Geistlichkeit des Landes zur Beobach-
tung der Cölibatgesetze anhalten wolle. 3) Damals aber hatte das
unkirchliche Benehmen unseres Bischofs diese Bemühung fruchtlos
gemacht. Nicht besser war es mit der Sendung der Legaten des
grossen Papstes Gregor VIL, Bernhard und Gregor, im Jahre 1073
ergangen, obgleich diese mehrere Monate lang im Lande weilten.
Sehen im Jahre darauf (1074) nahm der nachmalige Domdechant
und Chronist Cosmas als Kleriker und Lehrer der prager Dom-
schule eine edle Jungfrau Boztecha zum Weibe, und während doch
in der Regel die verheiratheten Kleriker mit ihren Pfründen sich
begnügten und von den höhern Weihen ferne blieben, erlangte er
») Vgl. Palacky I. 418—423.
2) Vergl. §. 17.
3) Nach Tomek Gesch. Prags I. 101. Auch geht diess aus dem Briefe Alexan-
ders IL an Wratislaw d. d. 1071 (bei Erben p. 58) hervor.
205
uletzt 1099 ohne Anstand die Priesterweihe *) — ein trauriges
Zeichen, wie wenig die Bemühungen der Legaten gefruchtet hat-
ten. Seitdem aber hatten das unglückselige Schisma und die nach-
folgenden Bürgerkriege jeden weiteren Fortschritt gehindert.
Jetzt aber unter der kräftigen Regierung Wladislaws und
unter der frommen Verwaltung des Bischofs Otto sollte das grosse
Werk gelingen. Der Cardinal Guido, selbst reich an Klugheit und
Umsicht und von allen Seiten her kräftig unterstützt,2) nöthigte
alle verheiratheten Kleriker des Landes, entweder die Ehe zu ver-
lassen oder ihre geistlichen Beneficien aufzugeben. Andere geist-
liche Würdenträger, welche sich weigerten, sofort die Priesterweihe
zu empfangen, wurden ohne Umstände ihrer Würden entsetzt. Eben
so erging es allen denen, die der Simonie überwiesen wurden.
Fortan sollte auch Niemand zum Priester geweiht werden ohne
Anwartschaft auf ein bestimmtes kirchliches Beneficium. Auch
sollte die Diöcese, in welcher die frühere Eintheilung in Plebanien
(diese aber ohne bestimmte Begränzung) vielfach in Verfall und
Verwirrung gekommen war, zur leichteren Vermeidung von Miss-
bräuchen in genau begränzte Pfarrbezirke eingetheilt werden. Auf
dem Fusse folgte die Ausführung der erlassenen Gebote nach.
Unter Andern wurde der prager Dompropst Jurata entsetzt, weil
er nicht Priester war und seine Ehefrau in eine Trennung nicht
einwilligen wollte. Ebenso erging es dem Archidiacon Peter, der
gar (nacheinander) drei Weiber geheiratet hatte und der Simonie
schuldig war. Ein Gleiches widerfuhr dem Domherrn Sebastian, der
die Priesterweihe nicht empfangen hatte und verehelicht war. Auch
der Propst des Wisehrader Capitels, Hugo, verfiel als verheirate-
ter Laie, und sein Capitular Heinrich als verehlichter Priester in die
Strafe des Beneficienverlustes, letzterer sogar der Landesverweisung.
Nicht minder streng verfuhr man in den Dekanien des Landes. 3) So
musste wohl eine bessere Ordnung in die Kirche Böhmens wieder-
kehren, wenn auch vorläufig nicht ohne manchen Rückfall, der
späterhin eine abermalige strenge Sichtung nöthig machte.
»)Vgl. §.49. 1. illust. Chron. I. 11. 12.
3j Insbesondere ward Wladislaws sowie seiner Gemahlin Eifer in der Refor-
mation des Klerus durch eine eigene Bulle Eugens III. belobt. —
8) Tomek Gesch. Prags I. 102 u. 103 Palacky I. 423. cit. Guidonis cardinalis
literae in Dobrowsky: De sacerdotum in Bohemia coelibätu.
206
3. Eines der besten Mittel, die gute kirchliche Zucht im Lande
zu befestigen, ersahen Bischof und Herzog und alle Freunde der
Reformation in der Einführung eines neuen Ordens, dessen beson-
derer Piuhm eben die strengste klösterliche Disciplin war. Dieser
konnte eben so sehr durch Belehrung als durch sein Beispiel für
die gute Sache wirken. Diess war der Orden der Cister-
zienser.
Schon i098 war vom Abte Robert von Molesme ein Mönchs-
verein zu Citeaux (Cistertium) in der Gegend von Dijon ge-
stiftet worden, — eine neue Reformation des damals etwas er-
schlafften Benedictinerordens. Die Professen der neuen Regel sollten
sich in Ausübung der strengsten Enthaltsamkeit, Verwerfung der Kir-
chenpracht, Unterwerfung unter den Diöcesanbischof, Entfernung von
allen Geschäften ausserhalb des Klosters auszeichnen und äusser-
lich durch ein weisses Kleid unterscheiden. Aber erst nach Roberts
Tode (1108) erlangte der neue Orden eine grössere Bedeutung, als
der h. Bernhard 1113 mit 30 Gefährten in denselben eintrat, im
Jahre 1115 zu Clairvaux (Clara vallis) ein neues Kloster gründete
und — erst 25 Jahre alt — Abt desselben wurde. Diese hohe
Gestalt der Kirche, ein Friedensstifter zwischen Fürsten und Völ-
kern, ein freimüthiger Eiferer gegen alle Missbräuche, ein weiser
Rathgeber für Päpste und Fürsten, ein erleuchteter Lehrer der
Kirche, ein untadelhafter Heiliger, — erwirkte 1119 die endgiltige
Regelung der neuen Klosterordnung durch die „Carta caritatis" und
sofort die Bestätigung des Papstes Paschalis IL, zugleich mit der
Exemtion des Ordens von der bischöflichen Gewalt. ') So ward
der h. Bernard der neue Stifter des Cisterzienserordens.
Nach Böhmen kamen die neuen Ordensbrüder zunächst von
Waldsassen, Eberach und Langheim in Franken. Sie bezogen seit
1143 zunächst die Klöster Sedlec, Nepomuck und Plass. Wir kom-
men auf diese Ansiedlungen, sowie auf die weitere Ausbreitung
des neuen Ordens später wieder zurück. Unter seiner Regierung
räumten auch die Benedictiner zu Leitomisl ihr Ordenshaus den
Prämonstratensern.
4. Bischof Otto starb am 10. Juli 1148. 2) Nur acht Jahre
') Vgl. Alzog 601 & 602. Sartori's Cistertium bistertium schreibt letzteres
dem Papste Calixt IL zu (tom. I. 18 u. 19.)
2) Contin. Cosmae ad h. a. Tomek G. P. I.
207
hatte er die bischöfliche Würde bekleidet ; aber er konnte mit dem
Bewusstsein ins Grab steigen, vollbracht zu haben, was ein ganzes
vorangegangenes Jahrhundert nicht hatte vollbringen können. Die
Nachwelt schuldet ihm den Ehrennamen — nicht allein des Wie-
derherstellers der böhmischen Kathedrale, sondern auch des Refor-
mators der böhmischen Kirche.
§. 53. Bischof Daniel I.
Nach Otto's Tode bestieg den böhmischen Bischofssitz ein
Mann, der die vollste Befähigung und den entschiedensten Muth
besass, um tiefer als irgend einer seiner Vorgänger und Nachfol-
ger in die grossen Angelegenheiten der Kirche einzugreifen. Dazu
sollte ihm auch ein fast zwanzigjähriges Wirken im bischöflichen
Amte gegönnt sein. Da Hess sich wohl hoffen, dass durch einen
solchen Nachfolger dem Reformationswerke des Vorgängers die
Krone der schönsten Vollendung werde aufgesetzt werden. Aber
es geschah leider das traurige Gegentheil; denn der neue Bischof
wurde vor Allem ein eifriger Diener der weltlichen Fürsten und
ein entschiedener und gefährlicher Gegner des römischen Stuhles.
Es war Daniel, einer der edelsten Familien des Landes ent-
sprossen1), Sohn des ehemaligen verheiratheten prager Canonicus
Magnus3), ehemaliger Zögling der berühmten Hochschule zu Paris,
bisher Propst des Domstifts zu Prag. s) Er ward am 29. Juli 1148
zum Nachfolger Ottos gewählt, von Kaiser Conrad III. mit den
Regalien belehnt und am 31. Dezember desselben Jahres zu Mainz
vom Erzbischofe Heinrich als Bischof consecrirt. 4)
') Diess beweist der Umstand, dass noch vor seiner Wahl zum Bischof, im
J. 1146 sein Bruder Alexander als Gesandter an den die Standesunter-
schiede so eifersüchtig beachtenden Hof von Constantinopel gesendet wurde.
(Vincentius ad a. 1146.)
a) Necrolog. boem. scee. XII. in Monument. Boh. tom. II. Nach Hajek ad a.
1148 soll er ein Sohn des Zdislaw von Lipa gewesen sein, gewiss un-
richtig, da dieser Name erst später üblich wurde. Uiberdiess erscheint
obige Quelle viel glaubwürdiger, obwohl Hajek vielleicht einer Tradition
gefolgt sein mag, die unsern Daniel zu den Ahnen der spätem Herren
von Lipa zählte.
3J Contin. Cosmae ad 1124 und urkundlich bei Erben reg. p. 109 ad ann.
1144. Irrthümlich machte ihn Pelzel (I. 98) auch zum Propste von Wysehrad.
4) Bubna catal. capit. Prag u. A. Cont. Cosmae nennt das Jahr 1149.
208
2. Die ausgezeichnetsten Gaben und die seltensten Kenntnisse
machten den neuen Bischof zum beständigen Rathgeber seines
Herzogs, zum klügsten Diplomaten seiner Zeit, — nebenbei auch
noch zu einem vorzüglichen Krieger. Vor Allen erwarb er sich
reiche Verdienste um Herzog Wladislaw. Seit der Erhebung Fried-
richs des Rothbarts auf den deutschen Königsthron (9. März 1152)
erwuchsen unserem Landesherrn Verlegenheiten auf allen Seiten.
Die täglich wachsende Spannung mit Friedrich drohte einen schlim-
men Ausgang und ermuthigte überdiess die fehdelustigen Nach-
barn, so dass um diese Zeit das Gebiet von Budisin für Böhmen verlo-
ren ging. Im Lande selbst meldeten sich wieder die unzufriedenen
Vettern und waren nahe daran, die Hilfe des deutschen Königs zu ge-
winnen. Da gelang es der diplomatischen Kunst des Bischofs Daniel,
einerseits die böhmischen Prinzen mit Wladislaw und anderseits
diesen mit Friedrich Barbarossa zu befreunden (bis 1156). Höher
als alle persönlichen Antipathien stand dem thatenlustigen Kaiser
die Durchführung der Idee einer Universalmonarchie. Um den
Preis einer wirksamen Unterstützung dieses Planes, zunächst in
Polen und alsbald in Italien, erwarb Daniel sogar die kaiserliche
Zusage der Königswürde für seinen Herzog und alle Nachfolger
desselben (1156) und endlich unmittelbar vor dem Feldzuge nach
Italien die , wirkliche Ueberreichung der Königskrone an Wladi-
slaw (Regensburg 18. Jänner 1158). ')
Der italienische Krieg begann : Da wurde unser Bischof auch
noch der unentbehrliche Vertrauensmann des Kaisers. Noch im
Jahre 1158 vermittelte er den Brescianern die Gnade Friedrichs.
Von da an war er kaiserlicher Bevollmächtigter für Brescia, Man-
tua, Verona, Cremona, Pavia, Parma, Piacenza, Reggio, Bologna,
Modena, und betheiligte sich in hervorragender Weise an dem be-
rühmten Reichstage auf den Roncalischen Feldern. 2)
3. Des Kaisers rücksichtslose Eigenmächtigkeit in kirchlichen
Fragen, die nur zu sehr der ihm allezeit vorschwebenden Idee ei-
ner kaiserlichen Universalherrschaft entsprach, hatte schon vordem
einige Conflicte mit Rom herbeigeführt. Bei einem derselben war
auch bereits unser Bischof Daniel betheiligt gewesen, nämlich bei
') Vgl. Palacky I. 401—439.
2) Dobner annal. VI. 397. Cont. Cosmae ad 1159.
209
der auf kaiserlichen Befehl vorgenommenen eigenmächtigen Wahl
eines neuen Erzbischofs von Magdeburg im Jahre 1152, wofür ihm
ein strenger Verweis des Papstes Eugen zugekommen war. l) Seit-
dem schien der Kaiser alle Vereinbarungen betreffs der geistlichen
Investitur ignoriren und die Zeiten Heinrichs IV. zurückführen
zu wollen, wenngleich unter der vorläufigen Garantie seines eige-
nen biedern Charakters. Endlich im Jahre 1159 ging er gar daran,
in Fragen der Papstwahl endgiltig entscheiden zu wollen.
Als am 7. September 1159 Alexander III. mit absoluter Ma-
jorität (mit 2 Dritttheilen der Stimmen) zur päpstlichen Würde er-
wählt worden war, erhob sich gegen ihn der Candidat der Minderheit
(mit einem Dritttheil der Stimmen) Cardinal Octavianus als Ge-
genpapst unter dem Namen Victor IV. Da nahm sich's der Kai-
ser heraus, beide vor ein Concil zu laden, um zwischen ihnen eine
Entscheidung fällen zu lassen, vor ein Concil zumal, das zumeist
aus Freunden Victors bestand. Unser Bischof Daniel, seit langem
schon in das Interesse Friedrichs verflochten, übernahm mit dem
Bischof von Verden die seltsame Gesandtschaft an Alexander III. 2)
Selbstverständlich leistete Alexander keine Folge. Diess führte
Seitens des Kaisers und seiner Partei zur Anerkennung Victors IV.
und so zu einem neuen fast 18jährigen Schisma, während sonst
alle Welt Alexander III. als den rechtmässigen Papst verehrte.
Dieser sah sich in die traurige Notwendigkeit versetzt, auf einem
grossen Concile zu Tours den Bann über Friedrich, und die Nich-
tigkeit über alle kirchlichen Handlungen des Gegenpapstes und
seiner Anhänger auszusprechen. Erst der Friede von Venedig
(24. Juni 1177) endete die traurige Spaltung.3) Auch unser Bi-
schof Daniel hatte sich auf der Aftersynode von Pavia (1160) für
Victor erklärt und war somit dem Schisma verfallen. Er hatte
sodann die Anerkennung des Gegenpapstes auch daheim im böh-
mischen Vaterlande durchgesetzt und so auch dieses in die Kir-
chenspaltung hineingezogen.4) Selbst für die Schismatisirung des Kö-
') Ebendas. VI. 341.
3) Cont. Cosmae ad 1159.
3) Vgl. Höfler: Gesch. des Mittelalters IL 85—90.
4) Nach Vincentii chron. Dobner I. 69. und Pulkava (III. 188.) leisteten Ca-
pitel und Klerus 1161 und 1164 dem eben anwesenden schismatischen
Erzbischofe Obedienz.
14
§
210
nigs (Geisa IL) und des Landes von Ungarn war er als Legat des
Gegenpapstes, jedoch diessmal ohne Erfolg, thätig gewesen. ') Von
1166 an finden wir ihn wieder in Italien an Barbarossas Seite.
Hier starb er am 9. August 1167 bei der Belagerung von Ancona
an der Pest, 3) — unausgesöhnt mit dem rechtmässigen Ober-
haupte der Kirche. :)) Dagegen hatte das Domcapitel zu Prag
— gewiss erst seit dem Abgange des Bischofs — sich wieder für
Alexander III. erklärt und allmälig auch den König und mit die-
sem das Land den Banden des Schisma's entrissen.4) Als jetzt
die Kunde von Daniels Tode in die Heimat gelangte, wurde dem
Abgeschiedenen auch hier die Wohlthat der kirchlichen Fürbitten
und der üblichen Todtenofficien verweigert. Erst viele Jahre nach-
her erklärte der Abt Gottschalk von Selau, der Abgestorbene habe
ihn im Traume gebeten, dessen Wiederaufnahme in den Verband
der Kirche durch seine Fürsprache zu erwirken. 5) Erst von da
an hielt die prager Kirche sein Jahrgedächtniss. 6)
In seine Zeit fällt die Stiftung der Klöster Lunovic (1149),
Nepomuk (1153), des Johanniterpriorats in Prag (1156), Teplitz
(1156) und Podlazic (11 56) und die Einführung der Prämonstratenser
in Selau (1148).
§. 54. Die Bischöfe Gotthart, Friedrich und Valentin.
1. Nach dem Ableben Daniels gab sich die Königin Judith,
die Tochter Ludwigs IIL, Landgrafen von Thüringen, eine Frau
von ungewöhnlichem, beinahe männlichem Geiste, alle nur mögliche
Mühe, Männer ihres Vertrauens auf den bischöflichen Stuhl zu
Prag zu befördern. Selbst der lateinischen Sprache mächtig und
eine besondere Freundin der Gelehrsamkeit, mochte sie wohl nur
Würdige begünstigen. So gelangte vorerst im J. 1169 nach einer
Sedisvacanz von 6 Monaten 7) der Thüringer Prämonstratenser
*) Cont. Cosmae irrig ad a. 1159.
3) Palacky I. 453. Dobn. mon. Bon. III. 38.
•■*) Vgl. Pulkava bei Dobn. mon. III. 191.
4) Palacky I. 453.
5) Chron. Siloense in Monum. Boh. I. 79 & 80. Pulkava ibid. III. 191.
•*) Chronog. Siloens.
7) Kapihorsky historia kläätera Sedleckeho.
211
Gotthart, ein Verwandter der Königin, zur Bischofswürde. Der-
selbe war vordem wahrscheinlich Canoniker des Klosters Strahow
gewesen, vor Kurzem aber durch dieselbe Königin dem Kloster
Sedlec als Abt aufgedrungen worden. Da aber die Mönche da-
selbst die Annahme eines solchen Vorstehers standhaft verwei-
gerten, so hatte jetzt Judith den König Wladislaw vermocht, ihm
das erledigte Bisthum zu verschaffen. Doch kaum gewählt, starb
Gotthart, auch Gotpold genannt, noch vor Erlangung der Bischofs-
weihe am 10. März 1169. [)
2. Noch einmal machte Judith ihren Einüuss auf die Bischofs-
wahl geltend, und so gelangte abermals einer ihrer Verwandten
auf den Bischofsstuhl. Es war Friedrich, Sohn des Pfalzgrafen
von Putelendorf, ehedem Canoniker des Prämonstratenserstifts zu
Magdeburg, 2) zuletzt aber ebenfalls Chorherr im Kloster Strahow
zu Prag. 3) Von wem er die Bischofsweihe empfing, wird nicht er-
wähnt. Sicher erhielt er sie nicht von seinem eigenen damals noch
ins Schisma verwickelten Metropoliten, Christian von Mainz; denn
Bischof Friedrich erfreute sich ausdrücklich des Kuhmes, nie durch
das Schisma befleckt worden zu sein. 4) Uibrigens aber war er
in Böhmen als unkundig der slawischen Sprache wenig beliebt.
Ihm zum Aerger soll sogar der Landtag des Jahres 1171 verord-
net haben, dass fortan kein Ausländer mehr zu einer Prälatur
des Königreichs befördert werden solle. 5) —
Seit dem J. 1 168 hatte die Freundschaft unseres Königs mit
Kaiser Friedrich ziemlich aufgehört, — am meisten in Folge der
Kränkungen, welche letzterer dem Erzstifte Salzburg und dem dor-
tigen Erzbischofe Adalbert, einem Sohne unseres Königs (vor sei-
ner Wahl zum Erzbischofe Propst von Melnik) zufügte. Eine Aus-
söhnung beider Fürsten am 2. Februar 1170 erzeugte nur eine
Freundschaft ohne Vertrauen und einen Frieden ohne Sicherheit.
Da wurde der ohnehin durch Krankheiten geschwächte Wladislaw
•) Chron. Siloens. et Necrolog. Doxan. Dort ist als Sterbejahr 1186 ange-
setzt, offenbar aber das Jahr von Ostern bis Ostern gezählt. Tomek I. 650.
2) Chron. montis sereni et Contin. chron. Pegau. Annales Bosovienses.
3) Kreibich.
4) Chron. Siloensis.
5) Hajek ad ann. 1171. Dobner ann. VI. 469 verwirft dies als einen Lük-
kenbüsser des Chronisten.
14*
212
der Regierung müde. Er entsagte desshalb dem Throne zu Gun-
sten seines Sohnes Friedrich (1173, der Tag ist unbekannt) und
wollte nach einer 33jährigen Regierung den Rest seines Lebens
in seiner Lieblingsschöpfung, im Kloster Strahow verleben. Die
neuen Wirren aber, die seiner Entsagung folgten, vermochten den
kranken Fürsten, auf das Landgut seiner Gattin, Merane in Thü-
ringen zu ziehen, wo er am 18. Jäner 1174 selig im Herrn ver-
schied. l)
Wladislaws Sohn Friedrich musste schon im J. 1173 dem da-
maligen ältesten Pfemysliden Sobeslaw IL, dem sogenannten Bau-
ernfürsten, weichen. Vergeblich hatte Bischof Friedrich in Ge-
meinschaft mit dem Grafen Witek zu wiederholten Malen persön-
lich die kaiserliche Anerkennung für selben angesucht, Um den
Preis treuer Hilfe in Italien gab Barbarossa die Belehnung (jetzt
wieder mit der herzoglichen Würde) dem Sobeslaw. Nur 4 Jahre
herrschte dieser über unser Vaterland ; aber durch die erneute Freund-
schaft mit dem Kaiser und durch die neuerliche Theilnahine am schis-
matischen Kampfe gegen Alexander III. wurden diese Jahre trotz aller
Begünstigung des Landmanns Jahre kirchlicher Trauer. Es wird
nicht erzählt, ob der neue Fürst sich irgendwie an dem Bischöfe als-
Fürsprecher des verdrängten Friedrich gerächt habe: von einer
Freundschaft gegen den allezeit zu Alexander III. haltenden Ober-
hirten konnte aber gewiss keine Rede sein. *j Endlich sah sich
Alexander gar genöthigt, über den Bauernfürsten wegen wiederhol
ter unerhörter Verwüstung der Kirchen Niederösterreichs (gelegen-
heitlich zweier im Interesse des Kaisers unternommener Kriegs-
züge) die kirchliche Excommunication zu verhängen (Anfangs 1177).
Da folgte bald darauf der Friede zu Venedig (24. Juni 1177) zwi-
schen Alexander und Kaiser Friedrich, — und letzterer opferte
seinen treuen Helfer. Noch in Venedig belehnte er den 1173 ver-
drängten Herzog Friedrich mit Böhmen, der aber erst 1179 nach
blutigen Kämpfen Herr des böhmischen Thrones werden konnte.
Der Bauernfürst starb bald darauf (29. Jänner 1180) als Flücht-
ling. Bischof Friedrich aber war während des letzten Kampfes am
»j Palacky I. 454—458.
2) Chron. Siloens.
213
31. Jänner 1179 in die Ewigkeit hinübergegangen.1) Er hatte zu-
vor noch (1177) die Gründung eines Cisterzienserklosters zu Mün-
chengrätz erlebt.
3. Noch im Jahre 1179 gelangte neuerdings ein Thüringer
und ebenfalls Chorherr von Strahow, Valentin, auf den prager
Bischofsstuhl, und zwar wieder durch die thätige Verwendung der
Landesfürstin (jetzt Herzogin Elisabeth), und gegen den Willen der
Mehrzahl des Capitels. 3) Er war übrigens der hohen Würde nicht
ganz unwerth. Man rühmte seine edle Geburt, seine sehr grosse
Frömmigkeit und seine feine Sitte. Vor Allem aber empfahl ihn
seine wahrhaft ehrwürdige Greisengestalt. 3) In seinem neuen Amte
erwarb er sich wenigstens den Ruhm, keineswegs seine Verwandten
bereichert zu haben, sondern ein grosser Wohlthäter der Kirchen,
Hospitäler und Gefängnisse geworden zu sein.4) Er starb bereits
am 6. Februar 1182. 5)
§. 55. Heinrich Bfetislaw und die Vollendung der geistlichen Refor-
mation.
1. Nach dem Tode des Bischofs Valentin trat der höhere
Klerus (das Domcapitel, die Collegiatobern und Aebte) zur Wahl
eines neuen Oberhirten zusammen. So war es seit einiger Zeit her —
wohl nicht lange nach dem Wormser Concordate — in Böhmen Sitte
geworden. Nunmehr erfolgte erst nachträglich die Zustimmung des
Fürsten und die Acclamation des Volkes. Von einer Investitur durch
den Kaiser ist nun auch keine Rede mehr: unser Landesfürst selbst
ertheilte jetzt durch Darreichung des Scepters die Belehnung mit
den Regalien. 6) Gewählt wurde diesmal (25. März 1182) der Prinz
Heinrich Bfetislaw, ein Brudersohn des verstorbenen Königs
') Vgl. Palacky I. 462—473. Tomek Gesch. Prags I. 148—150 u. 650.
8) Epitom. cliron. Neplachonis (mon. Boli. IV. 108.) Contin. Vincent, (mon.
Boh. I. 92.) Bnbna catal. capit. Prag. Pesina Phosph. Palacky I. 474.
3j Pesina Phosph. berichtigt durch Bubna catal. cap. Prag. (Crugerius, Ham-
merschmidt.)
4) Crugerius ad 14. Juni.
5) Palacky I. 474. Tomek I. 650. Dobn. mon. III. 38.
(i) Chron. Gerlaci nennt diese Praxis: „electio cleri, principum assensus, Vo-
tum universale" bereits eine alte Sitte, Vgl. auch Palacky I. 474.
214
Wladislaw IL Derselbe war damals ein noch jugendlicher Diakon,
aber — unter der frommen Zucht des Klosters Strahow erzogen [),
und bis vor Kurzem noch ein eifriger Schüler der pariser Univer-
sität — war er nach der Meinung Aller der geeignetste Mann,
um die in letzter Zeit wieder einmal recht traurig gewordenen
Zustände der böhmischen Kirche zu heilen.2) So vertauschte er,
durch völlig einstimmige Wahl berufen, die seit zwei Jahren von
ihm besessene Propstei zu WySehrad 3) mit dem Bischofsstuhle.
Die heiligen Weihen empfing er zu Mainz, und zwar vorerst die
Priesterweihe am Samstage des Pfingstquatembers und Sonntags
darauf die bischöfliche Consecration. Als Bischof erwarb er sich
alsbald seltenen Ruhm. Gütig und gefällig gegen Jedermann ach-
tete er Keinen gering und gab Jedem sein Recht; selbst überaus
massig war er die Gastfreundschaft selbst gegen die Fremden, ins-
besondere gegen Geistliche ; er war nicht blos ein äusserlicher Be-
kenner, sondern auch gewissenhafter Befolger eines keuschen Wan-
dels; streng in seinen kanonischen Pflichten wagte er nicht die
h. Messe zu lesen, ohne früher dem ersten besten Priester reu-
müthig seine Sünden zu beichten.4) Eines so liebenswürdigen
Oberhirten hatte sich unser Vaterland seit Langem nicht erfreut.
2. Diesem fürstlichen Bischöfe hatte die Vorsehung auch noch
die weltliche Herrschaft des Landes bestimmt, um durch ihn desto
kräftiger und sicherer die Hand an das Werk der kirchli-
chen Reformation legen zu lassen. Seit Heinrichs Wahl hatten in
Böhmen innerhalb 10 Jahren vier Regenten den Herzogsstuhl inne
gehabt. Herzog Friedrich, wiederholt der Entthronung nahe, war
am 25. März 1189 in die Ewigkeit gegangen. Unter ihm hatte
unser Bischof trotz des Wegfalls der kaiserlichen Investitur auf
einem Reichstage zu Regensburg die förmliche Erklärung zum
deutschen Reichsfürsten erhalten (1188). Als Herzog war 1189
Conrad Otto von Mähren nachgefolgt; diesen aber hatte schon
am 9. September 1191 bei der Belagerung von Neapel, wohin er
bereitwillig den Kaiser Heinrich VI. begleitet hatte, der Tod ereilt.
[) Kreibich.
3) Chron. Siloensis. (Mon. Boh. I. 94.)
3) Chron. Pulkavae. (Mon. Boh. III. 196.) Tomek G. P. G56. Pesina phosph.
und Andere.
4) Chron. Siloens. (Mon. Boh. I. 94.)
215
Nach ihm hatte sich der älteste Pfemyslide Herzog Wenzel IL
auf den Thron (Oktober 1191) geschwungen; aber er hatte an
Pfemysl Otakar, dem Sohne Wladislaws IL, einen glücklichen
Gegner gefunden, der zuletzt um den unter persönlicher Bürgschaft
des Bischofs versprochenen Preis von 6000 Mark Silbers Anfangs
1192 die kaiserliche Belehnung von Heinrich VI. empfangen hatte.
Dieser Pfemysl aber, der später der Wiederhersteller der böhmi-
schen Macht und Hoheit werden sollte, zeigte jetzt von allen sei-
nen nachmaligen Vorzügen das gerade Gegentheil; er sollte letz-
tere erst in der Schule des Unglückes lernen. Noch im Jahre
1192 hatte er alles Vertrauen seines Landes durch seine gemeine
und charakterlose Regierung eingebüsst und war überdiess den
deutschen Fürsten und dem Kaiser selbst verhasst geworden. Er
war schon daran, in die Pieichsacht erklärt zu werden. Da wollte
Bischof Heinrich — der nächste Pfemyslide — eben eine Wall-
fahrt nach S. Jago in Spanien unternehmen. Der Kaiser hielt diess
für Flucht seines Bürgen und fürchtete für die noch immer nicht
bezahlten 6000 Mark. Darum nöthigte er den Bischof, nach Böh-
men heimzukehren und zuletzt gar als Geisel 10 Monate lang den
kaiserlichen Hof zu begleiten. Da wurden endlich Kaiser und Bi-
schof des Hinhaltens Otakars müde. Der Kaiser verzichtete auf
seine Forderung und belehnte im August 1193 den Bischof selbst
mit dem böhmischen Herzogthume. Heinrich Bfetislaw zog nun
gegen Prag zurück. Bei Zdic (in der Nähe von Beraun) wollte
ihm Pfemysl Widerstand leisten; aber schaarenweise gingen seine
Leute zum Bischöfe über. Endlich fiel auch Prag nach einer län-
geren Belagerung in die Hände des neuen Landesherrn (vor Weih-
nachten 1193). ') Pfemysl soll nach Piegensburg geflohen sein, wo
die Noth ihn gezwungen habe, unbekannt von harter Handarbeit
zu leben. Er soll insbesondere bei einem Kirchenbaue geduldig
den Karren mit Steinen gezogen und nur einen seiner Treuen als
Genossen seiner Arinuth und seines Schweisses um sich gehabt
haben. a) Jedenfalls ging er auf längere Zeit in die für ihn so
segensreiche Schule der Trübsal.
») Vgl. Palacky I. 475-489. Chron. Siloens. (Mon. Boh. I. 95. etc.) Gerlaci
chron. (ibid. 123.) Chron. Pulkavae (Mon. Boh. III. 196. etc.)
3) Dubrav. fol. XC.
216
3. Heinrich Bfetislaw war nun Bischof und Herzog zugleich.
Nachdem er zunächst seine Herrschaft gesichert hatte, wollte er
seine Kräfte und sein Leben den beiden grossen Aufgaben jener
Zeit weihen, — einem Kreuzzuge und der geistlichen Reformation.
Vorerst nahm er in Gemeinschaft mit dem Kaiser und vielen Reichs-
fürsten auf dem Reichstage zu Worms (6. Dezember 1195) das
Kreuz zur Befreiung Jerusalems aus der Macht der Erben Sala-
dins. Doch die Ausführung dieses Unternehmens verzögerte sich
erst durch die in Neapel gegen König Heinrich ausgebrochene
Gährung und in Böhmen durch die Erkrankung des bischöflichen
Herzogs. l) Um so entschiedener ging desshalb der letztere an
sein zweites Werk, die eigentliche Aufgabe seines Lebens. Er
vollendete die Reformation der böhmischen Kirche, die seit den
Zeiten des eifrigen Bischofs Otto in Mitten neuer Welthändel und
neuer Bürgerkriege wieder rückgängig geworden war.
Am 11. März 1197 langte der Cardinallegat Peter a via lata
in Prag an. In feierlicher Procession führte ihn der kranke Bi-
schof an der Spitze der Klerisei in die Stadt ein. Er sollte zu-
nächst im Auftrage des Papstes Cölestin III. die Angelegenheit des
stockenden Kreuzzugs fördern. Doch liess er sich jetzt weit mehr
für die Sache der Reformation gebrauchen. Am nächstfolgenden
Quatembersamstage (22. März) fand eben im prager Dome die
feierliche Priesterordination Statt, — diessmal durch den Bischof
Engelbert von Olmütz. Zahlreich hatten sich die Kleriker der nie-
dern Grade hiezu eingefunden. Wie vordem, so hatten auch jetzt
gar viele derselben, zumal die aus den Adelsfamilien des Landes
die besten Pfründen inne, deren etwaige seelsorgerliche Geschäfte
sie durch arme priesterliche Vicare verrichten liessen. Darneben
hatten in einer Zeit, wo die Bischöfe theils ausser Landes weilten,
theils wieder eines geringen Ansehens sich erfreuten, den kanoni-
schen Vorschriften zum Trotze gar Manche keine Scheu getragen,
Ehen zu schliessen und solche in Aussicht zu stellen. Jetzt mel-
deten sie sich ungeachtet dessen zur priesterliehen Weihe. Doch
da forderte der anwesende Cardinallegat entschieden das Gelübde
der Keuschheit. Darüber entstand ein förmlicher Aufstand der
Ordinanden. Der Cardinal sah sich genöthigt, zu entfliehen, wollte
') Gerlaci chron. (Mon. I. 202.) Palacky I. 490.
217
er nicht unter der Wuth der mit Stühlen und Bänken auf ihn los-
stürmenden Kleriker eine Beute des Todes werden. Nun aberging
der schon zum Tode erkrankte Bischof und Herzog an die Be-
strafung der Frevler. Er sandte bewaffnete Kriegsleute in die
ohnehin bereits entweihte Kirche und Hess die Aufrührer sämmt-
lich verhaften. Sie büssten sofort theils im Kerker, theils im
Exile ihre Schuld. Solche Strenge brachte alle Uebrigen bald zur
Besinnung. Nun hielt der Cardinallegat in bester Ordnung eine
Synode, in welcher er mit hinreissender Beredsamkeit die Gesetze
der Kirche den Anwesenden ans Herz legte. Auch wurde der kle-
rikale Wandel einiger Angeklagten untersucht. Da folgten denn
auch noch einige strenge Urtheile nach, unter Andern die Ab-
setzung der Aebte von Bfewnow und Sazawa. Fast 8 Wochen ar-
beitete der eifrige Legat theils im Namen des Papstes, theils in
Vertretung des immer schwächer werdenden Bischofs an dem Werke
der geistlichen Erneuerung. ') Wo heiliger Eifer und entschiedene
Kraft in solcher Weise, wie damals in unserem Vaterlande sich
paarten, dort musste die grosse Aufgabe ihrer Vollendung zuge-
führt werden. Böhmen hatte von nun an einen gebesserten Klerus
und erschwang sich leicht auf die glänzendste Höhe seiner reli-
giösen Entwicklung.
Da konnte der herzogliche Bischof getrost aus dem Leben
scheiden. Als seine Krankheit sich immer mehr verschlimmerte,
kehrte schon der verbannte Premysl Otakar ins Land zurück und
sammelte Anhänger für die Wiedererlangung der Herzogswürde.
Um wenigstens ruhig sterben zu können, Hess sich Heinrich Bre-
tislaw nach Eger bringen, wo er einst als Geisel des Kaisers ge-
lebt hatte. Hier empfing er die heiligen Sakramente der Sterben-
den und entschlief unter den Gebeten und Thränen aller Anwesen-
den am 15. Juni 1197. Unser Vaterland betrauerte ihn als „die
goldene Blume Böhmens, die Zuflucht der Fürsten, die Zierde des
Klerus, den Schützer der Orden, — als einen Bischof, wie es nach
dem h. Adalbert in diesem Lande keinen zweiten gab."') Die Zeit
dieses grossen Bischofs sah auch grossartige Ordensinstitute ins
') Chron. Gerlaci. (mon. Boh. I. 124 et 125). Chron. Boh. III. 202.) Dubravius,
Pelzel etc.
*) Chron. Gerlaci (Mon. Boh. I. 126.)
218
Leben treten: das Kloster der Prämonstratenser zu Mühlhausen
(1184), das der Grab Wächter zu Zderas in Prag (1190), das Cister-
zienserstift Ossegg (1196) und das Prämonstratenserkloster Tepl
(1197). Am 28. September 1197 starb auch Kaiser Heinrich VI.
§. 56. Böhmens Metropoliten in dieser Zeit.
1. Siegfried (von Epstein), Abt zu Fulda, hatte am Feste
der Erscheinung des Herrn 1060 den erzbischöflichen Stuhl zu
Mainz in vollkommen rechtlicher Weise bestiegen. Er war als
frommer, glaubenseifriger und sittenreiner Priester von jeher be-
kannt. Aber schwach und nachgiebig wie er auch war, musste er
in der nun folgenden höchst bewegten Zeit unaufhaltsam in die
nächste und stärkste Strömung mit hineingerissen werden.
Alsbald nach seiner Wahl unternahm er eine Wallfahrt nach
Jerusalem und zwar in Gesellschaft vieler Bischöfe und Grossen
des Reichs und einer Schaar von 7000 Pilgern (1064, 1065), welche
letztere bis auf 2000 den Gewalthätigkeiten der Ungläubigen
unterlagen. ') Siegfried selbst gründete nach seiner glücklichen
Heimkehr ein neues ansehnliches Collcgiatstift in Mainz (bei
der Liebfrauenkirche, 1069) und das Kloster Ilassungen (1071) in
Thüringen. Im Jahre 1066 gehörte Siegfried noch zu den in Tri-
bur versammelten Fürsten, welche Heinrich IV. entweder zur Tren-
nung von Adalbert v. Bremen oder zur Thronentsagung aufforder-
ten. a) Dagegen nahm er im Jahre 1069 keinen Anstand, auf einer
Synode zu Mainz die ungesetzliche Ehescheidung zu Gunsten des
Kaisers aussprechen zu wollen, was eben nur durch die unerwar-
tete Ankunft eines päpstlichen Legaten (Petrus Daniianus) hintan-
gehalten wurde. :J) Diese Willfährigkeit und die unstatthafte Con-
secration des simonistischen Bischofs Conrad von Constanz hatte
eine Citation nach Rom zur Folge (1070). Im Jahre 1071 hielt er
noch eine Synode zu Mainz (Entsetzung Conrads von Constanz) und
') Lambert v. Aschaffenburg erzählt das interessante Detail dieser Pilgerfahrt.
3) Damberger VI. 647. Lebensbeschreibung der Bisch- und Erzbischöfe
auch Churfürsten zu Mainz, S. 201.
3) Damberger VI. 745. Lebensbeschreibung der Bisch, etc. 202. Schannat
conc. Germ. III. 153. etc.
219
pilgerte dann (1072) nach S. Jago di Compostella in Spanien. Auf
der Rückreise hielt er sich im Kloster Clugny auf und wollte dort
als Ordensbruder eintreten, wenn ihn nicht Abgesandte von Mainz
zur Rückkehr bewogen hätten. Indess hatte Papst Gregor VII. am
14. März 1074 auf einer Synode zu Rom die steige Verordnung
erlassen, dass alle simonistischen Geistlichen sofort ihre Pfründen
verlieren, alle Verheiratheten und mit Unkeuschheit Befleckten aber
vom Dienste des Altars entfernt werden sollten. ') Da versam-
melte der heimgekehrte Siegfried die Diöcesansynode zu Erfurt
und verkündete die päpstlichen Decrete. 3) Doch da zeigte sich
schon wieder seine Schwäche. Das wilde Toben der Versammelten,
die sich zumeist sehr viel vorzuwerfen hatten, bestimmte ihn erst
zur Nachgiebigkeit, bald aber, als er sich durch die Flucht gesi-
chert sah, zur Verhänguiig der schwersten kirchlichen Censuren.
Dennoch ward zur Durchführung der Decrete so viel wie nichts
gethan. Erst ein strenger Verweis des Papstes brachte den furcht-
samen Erzbischof dahin, eine neue Synode nach Mainz zu beru-
fen (1075). Da erpresste das erneuerte Toben der Menge ihm so-
gar das Versprechen, beweibte Geistliche in ihren Pfründen belas-
sen zu wollen. Nun wurde Siegfried zum zweiten Male nach Rom
citirt ; die Furcht vor dem Papste aber machte ihn zum Schismatiker.
Als nämlich eben damals Kaiser Heinrich auf eine an ihn er-
gangene Vorladung nach Rom (wegen Begünstigung der Simonie
und Priesterehe uud wegen manigfacher Klagen der Sachsen) durch
eine Aftersynode zu Worms und durch die Absetzung des Papstes
antwortete, da befand sich auch Siegfried unter den allzu willfäh-
rigen Bischöfen und verfiel dadurch nebst andern in den Kirchen-
bann.3) Noch dasselbe Jahr sah die Demüthigung Heinrichs zu Tri-
bur — und auch Siegfried erflehte dort die Verzeihung des Pap-
stes. 4) Von da ab sehen wir den schwachen Mann sogar unter
Heinrichs Gegnern. Im Jahre 1077 salbte er sogar in seiner Kathe-
drale den Gegenkaiser Rudolf von Schwaben und blieb dessen An-
hänger bis zur unglüklichen Schlacht bei Zeiz (15. Okt. 1080), in
welcher Rudolph fiel, Siegfried aber in die Gefangenschaft Hein-
l) Damberger VI. 818. Schannat III. 184. (Encycl. Gregorii VII.)
s) Schannat conc. Germ. III. 186.
3) Damberger VI. 835, Lebensbesch. 207.
4) Damberger VI. 866. etc
220
richs gerieth. Er entkam (aus Worms) und krönte nun wieder auf
der Flucht zu Goslar (1081) den neuen Gegenkaiser Hermann von
Luxenburg. Ohne Aussicht, im Frieden wieder nach Mainz zurück-
kehren zu können, zog er sich endlich im Jahre 1084 in das von
ihm gestiftete Kloster Hassungen in Thüringen zurück, wo er noch
im selben Jahre starb. ')
2. Ihm folgte Wezilo (Wenzelinus), gelehrt und wohlberedt,
leider aber befleckt durch simonistische Erschleichung der neuen
Würde. So inusste er vorerst ein Anhänger Heinrichs und des da-
maligen Gegenpapstes werden. In der Osterwoche des Jahres 1 1 85 ver-
sammelten sich die Anhänger Gregors VII. zu einer Generalsynode in
Quedlinburg, wo Wezilo als Eindringling erklärt und sein Anhang ex-
eommuincirt,überdiess aber sehr heilsame kirchliche Anordnungen er-
lassenwurden.') Wezilo antwortete darauf durch eine sogenannte Ge-
neralsynode zu Mainz, auf welcher wieder auf kaiserlichen Befehl
die Absetzung Gregors erneut und sein Anhang aller Pfründen und
Würden verlustig erklärt wurde. Hier erhielt auch der Präger Bi-
schof Gebhart die Jurisdiction über Mähren zurück.3) Auf einer
zweiteu derartigen Synode im Jahre 1086 erhielt auch Wratislaw
von Böhmen die Königswürde. 4) Endlich ward aber auch Wezilo
Heinrichs Gegner, angeblich in Folge der abscheulichen Laster und
Ungerechtigkeiten, deren dieser verblendete Fürst sich schuldig machte.
So starb er — ausgesöhnt mit der Kirche — schon im Jahre 1088. 5)
3. Kuthartus, vordem Abt zu Erfurt, ward sofort — aber-
mals durch kaiserliche Gunst — auf den Metropolitansitz zu Mainz
erhoben, und verfiel so von selbst in das Schisma jener traurigen
Zeit.6) Doch Heinrich IV. verlor um diese Zeit fast alle Freunde,
die sich mehr und mehr seinem Sohne Heinrich V. zuwendeten.
Auch Ruthard entsagte seinem unverbesserlichen Gönner; inusste
aber eben desshalh 9 Jahre lang als Flüchtling in den Klöstern Thü-
ringens (nach Andern im Schlosse Harzburg) sich verbergen. In
') Damb. VI. 999. 1013. Hirschel Gesch. des Bistli. Mainz 45—50. Catalog.
arclipp. Mog. bei Menken III. 485 — 489.
3) Schannat conr. germ. III. 200.
3) Ebcnd. 202. Damb. VI. 10G5.
4) Damb. VII. 22. Palacky I. 318.
5j Catal. arch. Mog. bei Menken III. 489. 490.
6) Kbcncl. u. Herschel etc.
221
seiner Abwesenheit hielt (1099) der schismatische Legat Rupert
eine Aftersynode zu Mainz, auf welcher er Klerus und Volk vom
Gehorsam gegen den Erzbischof entband und dem Prager Bischöfe
Hermann die bischöfliche Consecration ertheilte. ') Dagegen hielt
Ruthart am 29. Juni 1105 eine grosse Provincialsynode zu Nord-
hausen, welche nebst Erlassung einiger kirchlichen Anordnungen
sich offen für den dort anwesenden Heinrich V. erklärte. 2) Letz-
terer bemächtigte sich endlich im folgenden Jahre (1106) der Stadt
Mainz. Da kehrte Ruthard zu den Seinen zurück und weihte die
noch übrige Zeit seines Lebens frommen Werken. Er starb im
Jahre 1109 in dem von ihm selbst gestifteten Kloster S* Johann. 3)
4. A d a 1 b e r t Graf von Saarbrück, Kaisers Heinrich V. Kanz-
ler und vertrautester Rath, „der ruhinwürdigste aller Kanzler, die
vor ihm am Kaiserhofe waren," 4) wurde in Jahre Uli einhellig
als Nachfolger Rutharts gewählt und sofort von seinem kaiserli-
Gönner in der von Gregor VII. verbotenen Weise mit Ring und
Stab investirt. Es war die Zeit, wo Heinrich V. den langen Streit
mit dem päpstlichen Stuhle durch Gefangennehmung und zweijäh-
rige harte Bedrängung des Papstes Paschalis beendigen wollte. Er
hatte sich verrechnet; denn der wieder in Freiheit gesetzte Papst
erklärte auf Andringen einer im Lateran zu Rom gehaltenen Sy-
node (18 — 23. März 1112) die ihm abgezwungenen Zugeständnisse
für nichtig. 5)
Zur selben Zeit sah sich auch Erzbischof Adalbert genöthigt,
entschieden gegen die Willkürlichkeiten des Kaisers auf kirchli-
chem Gebiete und insbesondere im Mainzer Erzstifte selbst zu pro-
testiren, und da er nicht gehört wurde, das kaiserliche Hoflager
zu verlassen. Da überdiess Erzbischof Adalbert sich nun auch zur
päpstlichen Seite hinneigte : so beschuldigte ihn Heinrich des Ein-
verständnisses mit seinen Feinden (Dec. 1112) und setzte ihn auf
die Reichsfestung Trifels gefangen. Drei Jahre schmachtete er dort
in trauriger Haft, bis endlich die treuen Bürger von Mainz durch
«) Damb. VII. 414. Vgl. §. 49.
3) Schannat III. 248.
8) Catal. arch. Mog. und Herschel 1. c.
4) Annal. Sax. bei Damberger VII. 663.
5) Damb. VII. 677. etc.
222
die förmliche Belagerung des eben dort anwesenden Kaisers das
Gebot seiner Freigebung erzwangen. (1. Nov. 1115.) *)
Nun bemühte sich Adalbert auf das Ernsteste, den langen
Investiturstreit zu vermitteln. An der Spitze mehrerer deutschen
Bischöfe drang er in Zuschriften an den Papst Paschal auf eine
Synodalentscheidung, welche auch wohl auf einem grossen Concil
im Lateran (6—11. März) 1116 erlassen wurde. Dennoch verzö-
gerte sich der Friede noch bis zum Jahre 1122. Das Concordat
zu Worms (mit Calixt IL 23. Sept. 1122) stellte endlich fest: dass
in Zukunft die Wahl und Consecration der geistlichen Würdenträ-
ger frei vor sich gehen, die Investitur durch King und Stab hin-
wegfallen, dagegen die Einführung des Gewählten in den Genuss der
Regalien durch Darreichung des Scepters von Seiten des Kaisers
geschehen sollte. 2)
Von nun an weihte Erzbischof Adalbert seine Zeit und Kraft
ungetheilt seinem kirchlichen Berufe. Vor allem nahm er die so
dringend nothwendige Reformation der Geistlichkeit in Angriff. Die
Zeit des Kampfes hatte hier die manigfachen Gebrechen noch zahl-
reicher und ärger gemacht. Nun galt es, dem Uebel für immer einen
Damm zu setzen. Es ist die Zeit, wo die heiligen Bernard und Norbert
im Klosterwesen ihre grossartigen Reformen begannen. Da versam-
melte auch Erzbischof Adalbert seine Suffraganen und seinen Klerus
um sich, um endlich die Gesetze über Simonie und Priesterehen zur
Durchführung zu bringen. Es gelang ihm auch wohl auf den Synoden
zu Mainz in den Jahren 1124. 1125, 1127, 1128 und 1131. 3) Mäch-
tig wirkte auch hier die gleichzeitige Einführung der mustergeben-
den Convente nach den Regeln von Cisterz und Praemonstrat (Gi-
teaux und Premontre) in der Erzdiöcese. Erzbischof Adalbert selbst
errichtete derartige Klöster zu Eberbach, Schwabenheim und Ringau.
Endlich beschloss er am 22. Mai 1137 sein vielbewegtes Le-
ben. 4) Er war der erste wirkliche Churfürst von Mainz; auf seine
Veranstaltung hatte sich zuerst bei der Wahl des Kaisers Lothar
') Darab. VII. 685. 763.
'-) Damb. VII. 869—871.
3) Die speciellen Erlässe dieser Synoden (einige Wahlstreitigkeiten ausge-
nommen) sind nicht bekannt.
4) Catal. arch. Mog. Menken IL 495. etc., und Hirschel Gesch. des Bisthums
Mainz 51 etc.
223
(1125) aus der Menge der deutschen Fürsten ein Churcollegium
gebildet. ')
5. Ihm folgte im J. 1139 sein Neffe (oder Bruder?) des Na-
mens Ad albert IL von Saarbrück, vordem Propst in Erfurt, er-
wählt durch Klerus und Volk und mit voller Zustimmung des Kö-
nigs Conrad III. 2) Papst Innocenz IL berief ihn darauf nach Rom
und beehrte ihn mit dem Titel eines apostolischen Legaten (1140).
Er starb bereits am 17. Juli 1141. 3)
6. Ihm folgte der bisherige Propst von Aschaffenburg Mar-
culph, abermals frei von Klerus und Volk gewählt. Er hatte kaum
voll h. Eifers sein neues Amt angetreten, und die Herstellung des
Friedens im Pieiche (Conrad III. und die Weifen) sich zur Auf-
gabe gemacht, da starb auch er — am 9. Juni 1142.4)
7. Heinrich I. (von Harburg), der bisherige Metropolitan-
propst zu Mainz, wurde noch im Jahre 1142 zum Erzbischof da-
selbst gewählt und geweiht. Schon am 19. und 20. März 1143 ver-
sammelte er eine Provinzials)mode zu Mainz, wohl die erste wieder
seit dem Tode Adalberts I. Es galt da kirchliche Streitigkeiten
zu schlichten, — gewiss aber auch die geistliche Pieformation ernst-
lich fortzusetzen.5) Im Jahre 1146 erhob sich in Mainz — wie auch
in andern Städten Deutschlands — eine arge Judenverfolgung : da
erhob sich der Erzbischof Heinrich als kräftiger Vertheidiger der
Bedrängten. 6) Im Jahre 1147 stand er, als Kaiser Conrad mit
einem Kreuzheere ins Morgenland gezogen war, an der Spitze
der Vormundschaft seines unmündigen Sohnes.7) Indess erhoben
sich auch Klagen gegen ihn. Mildthätig wie er war, pflegte er mit
Recht zu sagen: Als Domherr war ich reich, als Propst arm, als
Bischof bin ich ein Bettler.8) War es nun wirklich die übertriebene
Freigebigkeit, welche das Vermögen der Kirche zu gefährden schien,
l) Luden Gesch. des deutschen Volks X. 13.
*) Die Wahl soll doch nicht ganz in kanonischer Weise geschehen sein; ein
diesfalls eingeleitete Process wurde aber aufgegeben. (Darab. VIII. 255.)
3) Catal. Arch. Mog. Menken. 498—499.
4) Damb. VIII. 296. 302. Catal. Arch. Mog. Menken III. 498 und 499.
5) Damb. VIII. 312. Schannat III. 347.
6) Damb. VIII. 428. Catal. Arch. ap. Menken.
7) Damb. VIII. 439.
8) Herschel 53, 54.
224
oder war dicss nur der Vorwand, unter welchem man seine kano-
nische Strenge vereiteln wollte : das Capitel zu Mainz klagte in
Rom und erwirkte erst eine Citation des Erzbischofs (1149) und
als Heinrich dieser nicht nachkam, seine erzwungene Resignation
(Pfingsten 1153). Er starb schon am 2. September desselben Jahres
zu Eimbeck.1)
8. An seine Stelle ward der damalige Metropolitanpropst und
kaiserliche Kanzler Arnold (von Seelenhofen) auf einer Versamm-
lung zu Worms zum Erzbischof ernannt. Dieser hatte — obwohl
als Vertheidiger nach Rom gesendet — am meisten zur Absetzung
seines Vorgängers beigetragen. Diess und sein bekannter Geiz, so
wie auch sein barsches Wesen gegen Untergebene machten ihn
wohl schon im Vorhinein sehr missliebig. Dazu kam , dass er sich
als blinder Anhänger Friedrichs gegen den neuen Papst Alexander III.
und somit für das Schisma erklärte. Diess alles wirkte zusam-
men, um den neuen Metropoliten in Mainz aufs Ärgste verhasst
zu machen. Sein kaiserlicher Gönner hatte eben vollauf in Italien
zu thun. Da kam es (1159) in Mainz zum offenen Aufrühre wider
ihn. Der Erzbischof nmsste flüchten. Der Dom ward vom stürmen-
den Pöbel der grössten Kostbarkeiten und Kunstwerke beraubt.
Auf kaiserlichen Befehl mussten zwar die Mainzer dafür schwere
Busse thun. Als aber der Erzbischof selbst zurückkehren wollte,
erhob sich der Aufstand von Neuem (1160). Pöbelmassen zogen
dem Verhassten entgegen, belagerten ihn in seinem eilig erwählten
Zufluchtsorte, dem Kloster S. Jakob in der Nähe der Stadt, setzten
das Haus in Flammen und ermordeten den unglücklichen Oberhir-
ten (24. Juni 1160).')
9. Als die Besinnung zurückkehrte und mit ihr die Furcht,
wurde von den Aufrührern eine — wie sie hofften — den Kaiser be-
sänftigende Wahl vorgenommen. Man erwählte den kaiserlichen Vetter
Rudolph von Zähringen. Indess versammelte sich zu Er-
furt auf Befehl des in Italien abwesenden Kaisers ein Fürsten-
tag (25. Juli 1160), der die Bischofsmörder in Acht und Bann er-
klärte und die Wahl Rudolphs verwarf. Dann erwählten die mainzi-
l) Damb. VIII. 483. 539. Herschel 54.
*) Vgl. Herschel. S, 54—57. Damb. VIII. 706-707.
225
sehen Suffragane *) auf einer Versammlung zu Frankfurt (1. Nov.
1160) den kaiserlichen Vicekanzler und Merseburger Propst Chri-
stian von Buch zum Metropoliten.2) Friedrich bestätigte aber
weder Rudolph noch Ch ristian, sondern verlangte die Einsetzung
Conrads von Wi ttelsbach, der bisher Canonicus in Salzburg
gewesen war. Schon hatte man sich allseitig (im J. 1162) zur An-
erkennung des vom Kaiser gewünschten Erzbischofs geeinigt. Nichts
destoweniger zog im J. 1163 der noch immer zürnende Kaiser zur
Bestrafung der Stadt heran. Die Schuldigsten flohen, ein einziger
Rädelsführer erlitt die Todesstrafe; die Stadt Mainz aber musste
ihre Mauern niederbrechen und verlor auf 37 Jahre alle ihre
Freiheiten. 3)
Erzbischof Conrad, obwohl durch kaiserlichen Einfluss auf den
erzbischöflichen Stuhl erhoben, weigerte sich entschieden, ein An-
hänger des traurigen Schismas zu werden, welches Friedrich ins
Leben gerufen hatte. Zwar musste er, ohne noch geweiht zu sein,
dem kaiserlichen Herrn nach Italien folgen. Hier aber mied er
jeden Verkehr mit dem Gegenpapste und als in Folge dessen die
Spannung mit dem Kaiser und seinen Rathgebern immer stärker
wurde, floh er aus dem kaiserlichen Hoflager (Dec. 1163). Nach
kurzem unsicherem Aufenthalte in Deutschland ging er (Jan. 1165)
nach Frankreich zu dem dahin geflüchteten Papst Alexander III.
Dieser ertheilte ihm die bischöfliche Weihe (18. Dec. 1165) und
ernannte ihn zu seinem Legaten und zum Cardinalbischof zu Sa-
binum. Als solcher versuchte Conrad noch im selben Jahre ver-
gebens eine Aussöhnung des Papstes mit dem Kaiser. Nun wirkte
er bis zum Frieden von Venedig als Legat Alexanders zu Genua,
Lombardien und Friaul. Als endlich die beiden Häupter der Chri-
stenheit sich versöhnten (Venedig 1177), wurde ihm als Entschä-
digung für das bereits anderweitig besetzte Erzbisthum Mainz der
erzbischöfliche Stuhl in Salzburg zu Theil.4)
l) Das Mainzer Erzbisthum umfasste damals 14 Suffraganbisthümer: Worms,
Würzburg, Eichstadt, Speier, Augsburg, Strassburg, Konstanz, Chur, Pa-
derborn, Halberstadt, Hildesheim, Verden, Prag, Olmütz.
3) Damb. VIII. 707 etc.
3) Hirschel 57 etc . Damb. VIII. 753.
4) Damb. VIII. 753. 765. 789. 848. 989.
15
226
10. Nach der Flucht Conrads hatte der erzürnte Kaiser so-
fort seinen Yicekanzler, den Merseburger Propst Christian von
Buch, der von den Mainzer Suffraganen bereits am 1. Nov. 1160
erwählt worden war, zum Metropoliten von Mainz ernannt. Dieser
blieb ein treuer Anhänger Friedrichs und des schismatischen Pap-
stes und konnte sich auch den bevorzugtesten Günstling seines kai-
serlichen Herrn nennen. Als solcher nahm er Antheil an dessen Ge-
waltstreichen gegen den deutschen Episkopat, sowie auch an den
Kriegszügen in Italien. Endlich söhnte auch ihn der Friede von Vene-
dig mit der Kirche aus. Seinen Bischofsitz aber sah er nicht wieder.
Er starb in Italien, wo ihn sein Amt als kaiserlicher Statthalter zu-
rückhielt, zu Tusculum am 28. August 11821), gerühmt als Kenner
der alten und neuen Sprachen sowie als trefflicher Schriftsteller. *)
11. Nach dem Tode Christians bewarb sich Conrad von
Witteisbach um die Bückkehr auf den Mainzer Stuhl. Kaiser
Friedrich war um so weniger entgegen, als so auch der von Salz-
burg verdrängte Erzbischof Adalbert (Sohn des Königs von Böh-
men) seinen Metropolitansitz wieder erlangen konnte. Bald hatte
nun Conrad das volle Vertrauen des Kaisers wieder erworben, sowie
er auch bis zu seinem Tode ein gesuchter Rathgeber des päpst-
lichen Stuhles blieb. Der Kaiser überliess ihm von da nicht selten
die wichtigsten Angelegenheiten des Reiches. Dabei vergass er auch
keineswegs eine sorgsame Regierung des eigenen Erzbisthums, in
welchem es ihm oblag, die Anordnungen des unter seiner Theilnahnie
abgehaltenen dritten ökumenischen Lateranconcils (1179) zur Durch-
führung zu bringen.3) Als Kaiser Friedrich im Jahre H89 sich mit
jugendlicher Begeisterung an die Spitze der deutschen Kreuz-
fahrer stellte, vertraute er dem Erzbischofe Conrad die Mit-Regie-
rung des deutschen Reiches an. Im Jahre 1196 hielt er noch eine
Synode zu Mainz; 4) dann (1197) zog auch er als Kreuzfahrer nach
') Damb. IX. 85. VIII. 765 etc.
2) Catal. Archpp. Mog. Er schrieb das Leben Friedrichs L, überdiess Reden
und Briefe.
3) Die Beschlüsse des Concils handelten über die Papstwahl, über die Ket-
zerei der Albigenser, über die Erfordernisse zur Würde eines Bischofs u.
der übrigen geistlichen Grade, über das priesterliche Leben, über Dom-
schulen u. a. m.
4) Schannat III. 463.
227
Jerusalem und brachte 3 Jahre im Morg enlande zu. Im J. 1199
kehrte er auf die Bitte des Papstes Innocenz III. als das „nächst
dem Papste ausgezeichneteste Glied der Kirche" ins Vaterland zu-
rück, um den mittlerweile entbrannten Streit Philipps von Schwaben
und Otto's von Braunschweig zu schlichten. Diess gelang ihm aller-
dings nicht; dafür aber versöhnte er die damals in feindseligen
Streit gerathenen königlichen Prinzen in Ungarn. Er starb auf der
Rückreise von diesem Friedenswerke in der Nähe von Passau am
18. Okt. llOO.1)
§.58. Die Kreuzzüge bis zum Ende des XII. Jahrhunderts.
Wir setzen die allgemeine Geschichte der Kreuzzüge als be-
kannt voraus. Nur die Art und Weise, wie unser Vaterland an
denselben Antheil nahm, und wie das kirchliche Leben unserer
Ahnen dadurch gefördert wurde, wollen wir an dieser Stelle etwas
näher betrachten.
1. Als die Stimme Peters von Amiens die abendländische
Christenheit zum heiligen Kampfe für die Befreiuung des heiligen
Grabes aufrief, fand sie wenig und keinen Wiederhall im Herzen
des kirchenfeindlichen Kaisers Heinrich IV. und seiner Freunde.
Zu letzteren zählte damals auch unser Herzog Bfetislaw und lange
Zeit hindurch der noch ungeweihte Bischof Cosmas.3) Ueberdiess
nahm eben in den Jahren 1095 und 1096 ein Krieg mit Polen die
besten Kräfte unseres Vaterlandes, in Anspruch.3) So kam es wohl
dass der damalige erste Kreuzzug für Böhmen lediglich eine pas-
sive Bedeutung gewann, — durch jene bedauernswürdigen Uiber-
griffe, welche sich einige durch Prag ziehende Haufen von Kreuz-
fahrern gegen die dortige Judenschaft erlaubten.4)
2. Der erste grosse Kreuzzug hatte aber die Völker und
Fürsten Europas, die einen unmittelbar, die andern mittelbar aus
dem Zustande eines frevelvollen unabsehlichen Gewirres zur Ein-
heit einer grossen Idee und so zu einem neuen sittlich religiösen
Leben erhoben; um so willigeres Gehör fand desshalb im J. 1146
*) Catal. Archpp. Mog. u. Damb. IX. Krit. 99.
?) Vgl. §. 48 etc.
3) Vgl. Palacky I. 342.
4) Erzählt in §. 48.
15*
228
der neue Hilferuf Eugens III. und seines gottbegeisterten Sendbo-
ten, des heiligen Abtes Bernhard. Die wunderbare Beredsamkeit des
letzteren riss besonders in Frankreich und Deutschland Hundert-
tausende hin zur Annahme des Kreuzes; an ihrer Spitze die Kö-
nige Ludwig VII. und Conrad III. selbst. Auch in Böhmen ward
ein brieflicher Aufruf des grossen Abtes vor dem Herzoge Wladi-
slaw IL und dem Volke in der Kirche verlesen. Was etwa dem
geschriebenen Worte an Eindringlichkeit gebrach, das ersetzte die
feurige Rede des olmützer Bischofs Heinrich Zdik. Ein Uibriges
thaten noch der zu gewinnende vollkommene Ablass, den Eugen
wie einst Urban IL den Kreuzfahrern verheissen hatte, das Ver-
sprechen kirchlichen Schutzes für alles Eigenthum und die Sehn-
sucht vieler Hörigen, den Druck in der Heimat mit der Freiheit
in der Ferne zu vertauschen. Grosse Heerhaufen sammelten sich
aus allen Gauen des Vaterlandes, an ihrer Spitze die ausgezeich-
netsten Männer des Adels. Wladislaw selbst nahm ebenfalls das
Kreuz, ebenso sein Bruder Heinrich und der Prinz Spytihnew. Diese
alle schlössen sich Anfangs Juni 1147 dem Könige Conrad in
Oesterreich an und theilten fortan alle Schicksale des deutschen
Heeres, das bekanntlich zum grösseren Theile in den Gebirgen
Kleinasiens durch widrige Elemente, Hunger, Verrath und feindli-
ches Schwert den Tod fand. Von den Böhmen fiel insbesondere der
edle und tapfere Marschall Jurik mit sehr vielen adeligen Genos-
sen im erfolglosen Kampfe. Der herzogliche Kanzler Bartholomäus
gerieth mit ebenso vielen andern in die Gefangenschaft der Un-
gläubigen. Der Herzog selbst überliess darauf die weitere Führung
seiner Krieger dem Könige von Frankreich und kehrte über Con-
stantinopel nach Böhmen zurück.1) Indess endete der so glorreich
begonnene Kreuzzug mit der fruchtlosen Belagerung von Damascus
(Juli 1148). Am 8. September 1148 schifften sich die noch übrigen
in ihren Hoffnungen bitter getäuschten Fürsten und Kreuzfahrer zu
Accon nach Europa ein. 9)
3. Dieser Ausgang kühlte, wie in Europa überhaupt, so auch in
Böhmen, die Theilnahme für das heilige Land bedeutend ab. Zu-
erst blieb jetzt der Vertheidigungskampf den dortigen Fürsten selbst
») Palacky I. 427, 428. Vincentius ed. Dobn. I. 37—40.
2) Damberger VIII. 467 u. 468.
229
und den mittlerweile gestifteten geistlichen Ritterorden über-
lassen. Was aber der Gesammtheit an Begeisterung fehlte, das bemühte
sich die Opferwilligkeit Einzelner zu ersetzen. Allerwärts wurden
in dieser Zeit Ordenshäuser jener geistlichen Ritter theils gegrün-
det theils reicher dotirt als ebensoviele Werb- und Bildungsstätten
für die stete Fortsetzung des heiligen Kampfes. Endlich, als am
30. Oktober 1187 Jerusalem in die Hände des ägyptischen Sultans
Saladin fiel, erwachte auf den Hilferuf des Papstes Gregor VIII.
der heilige Eifer und die Kampflust des Abendlandes von Neuem.
Kaiser Friedrich I. selbst und mit ihm viele Fürsten des Reiches
nahmen schon im Februar 1188 zu Mainz das Kreuz, — mit ihnen
auch unser Herzog Friedrich, ein vorzüglicher Verehrer des Gra-
bes Christi, der bisher nur ungern seine Theilnahme für das heil.
Land auf die freigebigste Unterstützung der geistlichen Ritter be-
schränkt hatte. Der edle Herzog erlebte aber die Kreuzfahrt selbst
nicht mehr; er starb am 15. März 1189. Dafür rüstete sein Nach-
folger Conrad Otto einen Heerhaufen tapferer Böhmen zum heil.
Kampfe aus und gab diesem den tapfern Prinzen Diepold IL zum
Führer. Mit den Schaaren des Kaisers Friedrich zogen nun auch
unsere Landsleute über Adrianopel und Gallipoli nach Kleinasien
und kämpften dort siegreich in den Gebirgen von Iconium. Da
starb am 10. Juni 1190 am Kalikadnus Kaiser Friedrich, der ge-
meinsame Führer Aller. Das trauernde Pilgerheer, und in diesem
auch unsere Böhmen, gelobte sofort dessen Sohne Friedrich von Schwa-
ben treuen Gehorsam, Unter neuen Siegen rückte man weiter bis
nach Syrien und endlich bis unter die Mauern von Accon vor. Un-
sere Landsleute erwarben dabei den Ruhm eines seltenen kriegeri-
schen Muthes, der Verachtung aller Gefahren und seltener Geübt-
heit im Kampfe; leider zogen sie sich auch den Vorwurf besonde-
rer Raubsucht zu. Diepold selbst fiel im tapfern Kampfe, und mit
ihm so Mancher aus der böhmischen Schaar, die überall zu finden
war, wo es eben galt, die verwegensten Streiche auszuführen. Die
Wenigsten sahen ihr Vaterland wieder. ')
4. Noch einmal regte sich der Eifer fürs heil. Land, als im
Jahre 1195 der Papst Cölestin III. widerholt die Völker der Chri-
') Palacky I. 482 u. 483, Chronogr. Siloensis cd. Dobn. I. 121, Damberger
IX. 185 etc.
230
stenlieit zur Befreiung des h. Grabes aufrief. Kaiser Heinrich VI.
und mit ihm unser Herzog-Bischof Heinrich Bfetislaw rüsteten
sich zur neuen Kreuzfahrt. Da vereitelte ein Aufstand in Neapel
das vorgenommene Werk. Noch einmal (1J97) erging des heil.
Vaters Ruf: in Böhmen verkündete selben der Cardinallegat Peter,
der 8 Wochen lang in Prag verweilte — zugleich um hier die Re-
formation der Geistlichkeit zu bewirken. Wohl starb jetzt der Bi-
schof und Herzog Heinrich (15. Juni 1197); dennoch brachen die
Edlen, die auf des Legaten Ruf das Kr euz genommen hatten, nach
Italien auf, um sich dort dem Kreuzheere Heinrichs VI. anzuschlies-
sen. Unter ihnen war der Burggraf von Prag, der edle Graf Hroz-
nata, den wir später als Stifter von Tepl und Choteschau nennen
werden. Da starb nun auch Heinrich VI. (28. September 1197.)
W ohl zogen nichts desto weniger vereinzelte Schaaren ins heil
Land: ob auch unsere Böhmen daran Antheil nahmen, ist unbe-
kannt. Wenigstens kehrte der edle Hroznata sofort über Rom nach-
Böhmen zurück.
§.59. Fortsetzung. Ritterliche und asketische Orden.
Soweit ging die Betheiligung unseres Vaterlandes an dem
grössten und herrlichsten Kampfe des zwölften Jahrhunderts. Auch
die Folgen dieses Kampfes kamen ihm zu Statten. Der zugleich
in Folge der klerikalen Reformation erwachte religiöse Geist trug
herrliche Früchte.
1. Der heilige Glaube, für den man Gut und Blut gewagt, konnte
so leicht nicht wieder gleichgültig werden. Er drängte unwider-
stehlich zu frommen Werken. Man pilgert in frommer Demuth zu
nahen und fernen heiligen Stätten, man hilft aJlerwärts prächtige
Gotteshäuser und Hospitäler erbauen, man stiftet neue Klöster und
neue Orden, man ahmt selbst im täglichen Verkehre durch die im
Geiste der Frömmigkeit gegründeten Bruderschaften das klösterliche
Leben nach. Darneben ist durch die ausgedehntere Bekanntschaft
der Völker die Wissenschaft allerwärts zur Geltung gekommen und
die Kunst in allen Gauen Europas heimisch geworden. In vollster
Lebens- und Kraftentfaltung treten sofort die Völker des Abendlan-
des und auch unser Böhmenvolk in das neue Jahrhundert hinüber.
2. Die schönste und für uns interessanteste Frucht des Jahr-
231
himderts der ersten Kreuzzüge war die Vereinigung des regulirten
Lebens der Klöster mit dem Ritterstande — das Institut der
geistlichen Ritterorden. Da mit dem Lehenwesen in der
Regel ein ungeteilter Besitz zunächst für den Erstgebornen ver-
bunden war: so hatten zeither die Jüngern Söhne aus edlen Ge-
schlechtern ihr Unterkommen innerhalb der klöstertichen Mauern
und in den Domcapiteln des Landes suchen müssen, welche — zumal
die letzteren — eben dadurch sehr viel von ihrer ursprünglichen
Strenge verloren. Jetzt winkte dagegen im fernen heiligen Lande
die schönste ritterliche Ehre, und die Häupter der Christenheit rie-
fen alle Stände auf, solche zu gewinnen. Da nahm auch so man-
cher hochgeborne Kleriker mit Freuden das lang entwöhnte Schwert
wieder zur Hand, während ihm anderseits grade sein geistlicher
Stand auch in der Ferne den nöthigen Unterhalt bieten konnte.
So gab es geistliche Ritter, ehe es geistliche Orden gab.
Der erste wirkliche Ritterorden war der der Johanniter. Im
Jahre 1099 war nämlich in Jerusalem die Congregation der Hospital-
brüder zur Pflege der Pilger ins Leben getreten. Ihr Gründer war
der fromme Gerhard gewesen, und so mancher ritterliche Held war
sein Genosse geworden. Güter im neuen Reiche Jerusalem sowie auch
in Europa sorgten zur Genüge für die Bedürfnisse der geistlichen
Brüder und ihrer Genossen. ') Schwere Bedrängnisse des neuen Reichs
hatten wohl schon wiederholt den ritterlichen Pilgerpflegern das
abgelegte Schwert wieder aufgenöthigt : endlich, da voraussichtlich
die heiligen Stätten nur in stetem Kampfe zu behaupten waren,
fügte der zweite Vorsteher des Hauses Raymund de P u y zu den
bisherigen noch das neue förmliche Gelübde hinzu : gegen die
Ungläubigen zu kämpfen. Die sofortige Gliederung der Ge-
nossen in Ritter, Priester und dienende Brüder unter einem Gross-
meister und einzelnen Hauscommandeuren (Comthuren) bestätigte
Papst Innocenz IL So war der erste Ritterorden ausgebildet : sein
Zeichen blieb das weisse Kreuz auf schwarzem Kleide und das
rothe Kreuz in ihrer Fahne.
3. Fast gleichzeitig, als die Johanniter als kämpfende geist-
l) Schon am 15. Febr. 1113 bestätigte Papst Paschalis „dem ehrwürdigen
Sohne Geraudus , Gründer und Vorstand des Spittels S. Johann Bapt. zu
Jerusalem" alle Güter seiner Stiftung, wie auch die Güter der Filialspittel
zu St. Gilles, Pisa, Bari, Ydrontum, Tarent, Messina. (Damberger VII. 731.)
232
liehe Ritter sich erhoben, legten 9 französische Ritter unter Hugo
von Payens zu gleichem Zwecke das ritterliche Gelübde ab. Papst
Honorius IL gab ihnen auf Verwendung des heil, Bernhard im Jahre
1127 die Bestimmung, die Pilger auf dem Wege nach Jerusalem
vor Räubern zu schützen. Die Noth des jerosolimitanischen Reichs
führte endlich auch sie in den Kampf gegen die Sarazenen. Ihre Verfas-
sung war der der Johanniter bis in's Einzelne nachgebildet, ihr Ordens-
zeichen das rothe Kreuz auf weissem Kleide, ihr Name Tempelher-
ren, entnommen von ihrer ersten Niederlassung in einem Palaste Bal-
duinsll. in unmittelbarer Nähe des ehemaligen salomonischen Tempels.
4. Deutsche Pilger hatten schon im Jahre 1128 ein deut-
sches Hospital mit deutschen Hospitalbrüdern, jedoch unter der
Aufsicht des Grossmeisters der Johanniter gegründet. Daraus und
aus dem Zutritte zahlreicher deutscher Ritter, und durch die grosse
Hospitalstiftung reicher lübecker und bremer Bürger vor Accon er-
stand im Jahre 1190 der ritterliche Orden der Deutschherren
mit dem ersten selbstständigen Grossmeister Walpot von Bässen.
Die Regel und Verfassung war den früheren gleich; als Ordenszei-
chen galt ein schwarzes Kreuz auf weisem Mantel. Die feierliche Bestä-
tigung erfolgte nachmals durch Papst Clemens II. Wir übergehen hier
die vielen nachgebildeten Ritterorden in Spanien, Portugal und andern
Ländern, da sie für unsere Heimat keine Bedeutung haben. ')
5. Durch die Ausscheidung der ritterlichen Elemente aus den
Reihen des Klerus wurde die bereits angedeutete Reformation der
übrigen Geistlichkeit in hohem Grade begünstigt. Wie nun der
Säcularklerus zu kirchlichem Bewusstsein erwachte, wissen wir be-
reits. Indessen nahm auch der heilige Norbert, Canonicus von
Xanthen die Reform der Dom- und Collegiatcapitel in Angriff. In
Premontre (Praemonstratum) versammelte er diejenigen Canonicer,
die mit ihm nach der erneuten strengen Regel zu leben gedachten.
Seine nachmalige Erhebung auf den erzbischöflichen Stuhl von Mag-
deburg und alsbald auch die nähere Bekanntschaft mit seinen re-
formirten Capitularen gaben seinem Werke die weiteste Verbreitung.
So war der Orden der regulirten Chorherren, auch Prämon-
stratenser und Norbertiner genannt, in's Leben getreten. (1120.)
Zur selben Zeit hatte auch, wie bereits erzählt wurde, der
•JVon einer einheimischen Nachbildung dieser Orden — den Kreuzherren mit
rothem Sterne — wird später die Rede sein.
233
heil. Bernard das Mönchsleben neu geregelt und so den strengen
Orden der Cisterzienser in's Dasein gerufen. (1113 u. ff.) —
Vordem hatte der heil. Bruno, Canonicus von Rh eims, in der Ein-
öde Chartreuse (Carthusium) den Mönchsverein der Karthäuser
gegründet, der bei dem strengsten Leben das stete Stillschweigen
übte (1101). — Um 1156 bildete sich zunächst am Berge Karmel
unter B e r t h o 1 d aus Calabrien der Mön chsverein der Karmeliter.
Noch andere strenge Vereine folgten der Anregung jener Zeit;
doch die übrigen vor dem Jahre 1200 gestifteten sind nie bis in
unser Vaterland gedrungen. Hier aber zeigte sich am Ende dieser
Zeit ein ganz eigen thümli eher Orden, den man sonst nur noch in
Polen traf, unbekannt in seiner Gründung, aber wichtig genug in
seiner Verbreitung, der Orden der Wächter des heil. Grabes
(1190). Nach dem Muster der männlichen Vereine bildeten sich
sofort auch weibliche Genossenschaften , welche durch Beobachtung
derselben Regel und unter der geistlichen Leitung der refor-
mirten Ordensbrüder der Gnaden jener neuen Stiftungen theilhaftig
werden wollten.
§. 60. Anfänge der nordischen Kreuzzüge.
1. Für unser Vaterland sollte der Eifer der Kreuzfahrer alsbald
noch eine andere, als die Richtung nach dem Oriente gewinnen,
und hier die Zeit der orientalischen Kreuzkriege noch lange über-
dauern. Zu gleicher Zeit, als der Hilferuf Peters von Amiens und
des Papstes Urban IL die Aufmerksamkeit der Christenheit nach
Palästina lenkte, machte sich auch die Idee geltend, dass es nicht
minder verdienstlich sei, die christliche Religion gegen feindselige
Heidenstämme in Europa zu verth eidigen. Die Päpste säumten auch
nicht, alle geistlichen und weltlichen Vortheile der orientalischen
Kreuzzüge auf diese anderweitigen Kämpfe zum Schutze der Kirche
auszudehnen. So nahmen die Kreuzfahrten gegen die heidnischen
Nordslawen ihren Anfang, ebenso wie die eigentlichen Kreuz-
züge theils ein stetes Ziehen Einzelner, theils eine wiederholte
Vereinigung bedeutender Streitkräfte zum Kampfe gegen die chri-
stenfeindlichen Nachbarn.
2. Im 9. und 10. Jahrhunderte hatte es schon von Meissen
und Sachsen her an Kämpfen mit den Slawen nicht gefehlt. Aber
234
damals hatte man nur einzelne Stämme zu bekriegen, die theils
an sich den christlichen Nachbarn nicht hold waren, theils aber
auch gegen manche Ungebühr der Letzteren mit den Waffen sich
erhoben. Jetzt aber drohte die grösste Gefahr, als im J. 1034 alle
transalbinischen Slawen unter dem Obotriten Gottschalk zu
einem grossen Wendenreiche sich vereinten. ') Dieser kühne
Jüngling, bereits Christ, war seinen Erziehern in Lüneburg entflo-
hen, war wieder Heide geworden, und hatte alle seine Landsleute
zur Blutrache an den Sachsen wegen Ermordung seines Vaters auf-
gerufen. Ein grausamer Krieg entbrannte, zugleich Vertilgungskampf
gegen die christlichen Einrichtungen im eigenen und im nächsten
Nachbarlande. Nur wenig nützte die Gefangennehmung des Führers
durch Kaiser Conrad im J. 1036; denn nun stritten eine Menge
Häuptlinge auf eigene Hand. Mehr half Gottschalk's Kückkehr zum
Christenglauben und seine darauf folgende Heimkehr. Nun begün-
stigte er selbst die Aufnahme des Christenthums unter den Slawen,
und gab so auch den Nachbarn den Frieden zurück. 2)
3. Gottschalk wurde 1066 in einem Aufstande der unzufrie-
denen Heiden ermordet. Zwar hielt der nun folgende Kampf um
den Wendenthron die Parteihäupter im eigenen Lande fest; aber
der Kampf galt hier nicht weniger dem noch schwach eingewur-
zelten Christenglauben. Eine kurze Zeit schien zwar dieser mit
Buko, dem Sohne des gemordeten Gottschalk, wieder zu siegen.
Da erhob sich von Rügen her ein neuer Heidenhäuptling Kruko,
tapferer und glücklicher als irgend einer vor ihm. Bis zum J. 1075
erkämpfte sich dieser alle Herrschaft von der Oder bis zur Elbe.
Die Leichen der erschlagenen Christen und die Trümmer der zer-
störten Gotteshäuser und Altäre bezeichneten die Bahn seiner Siege.
Auch nach dem benachbarten Sachsen erstreckte sich endlich der
Vernichtungskrieg. Herzog Adolf und sein Sohn Magnus kämpften
vergeblich gegen den übermächtigen Feind. 3) Kaiser Heinrich ver-
geudete des Reiches Kraft im Bürgerkriege. So wuchs Krukos Kühn-
») Damberger VI. 111. W. Menzel Gesch. der Deutschen 226.
a) Damberger VI. 444, 639.
3) W. Menzel Gesch. der Deutschen 238. Damberger VI. 741, 970.
235
heit von Tag zu Tage, und immer lauter wurden die Klagen der
Christen in Sachsen sowohl, als in den angränzenden dänischen
Landern. Endlich kam es umsJ. 1095 unter dem tapfern und from-
men Könige Erich zu einem Waffenbunde tapferer Christen.
Wie die Gläubigen beim Concile zu Clermont, so nahmen auch
diese das Kreuz gegen den gewaltigen Feind des Kreuzes.1) Der
Erfolg war Krukos Unterwerfung unter die dänische Hoheit und
sein Versprechen, das Christenthum fortan zu dulden und sogar
selbst zu befördern. Als aber König Erich im J. 1104 mit Tode
abging, fiel Kruko vom Dänenreiche und vom Christenglauben wie-
der ab. Von Neuem begann die Verfolgung des Kreuzes. Aber
schon sammelten sich neue Kreuzfahrer um Bukos jüngsten Bruder
Heinrich. Kruko ward endlich gänzlich überwunden und fiel im
Kampfe (1105). Der christliche Heinrich ward König der Wrenden.3)
4. Der neue Wendenfürst vergass aber sehr bald, wem er
seine Herrschaft verdankte. Nicht lange, so hielt er es selbst mit
den Heiden im Lande, vielleicht weil sonst seine Herrschaft stets
gefährdet blieb. Er duldete die ärgsten Gräuel an den Christen.'
Im J. 1110 fiel er gar selbst an der Spitze der heidnischen Slawen
im Nordalbingien ein.3) Da rief Erzbischof Adelgold von Magde-
burg und mit ihm die Bischöfe Albuin von Merseburg, Walram
von Naumburg, Herwig von Meissen, Hezilo von Halberstadt, Hart-
brecht von Brandenburg, und überdiess auch weltliche Grafen des
östlichen Sachsenlandes die benachbarte Christenheit zu einem
neuen Kreuzzuge auf. In ihrem Ausschreiben4) schilderten sie mit
lebhaften Farben, wie die Slawen eben die Kirchen Christi durch
Götzendienst entweiht, die Altäre zerstört und Dinge an den Chri-
sten verübt hätten, die ein menschliches Herz zu hören sich scheue.
Sehr häufig seien sie ins deutsche Land eingefallen, hätten da
Keinen geschont, geplündert, gemordet, zerstört, viele in ausge-
suchter Weise gemartert, einige enthauptet, und die Häupter ihren
Götzen geopfert. Am Samstage in der Bittwoche sollten die Kampf-
lustigen in Merseburg und anderen bezeichneten Orten sich versam-
!) Vgl. Damberger VII. 323.
2) Vgl. Damberger VI. 741. VII. 29, 581, 582.
3) Ebend. VII. 664.
4) Urkunde bei Calles series episc. Misn. p. 106—109.
236
mein. ]) Ein besonderer Erfolg dieses Zuges ist nicht bekannt. Das Wen-
denreich Heinrichs ward sogar immer noch grösser und furchtbarer. 8)
Im J. 1120 sammelten sich neuerdings dänische Kreuzfahrer zum
Kampfe gegen ihn und seinen Lehenfürsten. Gleichzeitig erhoben
von Osten her die Polen gegen ihn die Waffen3) — diessmal, wie
es scheint, mit besserem Glücke. Denn weiterhin finden wir den
König Heinrich im Frieden mit den Christen und ausgesöhnt mit der
Kirche.4) Aber schon im J. 1126 fand Heinrich ein trauriges Ende.
Seine eigenen Söhne stellten sich an die Spitze eines Aufstandes
der mit ihm unzufriedenen Heiden und ermordeten ihn. Doch die
Blutthat strafte sich selbst. Im Kampfe um das Reich fielen auch
diese Söhne unter Meuchlerhänden im J. 1127. Das grosse Wen-
denland zerfiel in eine Anzahl kleinerer Gebiete, die sich selbst be-
kämpften. Das christliche Nachbarland hatte so eine Zeit lang
Frieden. Christliche Missionäre wagten sogar bis an die Ostsee
vorzudringen.5)
5. Noch einmal ward das Wendenvolk furchtbar unter Niclot,
dem Fürsten der Obotriten. Die deutsche Nachbarschaft erlebte noch
einmal die alten Gräuel alljähriger Raubzüge, uud bis nach Pom-
mern und Rügen hin wurden die kaum gegründeten christlichen
Gemeinden von den Heiden gemisshandelt und mit Füssen getre-
ten; selbst die Reiche der Polen und der Dänen sahen sich be-
droht. Unter solchen Umständen delegirte Papst Eugen III. unterm
11. April 1146 den Bischof Anselm von Havelberg, einen förmlichen
Kreuzzug gegen Niclot mit Verleihung der gewöhnlichen Indulgen-
zen zu verkündigen. Am 29. Juni brach in Folge dessen ein be-
deutendes Kreuzheer aus Sachsen auf. Es befanden sich dabei die
mährischen Fürsten Otto, Swatopluk und Wratislaw, und der be-
rühmte olmützer Bischof Heinrich Zdik. An der Spitze aller zog
der sächsische Herzog Heinrich der Löwe in den Kampf. Auch von
Dänemark her kam ein mächtiges Heer von Kreuzfahrern gegen
Niclot heran. Gleichzeitig begannen auch die Polen den Krieg ge-
') Ebendaselbst.
*) Damb erger VII. 922.
3) Ebend. VII. 932 etc.
4) Ebendaselbst.
5)Vgl. Damberger VIII. 115, VII. 933.
237
gen ihre gefährlichen Nachbarn. So musste endlich Niclot nach ver-
zweifelter Gegenwehr unterliegen. Die kleineren Fürsten der Sla-
wen unterwarfen sich einer nach dem andern, zumal nun Heinrich
der Löwe seine siegreichen Züge fast von Jahr zu Jahr erneuerte.
Niclot selbst fand erst im J. 1161 bei einem Ausfalle aus seiner
von Heinrich eingeschlossenen Burg den Tod. !) Das war das Ende
des Wendenreichs, zugleich das Ende des Widerstandes der trans-
albinischen Slawen gegen das Christenthum, und so auch das Ende
der Kreuzfahrten in die Gebiete der westlichen Ostsee. Desto er-
bitterter erhoben sich nun die Slawen in Preussen gegen ihre christ-
liche Nachbarn, und hiedurch erhalten die nordischen Kreuzzüge
für das nächste und nachfolgende Jahrhundert eine neue Richtung.
Diese Kreuzzüge aber werden für uns um so bedeutungsvoller sein,
da sie zum grossen Theile von unserem Vaterlande ihren Ausgang
nahmen.
Die kirchlichen Institute Böhmens in der Zeit des Reformationskampfes.
§.61. Das Prager Domstift.
1. Unter den geistlichen Instituten im Umkreise unseres Va-
terlandes nahm selbstverständlich die erste Stelle nach dem Bischöfe
das bischöfliche Domcapitel in Prag ein. Anfangs gleich
allen ähnlichen Stiftungen ohne einen persönlichen Vorrang seiner Mit-
glieder— blühte es in Kurzem unter den dringenden Bedürfnissen der
Zeit zu jeneiii hochberechtigten Körperschaft empor , welche nicht
nur die eigenen inneren Angelegenheiten selbstständig verwaltete, son-
dern auch dem Bischöfe mit Piath und That zur Seite stand und
bei dessen Verhinderung oder Ableben sogar die Verwaltung der
Diöcese in die Hände nahm. 2) Diess musste namentlich seit der
Zeit geschehen, als das Presbyterium von St. Veit, welchem sonst
nach alter kirchlicher Ordnung jene Rechte zustanden, zur Gänze
mit dem Domcapitel verschmolzen war. Diess scheint bereits un-
!) Vgl. Damberger VIII. 116, 120, 121, 145, 377, 378, 445—448, 640, 665,
795—798.
2) Die Domcapitel führten diese Verwaltung fortan bald als Körperschaft
(in corpore) bald nach der Reihe seiner Glieder (per turnum), bald durch
einen oder mehrere Vertreter aus ihrer Mitte (per delegatos).
238
ter dem ersten Bischöfe Dietmar geschehen zu sein. Unter dem
heiligen Adalbert weisstdas Capitel bereits hechehrwürdige und ein-
flussreiche Männer auf. Der Canonicus Prostiwoj starb bei Gele-
genheit des feindlichen Auftretens der Wrsowecen gegen den hei-
ligen Bischof den Martyrertod an jener Stelle in der Nähe des weis-
sen Berges, wo nachmals Herzog Boleslaw II. eine Kirche zu Ehren
der heil. Mutter Gottes und der heiligen Fabian und Sebastian er-
baute. *) Der Propst Willi co (Welich) leitete während Adalberts
erster Abwesenheit die geistliche Verwaltung der Diöcese, 3) sowie
sein muthmasslicher Nachfolger Po kor in ein Gleiches nach dem
zweiten Abgange des heil. Bischofs zu besorgen hatte. Darauf be-
stiegen die Pröpste Erhard, Hyzo und Severus nach einan-
der den bischöflichen Stuhl von Prag. Auch der nachmalige un ru-
hige Bischof Ja r om ir soll früher Propst des Domstifts gewesen sein.3)
Ein Capiteldechant wird in dieser Zeit noch nicht genannt.
2. Das Zeitalter des Reformationskampfes drängte das Dom-
capitel noch mehr in den Vordergrund aller kirchlichen Ereignisse
n unserem Vaterlande. Es beginnt gleichsam mit der zweiten Stif-
tung des Capitels. Bisher hatten die Canonici ihre geistliche Regel
fast gar nicht befolgt. Nun aber führte der neue Propst Marcus
ein Deutscher aus edlem Geschlechte, 4) eine neue Ordnung ein.
Er wählte aus der zahlreichen Domgeistlichkeit 25 Brüder aus,
welche er für die würdigsten hielt und verband sie durch einen Eid
zur Beobachtung der Regel des heil. Chrodegang, zum Tragen der
canonischen Kleidung und zum gemeinschaftlichen Wohnen im Ca-
pitelhause. 5) Bischof Meinhart vermehrte später die Zahl dieser
'} Pessina phosph. septic. 171. Cosmas u. A.
2) Willico trat später als Benediktinerbruder in das Kloster Monte-Casino
ein. Tomek G. P. I. 651.
3) Pessina phosph. septe. — Derselbe (einst Domdechant bei St. Veit) beruft
sich auf ihm vorgelegene Aufzeichnungen des Capitelarchivs. Er nennt
aber auch schon die Vorsteher der St. Veitskirche vor Errichtung des
Bisthums als Pröpste ; — und zwar den regensburger Priester Gerhard und
nach diesem den Hostiwod, letzteren zur Zeit der Einrichtung des Bis-
thums. Doch ward das Capitel als solches wohl erst zur Zeit des ersten
Bischofs ins Leben gerufen.
*) Tomek G. P. 651.
5) Ebendaselbst und Cosmas.
239
eigentlichen Canoniker auf 30. ]) Seitdem wird als zweiter Wür-
denträger des Capitels ein Dekan genannt. Leider schützte diese
Reform nicht gegen die Wirren, welche der unruhige Geist des
Bischofs Jaromir-Gebhard der Kirche Böhmens bereitete. Wenig-
stens hielt damals der Dechant des Capitels, der oftgenannte Chro-
nist Cosmas, als Jugendfreund nur allzu sehr an seinem weltlich
gesinnten Oberhirten. Aber bald glänzte wieder im Capitel ein
Stern erster Grösse. Nach Marcus-) und dem wenig bekannten
W i t o s 1 a w 3) ward der Sohn des Chronisten Cosmas 4) — Heinrich
Zdik — gerühmt als der grösste Mannseiner Zeit, zur Würde des
Propstes erhoben. Von seinem geistlichen Eifer zeugte eine
Pilgerreise, die er als Propst nach Jerusalem unternahm und auch
sonst mögen seine Verdienste nicht gering gewesen sein ; denn im
Jahre 1126 wurde er in Folge derselben zum Bischof von Olmütz
gewählt. Noch einmal pilgerte er in's heilige Land (1137) und
brachte diessmal von dort seine Begeisterung für den Prämonstra-
tenserorden zurück. Fortan erscheint er als dessen eifrigster Be-
förderer und als Mitbegründer seiner meisten Niederlassungen in
Böhmen und Mähren. Auch unter den heidnischen Preussen treffen
wir ihn als Kreuzfahrer und Glaubensprediger. Bei dem grossen
Werke der geistlichen Pieformationen stand er dem päpstlichen Legaten
Guido als erste Stütze zur Seite. Er starb nach Einigen als Prämon-
stratenserbruder — im Jahre 1151 und fand im Kloster Strahow seine
bleibende Ruhestätte. 5) — Als seine Nachfolger in der Prager Prop-
stei werden Hermann (von Ralsko, f 1133), Otto (angeblich von Swa-
benic), und Conrad (nach Andern Jurata) genannt. Von diesen be-
stieg Otto den Bischofsstuhl zu Prag und wurde der Reformator
Böhmens. Sein Nachfolger Conrad (Jurata) war zur Zeit
der Ankunft des Legaten Guido noch nicht einmal zum Priester
geweiht und obendrein beweibt: desshalb wurde er nebst dem da-
maligen Domdechant Peter, welcher nach einander sogar 3 Wei-
') Ebend. und Series episc. in Script. Boh. IL 438.
2) Marcus starb 1098. Tomek 651. Pessina phosph. 605.
3) Witoslaw c. 111. (Pessina 605.)
4) Vgl. Palacky 1. 400. Pessina phosph. 557 hielt ihn für den jüngsten Sohn
des Königs Wratislaw.
5) Vgl. Pessina 557 etc. Tomek G. Pr. 38. 99. 103. 142. Palacky 400 etc.
240
ber geeheligt hatte l) und dem verheirateten Canon icus Sebastian
aller geistlichen Würden entsetzt (1143). 2) Offenbar hatten die
Wirren der letzten Jahre die neue Ordnung des eifrigen Propstes
Marcus wieder vergessen gemacht.
3. Dagegen erhob sich das Capitel nach dieser neuen Reform
zu desto schönerem Glänze. Es erwarb den Ruhm des „allzeit ge-
treuen", der ihm später in Folge steter Bewährung zum privilegir-
ten Ehrentitel wurde. Zunächst hatte es nach dem abgesetzten
Conrad (Jurata) den gelehrtesten und gewandtesten Mann des Lan-
des, den nachmaligen Bischof Daniel als Propst erhalten, der ohne
Zweifel nicht wenig zur Förderung des geistigen — insbesondere
des wissenschaftlichen Lebens in dem geistlichen Musterhause, der
klerikalen Pflanzschule des Landes, beitrug. Er bestieg am, 29.
Juli 1148 den bischöflichen Stuhl. In der propsteilichen Würde
folgten ihm Heinrich (angeblich von Lipa, 1 148 — 11 50) und H r o z-
nata, ein besonderer Wohlthäter des Klosters Leitomischl, nach.
(c. 1150 — c. 1159.) 3) Wir haben gehört, wie Bischof Daniel der
treueste Anhänger seines Landesherrn und der innigste Vertraute
des Kaisers Friedrich Barbarossa wurde. So ward er in das trau-
rige Schisma jener bewegten Zeit verflochten. Leider mussten eine
Zeit lang auch das Capitel und der Klerus des Landes seinem Bei-
spiele folgen ; denn Bischof, Fürst und Kaiser hatten sich verbun-
den, mit Censuren und weltlichen Waffen die Anerkennung des
Gegenpapstes Victor zu erzwingen. So leistete man in den Jahren
1162 und 1164 gezwungen dem eben in Prag anwesenden Bischöfe
die canonische Obeclienz. 4) Bald aber ermannte sich vorerst das
Prager Capitel unter seinem Propste Ulrich (angeblich von Wal-
dek, 1160 — 1172), und zwar auf Anrathen der Bischöfe von Re-
gensburg (Hertwig) und Passau (Conrad) zur Anerkennung des recht-
mässigen Oberhauptes der Kirche. Ja es gelang ihm sogar, den Kö-
nig Wladislaw selbst von der Partei des Gegenpapstes abwendig
1) So und nicht anders ist die Anklage wegen dreier Weiber gemeint. Es
ist bekannt, dass selbst die orientalische Kirche dem Priester eine zweite
Ehe als schweres Vergehen untersagt.
2) Vgl. Tomek G. P. 103.
3) Vgl. Pessina phosph. 605. Tomek 651. Letzterer nennt den.Hcoznata nicht.
4) Chron. Vincentii ad 1162, Pulkava ad 1164.
241
zu machen. *) Da überdiess dem Capitel damals in Abwesenheit
des Bischofs die Administration der Diöcese zustand, so wurde
es ihm auch möglich, unser Vaterland vom Unsegen des Schisma's
zu erretten. 2) Auch nach dem Tode des Bischofs Daniel bewahrte
es dieselbe Treue bis zur Beilegung des unglückseligen Streites im
Frieden zu Venedig. In letzter Zeit führte Martin, ehedem Propst von
Leitmeritz, die Leitung des Domstiftes (1174— c. 1180), derselbe, den
wir später als grössten Beförderer des Johanniter-Ritterordens kennen
lernen werden. Ihm folgte Peregrin (1180—1182), der nachmalige
Bischof von Olmütz. Endlich beschliessen die Pröpste Kuno (1184),
Hermann (1184—1190) und Florian (1194—1201) 3) das kampf-
reiche Jahrhundert. Dem letzteren war das Glück beschieden, die
glorreiche Reformation in unserem Vaterlande zu erleben. 4)
4. Da wir in unserer Erzählung stets auch der besonderen
Beziehungen kirchlicher Institute auf die jetzige Diöcese von Leit-
meritz gedenken wollen : so erübrigt noch, jener Mitglieder des Pra-
ger Capitels uns zu erinnern, welche in dem beschriebenen Zeit-
räume als Archidiakone den einzelnen Archidiakonaten unseres
Bereiches vorgesetzt waren. Leider erfahren wir aus so alter Zeit
nur wenige Namen; erst späterhin wird in dieser Beziehung unsere
Geschichte reicher werden. Das Archidiakonat von Bilin wurde,
wie schon erwähnt ward, erst im Jahre 1216 errichtet. Das Leit-
meritz er Archidiakonat verwaltete im Jahre 1177 der Canoni-
cus Pfibislaw, vordem Archidiakon von Raudnitz, und nach 1181
Propst zu Altbunzlau. 5) Dem Archidiakonate Bunzlau stand in
den Jahren 1169 und 1177 der Canonicus Othmar vor. ü) Als Ar-
chidiakone zu S a a z werden von 1 181 bis 1 194 der Canonicus F r i e-
drich7)und von 1195 bis 1212 ein Canonicus Witek genannt.8)
f) Pessina 177.
8) Ebendaselbst. Das Capitel verordnete die Anerkennung Alexanders III. im
ganzen Lande. Cit. Radewic Can. Frising. scriptor coaevus.
3) Vgl. Tomek 651.
4) Vgl. §. 55.
5)Dobner annal. VI. 501.
6) Tomek I. 652. Acten des Prager Üapitelarchivs ad 1177. (A. IL I. 1.) Er-
ben regest. 139.
7) Bubna catal. cap. Prag. MS.
8) Urkunde des Capitelarchivs (B. I. I. 2). Als Archidiakone von Prag er-
16
242
§. 62. Das Gollegiatstift zu Leitmeritz.
Uns interessirt nun zunächst jenes altehrwürdige Capitel, wel-
ches dermalen noch die bischöfliche Stadt Leitmeritz ziert. Wir
wollen desshalb vor Allem die Männer näher kennen lernen, die das-
selbe in dem soeben besprochenen Zeitalter geleitet haben, — wir
meinen dessen Pröpste.
1. Schon die Geschichte unserer Bischöfe hat uns den ersten
derselben genannt. ]) Es war Lanzo, der ausgezeichnetste unter
den Hofgeistlichen Wratislaws IL Er war aus einem edlen sächsi-
schen Geschlechte entsprossen, 3) mutmasslich ein Verwandter des
h. Bischofs Benno von Meissen, und sonach wohl ebenfalls aus der
Gegend von Hildesheim stammend, 3) eben so ausgezeichnet durch
seine Gelehrsamkeit und seinen sittlichen Wandel, wie durch seine
äussere Erscheinung.4) Er hatte wohl lange schon vor der Errich-
tung des Leitmeritzer Stifts in Böhmen geweilt und sich viele Ver-
dienste um das Land erworben ; auch war er gewiss der böhmi-
schen Sprache im vorzüglichen Grade mächtig geworden. Nur so
erklärt es sich, dass der den Deutschen nichts weniger als freund-
lich gesinnte Herzog Spytihnew IL grade diesen Fremden zur pröpst-
lichen Würde für sein neues Collegiatcapitel auserkor, und dass der-
selbe ruhig im Lande verweilen durfte zu einer Zeit, wo der den
Fremden zürnende Fürst fast alle Deutsche des Landes verwies. 5)
scheinen: Peter (1143), Domaslaw (1167), Zdislaw (1181), Chwalek (1196);
von Pilsen: Herold (1131), Zdeslaw (1172); von Königgräz: Slawon (1167 —
1181); von Bechyn: Dietleb (1167), Hermann (1184), Engelbert (1186);
Wicemil (1191); von Kaurim : Peregrin (1167); von Raudnitz: Berthold (1167),
PHbislaw (1176); von Rokitzan: Zdislaw (1167); von Bischofteinitz : Chri-
stoph (1186). Vgl. Tomek 652 etc.
i) Vgl. 2. Periode §. 45.
2) Cosmas ad ann. 1067.
3) Crugerius ad 24. Januar.
4) Cosmas ad ann. 1067.
5) Jedenfalls sagt Cosmas ad ann. 1155 zuviel, wenn er dem Spytihnew das
Gebot zuschreibt, dass alle Deutschen ohne Ausnahme hätten das Land
meiden müssen. Dagegen spricht einfach schon die Bemerkung der leitm.
Stiftungsurkunde von 1057, dass peregrini, offenbar Deutsche, den leitme-
ritzer Markt besuchen. Uiberdiess war, abgesehen von unserem Lanzo
auch der grade damals eingesetzte Abt von Sazawa ein Deutscher. Vgl.
auch Palackv I. 293.
Nur so auch konnte ihn nachher der Herzog Wratislaw als den wür-
digsten und geeignetsten Mann für die bischöfliche Würde bezeich-
nen. Uibrigens hatte Lanzo gerade diesem Fürsten „in jeder Weiseu
die treuesten Dienste geleistet; insbesondere war er noch zuletzt
sein treuer Begleiter in dem Feldzuge gegen die Polen (1167). f)
Wohl war es die besondere Klugheit in allen Geschäften des Hofes
und des Landes, die ihm damals beim böhmischen Volke den Beina-
men des Fuchses (man nannte ihn Luska) verschaffte. a) Wir haben be-
reits erfahren, wie die Erhebung dieses Mannes zur bischöflichen Würde
scheiterte. Nationale Sympathien und die Hoffnung eines bischöf-
lichen Genossen im Widerstände gegen Wratislaw riefen damals
lauter nach dem Prinzen Jaromir, der auch sofort unter dem Na-
men Gebhard vom bischöflichen Stuhle Besitz nahm. 3) Fortan ge-
schieht unseres Propstes keine weitere Erwähnung mehr. Doch ist
es mehr als wahrscheinlich, er habe nach wie vor nach der Sitte
jener Zeit als Hofgeistlicher bei Wratislaw gelebt, und sei dessen
Freund und Rathgeber geblieben. Den Verfall unseres Vaterlan-
des in den traurigen Kirchenstreit und in das noch schlimmere
Schisma erlebte er nicht. Er starb im Jahre 1075. 4)
2. Als zweiter Propst wird Andreas genannt, entsprossen aus
jenem edlen Geschlechte Mährens, das später den erblichen Namen
der Herren von Dubrawic annahm. 5) Er war doctor äecretoram
') Cosmas ut supra.
2) MS. Chronik des ehem. Klosters S. Georg (jetzt in der prager Universi-
tätsbibliothek).
3) Vgl. § . 45.
4) So alle handschriftlichen Series. Von solchen liegen nachgenannte vor:
1. Die Bretfeldische in einer 1811 veröffentlichten völlig unkritischen Ge-
schichte des leitm. Capitels; 2. die des Crugerius ad 3. Aug. seiner „Sacri
pulveres"; 3. die der illustr. Chronik v. Böhmen II. 501,- 4. die handschrift-
liche im leitm. Capitelarchive ; 5. die handschriftliche in Hohns „antiquitates
ecclesiarum circuli Litomericensis" 6. die handschriftliche des Valentin
Weidner im Klosterarchive bei S. Thomas in Prag; 7. die handschriftliche
in Hammerschmidts „Chronica aliquot urbium regiarum" in der prager Uni-
versitätsbibliothek. Diese alle sind offenbar ursprünglich aus einer Quelle
geflossen, nämlich aus den mangelhaften Daten des leitmeritzer Capitelar-
chivs. Die Series dieses gegenwärtigen Werkes ist nach gleichzeitigen Ur-
kunden ergänzt u. berichtigt.
5) Dubrav. IX. — Erbliche Familiennamen erscheinen auch bei dem höchsten
Adel Böhmens und Mährens erst nach dem Ende des XII. Jahrhunderts.
16*
244
oder des kanonischen Rechts *) und wird in den Traditionen des
Capitels als ein sehr frommer Kleriker gerühmt. Als solcher war
er frühe schon ein Günstling des damals bloss erst in Mähren herr-
schenden nachmaligen Königs Wratislaw. 2) Später zählte er zu
den beliebtesten Caplänen des böhmischen Königshofes und ver-
einigte in seiner Person die Würden eines Domherrn zu Prag, und
Propstes der Capitel zu Leitmeritz, Olmütz und Brunn. 3) Leider
verfiel auch er mit seinem königlichen Gönner in das traurige
Schisma, welches von 1080 bis 1088 an dem irregeleiteten Könige
einen so eifrigen Verfechter fand. Auch mochte ihn im Jahre 1088
das vom Bischöfe Jaromir über den König und sein Haus allerdings
unrechtmässig verhängte Interdict mit berühren. 4) Ausgesöhnt mit
dem rechtmässigen Papste wurde er — wahrscheinlich kurz vor
dem Tode seines königlichen Freundes (f 14. Jänner 1092) —
auf den bischöflichen Stuhl zu Olmütz durch die einstimmige
Wahl des dortigen Capitels erhoben. 5) Seine bischöfliche Conse-
cration verzog sich aber durch dieselben Umstände, wie die des neuen
prager Bischofs Cosmas ü) bis 12. März 1094 , wo sie endlich durch
den Erzbischof Rudhard von Mainz auf einer zu Mainz versammel-
ten Generalsynode des deutschen Reichs zugleich mit der Weihe
des neuen Bischofs von Prag Statt fand. Nun erst verzichtete An-
dreas auf die seit 19 Jahren bekleidete Propsteiwürde von Leitme-
ritz. 7) Unter ihm erst soll das mährische Bisthum seinen blei-
benden Sitz in Olmütz erhalten haben, nachdem seine beiden
Vorgänger angeblich die Kirche des h. Petrus in Polesowic bei We-
lehrad (nach Andern aber in Kuniowic bei Olmütz) als Kathedrale
Wenn alle Serien diesen Propst geradezu Andreas von Dubrawic nennen,
so soll diess wohl nur soviel sagen, dass die Herren v. D. diesen Andreas
späterhin zu ihren Ahnen gezählt haben. Vgl. Palacky IL 1. 29.
') Aug. Olomuc. —
a) Series des leitm. Capitelarchivs.
3) Bubna catal. capit. Prag. — Augustin. Olomuc. — Dubrav. —
4) Vgl. §. 47.
5j Dubrav. 1. IX. nennt ihn „electus ex corpore suo"; also war er unzweifel-
haft Mitglied des Capitels.
6) Vgl. §. 5.
') So stimmt auch die Angabe der Serien über Amtsdauer seines Nachfolgers.
245
inne gehabt hatten. ') Andreas starb zu Olmütz am 22. Mai 1097,
und ward im dortigen Dome beigesetzt.2)
3. Nach der Resignation des Andreas erhielt Letoslaw die
Propstei zu Leitmeritz. 3) Er war ebenfalls, wie sein Vorgänger,
einem mährischen Adelsgeschlechte entstammt, angeblich demsel-
V
ben, das sich später den erblichen Namen der Herren von Swabe-
nic beilegte. 4) Ist dem so, so war er ein Verwandter des nachmali-
gen Bischofs Otto von Prag, vielleicht sogar dessen Bruder und
derselbe Letoslaw, der die Kirche am Zderas in Prag gründete und
daselbst seinen am 11. Juli 1190 vom Prinzen Bretislaw ermorde-
ten Vater Zderad, den beneideten Günstling Wratislaws IL begrub. 5)
Möglich, dass der zum Throne gelangte Bretislaw zur Sühne für
die am Vater verübte Schuld ebenso im Jahre 1094 unserem Le-
toslaw die Propstei von Leitmeritz verlieh, wie er später den Otto
mit einem Canonicate zu Prag und der Propstei zu Sadska, nach-
mals mit der Propstei des prager Domstifts und endlich sogar mit
dem prager Bisthum zu versorgen bemüht war. 6) Dieser Leto-
slaw hinterliess bei der von ihm erbauten Kirche am Zderas reiche
Stiftungen, die überdiess auch der Bischof Otto freigebig vermehrte. 7)
So war für die nachmalige Stiftung eines Klosters bei diesem Got-
teshause bereits eine Fürsorge getroffen worden. 8) Unser Propst
Letoslaw starb im J. 1125. 9)
l) Baibin. miscell. D. I. L. 2. C. 7. — Aug. Olomuc. edit. Fr. Xav. Richter
3) Eben das. Vgl. Dobn. ann. VI.
3) Rohn (Antiquit. eccles. MS.) deutet aus Anlass der Angabe aller Serien
dass dieser Propst 32 Jahre lang im Genüsse dieser Pfründe gewesen sein
solle, die Vermuthung an, dass hier vielleicht der Name eines zwischen
Andreas und Letoslaw zu setzenden Propstes fehlen könne. Positive
Anhaltspunkte gibt es für diese Vermuthung nicht. Ein 32jähriger Pfrün-
denbesitz ist übrigens bei dem Umstände leicht denkbar, dass erweislich
auch der jüngste Kleriker (oft noch im ersten Jünglingsalter) solche kirch-
liche Benelicien erhalten konnte.
4) So alle Serien der Pröpste, die ihn geradezu einen Grafen von Swabe-
nic nennen.
5) Vgl. Palacky I. 323.
G) Bubna catal. capit. Prag.
7) Ebendaselbst — und Dalimil.
8) Hundert Jahre nach der Erbauung ward hier das Kloster der Kreuzherren
vom Grabe Gottes gestiftet, dessen wir später gedenken werden.
9) Nach den Serien.
246
§. 63. Fortsetzung.
4. Nach Letoslaws Tode erhielt ein gewisser Beneda die
pröpstliche Pfründe zu Leitmeritz. Ohne Zweifel gehörte derselbe
in die Zahl der Hofcapläne des ebenfalls im J. 1125 auf den Thron
gelangten Herzogs Sobßslaw. Die Serien der Pröpste sagen nichts
Weiteres von ihm, als dass er ein Enkel des Grafen Thasius ge-
wesen sei. Es ist wohl hiemit jener Graf Thaz gemeint, dessen
beide Söhne Naöerat und Wznata im J. 1085 bei der Besitznahme
der Mark Meissen durch König Wratislaw ihr Leben verloren und
damals weit berühmt waren als „riesige Säulen des Vaterlandes und
glänzend vom Lichte der Tugenden." ') War unser Beneda der Sohn
eines dieser edlen Helden, so wollte Herzog Soböslaw durch die
Begünstigung desselben wahrscheinlich die Dankesschuld seines ei-
genen Vaters (Wratislaw IL) zum Theile abtragen. Propst Beneda
starb nach 14jährigem Genüsse der Propstei im Jahre 1139. 2)
5. Von dem darauffolgenden Propste Sebastian ist etwas
Weiteres nicht bekannt, als dass er im Jahre 1144 die von Herzog Wla-
dislaw IL ausgestellte Confirmationsurkunde des olmützer Bisthums
als Zeuge unterschrieb. 3) Eben daraus geht aber hervor, dass auch
Sebastian am Hofe des Herzogs lebte, also vielleicht- bis zu seiner
Erhebung zur propsteilichen Würde (1140) ein Anhänger des da-
maligen Prinzen Wladislaw, und nun nach Berufung des letztern
auf den herzoglichen Thron dessen ergebener Capellan. Lange hat
dieser Sebastian die leitmeritzer Pfründe nicht inne gehabt ; da im
J. 1167 bereits sein Nachfolger daselbst mit Tode abgegangen ist.
6. Als Nachfolger nennen die Serien den H r o z n a t a, einen an-
geblichen Grafen vonMelnikund Abkömmling Slawibors des Schwieger-
vaters Boriwojs I. Dieser Hroznata war ein Mann von ausgezeichneter
Frömmigkeit und Heiligkeit, so dass er dadurch sogar die Vor-
*) Cosmas ad ann. 1087. Ein zweiter Graf Thasius würde wenigstens durch
einen Beisatz unterschieden worden sein.
2) So die Serien.
3) Erben regesta p. 110. Irrig nennt der Index bei Erben (p. 749) diesen
Sebastianus decanus Litomericensis. Dem widerspricht schon der Wort-
laut der Unterschrift, wo Sebastianus nach den Pröpsten von Prag, Wyäc-
hrad und Melnik als Sebastianus Litomericensis angeführt ist, — mehr
aber noch der Umstand, dass es bis zum J. 1340 keine Capiteldekane in
Leitmeritz gab.
247
züge seiner Geburt verdunkelte. Er war auch einer der vorzüg-
lichsten Förderer des damals in Böhmen emporblühenden Ordens der
Prämonstratenser : als solcher schenkte er dem neuen Convente zu
Leitomysl das Dorf Olsany (20. Jan. 1167), während sein Bruder
Nemoy zu gleicher Zeit das Dorf Rugne dem neuen Stifte übergab. ')
Wir werden später erfahren, wie alsbald ein anderer Hroznata, eben-
falls Graf von Melnik genannt, dem Orden der Prämonstratenser
die Klöster zu Tepl und Chotösau erbaute, und überdiess seine sehr
bedeutenden Güter bei Leitmeritz fast durchwegs frommen Zwecken
weihte. Muthmasslich war dies ein Neffe unseres Propstes, dieser aber
ein Bruder des nachmaligen prage.r Bischofs Andreas und Sohn je-
nes Hroznata, der am 6. Oktober 1152 als Wallfahrer zu Jerusa-
lem gestorben war. 2) Die Serien geben das Sterbejahr unseres
Propstes auf 1157 an : nach dem oben Gesagten muss selbes jedoch
erst nach dem Jahre 1167 fallen.
7. Ihm folgte M a r t i n u s in der pröpstlichen Würde nach. 3)
Dieser ist erweislich im Jahre 1169 Propst des leitmeritzer Capi-
tels gewesen ; denn als solcher wird er in zwei für das mährische
Stift ßaigern im selben Jahre ausgestellten Diplomen des olmützer
') Erben regest. 138 u. 139. Hier wird der Schenker einfach nur Hroznata
praepositus genannt. Wohl nennt Pesina phosp! p. 605 einen Hroznata
praepositus Pratensis, der aber nach ihm am 6. April 1152 gestorben ist,
und um so weniger der Schenker von Olsany gewesen sein kann, -als ebenfalls
nach Pesina's Angabe 1161 n. 1167 u. urkundlich (Erben regest. 134. 137#
139. 143. 145. 149) sogar vor 1160—1172 Ullrich von Waidekais prager
Propst genannt wird. Ebenso wenig war aber jener Hroznata der 1144
urkundlich genannte Propst Hroznata von Melnik; denn in den Jahren
1160—1167 war urkundlich (Erben reg. 135. 137. 139. 151. 157) bereits
sein in obiger Urkunde ebenfalls genannter Nachfolger Jurata Propst zu
Melnik. Auch war jener Hroznata nicht Propst auf dem Wysehrad; denn
dort bekleidete diese Würde urkundlich v. 1146 — 1188 ein gewisser Gcr-
vasius. (Erben reg. 118—181.) Ebenso konnte er auch nicht Propst von
Sadska sein, wo nach 1165 ein gewisser Albertus (1167 ein Paltnir) dieser
Würde vorstand (Erben 137 u. 139,; endlich auch nicht Propst v. Alt-
bunzlau, wo urkundlich von 1160 an ein Propst Petrus erscheint. (Erben
reg. 135. 137.) Also war es ein Propst v. Leitmeritz.
2) Weleslawin Kai. bist. Vgl. Balbin's Stammbaum der Guttensteine.
3) Mit einziger Ausnahme des M. S. v. Rohn (antiq. eccl.) kennt keine der
bisherigen Serien diesen Propst, — jedenfalls irrig, wie sich zeigen wird.
Uiberhaupt werden jene Serien hierorts mehrfach eine Vervollständigung
u. Berichtigung linden.
248
Herzogs Friedrich und ebenso in einer wieder in demselben Jahre
zu Gunsten des Johanniterordens ausgestellten Schenkungsurkunde
des Königs Wladislaw I. ausdrücklich als Zeuge angeführt. ') Es ist
daraus zugleich ersichtlich, dass Martin gleich seinen Vorgängern
als Caplan und Notarius am fürstlichen Hofe lebte. Er war der
Neffe des Propstes Gervasius vom Wysehrad, des berühmten könig-
lichen Kanzlers, der in den Jahren 1158 und 1162 auch als tap-
ferer Krieger in Italien an der Seite seines Königs kämpfte 2), und
derselbe Notarius und Unterkanzler Wladislaws L, der als ehrsa-
mer und in der Beredsamkeit wohlgeübter Kleriker, und als beson-
ders treuer und geliebter Diener seines Fürsten bekannt, im Jahre
1164 an der Spitze einer nach Constantinopel bestimmten ehren-
vollen Gesandtschaft sich befand. 3) Die Propstei zu Leitmeritz,
die er jedenfalls der Huld seines königlichen Gönners verdankte,
besass er nicht lange. Wahrscheinlich erst um 1168 zu derselben
erhoben finden wir ihn im Jahre 1174 schon in der ansehnlichen
Würde eines Propstes des prager Domstifts,4) zu der ihn eben-
falls die Gunst seines königlichen Herrn befördert hatte. 5) Aber
auch in dieser Stellung, die ihm ohne Zweifel durch den im Jahre
1179 ausgebrochenen Thronstreit und Bürgerkrieg herb verbittert
wurde, verblieb er nicht lange. Vielleicht in derselben Zeit, sicher
aber im Jahre 1180 trat er in den von ihm hochverehrten Orden
der Johanniter ein, — allerdings mit Vorbehalt seines pröpstlichen
Titels. ü) Diesen Orden hatte eigentlich Martin selbst in Böhmen
eingeführt; denn schon im Jahre 1156 hatte er demselben in Ge-
meinschaft mit seinem Onkel Gervasius aus eigenem Vermögen
die Kirche und das erste Hospital bei St. Maria an der prager
Brücke erbaut, 7) und ansehnliche Güter am Flusse Mies zum Be-
') Urkunde in Erben regesta. p, 143— -145 u. bei Magnoald Ziegelbauer:
Chron. mon. Brewnow.
a) Tomek Gesch. P. I. 651. Hammerschmidt gloria eccl. Wysehrad. p. 487.
3) Chron. Vincentii (Mon. Boh. I. 76). Chron. Pulkavae (ibid. IV. 188). Vgl.
Urkden. bei Erben reg. 132 u. 137.
4) Urkunden bei Erben reg. ad. 1174 etc. (p. 151, 156, 158, 166); Tomek
Gesch. Prags I. 651.
6) Diess war jedenfalls schon im J. 1173 noch vor der Thronentsagung des
Königs geschehen.
fa) Der neue Prager Propst Peregrin wird von 1180 an genannt. Tomek I. 651.
*) „Duces et reges Bohemiae" in Monum. Boh. III. p. 35. u. Dobncri obser-
vationes pracviae daselbst p. 27.
249
sitze geschenkt. l) Jetzt nahm er auch das Kleid dieses Ordens
und zog als geistlicher Ritter ins heilige Land. Um das Jahr 1183
kehrte er von dort als „Präceptor der Ordens über Ungarn,
Böhmen und alle im Osten, Süden und Norden an gr an-
wenden Länder" zurück, und erwirkte in dieser Eigenschaft die
namhaftesten Schenkungen für seinen Orden in unserem Vaterlande.
Im J. 1186 ging er neuerdings nach Jerusalem. Von 1189 an fin-
den wir ihn abermals im Interesse seines Ordens in «Böhmen thä-
tig. 2) Er soll im J. 1199 noch gelebt haben.3) Sein Sterbejahr
ist uns unbekannt.
8. Nach dem Abgange Martins erlangte D o b r o m i r die Würde
des Propstes zu Leitmeritz. Derselbe soll ein Bruder jenes Georg
Trosicky gewesen sein, der im Jahre 1158 den König Wladislaw
in den italienischen Krieg begleitet, und dort wegen ausgezeichneter
Tapferkeit vom Kaiser Friedrich ein Ehrenwappen erhalten hatte. 4)
Von diesem Propste ist weiter nichts bekannt, als dass er schon um
1170 gestorben sein soll.5) Wahrscheinlicher ist es aber, dass er
um diese Zeit erst zur pröpstlichen Würde gelangte, und bis um
das Jahr 1187 dieselbe verwaltete; denn in letzterem Jahre erst wird
sein Nachfolger urkundlich erwähnt. Da Dobromir's Name in den
noch aufbewahrten öffentlichen Urkunden dieser Zeit nicht genannt
wird, Hesse sich vielleicht vermuthen, dass dieser Propst damals
irgendwo ausser Landes lebte, etwa am Hofe der nach Wladislavs
Thronentsagung zu Merane in Thüringen wohnenden Königin Judith.
9. Vom Jahre 1187 an erscheint urkundlich der Propst Ra-
dost a von Leitmeritz. 6) Unsere Serien (sowie auch einige Wyse-
hrader Urkunden) nennen ihn auch Gaudentius. Es ist diess ohne
Zweifel derselbe Radosta, den wir in den Urkunden um 1174 als
Caplan Sobeslaws IL, des Bauernfürsten, kennen lernen, 7) und wie-
') Urkde. Erben reg. 181.
~)Dobneri annal. VI. 534, 570, 590; Erben regesta p. 167, 174, 183; Bubna
Canon, cap. Prag.
3) Bubna 1. c.
4) Illust. Chronik v. Böhmen IL 503; Crugerius; vergl. Chron. Neplachonis,
Pulkavae, Hajek etc. ad ann. 1059.
5) So die Serien mit Ausnahme Rohns.
6) Erben reg. p. 179, 180, 183.
7) Urkde. Erben reg. p. 150.
250
der derselbe Radosta, welcher im J. 1181 als Canonicus des pra-
ger Capitels erwähnt wird. ') Von 1187 an erscheint er ohne Un-
terbrechung bis zum Jahre 1199 als Propst von Leitmeritz, 8) welche
kirchliche Würde er wahrscheinlich dem Herzoge Friedrich zu ver-
danken hatte. Dass auch er als Hofgeistlicher in beständiger Nähe
seines Fürsten lebte, dafür bürgt seine wiederholte wZeugenschaft in
landesfürstlichen Urkunden 3) ; für seine thätige Verwendung in öffent-
lichen Angelegenheiten aber zeugt seine Theilnahme am Landtage
zu Sadska im J. 1189, wo unterschiedliche Gesetze für die Ruhe
und Ordnung des Landes festgesetzt wurden. 4) Sein Sterbejahr
ist uns nicht bekannt. 5) Jedenfalls schloss er das zwölfte Jahr-
hundert ab, und wir nehmen desshalb von ihm Uibergang auf die
Vorsteher des andern Collegiatstifts innerhalb der jetzigen Grän-
zen des leitmeritzer Bisthums.
§. 64. Die Pröpste des Collegiatstifts zu fflelnik.
1. Als erster nachweisbarer Propst zu Melnik erscheint in
den Serien ti) S e v e r u s, und zwar um das Jahr 1086. Demselben wid-
mete unser ältester Chronist Cosmas seine oft erwähnte Chro-
nik. Er nennt ihn in seiner Widmungsschrift seinen geliebten Freund,
und einen Mann, der mit wissenschaftlichen und geistlichen Kennt-
nissen gleichmässig ausgerüstet sei. 7) Vordem war er des Cos-
]) Ebend. p. 106.
~) Zuletzt noch 1199 als Zeuge in einer Urkunde des Herzogs Otto. (Dob-
neri annal. VI. 590.)
3) Erben reg. 179, 180, 183.
4) Pubitschka IV. 4G1.
5) Die bisherigen Serien setzten irrig sein Ableben in das Jahr 1188. Nur
einige (Bretfeld, Weidner, illust. Chronik) sagen, — ebenfalls irrig, —
dass sein Name 1188 zum letzten Male genannt werde.
6) Dem Verfasser sind folgende Serien der melniker Pröpste zur Hand:
1. Die Series des „Extractus ex libro memorabilium decanalis ecclesiae
Melnicensis" von Dechant Josef Ritter. von Wlkanowa 1726, — geschöpft
aus den wenigen noch übrigen Akten in Melnik u. aus dem „Extractus de
annalibus monasterii S. Joannis sub rupe fol. 25 (Diadochus scu successio
quorumdam D. D. praepositorum colleg. eccl. Melnicensis)", das M. S. im
leitm. bisch. Archive. — 2. Die Series in Kohns: Antiquitates ecclesiarum
circuli Boleslav. p. 85 et seq. — Keine dieser beiden Serien ist vollständig.
7J Cosmas.
251
mas Mitcapitular im prager Domstift gewesen. ') Weiteres ist von
ihm nicht bekannt. Wahrscheinlich aber gehörte er ebensowohl
wie seine Nachfolger zur Hofgeistlichkeit des regierenden Landes-
fürsten. Auch sein Sterbejahr ist nirgends ausdrücklich erwähnt.
Aus dem Umstände aber, dass Cosmas sein Werk erst kurz vor
seinem im Oktober 1125 erfolgten Tode vollendete, und erst in die-
ser Vollendung unserem Propste Severus weihte, lässt sich schliessen,
dass letzterer wohl erst nach dem Jahre 1125 aus dem zeitlichen
Leben geschieden sein muss.
2. Als seinen Nachfolger nennen die Serien um 1125 den Propst
G e r v a s i u s. 2) Es ist diess wahrscheinlich derselbe Gervasius, dem
Cosmas das um 1110 fertig gewordene erste Buch seiner Chronik
gewidmet hatte. Damals war dieser Gervasius noch „Oberältester"
(archigeron) oder Vorstand der Schule der Kleriker am prager Col-
legiatcapitel, und anerkannt als in allen Studien der freien Künste
vollkommen bewandert und in der Kenn tniss jedweder Wissenschaft
ausgezeichnet. 3) Näheres ist auch von ihm nicht bekannt. Dass
er mit dem im Jahre 1178 abgeschiedenen obersten Kanzler und
Propste Gervasius (Kanzler bereits 1146 4) von Wysehrad eine Per-
son gewesen sei, ist wohl nicht unmöglich aber doch etwas unwahr-
scheinlich, indem er dann mindestens ein Alter von 100 Jahren er-
reicht haben müsste.
3. Um 1144 wird in öffentlichen Urkunden ein melniker Propst
Hroznata genannt. 5) Damals gehörte er unzweifelhaft zur Hof-
geistlichkeit des Herzogs Wladislaw. Weiteres wissen wir nicht
von ihm, falls er nicht identisch ist mit dem nachherigen Propste
Hroznata von Leitmeritz. ü) Die Beförderung von Melnik nach Leit-
meritz hat allerdings einige Beispiele für sich.
4. Als nächster Propst erscheint Jurata, den mehrere lan-
desfürstliche Urkunden aus den Jahren 1160 bis 1168 unter die-
1) Bubna can. cap. Prag.
2) Obige Serien.
3) Cosmas am Anfange des 1. Buches. Vergl. Scriptor. rer. boh. Tom. I-
praef. p. XL et X.
4) Erben reg. 118.
5) Urkd. bei Erben reg. 109, 110. Die oben citirten Serien kennen diesen
Propst nicht.
c) Vgl. oben §. G3.
252
sem Titel als Zeugen aufführen. ]) Dieser Propst ist doppelt in-
teressant, einmal im Allgemeinen, indem späterhin ein rechtmässi-
ger Sohn desselben auftritt, so dass Jurata entweder als Propst
(wohl ohne die Priesterweihe) oder vordem verheiratet war, — und
dann wieder insbesondere für die jetzige leitmeritzer Diöcese, in-
dem ihm ein Theil der heutigen Stadt Grabern als Eigenthum gehörte.
Erweislich vertauschte nämlich des Jurata Sohn Chren sein Erbgut
in „Cravar" mit der ganzen dazu gehörigen Waldung gegen den
Hof Radowesic an das Kloster zu Doxam 2) Jurata scheint im J.
1168 mit Tode abgegangen zu sein. 3)
5. Ihm folgte bereits im Jahre 1168 der berühmteste aller
Pröpste von Melnik, der selige Adalbert.
Adalbert war der dritte Sohn des Königs Wladislaw, geboren
von Gertrud von Oesterreich, der edlen Stifterin des Jungfrauen-
klosters zu Doxam Nachdem er als etwa achtjähriger Knabe seine
Mutter durch den Tod verloren hatte, ward er in das neugegrün-
dete Prämonstratenserkloster Strahow zur Erziehung gegeben, ebenso,
wie nachmals seine ebenfalls als selig verehrte Schwester Agnes
in das Kloster zu Doxam 4) Hier lernte er von Kindheit auf das
geistliche Leben kennen und lieb gewinnen. Hier sammelte er auch
einen reichen Schatz von Kenntnissen und erwarb jene ausgezeich-
neten Tugenden, die ihn bald allerwärts bekannt und beliebt mach-
ten. Er widmete sich bleibend dem geistlichen Stande und erhielt,
kaum 24 Jahre alt die eben erledigte Propstei des Collegiatstifts
zu Melnik (1168). Noch in demselben Jahre aber wählte ihn das
Domcapitel zu Passau zu seinem Bischöfe, und bevor er noch Zeit
') Erben reg. 135, 137, 139, 141.
8) Urkunde bei Erben reg. ad ann. 1170. p. 157. Tomek I. 100 verlegt
irrthümlich dieses Crawar hinter Liben bei Prag. Wir kommen darauf
bei Besprechung des Klosters Doxan wieder zurück.
a) Eine Vermuthung drängt sich auf: War vielleicht der 1145 vom Cardinal
Guido wegen seines verheirateten Standes entsetzte prager Propst nach-
mals wieder zu einem geistlichen Amte gekommen? Wurde er in einer Zeit
da die Reformation Guidos wieder vielfach umgangen ward, mit der Propste '
Melnik versorgt? (Vgl. §. 52.)
4) Chron. Pulkavae ad ann. 1151. (Mon. Boh. III. 166). Mika „das ruhmwür-
dige Doxan" p. 21, cit. Strahöwer Jahrbücher. Vgl Palacky I. 430.
253
gewonnen hatte, die Annahme dieser Würde zu erklären, erkor ihn
auch das Capitel zu Salzburg zu seinem Metropoliten. ')
Von da an begann die Zeit schwerer Leiden für Adalbert.
Das Salzburger Domcapitel, bisher wegen seiner offenen Erklärung
für den rechtmässigen Papst Alexander III. vom Kaiser Friedrich
viel verfolgt, hatte den böhmischen Prinzen in der Hoffnung ge-
wählt, dass dieser wenigstens als Sohn eines langjährigen Freundes
dem gereizten Kaiser genehm sein und so die kaiserliche Bestäti-
gung finden werde, und dass man so nicht erst genöthigt werden
möchte, einen erklärten Schismatiker als Erzbischof anzunehmen.
Diese Hoffnung war vergeblich. Dem Kaiser stand die Parteinahme
für seinen schismatischen Papst höher, als die schon längere Zeit
schwankende Freundschaft mit dem böhmischen Könige. So kam
es, dass Wladislaw und Adalbert auf dem Hof tage zu Bamberg statt
der gewünschten Belehnung des letztern mit den Regalien — nicht
einmal Zutritt erhielten. (8. Juni 1169.) Ja der Kaiser brach sogar
noch im folgenden August mit bewaffneten Schaaren gegen Salz-
burg auf, und strafte durch furchtbare Verwüstung des Landes das
ihm verhasste Capitel. *) Vergeblich bemühte sich Adalbert den
erzürnten Kaiser zu versöhnen, indem er demselben die Feste und
Stadt Salzburg und alle Burgen, Ministerialen, Ortschaften und
Zehnten des Erzstifts ohne Vorbehalt als einzigen Gegenstand weltli-
chen Interesses überlieferte, ja sogar noch 5000 Mark Silbers und
20 Pfund Goldes herauszuzahlen versprach, und selbst nichts Wei-
teres haben wollte, als sein geistliches Amt, 3) das er durch Con-
secration von Seiten des Patriarchen zu Aquileia und durch Em-
pfang des erzbischöflichen Palliums von Seiten des Papstes Alexan-
der III. bereits übernommen hatte. 4) Alles war vergeblich. Fried-
rich bedrängte das Capitel, dass es zu einer neuen Wahl schreite, 5)
und befahl strengstens dem Klerus des erzbischöflichen Sprengeis,
dem Erzbischof Adalbert den Gehorsam zu verweigern. 6) Aber
l) Palacky I. 453.
*) Vgl. Ebendaselbst I. 454.
3) Vgl. ürkde. Erben reg. 142.
4) Inthronisirt am 1. Nov. 1168, zum Priester geweiht und consecrirt zum
Bischöfe 15—16 März 1169. Damberger synchr. Gesch. VIII. 863.
5) Ebendas.
6) ürkde. ebendas. 145 ad ann. 1170. Damberger VIII. 893, 894, 899.
254
auch dieses war vergebens. Der grössere Theil der Capitularen
widerstand dem kaiserlichen Ansinnen aus Begeisterung für die ge-
rechte Sache, der Klerus aber fürchtete die angedrohten kirchlichen
Censuren mehr, als den Zorn des Kaisers. l) Adalbert selbst flüch-
tete zu seiner persönlichen Sicherheit erst in die Gebirge von Kärn-
then und 1170 in das obersteierische Kloster Admont. -) Ohne Er-
folg blieb ein Versuch unseres Königs Wladislaw, durch den Bischof
Wigmann von Magdeburg seinen Sohn mit dem Kaiser zu versöh-
nen 3) (1171). Indess ermahnte der Papst Alexander III. unseren
Fürsten wiederholt (1171 und 1172), seinen Sohn und die Kirche
von Salzburg standhaft zu vertheidigen. 4) Wladislaw aber fühlte
bereits zu sehr, dass seinem durch mehrere Krankheiten geschwächten
Leben das Ende nahe, und es war ihm viel zu viel daran gelegen, sei-
nem ältesten Sohne die Nachfolge in Böhmen zu sichern, als dass
er jetzt einen unabsehbaren Kampf gegen den Kaiser hätte eröff-
nen mögen. 5) Drum begnügte er sich, noch einmal im Jahre 1172
den Weg der Unterhandlung zu betreten. Zu diesem Zwecke be-
suchte er den Hoftag des Kaisers zu Salzburg, und drei Suffragane
von Salzburg vereinten dort mit ihm ihre Bitten für Adalbert. Da
war der Kaiser endlich bereit, den Adalbert wieder in Gnaden auf-
zunehmen : jedoch müsse derselbe gegen anderweitige Entschädi-
gung mit geistlichen Würden jedenfalls dem salzburger Erzbisthume
entsagen. Solche Bedingung aber nahm Adalbert nicht an und
floh neuerdings in die Gebirge. ü) Mehr als je zürnte nun Fried-
rich ihm und dem salzburger Capitel, das treu an seinem Metro-
politen hielt. Harte Drohungen eröffneten die Feindseligkeiten (11 73). 7)
Uiberdiess erhob sich jetzt im kaiserlichen Auftrage der Herzog
Heinrich von Kärnthen, um den armen Erzbischof allerwärts zu ver-
folgen und seine Anhänger in jeglicher Weise zu bekämpfen. 8) Auch
>) Vgl. Urkde. Erben 142. u. 150.
8) Henricus archidiac. Salisburg. item chartae archiepiscopales bei Hansiz II.
288; also weilte er nicht in Mähren u. in seiner Propstei zu Melnik, wie
Pulkawa erzählt.
3) Urkde. bei Erben reg. 146.
4) Urkden Erben reg. 147.
5) Vgl. Palacky I. 455.
t]) Vgl. Urkde. Erben reg. 148.
7j Vgl. Urkde. Erben reg. 150.
8) Urkde. in Erben reg. 152.
255
die Grafen von Plauen verdienten sich in gleichem Kampfe des Kai-
sers Lob. ') Der unglückliche Erzbischof, der nach der Thronent-
sagung seines königlichen Vaters (1173) keine Hilfe mehr aus dem
Vaterlande gewärtigen konnte, wurde nun sogar auf einem Reichs-
tage zu Regensburg (26. Mai 1174) förmlich — obwohl unrechtmässig
— abgesetzt, und der Propst Conrad von Berchtesgaden an seine
Stelle eiugedrängt. 3) Da verliess endlich das eingeschüchterte Ca-
pitel seinen hartbedrängten Metropoliten. 3) Einzig nur der Herzog
Heinrich Jasomirgott von Oesterreich bot ihm noch Schutz, obschon
er desshalb vom böhmischen Bauernfürsten auf kaiserliches Geheiss
mit Krieg überzogen ward (1175). Da machte endlich der Friede
von Venedig (24. Juni 1177) dem Kampfe zwischen Friedrich und
dem Papste ein Ende : hiemit musste auch Friede werden zwischen
Ersterem und dem Erzbischofe Adalbert. Der fromme, aller Eigen-
sucht bare Kirchenfürst legte zu diesem Ende seine ganze Sache
in die Hände des Papstes. 4) Auf dessen Wunsch brachte er seine
Person dem eben geschlossenen Frieden zwischen Kirche und Reich
zum Opfer. Er resignirte auf das salzburger Erzbisthum. 5)
Während des ganzen Kampfes hatte Adalbert die Pro pst ei
von Melnik sich vorbehalten. Einer Administration daselbst hatte es
aus dem Grunde nicht bedurft, weil die wenigen damit verbundenen
geistlichen Functionen ohnehin von jeher (da die Pröpste selten
Priester, sondern meist nur niedere Kleriker waren) durch ange-
stellte Vicare besorgt wurden. Aber nur, so lange sein Vater in
Böhmen regierte, wahrte man dort des bedrängten Sohnes Recht.
Gleich nach Wladislaws Thronentsagung (anfangs 1173) finden wir
dort einen — ohne Zweifel vom Herzoge Sobeslaw erwählten Propst,
Namens Hieronymus. So sollte das Schisma auch selbst hieher
sich verpflanzen. ü) Dieser Hieronymus wird zugleich als Magister der
Gottesgelehrtheit aufgeführt und war ohne Zweifel einer der Hofgeist-
') Urkde. in Erben reg. 152.
~) Palacky I. 466. Damberger VIII. 924. I
3j Urkde. Erben reg. 154.
4) Palacky I. 467.
5) Urkden. reg. 160. Damberger VIII. 989.
G) Dass Hieronymus wirklicher Propst u. nicht bloss Administrator war,
dafür bürgt ausser Obengesagtem seine Unterschrift in öffentlichen Urkunden
bei Erben reg. 149 ad 1172 (recte 1173). ,
v
256
liehen des neuen, dem Adalbert feindseligen Fürsten. Er muss
aber bereits im Jahre 1174 gestorben sein. Denn im nächstfolgen-
den Jahre befiehlt Kaiser Friedrich dem Herzoge Sobeslaw, die er-
ledigte Propstei zu Melnik einem kaiserlichen Verwandten zu ver-
leihen, dem Sobeslaw vor Kurzem die Stelle eines Hofkaplans ent-
zogen hatte. ') Es ist kaum zu zweifeln, dass der Herzog dem Be-
fehle des Kaisers wirklich nachkam. Doch ist uns der Name des
neuen Propstes nicht mit Sicherheit bekannt. Nur die Bezeich-
nung desselben mit „Be" lässt den Namen Benedikt (Benko) ver-
muthen. Vielleicht war es derselbe Benedikt, den wir später als
Propst von Leitmeritz kennen lernen werden.
Adalbert kehrte nach seiner im Jahre 1177 erfolgten Resig-
nation auf Salzburg und nach der Vertreibung des ihm feindlichen
Bauernfürsten Sobeslaw im Jahre 1178 nach Böhmen zurück, und
nahm nun wieder ohne Anstand Besitz von seiner Propstei zu
Melnik. Der Kirchenfriede inusste selbstverständlich auch hier
das Schisma enden. Er lebte nun in Melnik selbst in frommer
Zurückgezogenheit. „Uiber seine Sanftmuth, Frömmigkeit und Hin-
gebung war unter seinen Zeitgenossen nur eine Stimme." Sie ver-
söhnte endlich auch den ihm feindlich gesinnten Kaiser, der ihm
1182 die Rückerstattung seines Erzbisthums versprach, und dieses
Versprechen im nächsten Jahre wirklich erfüllte. 3) Adalbert blieb
nun wohl immer noch Propst von Melnik, zog aber nach Salzburg,
um dort ganz für sein heiliges Amt zu leben. In den Jahren 1184
und 1189 sollte er sich noch der Würde eines apostolischen Lega-
ten erfreuen. 3) Endlich beschloss er im Rufe der Heiligkeit sein
vielbewegtes, leidenvolles Leben am 7. April 1200. Unsere Vor-
fahren verehrten ihn als einen Seligen. 4)
§. 65. Das neue Collegiatstift Wysehrad.
1. Herzog Wratislaw IL hatte bereits um 1068 in Folge eines
Gelübdes 5) den Grund zur Kirche des h. Petrus in der alten Für-
') Urkde. Erben reg. 155, 156. Der neue Candidat wird im jetzigen Texte
der Urkunde nur mit Be bezeichnet.
~) Palacky I. 475.
3) Urkde. Erben reg. 172, 188.
4j Bubna Canon, cap. Prag.
5J Dass ein Gelübde der Grund war, bestätigt die Bulle Alexanders II. ad
257
stenburg Wysehrad gelegt, in der Absicht, dabei ein neues Colle-
giatstift zu gründen. ') Den Grundstein hatte auf seine Verwen-
dung ein eigens dazu von Rom gekommener päpstlicher Legat, Jo-
hannes Bischof von Tusculum, gelegt und Wratislaw selbst hatte
dabei 12 Körbe voll Erde auf eigenen Schultern zugetragen. 2) Be-
reits unterm 9. Mai 1070 konnte Papst Alexander IL dem neuen
Gotteshause, bei welchem 12 Capitularen nebst einem Propste und
einem Dechante den heiligen Dienst versehen sollten, auf Wrati-
slaws Verwendung den Schutz des apostolischen Stuhles und den
Ehrenrang als einer Hauptkirche des Landes verleihen, unter Einem
die bereits erlangten Besitzungen bestätigen, und den Capitularen
den Gebrauch der bischöflichen Mitra und Sandalien zugestehen. 3)
2. Ausnehmend reich war die Dotation des nunmehrigen
ersten und vornehmsten aller Collegiatcapitel in Böhmen und
Mähren. Herzog Wratislaw war gegen dasselbe überaus freigebig
in der Widmung von Ortschaften, Zinsungen und dienstbaren Leu-
ten. Auch der Bischof Gebhard (Jaromir) von Prag schenkte dazu
200 und Bischof Johann von Olmütz 100 zinsbare Unterthanen. 4)
Weiterhin beeiferten sich auch die Nachfolger sowohl auf dem her-
zoglichen als bischöflichen Stuhle und nicht minder die Edlen des
Landes, den Glanz des Wy Sehrader Stiftes durch neue Schenkungen
zu vermehren. So gelangte dieses zu einem Reichthume, der als-
bald im weiten Vaterlande seines Gleichen suchte. So wurden auch
die Würden — nicht bloss des Propstes und Dechants, sondern
auch der einfachen Capitularen einerseits immer mehr ein Gegen-
1072. Gegen die Angabe des Hajek u. Dubravius, welche behaupten, Wra-
tislaw habe den ganzen Plan der neuen Capitelstiftung nur seinem bischöf-
lichen Bruder zum Possen gefasst u. ausgeführt, spricht ausser der Natur
der Sache auch noch der Umstand, dass Bischof Gebhard (Jaromir) selbst
bei der Dotation des neuen Stifts sich betheiligte. (Vgl. dieselbe Bulla
Alexanders II., u. Pesina phosph. p. 266.)
') Hammerschmidt gloria et majestas ecclesiae Wysehradensis. Ruffer :
Historie Wysehradska 38 etc.
2).Urkde. Alexanders II. in Erben reg. p. 57. Vielleicht hängt mit dieser
Grundsteinlegung durch einen römischen Legaten die seltsame Sage zu-
sammen : der Teufel habe bei Gelegenheit dieses Baues eine Säule von
Rom herbeigetragen.
3) Dieselbe Urkunde Alexanders IL u. Tomek Gesch. Pr. I. 86.
4) Obige Urkunde Alexanders IL . '
17
258
stand der Bewerbung für die edelsten Familien, und anderseits eine
besondere Auszeichnung für die verdientesten Kleriker des Landes.
Als Präbenden dieses Capitels werden im J. 1384 aufgezählt, ])
und zwar mit Ausschluss der Propstei, der Dekanie und Schola-
sterie : Die Custodie-Präbende Kbel (2 Schock 6 G.), die einfachen
Präbenden Modfanov (2 Seh.), Wrsowice mit Wotice (1 Seh. 12 Gr.),
Tfitec (36 Gr.), Kustoplach (Kostomlaty ?), Sitka (2 Seh. 6 Gr.),
Snöt (1 Seh. 26 Gr.), die Präbende bei Saaz (3 Seh. 4 Gr.),
Pfeska (42 Gr.), Blazejowice und Branice (34 Gr.), die Präbende
in Elbogen (1 Seh. 10 Gr.), Hohenmauth (0), Hroznetice und Ho-
fice (1 Seh. 12 Gr.), Dymice (1 Seh. 6 Gr.), Hefman (0), Zili-
mir (1 Seh. 12 Gr.), Jezov mit Kralowice (1 Seh. 12 Gr.), die 2
Präbenden in Blazejowice und Branice (34 und 30 Gr.), ÜeSowice
(32 Gr.), Tomice (15 Gr.), Chrystoklad (0), 2 Präbenden in Libe-
znice (jede 2 Seh.), Ursawa (30 Gr.), — und die Obedienz in Ka-
menny Most (30 Gr.).
3. Im Umkreise der jetzigen Diöcese von Leitmeritz lagen
folgende Besitzungen des Capitels:
a. Der Gutscomplex von Schüttenitz (Sitenicej. Schon bei
der Stiftung des Capitels (1068) gelangte diese noch heute zu Wy-
sehrad gehörige Besitzung an das genannte Capitel, und zwar, wie
die dem Inhalte nach verlässige sogenannte Stiftungsurkunde *) aus-
drücklich besagt, — das ganze Dorf mit Wein- und Obstgärten,
angehend von der Quelle, die im Berge Lbin (jetzt Welbine) ent-
springt, bis an die Marktstrasse herab. Ausserhalb dieser Grän-
zen bestand — wie schon erwähnt wurde — eine Obedienz des
leitmeritzer Collegiatstifts. Die Pfarrkirche in Schüttenitz ward um
das Jahr 1200 von dem Propste Siegfried von Eppenstein (zugleich
Erzbischof von Mainz, nachmals Cardinal) erbaut und feierlich con-
secrirt. 3) Nachmals geschah unter König Wenzel I. (c. 1230,) ein
Vergleich zwischen dem Propste und Capitel betreffs der beidersei-
tigen Rechte in Schüttenitz: hiebei wurde bestimmt, dass die Col-
1) Regist. deeim. Die beigefügten Beträge sind die Halbjahrszehente v. 1384
und lassen auf den Reichthum des Capitels schliessen.
2) Erben reg. 77. Diese Stiftungsurkunde ist zwar nicht authentisch, aber dem
Inhalte nach wahrhaft. (Tomek. G. Pr. I. 86.)
3) Anonymus Continuator ephemeridum Litomeric. M. S. der strahöver Stifts-
bibliothek.
259
latur über die Pfarrkirche daselbst dem gesammten Capitel zuste-
hen solle. ') Später scheint diese Bestimmung wieder abgeändert
worden zu sein, indem erweislich in der zweiten Hälfte des 14.
Jahrhunderts und weiterhin diese Collatur als ein ausschliessliches
Recht der Pröpste erscheint. 2) Die Dotation der Pfründe war so
vorzüglich, dass ihre Beisteuer zum allgemeinen Kirchenzehent im
J. 1384 halbjärig auf 24 prager Groschen fatirt werden konnte. 3)
Im Jahre 1408, 26. April übertrug ein Weinbergbesitzer daselbst
noch den Zehent von seinem Weinberge aus freien Stücken an jene
Kirche. 4) Im J. 1410, 4. Juni verpfändete König Wenzel dieses
Dorf sammt den dazu gehörigen Ortschaften um 500 Schock böhm-
Groschen an Hasko von Robec, 5) von dem es nachher auf eine Zeit
an die Herren von Raupowa gelangte. — Als dazu gehörige Orte
werden erwähnt: Lbin (das heutige Welbine) 6), Skalice, das
heutige Skalitz am Schüttenitzer Bach, Tynec (Teinitzl, Gut Za-
hofan), Male so w (Maischin, ebendaselbst), Wrutice (Webrutz,
GutEnzowan), Kojetic (Gojeditz, Gut Schwaden), 7) Aujezd (Gut
gl. N.), ein Zehent in Leitmeritz, 8) und das Patronat der S.
Peterscapelle in der Vorstadt daselbst. 9)
') Urkunde in Hammerschmidts: gloria et majestas eccle. Wyseh. p. 182 etc-
3j Libri Confirm. M. S. II und VII. Collatoren 1370 und 1372 Propst Johann
1416 Albik, zugleich Erzbischof von Caesarea). Beide Pröpste sind in der
Series bei Hammerschmidt nicht erwähnt.
3) Codex deeimarum.
4) Lib. Erect. VIII. B. 3.
5) Palacky Archiv II. 453.
6) Vgl. Stiftungsurkunde.
7) Ebendaselbst.
8) Vergleichsurkunde 1239 bei Hammerschmidt p. 182.
9) Libri Confirm. M. S. ad 1402 und 1417. Als für diese Capelle präsentirende
Pröpste werden da genannt: 1402 Nicolaus (nebst Bocko von Kunstadt), 1417
Albik v. Cäsarea. Auch diesen Nicolaus kennt die Series bei Hammerschmidt
nicht. Der Standort dieser Kapelle ist jetzt unbekannt. Vielleicht lässt der
Umstand, dass der Propst auch das Zinsrecht von einem Eibbade nebst Un-
terthanen in Leitmeritz besass, vermuthen, auch jene Kapelle sei nahe an
der Elbe (etwa in der heutigen Mariahilfvorstadt) gestanden. (1177 ertheilte
K. Ottokar dem Capitel ein Privilegium, kraft dessen die Unterthanen des
Capitels in Leitmeritz nicht zu den städtischen Gerichten gezogen werden
durften, und das auf Propsteigrunde erbaute Eibbad dem Propste Zinsen
sollte. Hammerschmidt p. 210.
17*
260
b. Als Vermächtniss des Nemoy von Wrsowec gediehen im J.
1108 (nach dem Tode seiner Gemalin) an das Wygehrader Stift die
Dörfer Cernuc und WraSkow (G. Doxan), S k r s i n (bei Kosel), C h r a-
berce (bei Laun) nebst Libyn (im rak. Kreise). ') Wahrscheinlich
verfiel diese Erbschaft anfänglich mit in die Confiscation der Wr§o-
wecischen Güter. Sicher befanden sie sich erst 1174 im Besitze
des Capitels. 3) Uiberdiess besass letzteres in dieser Gegend schon
vom Anfange her 1 Pflugmass zinsbaren Ackers nebst 1 Kleider-
wäscher im Pfarrdorfe L i b ö e w e s (Liebschhausen) 3), 2 Pflugmasse
derselben Eigenschaft in Zihlic (Schichlitz bei Teplitz); und wei-
terhin im saazer Kreise 1 Pflugmass und 1 Bergmann im alten Pfarr-
dorfe Uho§tany (Atschau, G. Milsau) 4), 1 Pflugmass und einen
Töpfer in Lomasic 5) (Lametitz G. Pohlig), 1 Pflugmass und 1
Fischer in Trnowan (Tyrnowan G. Dobritschan), und 1 Gerber,
1 Kelchner und 1 Eisenarbeiter, in S a a z.
c. Im bunzlauer Kreise gehörten dem Capitel das jetzt ver-
schwundene Dorf Piymany (bei Liboch), ein Theil von Zel£in
bei Melnik ^j, 15 Pflugmasse Ackers in Melnik7), 7 Ansässig-
keiten mit den betreffenden Unterthanen in Heikowice (G. Do-
browice), 1 Pflugmass nebst einem dienstbaren Schmiede im Pfarr-
dorfe Jesenik (G. Kfinec) 8), 7 Ansässigkeiten und 4 Winzer in
!) Urkunde Erben reg. 85.
3) Tomek G. Pr. I. 89.
3) Dieses Pfarrdorfes ward schon unter den Besitzungen des prager Domca-
pitels gedacht.
4) Stiftungsurkunde Erben reg. 85. Uhoätany hatte erweislich schon vor 1 363
eine eigene Pfarre; denn in diesem Jahre installirte der dortige Pfarrer
den Seelsorger in Okenow (Lib. connrm.) Doch war die Pfründe ziemlich
arm, da sie 1384 nur 3 böhm. Groschen als halbjährigen Kirchenzehent ab-
liefern konnte. (Codex deeimarum.)
5) 1384 war die Pfarrpfründe noch so arm, dass sie keinen Zehent entrichten
konnte. (Cod. Decim.) 1411 20. April schenkte Wenzel von Polak der Kirche
eine Zinsunu von 1 Schok G Gr. (Erect. VIII. N. 6.)
fi) Ersteres wurde 1410 von K. Wenzol an Ilasko v. Robec, letzteres von K.
Sigmund 1420 an Jan v. Brnikova verpfändet. (Palacky Archiv I. u. II.)
7) Hammerschmidt 247. Eilf davon wurden erst 1321 v. Königin Elisabeth
geschenkt. (Ebend. 2G1.)
8) Stiftungsurkunde Erben reg. 85. Auf dieses uralte Pfarrdorf, dessen Col-
laturrecht nachmals dem Johanniterorden zustand, (Lib. connrm. ad 1383)
kommen wir später ausführlicher zu sprechen.
261
Badry(?) und 3 'Pflugniasse Ackers im Pfarrdorfe Bezno. ') Letz-
tere Besitzung war immerhin so bedeutend, dass später drei Ca-
nonici ihr Einkommen davon beziehen konnten. 2)
d. Von den Landeseinkünftcn flössen dem Capitel zu: der
zehnte Theil der allgemeinen Friedenssteuer (mir) von 16 Zupen (da-
runter die von Leitmeritz, Saaz, Bilin, Tetsclien, Bunzlau, Kame-
nec, Havvran), der zehnte Theil der Verkaufstaxe (venditiones, in 4
Zupen (darunter Kameriec), bestimmte Antheile an einigen Zöllen
(ausserhalb der jetzigen leitm. Diöcese), die Einkünfte von 3 Uiber-
fuhren (darunter eine bei Laun), verschiedene Bezüge aus den kö-
niglichen Zupenburgen (Tisch- und Handtücher) nebst einer Menge
Naturallieferungen von den königlichen Maiereien des Landes, end-
lich der Zehent vom Masserträgnisse des Marktes in Budissin. 3)
§. (36. Das Collegiatstift Sadska.
1. Dieses Stift hatte seinen ehemaligen Sitz zu Sadska un-
weit von Nimburg, zunächst an der Gränze der gegenwärtigen Diö-
cese Leitmeritz. Der Gründer desselben war Herzog Bofiwoj II.
Dieser war der frommen Uiberzeugung, dass er seine Rettung aus
dem jahrelangen Kerker vor Allem der Fürbitte des h. Apollinaris
') Stiftungsurkunde, wie oben. Die Pfarre Bezno war nächst der Burg Pösig
wahrscheinlich die erste Pfründe des Dekanates Kamenec. Sie zahlte auch
1384 nächst Pösig den höchsten Kirchenzehent im Dekanate (30 gi\). Als
Collatoren erscheinen in den Confirmationsbitchern: 1373 Bohunek de Li-
bis, 1399 Bohunek cliens de Bezna, 1417 Bohusek u. Ctibor de Bezna.
(Vgl. Collegiatstift Altbunzlau.)
-) Tomek G. Pr. S. 99.
:i) Tomek Gesch. Pr. 87 u. 88. resp. Stiftungsiu-kunde. Uibrige ursprüngliche
Besitzungen: Im.rak. Kr. Hostin, Wojkowic, ein Theil Hoholic, dessglei-
chen von Blahotic, Lobec, Hornin, Drahlic, Budehostic, Kamenmost, Rez,
Podlesin, Knowiz, Libosin, Auherz, Dehnic, Knezewes, Modfiluh, Tynec,
Jinonic, Butowic, Leten und Buben. Im kauf. Kr. Theile von den Dörfern
Cakowic, Kacihora, Stitaf, Nesmen, Woderad, Kaufim, Chotis, Sluh, Psaf,
Jesenic, Wrbcan, Hradist, Klk, Bfezan, Chwa^ Dubec, Öenetic, Wrsowic,
Nusel, Bast, Zäbehlic, Branik und Winof. Im ber. Kr. Theile der Dörfer
Bojesic, 2inan, Brod, Obfin, Wrhowic, Let, Suchomast, Swinaf, 2how, Mo-
kropes, Honic, Holyn, Komofan und der Berg Plesiwec bei Karlstein. Im
pracb. Kr. Theile von Susic und Rastyl. Auch ünterthanen in Prag selbst.
(Näheres Tomek Gesch. Prags I. 86—88.)
262
zu verdanken habe, und verehrte seitdem diesen seinen Schutzpa-
tron mit glühender Andacht. Als er im J. 1115 neuerdings den
Thron bestiegen hatte, gründete er aus Dankbarkeit zu Sadska eine
prachtvolle Kirche zu Ehren des h. Apollinar, dotirte sie mit rei-
chen Einkünften und stiftete für den heiligen Dienst bei derselben
ein Collegiatcapitel mit einein Propste an der Spitze. *) Später
(1362) übertrug Kaiser Karl IV. die gesammte Stiftung ßofiwojs
zu der neuen Apollinarkirche auf dem Windberge zwischen Prag
und Wysehrad. 2) Im J. 1503 wurde dieses in den husiti sehen Be-
wegungen ganz verarmte Collegiatstift durch den König Wladislaw
mit dem prager Domcapitel derart vereinigt, dass die Metropolitan -
canoniker zugleich Capitularen bei S. Apollinar waren und einer
derselben die Würde des Dechants bekleidete. Die Propstei war
mittlerweile gänzlich eingegangen. 3)
2. Eine Aufzählung aller ehemaligen Besitzungen von Sadska
ist nicht leicht möglich, da weder eine echte noch unechte Stiftungs-
urkunde bekannt ist. Der Umstand, dass Bofiwoj IL der Gründer
war, selber aber das Land jenseits des rechten Elbeufers seinem
Bruder Wladislaw überlassen hatte, lässt vermuthen, dass die ur-
sprünglichen Dotationsgüter von Sadska durchgängig am linken
Ufer der Elbe, — daher zumeist ausserhalb der jetzigen Diöce-
sangränzen von Leitmeritz, gelegen waren. Nachmals aber erfolgte
durch Karl IV. gelegenheitlich der Übertragung des Capitels auf
den Windberg bei Prag ein Gütertausch mit den Besitzungen der
an letzterem Orte vordem schon erbauten Apollinarkirche. Hiedurch
sowie durch manche spätere Schenkung mag Sadska die Glänzen
seiner Besitzungen vielfach erweitert haben. Im Umkreise unserer
Diöcese besass es erweislich die Dörfer Rudnik und WSstany
(die heutigen Orte Raudnik und Weschen auf dem Dominium Tür-
mitz). Zu Raudnik bestand eine ziemlich alte Pfarrkirche, die im
J. 1384 bereits 10 prager Groschen als halbjärigen Kirchenzeh ent
') Dobner annal. VT. 138. Pubitschka IV. 194. Seltsamer Weise haben
einige Aeltere unter dem „Praepositus Sacensis" einen Propst von Saaz
verstanden, wo doch erweislich erst sehr spät, und auch da nur ein Klo-
sterpropst existirte.
-) Das heutige Gebärhaus.
3) Pubitschka VI. 196. Berghauer 159, Litera Wladislai regis origin. in Ar-
chivo Cap.
263
zahlte. ]) Hier übten die Canonici von S. Apollinar noch im J.
1413 das Collaturrecht aus. a) Im J. 1420 wurde dieser Ort zu-
gleich mit Westany von K. Sigmund an Peter von Skala und seinen
Bruder auf Sulewic um 130 Schock böhm. Groschen verpfändet. 3)
Ausserdem wird noch eine Obedienz des Apollinarcapitels in K o z 1 y
erwähnt.4) Es lässt sich nicht entscheiden, ob hiemit der gleich-
namige dem prager Domcapitel gehörige Pfarrort bei Liebschhausen
(von dem bereits gesprochen wurde), oder der Pfarrort dieses Na-
mens zwischen Melnik und Brandeis gemeint sei, obschon die grös-
sere Wahrscheinlichkeit für das letztere spricht. 5)
§. 67. Die Benedictinerklöster zu Opatowic, Kladrau, LeitomysI, Wilemow
und Podlazice.
1. König Wratislaw I. legte im J. 1086 den Grundstein zu
dem angeblich reichsten aller böhmischen Klöster, zu Opatowic in
der Einöde eines gewissen Nicolaus in der Gegend von Königgräz.
Zuvor hatte daselbst eine „Zelle" — ein Filialklösterlein des Klo-
sters Bfewnow bestanden. Schon Wratislaw dotirte das neue Klo-
ster mit echt fürstlicher Freigebigkeit. Mehrere Gro sse des Reichsi
der erwähnte Nicolaus, der Propst Tessen von Gradi c und der Abt
Bolebud und Wsebor folgten sofort dem Beispiele ihres Königs. 6)
Später (1227) thaten noch Graf Kojata, die Edlen Casta, Caslaw,
Zdeslaw und selbst der königliche Koch Matthäus ein Uebriges, um
1) Codex decimarum.
2) Lib. Confirm. ad h. ann.
3) Palacky archiv (registra zäpisüw).
4)Lib. Erect. I. M. 7. ad ann. 1375.
5) Dieses Kozly, obgleich am rechten Elbeufer gelegen, gehört dermalen zur
prager Diöcese, und ist eine Filiale von Wsetaty. Einst war es eine eigene
Pfarre unter dem Dekanate von Melnik und gehörte, da es 1384 12 böhm.
Groschen als halbjährigen Kirchenzehent zahlte, jedenfalls zu den älteren
Pfründen der Gegend. (Vrgl. Codex decimarum.) Das Patronatsrecht besass
hier das Capitel von Altbunzlau (lib. Confirm. 1371, 1407, 1418). — Noch
werden als Besitzungen des Apollinarstiftes genannt: Satolic (lib. Erect.
XIII. S. 3.), Kostrow (Erect. XII. A. 6.), Kriwan (Erect. XIII. E. 10.),
Tusce (Registra zäpisüw 1437), Ledöice (ebend. 1436) und Zinsungen in
Popowic, Kocow, Chaby, Libkowic, Hradsin etc. (Erect. VII. M. 8, IV. E. 8-
VIII. B. 9, XII. 0. 9, XIII. H. 10, 0. 1.
6) Urknd. Erben regest. 73.
264
den Reichthuni des neuen Klosters zu vermehren. ') Wie König
Wratislaw das gleichfalls von ihm gestiftete Capitel von Wysehrad
unabhängig von der Jurisdiction des prager Bischofs haben wollte,
ebenso erwirkte er die Exemtion des neuen Abtes zu Opatowic von
der Aufsicht des Erzabtes in Bfewnovv. Die Brüder des neuen Or-
denshauses berief er überdiess unmittelbar aus dem Mutter -Kloster
Cassino, dessen Abt fortan auch zu Opatowic als geistlicher Vater
verehrt wurde. Von Opatowic selbst gingen wieder neue Ordens-
propsteien aus, vor Allem die zu Wahlstadt, Grissau und Neu-
mark in Schlesien (1241— 1535), zu Hohen elbe und zu Base in
(vermuthlich das heutige Pöcin bei Senftenberg) in Böhmen. 2) Im
Umkreise der jetzigen leitmeritzer Diöcese hatte das Kloster Opa-
towic keinen bekannten Grundbesitz. 3)
2. Bedeutungsvoller, als die eben genannten Ordenshäuser
des h. Benedict war für den Umkreis der jetzigen Diöcese Leitme-
ritz das alte ehrwürdige Stift Kladrau (Cladruby). Der erste Stifter
desselben war der Herzog Swatopluk, der leidenschaftlichste unter
allen Regenten unseres Vaterlandes, der unglückliche Fürst, der
seine Hände und seinen Namen mit dem Blute des Geschlechtes
der Wrsowecen befleckt hat. Das Ordenshaus und die Kirche zu
Kladrau wollte er theils zum Danke für den errungenen Fürsten-
thron, theils wohl auch zur Sühne für seine traurige Blutschuld
erbauen. Er legte hiezu im J. 1108 den Grund. Er that aber
kaum vielmehr, als dieses; denn schon am 21. September 1109 fiel
er als ein beklagenswerthes Opfer der Blutrache 4). Da vollendete
sein edlerer Nachfolger Wladislaw I. im J. 1115 in Gemeinschaft
mit seiner Gemahlin Richsa von Berg (Tochter des Grafen Heinrich
]) ürkdn. Erben reg. 72. 87. 337. 338.
*) Magnoald Ziegelbauer Hist. mon. Brevnöv. p. 209 und 210. Lib. Erect.
XIII. A. 9. Sommer V. 69.
3) Genannt werden: Opatowice, Stolany, Herzen, Kopisty (für Dolany), Mezi-
lesy (für Skalic), Matharsow, Slakowic, Police, Wlkowyje, Öernojedy, We-
sele, Drzicze, Hlawecko, Placimice, Lhota, Prehrad, Osiö, Ostiö, Wyso-
kä, Brezy, Drahune, Prelusce, Soperce, MakoSin, Hilna, Theile
von Chruppy, Wtelno, Luhinice, Domasic, Cerekwice, Mylbezy, — ausser-
dem grosse Besitzungen in Mähren. (Erben reg. 72, 73, 87, 337, 338), die
Collatur bei S. Peter in Königgräz. (Bienenberg Gesch. v. Königg. S. 165.)
4) Vgl. Palacky I. 357-366.
265
von Berg) ') das begonnene Werk und schuf sich durch die glän-
zendste Dotation des neuen Klosters einen unsterblichen Namen.
Dieses neue Ordenshaus lag der westlichen Gränze der jetzigen
leitmeritzer Diöcese ziemlich nahe, und musste schon dadurch einigen
Einfluss auf die religiösen Verhältnisse im Umkreise der letzteren
gewinnen ; mehr aber noch war diess der Fall vermittelst der zahl-
reichen Besitzungen, die es alsbald in diesen Gegenden aufzuwei-
sen hatte. Erweislich besass Kladrau unter seinen ausgedehnten Gü-
tern die nachgenannten Ortschaften im Bereiche der jetzigen Diöcese
von Leitmeritz:
a. Den Pfarrort Pnetluky (Netluk G. Neuschloss). 2) Die
dortige Pfründe bestand jedenfalls schon ziemlich lange vor 1360.
Im Jahre 1384 betheiligte sie sich mit 6 b. Groschen am halbjäh-
rigen Kirchenzehent. 3) Um diese Zeit erscheinen bereits Laiencol-
latoren daselbst, und zwar 1389 Marquard v. ßebfik auf Pnetluky,
und 1414 Busek v. Ziwtin auf Pnetluky. 4)
b. Im bunzlauer Kreise gehörte uioprünglich zu Kladrau das
Pfarrdorf Sezemice. 5) Die Kirche daselbst wird schon 1359 als
eine vordem bestandene Pfarrkirche erwähnt. 6) Im J. 1384 zahlte
sie 6 böhm. Groschen zum Kirchenzehent. 7) In nächster Nähe ge-
hörten auch Sowenice und Radowanowice und etwas weiter
Kobyly zu demselben Kloster. 8)
c. Bei Leitmeritz besass Kladrau die weiten Waldungen bei
Probost sammt inneliegenden Dorfschaften, und zwar durch einen
Gütertausch mit dem Johanniterorden im J. 1238 9j. Eben auch
in dieser Gegend gehörte dem Stifte ein unterthäniger Fischer in
]) So nennt sie Crusius chron.'suev., Pubitschka IV. 158., Palacky 1.387. Da-
gegen enthält Chronicon Pegav. (Menken III. 130) die Notiz: Hujus (Dietpoldi
de Vohburg, des Erbauers der Klöster Reichenbach und Waldsassen) filia Rei-
cza ducissa Bohemiae construxit monasterium in Cladicina (?). Erben reg.
p. 20. nennt diess Cladicina Kladruby. Richsa starb 1125, 27. September.
*) Erben Reg. p. 89, 176-178.
3) Codex deeimarum.
4) Lib. Confirm.
5) Vgl. obgen. Urkunde.
6) Lib. Confirm.
7) Codex deeimarum.
8) Urkunde Königs Wenzel 1235. — Erben reg. 416.
9) Urkde. Erben reg. 443.
266
Libochowan, und weiter entlegen eine Wirthschaft mit einem
Ackermasse Landes in Laun. l)
d. Die von Kladrau aus errichteten Propsteien 2) zu T a u s k o-
wi ce (Tuschkau im pils. K., 1424 zerstört), Schloss P f i m d a (Pfrauen-
berg, 1306 errichtet), und Pf estic (gestiftet 1145) lagen der jetzigen
leitmeritzer Diöcese fern. 3)
3. Bereits im J. 1120 hatte Graf Wilhelm von Sulzbach, Haupt-
mann des olmützer Kreises, ein Verwandter der Gemalin Wladi-
slaws I. mit Einwilligung des letztern ein neues Benedictinerstift
') Urkde. bei Erben ad ann. 1186.
2) Dobn. annal. VI. 41. 45.
3J Anderweitige Besitzungen der ältesten Zeit: die Waldgegend zwischen
der Mies und Msieha bis an die baierische Gränze — mit Ausnahme von
12 daselbst gelegenen älteren Dorfschaften. Hier entstanden durch soge-
nannte Expositionen (vgl. Selau) eine Menge deutscher Ortschaften, ferner
Theile von Domazlic (Tauss), Hochavic, Lescin (Laz), Bonatic (WonStic),
Ostrov, Midlovar (Millowa), Nahosic, Strezes (Neustadtl?), Tachov, Leschau,
Telcna, Leny, Skapec, Metelsko, Unil, Lukov, Charadic, Jonas, Glinen,
(Lihn), Drahomisl, Cocber, Camenic, Tuskov, Hotesevic, Masovic, Bezemin,
Gneunic (Hnewnice), Klenovic, Gonezovic (Honositz), das Dorf Bigedl, die
Kirche in Dnesic, Theile von Rozvad, Dorf Wrakovic, die Kirche in Seztoceh,
(vielleicht das ehemalige Swatost bei Tauss), die Dörfer Milukovo (Mili-
kov), Zlapnic, Bzini (Werschin?), Öejkovic, Malovic, Wsanic, Nehanic, Ce-
liwo, Tufan, Zbrazlav, Luben, Slawic, Chrinosic, Unterthanen in Lagowic
Wsekar, Drahaucic, Zabowresk, Lipan, im prager Burgflecken Lukov,
Wranovic, Mecklov, Sytno, Lesihas (Lestkow?) und ein Weinberg in
Uherce; später unter Wegfall mehrer vorigen die Dörfer Kladrub, Wirbic,
Ponebuzlaz, Hlupenow, Holostrewi (Holezrieb), Zumlez, Boeznic, Borowen
(Turban), Milewo (Mühlhöfen), Bukowa, Watenice, Mezlowe, Mukorad,
Podehuz, Luzna, W7inna, Dutlenowic, Milka, Wilkis, Podmokly, Gorky,
Stepanowic, Mladetic, Öelewo, Kamik, Mlinoha, Cebevo (Zebau), Wladisla-
wic, Zesemic, Ogniskowic, Slatina, Unterthanen in Pilsen, Nezabudic, Rep-
ty, Tynec, Lubosin, Kosetic, Lun, die Dörfer Krasowo, Nemcic, Potok,
Kamenahora, Zlusetin, Sdanowo, Kalise, Miroslawo, Wlkozowo, Bezdedovic,
Ocezcice, Leskowice, Walterowo, Wratiwojovice, Plezomi, Lobzi (Lobes),
Malkowice, Hrazd, Lomnice, Lubewice, Kokosin, Theile von Honezovic,
Kozolup, Hozletice, Damnow, Kozzowo. (Näheres in den Urkunden in Er-
ben's Regesta p. 89, 176—178). Spätere Kauf- und Tauschverträge haben
an diesen ältesten Besitzungen viel geändert. Verpfändet wurden in der
Husitenzeit: Kozolup (1429), Plezon (1431), Malkowic, Pawlowice, Stare
Sedlo (Altsattel) nebst einem Vorwerk (1420) Radejowice, Honcowice,
Komberg. (Palacky Archiv öesky II. 196. 199 etc. I. 199 etc.)
267
zu Wilemow (vom Gründer den Namen führend) in der Gegend
von Caslau gestiftet. Auch Wilhelms Bruder Hermann hatte sich
dabei mit grosser Aufopferung betheiligt. Später (1223) wird als
Wohlthäter des Stiftes noch der Edle Zezema von Kostomlat ge-
nannt. ') Die edlen Gründer hatten derartig für ihre Stiftung Sorge
getragen, dass angeblich im J. 1278 an 180 Mönche und nahezu
200 Kleriker daselbst leben konnten. 2) Nachmals besass dieses
Kloster auch noch als Filiale die Propstei zu Uberci c in Mähren. 3)
Weder Mutter- noch Tochterhaus hatten Besitzungen innerhalb un-
seres jetzigen Bisthums Leitmeritz. 4)
4. Das Benedictinerstift S. Margareth in Podlazice (auf
der jetzigen Domaine Chrast im chrudimer Kreise) bestand bereits
in der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts als eine Propstei von
Brewnow (cella in terra Graäicensi\ muthmasslich vom Prinzen Theo-
bald, dem Bruder Wladislaws IL und Besitzer jener Gegend gegrün-
det. Im J. 1159 erhob König Wladislaw dieselbe zu einer Abtei,
die er jedoch der Erzabtei zu Brewnow unterstellte. 5) Da diese
Erhebung unmittelbar auf des Königs Piückkehr aus Italien folgte,
wo er dem Kaiser die Stadt Mailand wieder erobert und für sich
selbst hohen Kriegsruhm gewonnen hatte: so mochte sie wohl ein
Opfer königlicher Dankbarkeit für den genossenen Beistand von
Oben sein. Dieses Kloster war wohl immer nur unbedeutend; denn
im J. 1350, wo alle Klöster Böhmens in höchster Blüthe standen,
zählte es mit Inbegriff des Abtes nur 20 Personen 6), — und in
den Decemregistern von 1384 sowie in den Erectionsbüchern von
l) Erben regest. 312.
3) Ziegelbauer hist. mon. Brevnov. p. 207.
3) Diplomat. Wilemow. (monum. Boh. VI.)
4) In ältester Zeit werden genannt: Opoöenek (Erben 312), Oheb, Wlacic,
Baökov, Okruhlice, Chlistov (registra zapisüw), Bucice, Wulacice, Herma-
nice, Malojovice, Kozojed, Kobile, Marko vice, Ruzen, Opoönice, Bolice,
Pawlow, Zmurdow, Zwosce, Watskow, Stepanov, Lubne, Bosichzin (Michel-
berg, Hnndorf, Sighartsdorf, Lanzendorf, Scheiblsdorf, Kochansdorf, Rech-
ßice), Lupniöka, Bojanow mit 24 Dörfchen, Mladosic, Auröic, Wilemon,
Habern, Horeslawice, Maliöin, Prisecno, Busowna, Walec, Lamprechtice,
Libia, Swetlä. (Dipl. Wilem.)
5) Hist. diplom. Brewnow. in Dobn. mon. VI. p. 7. , Dobn. annal. VI. 403.
Ein Abt Hugo wird 1160 genannt. (Erben reg. 134.)
6) So sagt der Brief des Erzbischofs Ernest an Papst Clemens, cit. Dobn.
ann. VI. 403.
268
1359 bis 1420 wird es gar nie genannt. Die Besitzungen dieses
Ordenshauses werden nirgends aufgezählt.
5. Hajek nennt uns noch eine Menge Benediktinerklöster aus
dieser Zeit, die aber erweislich gar nicht existirten, sondern nur
Propsteien, Pfarreien oder sonstige Besitzungen des Benediktiner-
ordens, zuweilen selbst anderer Orden waren. Beispielsweise nen-
nen wir Saaz (Propstei von Postelberg oder verwechselt mit Zaton),
Tusch kau und Pfestic (Propsteien von Kladrau), Mestec
Biökowice (Commende des deutschen Ordens), Teslin (Propstei
v. Ostrow), ChoruSic (zu S.Georg).
§. 68. Das Benediktinerkloster Postelberg.
1 . Das Kloster Postelberg, dessen Name bis heute der un-
ter seinem Schutze entstandenen Stadt geblieben ist, hiess ursprüng-
lich Apostolorum porta, d. i. Apostelpforte, woraus sofort im Munde
des Volkes der Name Postoloport, Postoloprty und Postolopurk sich
gebildet hat. Die Gründung desselben fällt in den Anfang des zwölf-
ten, wenn nicht schon in die zweite Hälfte des cilften Jahrhunder-
tes. Nach der Meinung der Einen ') ist die Stiftung dem mächti-
gen Geschlechte der Wrsowecen zu verdanken, welches vielleicht
hiedurch die am heil. Adalbert und an dessen Brüdern begangene
schwere Schuld zu sühnen gedachte. Allerdings sind bis 1108 die
Wrsowecen Herren dieser Gegend gewesen, und die Thatsache, dass
im Jahre 1174 schon der fünfte Abt dieses Klosters mit Tode abge-
gangen ist, 3) lässt auf eine Stiftungszeit schlicssen, wo das erwähnte
Geschlecht noch in Blüthe stand. Dagegen nennen uns wieder An-
dere :J) als ersten Gründer den Herzog Sobeslaw, welcher von 1110 bis
1113 über das saazer Gebiet, und von 1125 an über ganz Böhmen
herrschte. Dieser Angabe zufolge wäre die von Jaroslaus in der
ersten Fortsetzung des Cosmas a. a. 1139 erzählte Klosterstiftung
auf Postelberg, und nicht, wie Pulkawa zuerst annahm, auf Siloe
(Selau) zu beziehen, welches Sobeslaw schon im J. 1131 und in
Folge eines anderweitigen Ereignisses gestiftet hatte. 4) Sonach würde
') Weidner: Tria memorabilia MS., Crugerius: Sacri pulveres ad 20. Maji.
*) Contin. Cosmae ad arm. 1174.
3) Rohn: antiquitates ecclesiarum circ. Satecensis.
4, Nachgewiesen von P. Vinzenz Pirclian. Arcana Status Siloe. Auch bei
Dubravius XT. 87.
269
die Veranlassung dieser Stiftung Postelbergs die folgende gewesen
sein. Der Herzog soll auf der Rückkehr aus Meissen, wo er von
der Gemalin des Grafen Wiprecht einige Burgen eingelöst hatte,
in eine waldige Wildniss gekommen und dort bei einem furchtba-
ren Sturme, der die stärksten Bäume zerbrach, in drohende Lebens-
gefahr gerathen sein, während sieben seiner Begleiter wirklich den
Tod fanden. Bei dieser Gelegenheit habe ein 2upan in seinem Ge-
folge das Gelübde gemacht, im Falle glücklicher Rettung Mönch zu
werden. Nach der Zeit habe dieser sein Gelübde gehalten und der
Herzog habe (vielleicht für ihn und seine nunmehrigen Genossen)
jenes Kloster gebaut. ■ Wie, wenn in letzterer Angabe eine Vermitt-
lung mit der angeblichen Stiftung durch die Wrsowecen gesucht
würde, so dass entweder das erzählte Ereigniss vor 1108 zu setzen,
oder statt der Wrsowecen ihr nächster unbekannter Nachfolger im
Zupanamte von Saaz (um 1110) anzunehmen wäre? Jedenfalls wird
bei dem Abgange der Stiftungsdocumente und aller näheren Nach-
richten älterer Chronisten diessfalls auf völlige historische Sicher-
heit zu verzichten sein.
2. Das Kloster war wohl ursprünglich den heil. Aposteln,
insbesondere vielleicht dem heil. Andreas geweiht, dessen Kirche
noch im codex decimarum vom Jahre 1384 als innerhalb der Klo-
stermauer stehend („infra septa monasterii Portae apostolorum")
mit einer Decemabgabe von 10 böhm. Groschen für einen Halb-
jahrstermin erwähnt wird. So Hesse sich auch am natürlichsten
der Name des Klosters erklären. Gewiss war später erst, als die
Baukunst schon in Böhmen erhebliche Fortschritte gemacht hatte,
die prachtvollere Kirche der heil. Mutter Gottes erbaut, von der
sich seitdem das Kloster monasterimn S. Mariae in Porta apostolo-
rum nannte. So heisst es nämlich ausdrücklich in den Erections-
büchern unterm 18. März 1405. ') Wenn dagegen Crugerius 3) die
heil. Apostelfürsten Petrus und Paulus als Patrone von Postelberg
nennt : so fehlt ihm hiefür offenbar jeder Anhaltspunkt. Nach der Versi-
cherung des Historiographen von Bfewnow *) ist es für ausgemacht
zu halten, dass dereinst im Kloster Postelberg an dreihundert Mönche
') Lib. Erect. VII. A. 4.
2) Sacri pulveres 1. c.
3) Magnoaldus Ziegelbauer hist. monast. Brewnow, p. 203.
270
lebten. Wenn dem so ist, welchen Umfang muss das Gebäude
nicht gehabt haben! Diesem Umfang entsprach denn auch der Be-
sitz an Land und Leuten,
§. 69. Fortsetzung.
Es ist nicht zu ermitteln, wie weit der ursprüngliche Besitz
des Klosters Postelberg sich erstreckt habe; jedenfalls aber ist der-
selbe weit über die Gränzen der jetzigen Herrschaft gl. N. hinaus-
gegangen. Wie alle Klöster dieser Zeit, so erhielt auch gewiss Po-
stelberg gleich anfangs eine Menge von Maierhöfen mit Aeckern,
Weinbergen, Wiesen und Waldungen, denen die nöthige Anzahl von
Dienstleuten — jeder mit einem Stück Landes, wo er seine Hütte
hatte — zur Bestelluug der nöthigen Arbeiten des Feldes und des
Hauses zugetheilt war. Dazu kamen Zinsleute im weiten Umkreise
mit bestimmten Jahresleistungen an Geld, Incorporationen unter-
schiedlicher Pfarrkirchen, deren Einkünfte gegen Anstellung eines
Seelsorgsadministrators in die Kasse des Klosters flössen, überdiess
von Fürsten geschenkte Antheile von Zöllen und Steuern. }) Nach
der Zeit fehlte es auch nicht an ausgedehnten Erwerbungen durch
Kauf und Tausch von Seiten des Klosters selbst. Privilegien der
Fürsten sicherten den Besitz der Stifter, befreiten dieselben von
öffentlichen Lasten und räumten ihnen mancherlei kostbare Vor-
rechte ein. Urkundlich erscheinen als Besitzungen und beziehungs-
weise als Collaturen des postelberger Stiftes die nachstehenden Orte :
a. Kozzowo (Gossau bei Haid impilsner Kreise) und Ma In-
no wo (wohl Damnow heute noch theil weise zum Dominium Kla-
drau gehörig), welche beiden Dörfer von Seiten Postelbergs unterin
17. December 1239 um den Preis von 130 Mark reinen Silbers an
das Benedictinerkloster zu Kladrau verkauft wurden.2)
b. Wrutek, die heutige Stadt Rudig im saazer Kreise, wo
das Kloster erweislich in den Jahren 1393 und 1418 das kirchliche
Präsentationsrecht zur dortigen Pfarrpfründe ausübte. 3) Im Jahre
1227 hatte Cojata von Swabenic diesen Ort dem Kloster Zderas
') Im J. 1431 verpfändete König Sigismund die dem Kloster Postelberg gehö-
rigen „berny a sumy" an Benes v. Kolowrat. Palacky archiv I. 500.
2) Urkde. Erben regesta 453.
3) Lib. Confirm. a. h. ann.
271
in Prag testirt '). Es ist unbekannt, wie selber späterhin an Postel-
berg gelangt ist.
c. L i b o c a n , das heutige Pfarrdorf gl. N. ebenfalls im saazer
Kreise, wo das Stift in den Jahren 1389, 1403 und 1410 ein glei-
ches Recht besass. 3)
d. Ebenso war das Patronatsrecht in der Stadt S 1 a w e t i n im
rakonitzer Kreise, dem Kloster von der Familie Hasenburg über-
tragen worden. Ueberhaupt erscheinen die Herren Zagic von Ha-
senburg als vorzügliche Wohlthäter des Stiftes. 3)
e. Dem Kloster waren auch die damaligen Pfarrorte L e n e s i c
(1404)4), Skupic (1386, 1413) 5), Lipenec (1399) auch Mnichowy
Lipen genannt,6) und Podwofany, das heutige Podersam7) auf
den jetzigen Dominien Leneschitz, Postelberg, Neuschloss und Po-
dersam einverleibt. Hiezu gehörten ohne Zweifel auch die dahin
eingepfarrten Ortschaften.
f. Auch ein Dorf Bzwany erscheint als Eigenthum von Po-
stelberg. Als solches wurde es 1436 von Kaiser Sigmund dem Be-
nes von Kolowrat (zugleich mit Skupice) gegen 500 Schock in Pfand
gegeben. 8) Wahrscheinlich ist damit das heutige Dorf und Gut
Pschan gemeint.
g. Ueberdiess besass das Kloster zerstreute Leibeigene in frem-
den Ortschaften, wie z. B. in Gr o s s 1 i p p e n im heutigen Dominium
Grosslippen saazer Kreises; auch bedeutende Jahreszinse, die auf
den umliegenden Dominien radizirt waren, und Antheile an den kö-
niglichen Landeseinkünften. 9) Im Laufe der Zeit entstanden wie
auch anderwärts, durch emphiteu tische Zertheilung der Klostergrund-
') Dobneri Monum. Boh. IV. 257.
3) Lib. Confirm. ad h. ann. Lib. Erect. III. E. 3.
3) Lib. confirm. 1369, 1404, 1408, 1416. Lib. Erect. VII. A. 4, 7.
4) Lib. Confirm. ad h. ann.
5) ebendes. Lib. Erect. VII. K. 8. Im J. 1431 wurde es vom K. Sigismund
an Benes v. Kolowrat verpfändet. (Palacky archiv. I. 500.)
6) Lib. Confirm. 1399. Dieses wurde 1437 um 370 Schock verpfändet.
(Palacky archiv.)
7) Palacky: Archiv cesky II. 447. Es yurde vom K. Sigismund 1426 an
Burian und Johann von Gutenstein verpfändet.
8) Palacky archiv I. 500.
9) Aehnliches besassen eben alle Klöster in Böhmen.
272
stücke zahlreiche neue Ortschaften: so gewiss ein grosser Theil
jener, die jetzt das Postelberger Dominium bilden. —
2. Die hervorragendsten Besitzungen des Klosters waren aber
seine auswärtigen Propsteien, gleichsam kleine Filialklöster, wo
mehrere Ordensbrüder unter einem vom Abte aufgestellten Präpo-
situs nach der Ordensregel lebten.
a. Eine Propstei dieser Art war Cella jawtae vitae d. i. Le-
benspforten-Zelle, das heutige Weberschan in der Nähe von Po-
stelberg. .!) Die Stelle, wo jetzt das Lokalistengebäude steht, hiess
vordem „auf dem Kloster." Auch in den benachbarten Häusern
sind beim Nachgraben Mauern von alten Gewölben gefunden wor-
den. Noch jetzt heisst die Flur hinter Weberschan bis zum Milay-
berge „die Zelle." Einer der letzten Pröpste von hier war der im
J. 1407 erwähnte Propst Ullrich. *2)
b. Eine zweite Propstei besass das Kloster in Saaz und zwar
bei S. Prokop in der niederen Vorstadt, welche wie es scheint, um's
Jahr 1384 wahrscheinlich von demselben Nicolaus (Johannes)
Daubowec von Daupowa gestiftet wurde, der sofort selbst das Or-
denskleid nahm und im Jahre 1407 als Propst in Saaz einen Jah-
reszins von 13 Schock böhmischer Groschen um den Preis von 143
Schock vom Kloster Postelberg erkaufte, mit der Bedingung, dass
dieser Zins nach seinem Tode für ein Krankenhaus bei der Prop-
stei zu Saaz verwendet werde. Im Jahre 1400 erhielt diese Prop-
stei auch die pfarrliche Jurisdiction. :J) Dieselbe ist aber sehr wohl
von der Propstei des alten Collegiatstiftes Sadska, oft auch Sacensis
genannt, zu unterscheiden. Dieses 1101 vom Herzog Boriwoj IL
gestiftete Collegiatcapitel ist das bereits besprochene in Sadska
bei Nimburg. In Saaz dagegen hat sich zu keiner Zeit ein Colle-
ge atstift befunden und eben desshalb auch keine Säcularpropstei,
wie zuweilen irrthümlich angenommen wurde.
c. Auch das heutige Klösterle4) (saazer Kr.) soll vordem eine
') Sommer: Topographie des saaz. Krs. S. 71 und 72: Ziegelbauer hist. mon.
Bfewnow. p. 203.
2) Lib. Erect. VII. L. 6.
3) Lib. Erect. VII. K. 8, L. 6. Rohn; Antquit. eccl. p. 116.
4J nach Schaller und Sommer in ihren Topographien des saaz. Kreis. , —
bei beiden auf Grund einer von den Ortsseelsorgern bezeugten älteren
Tradition.
273
Propstei von Postelberg gewesen sein, welche wahrscheinlich schon
in der Mitte des dreizehnten Jahrhundertes gegründet worden sein
dürfte. Der Name selbst (lateinisch Claustrellum) spricht dafür.
Angeblich hat dazu (beziehungsweise zu Postelberg) die jetzige Herr-
schaft gleichen Namens gehört. Diese Propstei muss aber wohl
schon vor 1358 dem Kloster entfremdet worden sein, da sich in den
von 1358 anfangendem Confirmationsbüchern keine Erwähnung der-
selben mehr findet. Im Jahre 1379 gehörte Klösterle bereits dem
deutschen Orden, der dort eine Commende besass.1)
Es ist möglich und sogar wahrscheinlich, dass das Kloster Po-
stelberg noch mehr als die erwähnten Besitzungen, Pfarreien und
Propsteien besass; doch nur die genannten lassen sich (mit Aus-
nahme von Klösterle) urkundlich nachweisen.
König Pfemysl Ottokar I. verlieh dem Kloster für alle seine
Besitzungen die Exemtion vom Cudengerichte und unterstellte seine
Rechtssachen unmittelbar dem Gerichte der Stadt Prag, bei dem er
selbst in Person oder durch einen Stellvertreter den Vorsitz führte.
König Wenzel bestätigt um 1210 dieses Recht dem Abt Theodorich.3)
3. Als Aebte des so berühmten Klosters werden genannt:
a. Rislaw (Cislaw), der im Jahre 1147 am 12. Juni mit Tode
abging. Er soll bereits der fünfte Vorsteher des Klosters gewesen
sein.3) Unmittelbar auf ihn folgte:
b. Bero, gewählt am 9. December 1148, ein Mann voll Liebe
und Tugend, einfach und rein in seinen Sitten, ein besonderer Freund
der freiwilligen Armuth. Derselbe war seiner besondern Verdienste
um das Ordensleben willen zuvor im Kloster Bfewnow der erste
mit der Dekanswürde beehrt worden. Als Abt des Klosters Po-
stelberg ward er vom Bischof Otto introducirt und starb daselbst
am 11. Mai 1156.4)
c. Abt Friedrich war nicht allein als tüchtiger Vorsteher
seiner Klostergemeinde, sondern auch als gewandter Staatsmann
hoch in Ehren.5) Im Jahre 1157 ging er im Auftrage Wladislaws
») Lib. Confirm. 1379.
3) Urkunde in Prof. Dr. Höflers M. S. : Monumente des Königthums in Böhm.
3) Contin. Cosmae ad 1147.
4) Contin. Cosmae.
5) Contin. Cosmae ad ann. 1157 nennt ihn einen Mann von höchster Er-
18
274
mit dem als ersten Politiker damaliger Zeit berühmten prager Bi-
schöfe Daniel an der Spitze einer Gesandtschaft nach Ungarn, um
dort für den herzoglichen Prinzen Friedrich um die Königstochter
Elisabeth zu werben. Da starb er auf der Rückreise am 20. Jän-
ner 1158.1)
d. Nach dem Tode Friedrichs, des siebenten Vorstehers von
Postelberg, folgten daselbst innerhalb 52 Jahren nicht weniger als
neun Aebte, deren Namen uns unbekannt sind. Erst mit dem J.
1210 werden wir die Series derselben wieder aufnehmen können.
§. 70. Das Praemonstratenserstift Strahow.
1. Es wurde bereits erwähnt,2) dass der prager Bischof Jo-
hann I. den vom h. Norbert gestifteten Orden der Praemonstraten-
ser als ein vortreffliches Mittel zur Hebung des geistlichen Lebens
in Böhmen freudig begrüsste, indem die in diesem Orden angestrebte
Vereinigung des Lebens der Canoniker mit jenem der Mönche die
frommen Zeiten eines seligen Chrodegang wiederzubringen ver-
sprach. Dieselbe freudige Hoffnung hatte vor ihm schon der da-
mals am böhmischen Hofe lebende olmützer Bischof, Heinrich Zdik ge-
habt, der desshalb auf seiner Pilgerreise nach Jerusalem bereits in hei-
liger Begeisterung für die gute Sache ein Mitglied jenes Ordens
geworden war. Jetzt vereinigten sich beide geistlichen Oberhirten,
um auch ihren Landesherrn und sein fürstliches Haus für die Be-
rufung des neuen Ordens zu gewinnen. Es gelang ihnen in aus-
gezeichneter Weise, und sofort sehen wir Wladislaw und seine Fa-
milie einerseits und die beiden Bischöfe anderseits in frommen
Spenden für die Erbauung und Dotirung des ersten Praemonstra-
tenserklosters sich förmlich überbieten. So entstand das Kloster
Strahow auf dem Berge Sion in Prag (1138—1143). Die ersten
Bewohner desselben kamen schon 1138 aus dem Kloster Steinfeld
am Rhein, dessen Abt daher lange Zeit Pater Abbas von Böhmen
und Mähren hiess, und seine „Circaria" alljährlich visitirte, diess aber
kenntniss in göttlichen und menschlichen Dingen, von ergebener Treue
gegen Gott und Menschen, von inniger Herablassung gegen Jedermann.
') Monach. Sazav. apud Menken III. 1805; Dobner ann. VI. 371.
2) Vgl. §. 51.
275
in Begleitung eines Convisitators aus den Aebten Böhmens oder Mäh-
rens. ])
2. a. Von den bedeutenden Gütern, welche vor Allen Bischof Jo-
hann dem Kloster Strahow einräumte, lag ein verhältnissmässig nur
sehr geringer Theil. innerhalb der heutigen Diöcesangränzen von
Leitmeritz. Hiehergehörten die Dörfer Konice und Jenisowice
bei Turnau im bunzlauer Kreise. Der grössere Complex lag wei-
ter ostwärts in den Kreisen vonJicin (Bydzow) und Königgrätz. 2)
Von obigen beiden Dörfern war Jenisowice einer der ältesten Pfarr-
orte des alten Turnauer Dekanats; denn in der Höhe des Kirchen-
zeh ents stand es im J. 1384 (mit 12 böhm. Groschen) nur noch
hinter Turnau, Hrustice, Dub und Pfepefe zurück.3)
b. Von den Schenkungen Wladislaws lagen innerhalb der be-
zeichneten Gränzen einige sehr bedeutende Güter zwischen der nie-
dern Eger und Elbe, anschliessend an andere Besitzungen jenseits
der Eger. Namentlich werden genannt 4 Grundbesitze in 0 r a s i c e,
ein Grundbesitz in L a h o w i c e, das ganze damalige Dorf L o b o s i c e
sammt Waldung nebst einigen jetzt verschollenen Ortschaften.4) Ora-
sice erscheint im J. 1384 als eine der Jüngern Pfarreien des Schlaner De-
kanates, die damals den in dortiger Gegend verhältnissmässig geringen
Kirchenzehent von 6 böhm. Groschen steuerte.5) L o b o s ic e erscheint
erweislich im J. 1248 als längst bestehender Pfarrsitz. Im selben Jahre
wird nicht mehr das Kloster Strahow, sondern Burggraf Heinrich de Lipa
von Zittau als Besitzer genannt. Dieser verkaufte 1248 Lobositz emphi-
teutisch gegen Vorbehalt bestimmter Ptechte und Abgaben an den leit-
meritzer Bürger Hertwik, schenkte aber bei dieser Gelegenheit „zur
Ehre Gottes und der seligsten Jungfrau Maria sowie des h. Wenzel"
der Kirche des Ortes eine Hufe (lan) Feldes als Eigenthum, und
von jeder andern Hufe des Dorfes (die alle ausdrücklich so gross
sein sollten, wie die Hufen im nahen Dorfe Prosmyk) die bleibende
Abgabe eines Kübels (kbelec) Korn.6) Im Jahre 1251 befand sich
l) Vgl. Tomek G. P. 478 und 479. Palacky I. 413.
3) Vgl. das Fragment der Stiftungsurkunde bei Erben reg. 106. Dazu To-
mek G. P. I. 99.
3) Codex decimarum.
4) Fragment der Stiftungsurkunde Erben 106. Tomek G. P. 99.
5) Codex decimarum.
6) Urkde Erben reg. 562 d. d. Leitmeritz 6. Nov. Darin werden als Zeugen
auch 2 Pfarrer, Absolon und Ötepan, genannt.
18*
276
dieser Ort im Besitze des Smil von Lichtemberg, welcher es da-
mals sammtZugehör an das Cisterzienserkloster Altenzell in Meissen
verkaufte.1) Wahrscheinlich gehörte das benachbarte DorfSlerno-
seky (1384 Pfarrdorf mit 9 b. Gr. Zehent) frühzeitig zum Gute Lo-
bosice. So finden wir es namentlich 1420 ebenfalls als Eigen thum
von Altenzell, ward aber damals vom K. Sigismund um 20 Seh. pr. Gr.
an einen gewissen Rüdiger für rückständigen Sold verpfändet.2)
Zur Kirche in Lobosic machten 1385 Freimuth und sein Sohn Zdi-
slaw von Cernuc und 1394 Peter und Erhard von Skalka Schenkun-
gen an Jahreszinsen, die beiden letztern zur Stiftung eines Vica-
risten, — alle aber noch mit Erlaubniss des Abtes von Altenzell.3)
Dieser übte auch noch 1415 das Collaturrecht daselbst aus.4) In
demselben Jahre aber ward Lobositz durch K. Wenzel an Wla§ek von
Kladno theilweise verpfändet.5) — Ausser den obbenannten und
mehreren anderweitigen Orten schenkte Wladislaw dem Kloster noch
unterschiedliche Zins- und Arbeitsleute.
c. Frühzeitig erwarb das Kloster Strahow das Präsentations-
recht für die Marienpfarrkirche zu Saaz. Erweislich besass es
dasselbe schon im J. 1273, wo ein Privilegium des Papstes Gregor
solches ausdrücklich bestätigte. 6) Es war diess die ehemalige Haupt-
kirche des Saazer Archidiakonats, dessen Archidiakon jedoch als
Canonicus des Domcapitels zu Prag residirte. Ebenso war jene
Kirche zugleich die Hauptkirche des Saazer Dekanats und zahlte
im J. 1384 als die unzweifelhaft älteste des Sprengeis darum nur
36 böhm. Groschen zum Kirchenzehent, weil damals nur der Vica-
rius perpetuus derselben von seinem Einkommen steuerte, der Haupt-
betrag aber dem Kloster Strahow unmittelbar zur Last fiel. T) Ausser
') Sommer leitm. Kr. 91. Altenzell (bei Freiberg) war das älteste Cisterzienser-
kloster in Meissen, eine Colonie von Kloster Pforta bei Naumburg. Mark-
graf Otto von Meissen stiftete es im Jahre 1166. Unter die vom Stifter
geschenkten Besitzungen gehörte auch das Dorf Christiansdorf, welches
nach Auffindung der dortigen Silbergruben als Bergstadt Freiberg empor-
blühte. Annales Veterocellenses, ed. Menken IL 378 etc.
2) Palacky archiv I. 50. ,
3) Lib. Erect. XIII. A. 10, E. 1.
4) Lib. Confirm. VII.
5) Palacky archiv I. 520, 521.
6) Tomek G. P. I. 481.
7) Codex deeimarum.
277
dem Pfarrer (oder Vicarius perpetuus) wurden damals noch ein
Frühmessner und zwei Altarbeneficiaten derselbeu Kirche erwähnt,
der Frühmessner 1380 von der Bürgerschaft gestiftet,1) der Bene-
ficiat des S. Wenzelsaltars aus älterer Zeit stammend, und der des
Altars der h. Stephan, Laurenz und Urban von Henslin Schadernicht
zu Kopie und Ottiko Rys von Lowositz dotirt.2) Ausserdem arbei-
teten zu dieser Zeit noch besondere Pfarrer (plebani) der Vorstädte
im Seelsorgsamte. Genannt sind: Der Pfarrer von S. Martin in
der untern Vorstadt, der 1384. 15 böhmische Groschen zum Kir-
chenzehent zahlte,3) der Pfarrer von S. Jakob in der obern Vor-
stadt mit einer Zehentleistung von 18 böhm. Groschen,4) — der
Pfarrer vom S. Nicolaus in der obern Vorstadt mit einer Decem-
zahlung von 8 Groschen, — der Pfarrer von S. Michael ebenda-
selbst, ohne Zehentleistung, daher wohl sehr gering dotirt, bis 1392
Nikolaus Leonis, ein prager Bürger, 2 Schock Zinsungen im Dorfe
Milßewes hinzufügte,5) — der Seelsorger von S. Maria Magdalena,
ebenfalls ohne Zehentpflicht, — der von S. Johann dem Täufer in
Mlinar, der 1390 2 Schock böhm. Gr. Zinsungen für sein Beneficium
erwarb,*5) — wenigstens nach 1384 der Seelsorger der S. Wenzels-
kirche in der Untervorstadt,7) u. seit 1400 die von zwei saazer Wit-
wen gestiftete Spitalkaplanei zum allerh. Frohnleichnam.8) Schliess-
lich ist auch zu erinnern, dass neben allen diesen Seelsorgen auch
noch eine postelberger Propstei bei der Kirche und dem Hospitale
des h. Prokop in der untern Vorstadt bestand.9) — Um wieder auf
das Kloster Strahow zurückzukommen, so kaufte selbes unter Pfe-
mysl Ottokar I. das Dorf Stank o wie, das im J. 1384 sich als selbst-
>) Lib. Erect. IL R. 2.
2) Lib. Erect. IV. B. 8.
3) Codex deeimarum. Zehnten und Aecker desselben werden erwähnt Lib.
Erect. XII. C. 2, XIII. P. 4. ad ann. 1406 und 1389. Im Jahre 1390 war
der hiesige Pfarrer Beneä Dekan des Dekanats. Lib. Erect XII. C. 18.
4) Codex deeimarum. Im Jahre 1379 verkaufte Heinrich von Bezderow auf
Desnic sein Anrecht auf einige „Unterthanen" dieser Kirche an Jakob von
Kolowrat. Lib. Erect. II. R. 1.
5) Lib. Erect. XII. F. 19.
«) Lib. Erect. XII. C. 18.
7) Lib. Erect. XIII. E. F.
8) Lib. Erect. VI. C. 4} IX. L. 2, P. 2.
9) Vgl. Kloster Postelberg, oben.
278
ständige Pfarrei unter der Collatur von Strahow1) mit 4 böhni.
Groschen am Kirchenzehent betheiligte,8) und im J. 1399 durch
die Wohlthätigkeit einiger prager Bürger neue Kirchengründe er-
warb,3) — und wenigstens seit 1319 den Hof Twr§ic in der
Nähe von Saaz.4) Um 1250 erlangte Strahow auch das Pfarrdorf
Cernicewes (das jetzige Cernewes) an der Elbe bei Wettel, das
aber später an das Kloster Doxan gelangte ,5) das Patronat der Adal-
bertikirche auf dem Georgsberge (ftip) mit dem Eigenthumsrechte
über das Dorf Metes (jetzt Taubendörfel bei Eaudnitz).6) Auch
eine dem Kloster zinspflichtige Mühle bei Brüx wird seit 1323 er-
wähnt.7) Unmittelbar an der Gränze des jetzigen leitmeritzer Diö-
cesangebiets gehörten dem Kloster schon in ältester Zeit die Güter
Patek und Badonic.8) Die übrigen ältesten Besitzungen lagen zu-
meist in den Kreisen von Königgrätz, Bidschow und Rakonitz. 9)
§.71. Das Kloster der Praemonstratenserinnen zu Doxan.
1. Nach dem Muster von Strahow gründete die zweite Gema-
lin Wladislaws, Königin Gertrud, Tochter des h. Leopold von Öster-
reich und Mutter des seligen Erzbischofs Adalbert, im J. 1144 das
Kloster zu Doxan an der Eger, zu Ehren der allerseligsten Mutter
Gottes und der Heiligen Maternus, Candidus und Laurentius.10) Hier
*) Lib. Confirm. ad ann. 1407.
2) Codex decimarum. Anno 1436 wurde es durch K. Sigmund an die Stadt
Saaz verpfändet. Palacky archiv IL 191.
3) Lib. Erect. XIII. K. 3. Diese gingen 1437 durch Verkauf (während der
Pfändung) verloren. Palacky archiv IL 203.
4) Vgl. Sommer saaz. Kr.
5) Von diesen verpfändete es K. Ladislaw 1454 an Zdenko v. Hasenburg.
Urkunde im M. S. der prager Univ. Bibl. IL B. 5. Miscellanea germ.
6) Vgl. Tomek G. P. I. 484. Urkundenfragmente.
7) Ebend. 481.
8) Erben reg. 157. Sommer rak. Kr. 90.
9) Genannt werden im königg. Kreise : Lohenice, Skalice, Nedeliste, Lusane
mit dem Walde Mesny; im bidschower Kreise Weli§, Öirnotic, Rasin,
Trebnausewes, Horic, Gradisch, Hudonic, Lubonic; im rakonitzer Kreise
Radunic, HHwöic, Wrbne, Chyska, Lasowice, Auhonice, Holonoch ; sonst
noch ein Radowesice (dafür nachmals Chraber), Nakonopnice, Telöice. Vgl.-
Tomek G. P. I. 99 u. 100, Dobn. annal. VI. 503. Erben reg. 157.
,0) Mika : das ruhmwürdige Doxan.
279
sollten nach ihrem Willen fromme Ordensschwestern nach der Re-
gel des h. Norbert leben und ein Priester des Prämonstratenseror-
dens (ein Canoniker von Strahow) sollte als Propst die geistliche
Leitung der frommen Schwestern führen. In der That versammel-
ten sich alsbald gottselige Töchter aus den edelsten Familien des
Landes, und freigebige Glieder des herzoglichen und königlichen
Hauses und hochherzige Verwandte der frommen Ordensschwestern
beeilten sich, die Stiftung der edlen Königin Gertrud in der Art
zu bereichern und zu vervollkommnen, dass sie in Kurzem als eine
der ersten und grössten des weiten Landes da stand. Anderseits
zollten wieder die also bedachten geistlichen Jungfrauen ihren Dank,
indem sie neben ihren klösterlichen Uebungen die weibliche Jugend
des Vaterlandes zu einem frommen Leben und Walten heranbildeten.
2. Das Kloster Doxan musste schon durch seine Lage unmit-
telbar an der heutigen Diöcesangränze einen Einfluss auf die reli-
giösen Verhältnisse unserer jetzigen Diöcese üben: weit mehr aber
musste diess der Fall sein durch die Besitzungen und Collaturen,
die sich unter andern auch in den dermaligen Kreisen von Leitme-
ritz und Saaz ausbreiteten.
a. Am wichtigsten waren die Besitzungen des Klosters in und
um Leitmeritz. In Leitmeritz selbst besass Doxan einen Mai-
erhof mit einem geräumigen Wohnhause, ') in welchem nachmals
die geistlichen Jungfrauen eine sichere Zufluchtsstätte zur Zeit der
husitischen Bürgerkriege finden konnten. Im J. 1336 war auch
die sogenannte Egermühle an der Mündung dieses Flusses in die
Elbe durch Kauf an Doxan gekommen.2) Ursprünglich hatte be-
reits König Wladislaw dem Stifte die ganze heutige Herrschaft Do-
xan geschenkt3): dabei noch das damalige Städtchen Mury auf
') Mika: das ruhmwürdige Doxan p. 14. König Premysl Ottokar hatte diesen
Hof um 1226 zugleich mit Petipsy, Lenesic, Lubedic, dem Hofe in Tribu-
chic, und einigen Unterthanen in Weltrus gegen die ältere Besitzung
Oztlow im Tauschwege an's Kloster überlassen. (Erben reg. 326.)
2) Urkunde in M. S. der kais. Univ. Bibi. in Prag : Miscellanea germ. II. B. 5.
8) Damals mit Doksany, Mury, Wolewsko mit Bor, Rohatce, Chwalin, Libo-
teinic, Bor, halb Dusnik, Peless (?), Kmetinewes und Öernuc kamen erst
1336 für die entlegenen Orte Welichov, Radunfurt und Schloss Hohenstein
durch Tausch an Doxan (Urkunde Erben 325, Mika 44). Andere Dorf-
schaften wurden erst später angelegt, oder kamen, wie Dolanek, Wraskow,
280
einer Egerinsel nahe bei Brozan, mit einer uralten Pfarrkirche1)
die jetzt zum Dominium Brozan gehörigen Ortschaften Chodaunky
und Hostenice, und das uralte Pfarrdorf C h o t e § o w.2) Von letz-
terem, dem die geistlichen Schwestern wohl zur steten Erinnerung
an das zweite Jungfrauenkloster ihres Ordens zu ChotSsow bei Pil-
sen diesen Namen gegeben haben, ging die Sage, dass da die from-
men Nonnen die Kirche schon um das Jahr 1145 erbaut und in
selbe ein Gnadenbild der allerseligsten Jungfrau geschenkt haben,
das sofort wirklich der Zielpunkt zahlreicher Wallfahrten geworden
ist. Im J. 1384 gehörte die Pfarrpfründe daselbst mit einer halb-
jährigen Zehentleistung von 12 Groschen zu den besten des Treb-
nitzer Dekanats, ja sogar einer ziemlich weiten Umgegend. Der
Propst zu Doxan übte hier noch 1409 und 1413 das Patronats-
recht aus.3) In den husitischen Unruhen gedieh dieser Ort durch
kaiserliche Verpfändung in den Besitz der Herren von Hasenburg.
— In derselben Gegend schenkte schon Wladislaw dem Kloster das
Dorf Zalezly an der Elbe, jedoch mit Vorbehalt des Lachsenfan-
ges, der landesfürstlich blieb, bis endlich 1226 König Premysl Otto-
kar I. auch diese Freiheit noch hinzufügte, unter Einem das Kloster von
allen Abgaben und Diensten freisprach, demselben die Gerichtsein-
künfte der Hlawa (Mordsteuer), Swod (Sühngeld für Misshandlungen)
und Slawe (Zahlung von Gottesurtheilen durch Wasser und glühendes
Eisen) schenkte und zollfreie Schifffahrt für ein Schiff auf der Elbe
verlieh.4) Als Eigenthum Doxan's erscheinen in dieser Gegend auch
Kraböice, Mneles, ein Theil von Martinewes nachmals durch Schenkung
hinzu.
!) Doxan übte hier noch 1411 das Collaturrecht aus. (Lib. confirm. ad 1411,
wie 1376, 1383, 1403, 1407). Das Städtchen halte „deutsches .Recht."
Die Kirche zahlte 1384 9 böhm. Groschen als halbjährigen Kirchenzeh ent.
Die hiesige Kirche war wie die Kmetinaves und S r b i c dem Kloster
incorporirt — hauptsächlich , um mit den Einkünften die Kosten der
klösterlichen Gastfreundschaft zu decken (propter onera hospitalitatis).
Lit. papal. in lib. Erect. V. B. 2.
2) Mika „das ruhmwürdige Doxan".
3) Lib. Confirm. ad h. ann. Nach Lib. Erect. XIII. B. 2. hatte der hiesige
Pfarrer alle Samstage eine gestiftete h. Messe zu Ehren der h. Mutter
Gottes zu feiern.
4) Bestätigungsbrief Premysl Ottokars 1226 bei Mika p. 25 etc. Erben 326.
Irrig setzt Mika das bei ihm p. 14 genannte Zaleky (richtig Zalesly, wie
S. 24) in die Gegend von Leipa.
281
ein Theil des Pfarrdorfs Bau§owice (1226 durch Kauf von Bruno,
dem Sohne Bleks erworben) sammt der Collatur über die sehr alte
Pfarrkirche daselbst, ]) das bereits erwähnte Pfarrdorf Cernöwes bei
Wettl,2) das damalige Deutschkopist, das vor Erbauung der
Festung Theresienstadt an der Stelle der jetzigen Festung stand,
die Dörfer Brnian und Rochow, letzteres jetzt zum Dominium
Brozan gehörig, beide durch Schenkung eines Grafen Cenkow,3) Ro-
chow zur Hälfte von Königin Judith, endlich Pfestawlk und Wrbi-
£an. Brnian, Bausowice, Deutschkopist (1454 wird auch Böhm.-
Kopist mit erwähnt) gelangten nebst den noch angränzenden Do-
xaner Dörfern Duümiky, Rohatce, Chwalin, Liboteinic, Kleinnuönic
und 11 Unterthanen in Dolanek im J. 1436 durch kaiserliche Ver-
pfändung um den Pfandpreis von 600 Schock Groschen an die Stadt
Leitmeritz.4) Chotesow, Wrbiöan, Pfestawlk, Cernewes (überdiess die
Egerüberfuhr bei Chodöow) kamen 1454 durch Verpfändung von Sei-
ten des Königs Ladislaw an Zdenko von Hasenburg.5)
b. Das Kloster erwarb im J. 1176 durch Vermittlung des stra-
hower Abtes Adalbert von Chfen, dem Sohne des melniker Prop-
stes Jurata vorerst einen Theil von Chrawar nebst Waldungen
mittelst Tausch gegen 4 Mark Silber und einen Maierhof zu Ra-
dusewic.6) Dass diess der heutige Pfarrort Grabern (Krawary, Ra-
dausow) gewesen sei, dafür bürgen einerseits die in der Tauschur-
kunde bezeichneten Gränzen Tynec (Tein), Stwolenic (Drum), Straze
(Straschitz) und der Bach Pulsnice, — anderseits aber die That-
sache, dass Doxan noch bis zur Husitenzeit das Collaturrecht in
Grabern ausübte.7) Einen zweiten Theil von Chrawar erkaufte das
Kloster alsbald von Beznata für 22 Mark Silber, einen dritten von
') Mika S. 43. — Lib. confirm. — Im J. 1384 zahlte B. 12 böhm. Groschen
Kirchenzekent. (Codex decimarum.)
2) Vgl. §. 22.
3) Mika 1. c.
4J Palacky Archiv I. 501, 541. Ebenso kamen 1421 die doxaner Dörfer
Krabßice an Rus von Swina um 120 Seh. , Cernuc und Kmetinewes an
Parcival von Prostibof um 200 Seh. (Palacky Archiv IL 193.)
5) Urkunden im M. S. der präg. Univ. Bibl. II. B. 5 Mise. germ.
G) Urkunde Erben reg. 157. 326.
T) Lib. confirm. ad 1383. Tomek G. Pr. I. 100 verlegt Chrawar irrthümlich
in die Gegend hinter Liben.
282
Dionys für 25 Mark, und einen vierten von Woymir um 18 Mark:
sämmtliche Verkäufer werden als Verwandte Chrens angeführt. Von
einem fünften Verwandten Chrens erwarb Doxan unter Einem das
Dorf Witozlawice.1) Wahrscheinlich verdankte Grabern dem Klo-
ster die Gründung einer eigenen Pfarrkirche, die im J. 1384 bei
einer Zehentleistung von 18 böhm. Groschen entschieden zu den
ältesten des Leipaer Dekanats gehörte.2) Wohl erscheint 1264
eine adelige Familie, die sich von Krawar nennt, im Besitze von
Grabern,3) jedenfalls aber nur in Lehensabhängigkeit vom Kloster
Doxan, welches erwiesener Massen noch nach wie vor im Besitze
des Collaturrechtes blieb. In derselben Gegend besass das Kloster
bereits als Schenkung der Königin Judith das Dorf P f e h o r y (jetzt
zum Dominium Liebeschitz gehörig),4) ferner noch vor dem J. 1226
das Gut B r o z a n y (das heutige Brotzen oder Kleinpriesen auf dem
Dominium Liboch) als Geschenk eines gewissen Reinhard, des Soh-
nes Friedrichs de Spelunca,5) der selbst den halben Hof zu We-
schan, sowie sein Bruder Peter seinen Antheil am Dorfe Basche
dem Kloster zugewendet hatte.6) Auch das Dorf Chudolas bei
Liboch gehörte nachmals demselben Kloster.7)
c. Im jetzigen saazer Kreise erhielt Doxan um 1226 vom Kö-
nige Pf emysl Ottokar im Tauschwege (gegen Oztlow) die Dörfer P e-
t i p s y (Fünfhunden), LeneSice, Libedice und T r e b u s i c e, über-
diess auch durch Kauf einen Theil von Liboöany.8) Die mei-
sten dieser Besitzungen erscheinen später9) als Eigenthum des Klo-
sters Postelberg, bei dessen Besprechung wir bereits die alten Pfarr-
orte Lenesice und Liboöany kennen lernten. Auch Libödice erscheint
als einer der ältesten Pfarrstationen des saazer Dekanats, da es
1) Urkunde Erben reg. 327.
2) Codex decimarum.
3) Rohn antiq. eccl. M. S.
4) Urkunde Erben 326.
5) Ebendas. S. 327. Dieses Gut gehörte dem Kloster bis zur Aufhebung des-
selben. Sommer leitm. Kr. 382.
<]) Erben 327. Weschan dürfte das heutige Vestany (Weschen) auf der Domäne
Türmitz sein. Das Dorf selbst haben wir bereits als Besitzung des Collegiat-
stifts S. Apollinar kennen gelernt.
7) Sommer leitm. Kr. 382.
8) Erben reg. 326.
9, In der Zeit der Lib. Confirm. 1358—1419.
283
1384 halbjährig 12 böhm. Groschen zum allgemeinen Kirchenze-
hent beisteuerte.1) Im J. 1394 erscheint hier als Besitzer und Col-
lator ein gewisser Slacho, Lehensmann zu Libedie, und im Jahre
darauf ein gewisser Erhard Lehensmann zu Okunow.2)
3. In nächster Nähe der genannten Ortschaften schlössen sich
die namhaften alten Besitzungen des Klosters Doxan in der alten
Landschaft Sedlec an. Genannt werden Welichow (Welchau), Jaku-
bow (Jokes), Petersdorf, Woykowic (Wickwitz) mit Waldungen, Lu-
pelsdorf (Lappersdorf ?), Domonic (Damitz), Schönwald, Ledic (Liti-
tzau), Chotenic (Kuttenitz), Permesgrün, Ledwic (?), Janesdorf (?), Hau-
enstein.3) Insbesondere erwarb sich das Kloster in dieser Gegend
ein grosses Verdienst, indem es im J. 1232 die Stadt Königs-
berg gründete.4)
§. 72. Die Praemonstratenserklöster Selau, Launiowic, Leitomischl und
Mühlhausen.
1. Um das J. 1139 entstand das neue Stift Selau (Zeliwo,
Siloe). Als Gründer desselben wird der Abt Reginard von Sazawa
genannt, welcher — unterstützt vom Herzoge Sobeslaw um 1139
zunächst eine Benedikt inercolonie aus Sazawa in der Wild-
niss von Selau ansiedelte. Da der Grund und Boden der neuen
Niederlassung dem Prager Bischof gehörte: so übte dieser sofort
eine Art von Patronatsrecht in dem neuen Ordenshause aus. So
mochte es kommen, dass nachher Bischof Daniel im J. 1148 die
Benediktiner von hier entliess und Praemonstratenser aus dem
Kloster Steinfeld einführte.5) Die neue Stiftung war anfangs sehr
1) Codex decimarum.
2) Lib. Erect. XII. G. 8. Lib. Confirm. ad 1394.
3) Mika p. 14.
4) Urkunde Erben reg. 370. üeberdies werden genannt die Collaturen von
Weltrus, Kmetinowes, ChodSowic^e (lib. confirm. 1371, 1373, 1378, 1417).
Der Wald Otochochene, ein Theil von Perichow (bei Chotesau), Glusin,
Dechan, Hwojnic, Öernuc, Hostiwic, Siwanic, Wrbican, Nemcic, Protivis,
Luhinic, Cachow, Peles, Klobuk, Kotwin, Sbinic, Srbic, Uhrec, Chenowic.
(Erb. reg. 325 etc.) Maskros, Radinic, Leskow, Sobechleby, Stankov,
Tiskovic, Chudinic und mehrere andere minder verbürgte Besitzungen.
(Mika 14 etc.)
5) Chron. Siloens. (Mon. Boh. I. 102 etc.)
284
arm.1) Alsbald aber gedieh auch sie namentlich durch die Frei-
gebigkeit des grossen Protectors des Praemonstratenserordens, des
olmützer Bischofs Heinrich Zdik zu bedeutendem Reichthume. Die
Besitzungen lagen zumeist im Umkreise des Ordenshauses.8) Da
ihnen Anfangs bedeutende Waldstrecken an der mährischen Gränze
zufielen: so beriefen sie deutsche Ansiedler in Menge, welche
gegen fünfjährige Abgabenfreiheit und nachmalige Verpflichtung zu
einem Getreidezehent und einer erst im eilften Jahre beginnenden
Geldleistung die Wälder lichteten und eine Menge nachmals blü-
hender deutscher Ortschaften anlegten. Diese Vorgehungsweise wird
im J. 1252 als eine bereits übliche erwähnt3) und von da an so-
wohl von den Landesfürsten als auch von einzelnen Grundherren
vielfach nachgeahmt.4) Indem auch andere Ordenshäuser in Böh-
men wohl schon seit ihrer Stiftung her und noch mehr von dieser
Zeit an ein Gleiches thaten, so verwandelten sich allmälig die wei-
ten Gränzwälder Böhmens (die grossentheils den Klöstern Ossegg,
Tepl, Kladrau, Nepomuk, später Hohenfurt, Goldenkron u. s. w.
gehörten) in blühende Niederlassungen der Deutschen.
2. Zu gleicher Zeit mit Selau erhob sich das Jungfrauenstift
desselben Ordens Launiowitz in der Gegend von Wlasnn. Wie
uns der sachkundige Chronist von Selau5) erzählt, hat Heinrich,
ein in der Arzneikunst sehr bewandter Praemonstratenser von Se-
lau, aus manigfachen zu diesem Zwecke gesammelten Geschenken
dieses neue Ordenshaus erbaut. Die ersten Bewohnerinnen waren
fromme Jungfrauen aus dem Kloster Donewald in der Kölner Diö-
cese. Ein Prior unter der Oberleitung des Abtes von Selau be-
sorgte daselbst den geistlichen Dienst.8) Die Besitzungen des Klo-
') Ebendaselbst.
a) Genannt werden in ältester Zeit: das Gut Stanimir (nachmals gegen den
grossen Wald Borek an der mährischen Gränze vertauscht), Podol, Dobre,
Scrisowe, Bogedanz, Pustsin, und namhafte Zchente in der Gegend von
Iglau. Vgl. Erben reg. 152, 382 etc.
3) Erben reg. 60G.
4) Erben 1. c. Als spätere Besitzungen Seiaus werden von K. Sigmund
1436 verpfändet: Zbilidy mit einem Teiche, Petrowice, Öihowice und
Nccice. (Pal. arch. öesk. I. 514.)
5) Dobn. mon. Boh. I. 99.
6) Ebend. 110 etc.
285
sters in ältester Zeit werden nicht genannt l) : jedenfalls lagen sie
von der jetzigen leitmeritzer Diöcese fern. Nachmals ging von hier
eine Schwestercolonie nach Kaunitz in Mähren aus.
3. Im Jahre 1145 räumten auch die Benediktiner zu Leite-
rn i s c h 1 ihr Ordenshaus den Praemonstratensern ein. Herzog Otto
von Ohnütz und der Bischof Heinrich Zdik dotirten es auf das frei-
gebigste aus Dankbarkeit für eine überstandene Lebensgefahr.3)
So bedeutend wurden die Besitzungen dieses Klosters sowohl in
Böhmen als in Mähren, dass es nachmals in ein Bisthum sammt ei-
nem Domcapitel verwandelt werden konnte. Namentlich gehörten
auch hieher bedeutende Waldstrecken an der mährischen Gränze,3)
welche sich in Kurzem zu Wohnsitzen deutscher Ansiedler gestal-
teten.4)
4. Im Jahre 1184 stiftete der edle und fromme Graf Georg
von Mühlhausen (Jurik von Milewsko) eine neue Colonie des Prae-
monstratenserordens, die seinen Namen verewigte. Es ist das Klo-
ster Mühlhausen (Milewsko) in der Gegend von Pisek.5) Der
bekannte Chronist von Selau (Fortsetzer der Chronik des Selauer
Capitulars Jaroslaw), der eben so gelehrte als fromme Ordensbru-
der Gerlach (Gerlacus) ward der erste Abt des neuen Stiftes. Eben-
desshalb ist es mehr als wahrscheinlich, dass es auch die ersten
Ordensbrüder aus Selau erhielt und auch unter der mittelbaren Lei-
tung dieses Mutterklosters blieb. Die ältesten Besitzungen lagen
in den Kreisen von Tabor, Prachin und Budweis.6) Als Propstei
1) Kaiser Sigmund verpfändete 1420 zugleich mit dem Klostergebäude Lau-
niowic die Ortschaften (also wohl Besitzungen des Klosters) : das Städtchen
Domasin, die Dörfer Lhota, Milanowice, 2elichowice, Hrin, Skry§ow, Rat-
merire, Libun , Lazy, Predborice, Hrajowice, Rajkowice, Lhota, Karhule,
Krizow, Utechowice, Masejowice, Milotice und Waöice (Pal. reg. zäpis. in
Arch. öesk. I. 531).
2) Vgl. Erben, reg. 112.
3) Vgl. Erben reg. 112, 138, 139.
4j Als älteste Besitzungen werden nebst grossen Waldstrecken genannt :
Pametic, Theile von Wazane, Krekovice, Richowice, Sudic, Sekry, Unter-
thanen in Rostok, Dubraunic, Nedosin, Gradisce, Theile von Lozic, Zaläsaz,
Lepejowice, Tynec, Triskowic, Iwanowic, Grubowic, Domasic, Hinow, ftepin,
Kolodes, fökowice, GruSowa, Swabenice, Bojanowice, Cerekwice , Blejow,
Brezne. (Erben 1. c.)
5) Urkunde Erben reg. 231.
6) Genannt werden Cernochow, Theile von Treskolup und Kralup (1207 für
286
wird — ohne nähere urkundliche Begründung — Theusing ge-
nannt. ])
i
§. 73. Die ersten Cisterzienser in Böhmen.
I. Es wurde bereits erwähnt, in welch' nahem Zusammenhange
die Einführung der Ordenssöhne des h. Bernard mit clor geistlichen
Deformation in unserem Vaterlande stand. Das erste Mutterhaus
für Böhmen war das Kloster Waldsassen im heutigen König-
reiche Baiern. Dieses von den einstigen Besitzern Egers, den Gra-
fen von Vohburg gestiftete und dotirte Ordenshaus hatte schon von
allem Anfange an bedeutende Besitzungen und dadurch auch be-
deutenden Einfluss in Böhmen erworben. Diese Besitzungen erstreck-
ten sich namentlich über einen beträchtlichen Theil des Egerlandes
und des ehemaligen elbogner Kreises, — hier insbesondere über
viele Ortschaften der Dominien Chodau, Schönbach, Graslitz, Ber-
nau, Wallhof, Katzengrün, Sandau und Königsberg. Uiberdiess ge-
hörten dahin 6 Höfe in Pilsen und eine Besitzung sammt dem Pfarr-
patronate in Plan.2) Aber auch in den Umkreis der heutigen Di-
öcese von Leitmeritz reichten die Güter dieses Klosters hinein.
Hier besass Waldsassen vorerst durch Schenkung vom Könige
Wladislaw I. (1165, 28. Juni) in der saazer Provinz ein Dorf Dau-
dlebic mit dem sehr ausgedehnten Grundbesitze Preolac (jetzt
Tynsa vertauscht) , Belin , Pozretin , Kdesice, Dobrotesice , Mymonowic,
Gray ko wie (letztere 3 für Strana, Bratrejow, Zbutko, Chratna eingetauscht),
Bojnic, Kojetiu, Horosedly (1234 gegen Hrustice vertauscht). Vgl. Erben
reg. 231, 259, 260, 26G, 275, 285, 296, 355, 399, 413.
») Illust. Chron. von Böhm. I. 322.
-) Genannt werden : das freie Steinhaus in Eger mit den dazu gehörigen
Unterthanen in und ausserhalb Eger, das Quellgebiet der Elster bei Asch
(begränzt von den Bächen Znata, Tieffenbach, grosse und kleine Elster,
Winbach, Luboc, Tonokop sammt inliegenden Ansiedlungen) , Chodau,
Neudorf, Roztil (1196), ein Grundbesitz bei Kulm (1232), Stadt und Gut
Schönbach (bis c. 1348), Konradsgrün und 10 Höfe in Gassnitz (1308 —
c. 1348), Lapitzfeld (1308), Gut Liebenstein, Schönwerth , Reichenau,
Scheiben, Perglas, Nothhaftsgrün (1298 — c. 1348), Unterlosau (1218),
Markhausen (bis c. 1348), Oed (1289), ein Hof in Pograt (1287), Schönlind
(bis 1349) , Schossenreut (1279) , Treunitz (bis c. 1348), Oberkuenreut
(1300), Gut Watzgenreut (1154). Vgl. Erben reg. 137, 166, 167. Brenner
Gesch. des Stiftes Waldsassen 24—91. Pröckl, Eger und das Egerland.
287
Dorf Pröhlig) und den Egerfluss der Ausdehnung jenes Grundbesitzes
entlang.1) Dazu fügte Herzog Friedrich im J. 1182 noch das Dorf
Penreit in derselben Gegend sammt Feldern und Wäldern (unter Ei-
nem auch ein Dorf Bruwic nahe bei Prag).3) König Wenzel I. ver-
lieh 1238 dem Kloster noch dazu 6 Höfe und das ganze confiscirte
Erbe des gewesenen königlichen Jägermeisters Orthe in Blzany
(Flöhau) sammt Wiesen und Feldern.3) Nachmals (1248) fügte der-
selbe Fürst für die im Kriege mit seinem Sohne Pfemysl Ottokar
erlittene Verwüstung des Gutes Preolac in derselben Gegend das
Gut Sattel mit Jagd- Fischerei- und Waldgerechtigkeit hinzu.4) Im
J. 1290 (9. Nov.) schenkte König Wenzel IL dem Kloster für die
empfangenen Dienste des damaligen Abtes Theodorich die Hälfte
des Dorfes Holedic, die dem Könige von dem Bürger Theodorich
Brunner in Saaz anheimgefallen war.5) Im Jahre 1291 (27. April)
kaufte das Kloster selbst in der Nähe von Saaz zwei Höfe in S t r u t z \
(Dreihof) an der Eger.6) Etwas später erscheinen bei Saaz die
Ortschaften Pressern (Bf ezany), S c h w i n au (Schinau) und P u l'-
schic (?) nebst dem bereits erwähnten Holedic als Besitzungen von
Waldsassen, die aber im J. 1346 durch Verkauf an Trost von Win-
kler in Künsberg übergehen.7) Im Jahre 1356 gelaugte das eine
Zeit lang entfremdete Gut Preolac als Geschenk von Johelin Jacobi
von Neuem an Waldsassen.8) Im J. 1332 hatte König Johann dem
Kloster das Patronat von Laun geschenkt.9) Das oben genannte
Pressern (Bf ezany) erscheint in der zweiten Hälfte des 14. Jahr-
hunderts als selbstständiger Pfarrort, wo Waldsassen die Patronats-
rechte ausübte. Die Stadt Laun dagegen ist nächst Saaz entschie-
den die älteste und beste Pfründe des saazer Archidiakonats ge-
wesen, indem selbe 1384 die höchst ungewöhnliche Summe von 2
Schock b. Groschen zum halbjährigen Kirchenzehent entrichtete.10)
') Urkunde bei Erben reg. 137.
8) Urkunde ebend. 167. Vielleicht ist dies Branik.
3) Urkunde ebend. 433.
4) Brenner S. 36.
5) Ebend. S. 55 und 59.
6j Ebend. S. 56 und 59.
7) Ebend. 88.
8) Ebend. 92.
9) Ebend. 82.
10) Codex decimarum.
288
Auch später noch vermehrte die Freigebigkeit der Eingebornen den
Reichthum ihrer Kirche.1) Im Jahre 1196 bereits hatte ihnen Her-
zog-Bischof Heinrich Bfetislaw die Zollfreiheit in Böhmen verliehen.2)
2. Von Waldsassen zog im J. 1143 die erste Cisterzienser-
colonie nach Böhmen herein. Hier hatte der edle Miroslaw, an-
geblich ein Ahnherr der nachmaligen Herren von Wartenberg und
Waldstein, für die ehrwürdigen Väter das erste Kloster zu Sedlec
erbaut, — und zwar „mit Einwilligung des Herzogs Wladislaw und
des Bischofs Otto und auf Zureden des Bischofs Heinrich (Zdik)
von Mähren." 3) Als erste Besitzung schenkte der fromme Stifter
dem neuen Kloster die Güter und Höfe Solnic, Hothowic, Podol-
sany, Zdebudice, Pobof, Odolany, Belany, Malejowice, Lubenice, Hli-
zow, Kacin — und namentlich auch Gradische sammt Wasser, Wie-
sen und Waldungen, wo alsbald wieder das selbstständige Kloster
Münchengrätz sich erheben sollte. Uiberdiess aber bestimmte Miro-
slaw das Kloster Sedlec zum Erben aller seiner Güter, falls er und
seine Neffen ohne Erben sterben möchten. Diesem Beispiele folgte
auch sein Schwestersohn Dfislaw, wodurch dem Kloster sehr bedeu-
tende Erwerbungen zuflössen.4) Nachmals vermehrten auch noch
neue Schenkungen unterschiedlicher Wohlthäter den Besitzstand
von Sedlec, — unter diesen namentlich auch der später ausführ-
licher zu rühmende Graf Kojata von Brüx, Sohn des Grafen Hra-
') 1395 errichtete die verwitwete Bürgerin Gutta ein neues Altarbeneficium
(S. Corporis et sanguinis J. Christi) mit 8 Seh. Zinsungen. (Lib. Erect.
XIII. F. 3.) — 1396 10. Mai schenkte der Priester Peter von Laun seiner
Mutterkirche einen Allodialhof , damit ein tüchtiger Prediger daselbst an-
gestellt werde. (Lib. Erect. XIII. G. 1.) In demselben Jahre schenkte die
Bürgerschaft der Kirche einen anderen Allodialhof nebst einem Acker
Landes (Lib. Erect. IV. T. 1.). 1409 schenkte ein Launer Bürger einen
zweiten Acker dazu. (Lib. Erect. XIII. R. 8.) 1412 14. Feb. schenkt aber-
mals ein von Laun stammender Priester der Kirche daselbst einen Allodial-
hof mit einem Acker Landes zur Stiftung einer S. Marien-Frühmesse.
(Lib. Erect. XIII. T. 16.) So war. Laun bis zur Husitenzeit einer der
hervorragendsten Pfarrorte Böhmens geworden.
2) Urkunde Erben reg. p. 193.
3) Stiftungsurkunde bei Erben reg. 103. Kapihorsky hyst. klastera Sedleckeho 1.
Illust. Chron. v. Böhm. IL 161. Fälschlich schreiben Hajek und Pontanus
diese Stiftung dem prager Bischöfe Daniel zu.
4) Stiftungsurkunde wie oben.
289
bi§a von Bilin. l) Auch erhebliche Antheile der in nächster Nähe
entstandenen Silbergruben von Kuttenberg steigerten den Reich-
thum des Klosters, welches um das Jahr 1400 sogar 300 Priester
und 200 Laienbrüder zu erhalten vermochte.5) Die späteren Be-
sitzungen des Klosters lagen zumeist in den Kreisen von Caslau,
Kauf im und Chrudim.3)
Im Antheile der jetzigen leitmeritzer Diöcese besass Sedlec
ausser einigen Elbmühlen bei Nimburg die Stadt Hodkowice4).
Es ist diess um so gewisser das jetzige Liebenau im bunzlauer
Kreise, als diese Besitzung geradezu als Stadt bezeichnet wird und
die beiden andern gleichnamigen Orte in Böhmen (im kaufimer
») Urkunde Erben reg. 333.
2) Illust. Chron. II. 161.
3) Namentlich werden ausser den bereits genanuten angeführt, — urkundlich:
Sezemice, Krastno, Prelozy, Zmine. Bei Kapihorsky hist. Sedl. : Zinsungen
zu Kuttenberg und die Collaturen zu Kuttenberg, Malin, Kolin, Weletow,
Königgrätz und in den mährischen Orten Jemnic und Jaromir. Nach einem
dem Könige Ferdinand überreichten Catalogus (Sartorii Cisterc. bist. 982 —
985) noch: Pretoka, Chleby bei Nimburg, Podesheim bei Graz, Kolin,
Caslau, Bresan, mehre Neudorf, Chrawan, Radhostic, Celakowic, Dymokur,
Ujezd, Hofmark (in Oesterreich), KHwsudow, 3 Höfe bei Kolin, Selmic,
Cernöin, Swojöiß, Borowic, zwei Lhota, Chysna, Budsic, Laz, Brezina, Ce-
setic, Herorc, Slawnic, Pawlow, MikulaSow, Dubec, Bonowec, Wesele, Bon-
kow, Budisow, Babice, Cerkovice, Grund, Dolany, S. Jacob, Kobylnic,
Owöar, Morasice, Zbidlaw, Jezery, Öernice, Belusice, Zraky, Zitenice,
Blary, Chröice, Chwaletice, Dubec, Dobrinice, Konkow, Konowice, Hrob
bei Kolin, Osada, Sestary, Zdanice, Chwostan, Polkym, Pawic, Jenkow, Barts-
dorf, Longendorf, Hohenrein, Smilow, Bergmeisterdorf, Blumendorf, Pfaffen-
dorf, Chotowic, Trebusic, Krakowan, Recenow, Labwetin, Horsan , Postub,
Grellenort, Pignersdorf, Merbotsdorf, Weigmannsdorf , Kojic , Zaboric,
Wlinar, Hohenredel, Malesow, Moßowic, Wilanec, Aigen, Wislowic, Sla-
thauen, S. Nikolaus, Radhost, Bronkowic, Michowic, Usinec, Kresetic, Krupa
und einige Zinsungen. Offenbar wurden da auch Besitzungen anderer
Klöster und blosse Theil- und Zinsdörfer einbezogen. Verpfändet wurden
von K. Sigmund: Cirkwic, S. Jakob, Kojetic, die Mühle Hroby, Hlisow,
Kotowice , Grewer bei Kolin , Luzow , Pfaffendorf, Malesow , Zbyslaw,
Rohozec, Kunice , Tridwori , 2 Mühlen bei Kolin, Owcary, Nowy Dwür,
Nowawes, Hradistko, S. Katharina, Zabor, S. Nicolaus, Dolany, Sestary,
Belany. (Pal. Arch. öesky.) Diese also waren sichere Besitzungen von Sedlec.
4) Vgl. Urkunden Erben reg. 103 und 333 u. das dem König Ferdinand I.
übergebene Verzeichniss.
19
290
und königgrätzer Kreise) erweislich andere Besitzer hatten. Wahr-
scheinlich ist es eben jenes Hothowice, welches schon der Stiiter
Miroslaw zugleich mit dem nahen Münchengrätz dem Kloster Sedlec
übergeben hatte. Im 14. Jahrhunderte finden sich jedoch schon
andere Besitzer dieser alten Stadt, u. z. 1363 die Herren von Dra-
zice und 1376 ein Herr von Biberstein. x) Hodkowice gehörte ent-
schieden zu den ältesten Pfarrbeneficien des Dekanates von Tur-
nau, indem es im J. 1384 den in dieser Gegend höchsten Kirchen-
zins von 12 böhmischen Groschen zu entrichten hatte.3) Als Ei-
genthum des Klosters Sedlec wird endlich auch noch das Einkom-
men vom Zupengerichte in Turnau genannt, auf welchen Ort wir
seiner Zeit näher zu sprechen kommen werden.
Als Propsteien von Sedlec werden Kauf im, Chotusitz
und Elbenteinitz genannt. Auch verlegen Hajek und Spätere
ein von hier aus gegründetes und geleitetes Jungfrauenkloster der-
selben Ordensregel nach Starkenbach (Jilemnice) im ehemaligen
bydschower Kreise.3) Die Husiten sollen dasselbe zerstört haben.
Während jedoch für das einstige Bestehen jener Propsteien zahl-
reiche Urkunden sprechen4) , findet sich für die letztere Meinung
bis jetzt nirgends eine historische Spur.5) Wahrscheinlich hat man
auch hier wie anderwärts das irgend einem Nonnenkloster (un-
bekannt welchem?) gehörige Herrschaftshaus für ein Kloster ange-
sehen.6) Von Sedlec gingen nachmals die neuen Ordenscolonien
Königssaal und Skalitz aus.
3. Um dieselbe Zeit, — nach Neplacho sogar schon im Jahre
1 130 — wurde auch das Kloster N e p o m u k oder Pomuk gegründet. 7)
*) Lib. Contirm. ad h. a.
2) Regist. decim.
3) Hajek. Sommer, bydsch. Kr. S. 171.
4) Index librorum erectionum. Kapihorsky hist. Sedl.
5) Selbst Kapihorsky hist. Kläst. Sedlec. weiss nichts davon.
6) Vgl. S. 106. (Kl. Georg.)
7) Pomuk heisst dieses Kloster in den von Erben (Reg. Boh. etMor.) gesammel-
ten öffentl. Urkunden von 1188, 1234, 1246; Nepomuk dagegen 1176, 1224
1239, 1252. Pomuk heisst es ferner in den Libris Erectionum in d. J. 1409
1412,1413, 1418; Nepomuk dagegen in den Urkunden des Archiv öesky (v.
Palacky) von 1356, 1410, 1419. Es ist also offenbar, dass beide Namen
als identisch betrachtet wurden. Der Sage nach soll aber Nepomuk der
291
Der Name des Gründers ist bis jetzt nicht bekannt.1) Spätere
Schriftsteller deuten auf die Ahnen der nachmaligen Grafen von
Sternberg hin. Sicher ist, dass hundert Jahre nachher der Würz-
burger Bischof Berthold von Sternberg ein grosser Wohlthäter der
neuen Stiftung wurde. 8) Dieses Kloster ist zunächst desshalb merk-
würdig, dass es seine ersten Ordensbrüder aus dem fränkischen
Kloster Eberach erhielt, desshalb den Abt dieses Mutterklosters
fortan als geistlichen Vorsteher verehrte und somit in keinem en-
geren Verbände mit den übrigen Cisterzienser-Ordenshäusern in
Böhmen stand.3) Nachmals diente hier der heilige Johannes von
Nepomuk als Knabe den Priestern am Altare. Die ältesten Be-
sitzungen lagen wohl in nächsten Umkreise.4) Als älteste Aebte wer-
den Conrad (1176), Hermann (1188), Hartmund (1219), Heinrich
(1240), Berthold (1250) genannt. Seit der Zerstörung durch die
Husiten erinnern nur noch wenige Trümmer und das umliegende
Dörfchen Kloster an das einst blühende Ordenshaus.5)
Von Nepomuk aus wurde schon im Jahre 1157 die Propstei
Heiligenfeld (Sacer campus , Swate pole) nächst Königgrätz ge-
gründet, zu welcher wieder in Königgrätz selbst eine Pfarrei mit
einem „Klösterlein" gehörte.6)
Auf dem Grünberge bei Nepomuk soll nach Einigen noch
ein anderes Kloster — angeblich der Cisterzienserinnen — gestan-
ursprüngliche Name des Klosters, Pomuk aber der ursprüngliche Name
der unfern davon ertstandenen Stadt gewesen sein. Dieselbe Sage führt
die Entstehung des Namens auf den aus Rom heimkehrenden heiligen
Adalbert zurück, der durch sein Gebet (auf dem Grünberge) das aus-
getrocknete Land wieder mit Regen befeuchtet (pomok) habe.
J) Auch Neplacho hat ihn nicht genannt.
3) Jogelinus, Baibin. hist. sacromont. auct. I. c. 9.
3) Brusch de monast. Eboracensi. Baibin. 1. c. Pubitschka IV. 260.
4) Genannt werden: Dnesic (1239 an Kladrau verkauft) und Snopuse (1239
gegen Radochowice und Bertholdice vertauscht). Sicher verdankt die Stadt
gleichen Namens ihre Entstehung dem Kloster.
5) Vgl. Sommer VII. 33.
6) Jogelinus, Sartorius. Die ehemalige Lage bestimmt Bienenberg (Gesch.
von. Königgrätz S. 273), der übrigens gleich andern diese Propstei für
ein wirkliches Kloster hielt. Andere suchen die ehemalige Lage bei Opocno
und halteii die Stiftung für ein Frauenkloster. Die Königgrätzer zerstör-
ten es 1420.
19*
292
den sein.1) Urkunden, welche diese Annahme bestätigen möchten,
fehlen gänzlich. Doch ist es nicht unwahrscheinlich, dass der in
nächster Nähe von Nepomuk gelegene Grünberg sammt seiner Burg
eine Zeit lang zu den Besitzungen des Klosters gehörte und in die-
ser Eigenschaft eine Colonie des Mutterhauses beherbergte.8) Lange
aber hat diess wohl kaum gewährt; denn schon im Jahre 1247 fin-
den wir bereits einen erblichen Herrn von Grünberg,3) welchem Ge-
schlechte nachmals die Herren von Steinberg im Besitze folgten.4)
§. 74. Das Cisterzienserstift Plass.
1. Dieses Kloster hat für die jetzige leitmeritzer Diöcese eine
besondere Bedeutung durch den Umstand gewonnen, dass dasselbe
hier seit uralten Zeiten eine Propstei — u. z. zu Böhmisch-Leipa
besass.
Als Stifter des prachtvollen und reichen Ordenshauses wird
der König Wladislaw I. gerühmt, der auf seinen Jagden das dor-
tige schöne Thal kennen gelernt und liebgewonnen hatte, so dass
er eben dort im J. 1146 den Grundstein zu einem von ihm längst
schon projectirten Cisterzienserkloster legte. Eine Colonie des ost-
fränkischen Klosters Langheim übersiedelte in die neue Ordens-
stätte. Der hochherzige Gründer sorgte durch Schenkung bedeu-
tender Grundstücke und Einkünfte für den Bedarf der frommen
Klosterbrüder. Nachmals thaten Herzog Friedrich (1183), Helicha,
die Gemalin des Herzogs Otto (1189), der Herzog-Bischof Bretislaw
(1190) König Premysl Otokar I. (1207), Bischof Daniel (1209) und
alsbald auch zahlreiche Mitglieder des böhmischen Adels ein Uibri-
ges, um den Reichthum der heiligen Stiftung von Plass zu erhöhen
und dadurch das segenreiche Wirken der frommen Ordensbrüder in
Gottesdienst und Seelsorge, in Wissenschaft und Kunst, in Landcul-
tur und Armenpflege zu erweitern.
2. Die Besitzungen des Klosters Plass lagen fast durchgehends
ausserhalb der Gränzen der heutigen leitmeritzer Diöcese.
') Hajek. Nach ihm Balbin. Jogeliu. Sartorius.
*) Vgl. Sommer VII. 24.
3) Erben regest, p. 730 ad 1247.
4) Sommer VII. 24. Palacky Archiv öesky IV. 74. 80. 81. 138. 234.
293
a. Als hiesige dem Kloster gehörige Ortschaft wird nur Zus-
san genannt, wohl das nachmalige Pfarrdorf Susany (Zuscha -—
dermalen zur Domaine Postelberg gehörig). Im J. 1384 gehörte
selbes bereits zu den älteren Pfarrstationen des Dekanats und be-
theiligte sich damals mit 9 böhm. Groschen an dem Halbjahrster-
minen des allgemeinen Kirchenzehents. ') Damals und auch vor-
dem erscheinen daselbst die ritterlichen Herren von Wildenfels,
später aber einzelne Bürger der k. Stadt Saaz als Collatoren der
Pfarrpfründe.2) Dieses Dorf war wohl schon sehr bald nach der
Stiftung von Plass in den Besitz jenes Klosters gekommen, und
zwar als Geschenk des Grafen Bolic, eines Sohnes des Nacezsse. Im
J. 1175 kam es im Tauschwege — ohne Zweifel der weiten Entfer-
nung wegen — gegen das Gut Ujezd an den Herzog Soböslaw.3)
b. Noch von der ersten Stiftung her besass das Kloster Plass
einen Theil des Salzzolles zu Deöin (Tetschen), der damaligen
Hauptstadt der gleichnamigen 2upe.4) Im J. 1183 beklagten sich
die Klosterbrüder bereits beim Herzoge Friedrich, dass es ihnen
schwer falle das Erträgniss dieser Schenkung Wladislaws I. „we-
gen der Länge des Weges und der Nachstellungen von Seiten der
Räuber ohne grosse Gefahr ins Kloster zu befördern." In Folge
dessen übernahm Herzog Friedrich jenen Zoll wieder selbst und
schenkte dem Kloster dafür ein landesfürstliches Dorf, Namens
Kopidl.5)
3. Die für uns interessanteste Besitzung von Plass war die
l) Regist. decimarum.
a)Lib. Confirm. ad 1360, 1369, 1389, — 1407, 1412, 1417.
3) Urkunde Erben reg. 155.
4) Vgl. S. 33 I. Urkunde Erben reg. 118.
5) Urkunde Erben regesta 170. Anderweitige ursprüngliche Besitzungen: Obora,
Kretkow, Babina, Lomnice, Luti, Ujezd, Krpozis (dafür Lugow und spä-
ter Szheshin), Öellowic, Chisko (dafür Zehutic und Koöin), Kaznew, Wrasni,
Nebrisin, Supa, ein Weinberg bei Prag, Teskoy, Loman, Gluboc, Uplevi,
Udrascha, Zrubni, ein Gütchen bei Kralowic, Mozidlin, Hluboky, Uplewice,
Udrazka, Srubni, ein Theil von Ninonic, Ninic, Wsehrdy, Teinic, Olsowe,
Ujezd, Breze, Ujezdec, Korith, Bezdekow, Lasnic, Darow, Kostelec, Kozlan
(dafür Sehela), Hodin, und der Zins von Wisoöan. (Vgl. Erben reg. 118,
143, 170, 171, 182, 184—187, 204, 222, 230, 237, 265, 288, 347, 357,370,
383, 390, 415, 438—440, 457, 596, 597.)
294
Propstei S. Maria Magdalena in Böhmisch-Leipa. Des frühe-
ren Unterganges dieser alten Stadt und ihrer Wiedererbauung durch
den tetschner Äupan Jakob im Jahre 1059 haben wir bereits er-
wähnt. ') Wie damals durch eine Wasserfluth, so musste im Jahre
1244 die arme Stadt sammt ihrem Gotteshause ein Opfer der Flam-
men werden. Doch auch diessmal erstand sie von Neuem aus den
Trümmern und zwar schöner und grösser als je zuvor. Sie dankte
diess vornehmlich den Herren von Lipa, die sich damals auch durch
die Erbauung der neuen Peterskirche verewigten. Die neue Stadt,
jetzt die schönste und grösste im weiten Gaue, ward nun sogar zum
Hauptorte der Zupe erkoren, nachdem D£cm bereits in den erb-
lichen Besitz der Herren von Wartenberg übergegangen war. Als
neue Äupane wohnten sofort die Herren von Lipa daselbst, welche
allmälig alles noch nicht erblich gewordene Land des weiten Um-
kreises in ihren Besitz brachten und unter dem Namen der Berka
von Duba nachher das mächtigste Adelgeschlecht von Böhmen wur-
den.2) Aber auch von weiter Ferne her gewann das wieder er-
standene Leipa neuen Glanz. Vielleicht aufgefordert von den Her-
ren von Lipa — zog jetzt auch eine Colonie der Cisterzienser von
Plass nach Leipa, und so entstand hier die Propstei und Kirche
zu Ehren der h. Magdalena.3) Es ist diess wohl dieselbe Magda-
lenencapelle , welche um das Jahr 1253 der plasser Abt an einem
nicht ausdrücklich genannten Orte erbaute.4) Der neuen Propstei
gehörte fortan das nahe Gut Lauben nebst Ziegenhorn,5) wahrschein-
lich dasselbe Gut Loman, welches im J. 1192 ein gewisser Ulrich,
Sohn des Drislaw, dem Kloster geschenkt hatte.6) Ueberdies wurde
allmälig ein bedeutender Grundbesitz in der nächsten Umgebung
!) S. S. 30.
a) Der Name Berka von Duba taucht erst im Anfange des 14. Jahrhunderts
auf. Herren von Lipa treffen wir bereits um 1250. Um 1200 lernen wir
den Stammvater dieser und jener kennen in Smil Swetlik Burggrafen von
Zittau und Günstlinge Ottokars I. Palacky nennt dieses Geschlecht nach
einem weit älteren Ahnen Namens Hron den Stamm der Hronowicen.
3) Sartorii Cisterc. bistertium 1004 u. 1005.
4) Sartorii Cistercium bistertium p. 266.
5) Leiper Kirchenchronik, Illnst. Chronik v. B. I. 122, Sommer Topographie
des leitm. Kr. S. 324.
fi) Erben reg. p. 185.
295
der Propstei erworben, derselbe, der nachmals in den husitischen
Bewegungen von der Bürgerschaft occupirt und theilweise zu Bau-
plätzen verwendet wurde,1) nachdem man die Ordensbrüder aus
ihrem Asyl vertrieben hatte.3)
4. Von Plass gingen allmälig neue Ordenscolonien aus —
nach Münchengrätz , nach Welehrad in Mähren (1202 und von da
wieder nach Wizowic), nach Königsthron ebendaselbst, nacji Golden-
kron in Böhmen (1263), nach Heiligenkreuz in Oesterreich. Eine
zweite Propstei besass Plass noch überdies hinter dem Aujezder
Thore von Prag in der Nähe des dortigen Karthäuserklosters.3)
§. 75. Das Cisterzienserkloster Münchengrätz.
1. Es wurde bereits erwähnt, dass schon um das Jahr 1054
ein Hermann von Ralsko etliche Benediktiner-Brüder von Tornach
auf seine Besitzung in Hradiste berufen haben soll.4) Wahrschein-
lich hatten diese um das Jahr 1143 aus Mangel am nöthigen
Unterhalte diese Gegend wieder verlassen; denn eben in diesem
Jahre räumte der Stifter von Sedlec diese Besitzung den Cister-
zienserbrüdern seines neuen Klosters ein.5) Angeblich noch in
demselben Jahre,6) wahrscheinlich aber nach 1146 legte hier ein
neuer Hermann von Ralsko, Oberstkämmerer des Herzogs Sobeslaw IL,
den Grund zu einem selbstständigen, nachmals hochberühmten,
jetzt aber fast verschollenen Ordenshause. Um so sicherer ist
diese Gründung erst nach 1146 geschehen, als das neue Kloster
jederzeit als ein Tochterhaus von Plass angesehen wurde, und also
von dort her seine ersten geistlichen Brüder erhielt.7) Das neue
1) Wir werden später die daraus entstandenen langwierigen Processe zwi-
schen Plass und Leipa zu erwähnen haben.
2) Die Gütertausche zwischen Plass und dem Collegiatstifte Melnik haben
wir bereits bei Erwähnung des letzteren angeführt.
3) Sartorii Cisterc. bist. 1004, 1005, 1088. Libri Erect. IX. E. I.
4) Paprocky 251. Palacky über Formelbücher. I. 240.
5) Vgl. Sedlec.
6) Kapihorsky hist. Sedlec.
7) Balbini lib. Erect. IX. E. 1. Palacky über Formelbücher I. 240, citirt
dafür das Gedenkbuch von Plass, nennt aber irrig das Jahr 1177, in wel-
chem der erste Abt Meinhard nach Grätz gekommen sei, während doch
296
Kloster, alsbald Mnichow-Hradiäte, Münchengrätz genannt, erhob sich
zunächst dem alten Orte Hradistö an derselben Stelle, wo jetzt
das waldstein'sche Schloss „Kloster" die weite Umgegend beherrscht.
Seine Besitzungen verdankte es ohne Zweifel zum grossen Theile
schon dem edlen Gründer, den die Wartenberger und Waldsteiner
ebenso wie den Stifter von Sedlec zu ihren Ahnen zählten. Wahr-
scheinlich war er der Vater jenes Hermann von Ralsko, der 1175
bis 1197 unter den Edelsten des Landes genannt wurde, und so
der Grossvater jenes Bene§ Hermanow, dessen Heldenthaten ein
seinen Namen tragendes Lied der Königinhofer Handschrift besingt. ')
Die Erben dieser grossen Ahnen suchten gewiss ihren Ruhm darin,
die schöne Stiftung ihrer Väter zu noch grösserem Glänze zu
erheben. So musste Münchengrätz im Laufe der Zeit eines der
reichsten und berühmtesten Klöster des Landes werden.
2. Eine Stiftungs- oder Confirmations-Urkunde , welche uns
die ehemaligen Besitzungen des Klosters Münchengrätz erschöpfend
aufzählen möchte, ist leider nicht mehr vorhanden. Nur aus etwas
späteren urkundlichen Notizen lassen sich die Gebietstheile des-
selben annähernd zusammenstellen.
a. Es ist wohl kaum zu zweifeln, dass der ursprünglich zum
Kloster Sedlec gehörige Ort HradiStö, wo nun eben das neue
Kloster entstand, sofort in den Besitz des letzteren überging.
Frühzeitig schon ward hier eine Pfarrkirche gegründet, die von
da ab die Hauptkirche des Dekanats von Hradiste war und im
Jahre 1384 den hohen Halbjahrszehent von 20 böhm. Groschen
zum allgemeinen Kirchendecem beisteuerte.
b. Die bedeutendste Erwerbung des Klosters war die P r o p s t e i
zu Gabel. Zunächst wurde am 30. Juni 1378 die Pfarrkirche
von Gabel dem Kloster einverleibt in der Art, dass nur ein Ad-
ministrator die Seelsorgc daselbst besorgte, das eigentliche Pfarr-
einkommen aber in die Kasse des Klosters fioss.2) Diese Kirche
nach anderen Zeugnissen der erste Abt daselbst bereits im J. 1165 ge-
storben ist. Wahrscheinlich war das Jahr 1147 das Gründungsjahr.
•) Derselbe war 1217 und 1222 Kastellan von Budisin. Vgl. Palacky in
einem Aufsatze der Bohemia 1858, Nr. 292.
2) Lib. Erect. II. A. 1. „Jablonna." Dass wir es hier in der That mit der
Stadt Gabel zu thun haben, dafür bürgt der Umstand, dass auch nach
den Lib. Confirm. geradezu in der Stadt Gabel der Abt von München-
297
war bis dahin die Hauptkirche des Gabler Dekanates und die
älteste der weiten Umgegend gewesen. Von hier aus war der
christliche Glaube nach allen Richtungen hin weiter verbreitet
worden. Als incorporirtes Pfarrbeneficium zahlte Gabel im Jahre
1384 nur noch 15 böhmische Groschen als Halbjahrszehent, und
ward in diesem Stücke von der benachbarten Stadt Niems bis zum
Doppelten übertroffen.1) Im Jahre 1398 hatte der von München-
grätz aus exponirte Seelsorger die Würde eines Propstes (prae-
positus),2) offenbar deshalb, weil auch noch einige andere Ordens-
brüder daselbst ihm zur Seite lebten und wirkten.
c. Urkundlich sicher besass das münchengrätzer Kloster eine
Propstei zu Zleb (Zleby im caslauer Kreise). Stifter derselben
waren zwei Brüder von Wartenberg auf Kost, Marquard, der Ober-
kämmerer, und Peter, der Obersthofmeister Carls IV., die auf diese
Weise das Andenken ihrer Mutter Agnes (geb. v. Sliwno) ehren
und das Seelenheil derselben fördern wollten. Als Dotation be-
stimmten sie das Dorf Zehub (wahrscheinlich Zechow im berauner
Kreise) und einen Maierhof von zwei Feldmassen in Trubsko (be-
rauner Kr.) nebst allen Rechten, Einkünften, Zinsungen und
Zugehör. Hievon sollten durch alle Zeiten 6 Ordensbrüder von
Münchengrätz erhalten werden, deren einer mit Einverständniss
der wartenb ergischen Erben vom münchengrätzer Abte zum Propste
ernannt werden sollte. Unter der Obhut der geistlichen Brüder
sollten in dem zur Propstei gehörigen Hospitale 12 Arme ver-
pflegt und gekleidet werden. Diese Stiftung geschah am 25. Febr. 1377.3)
d. Mukafow, jetzt noch zum Dominium Münchengrätz ge-
grätz das Collaturrecht ausübte (ad 1418). Jablonec dagegen, und zwar
vorerst das heutige Gablonz gehörte damals nach denselben Lib. Confirm.
dem Cyriacenserorden, während das zweite Jablonec (Böhmisch-Jablonec)
als Besitzung der Wartenberger erscheint. (Lib. Confirm. ad 1362, 1369.
1396, 1410.)
*) Codex decimarum.
a) Lib. Erect. XIII. T. 2, nennen nur einen praepositus von Jablonec, ohne
des Ordens zu erwähnen, dem er angehörte. Aus demsub 2, b, entwickelten
Grunde, dass die beiden andern Jablonec zuversichtlich nur Pfarreien
waren, die eine unter weltlicher Collatur und die andere einem Orden
angehörig, der keine Propsteien besass, lese ich statt Jablonec lieber
Jablona und kaun darunter nur das heutige Gabel verstehen.
3) Lib. Erect. I. F. 'ß. II. K, 1. Die Urkunde ist von Schloss Sliwno datirt.
298
hörig, erscheint in den Confirmationsbüchern ebenfalls als Collatur
des obigen Klosters1). Die hiesige Pfarrei verdankte, wie die
meisten Klostercollatur-Pfarren , ihre Entstehung wahrscheinlich
den Aebten von Münchengrätz. Im Jahre 1384 erscheint sie mit
einer Leistung von 9 böhmischen Groschen als eine der bessern
und älteren des Dekanates.8) Im Jahre 1393 wird noch einer
Schenkung von 2 Feldmassen und einer Wiese von Seiten zweier
Lehensleute (des Klosters?) Pfecho von Sedliöek und Jaroslaw
von Limauöek zu Gunsten der Kirche in Mukafow gedacht, und im
Jahre 1398 einer neuen von !/2 Schock jährlicher Zinsen, verliehen
vom Lehensmanne Wenzel von Pobibuk gegen Persolvirung zweier
Jahresgedächtnisse. 3)
ei Eine andere Collatur des Klosters war Hlawic, ebenfalls
noch zum Dominium von Münchengrätz gehörig. Der Abt jenes
Klosters erschien hier in den Jahren 1359, 1364, 1369, 1379,
1402 und 1408 als Pfarr-Präsentator.4) Die Pfarrkirche gehörte
im J. 1384 mit einer Zehentsteuer von 6 böhmischen Groschen
noch zu den jüngeren des Dekanats.
f. Brezina auf der jetzigen Domäne Swijan. An der Pfarr-
kirche daselbst, welche 1384 auf gleicher Zehentstufe mit Hlawic
stand,5) übte der Abt von Münchengrätz erweislich in den Jahren
1378, 1382, 1404, 1412 und 1418 das Patronatsrecht aus.6)
g. Mohelnice, jetzt ebenfalls zu Swijan gehörig. Auch hier
stellte derselbe Abt im Jahre 1405 einen neuen Seelsorger an.7)
Die Pfarrkirche stand in der Zehentleistung den obigen gleich.8)
h. Rychnow oder Reichenau auf demselben Dominium. Die
Pfarrkirche daselbst, an der das Kloster in den Jahren 1369, 1373,
1374, 1389, 1395 und 1418 das Collaturrecht übte,9) zahlte im
') Lib. Confirm. ad 1363, 1408, 1415, in welchen Jahren das Collaturrecht
ausgeübt wurde.
2) Registrum decimarum.
3) Lib. Erect. XII. E. 6. XIII. J. 8.
4) Lib. Confirm. ad h. ann.
5) Registrum decimarum.
6) Lib. Confirm. ad h. ann.
7) Ebendas.
8) Regist. decimarum.
9) Lib. Confirm. ad h. ann.
299
J. 1384 gar keinen Zehent, vielleicht deshalb, weil sie etwa dem
Kloster zu dieser Zeit incorporirt war und nur durch Administrato-
ren besorgt wurde.
i. Lukow, eine der ältesten Kirchen des alten turnauer De-
kanats, die im Jahre 1384 sich mit 12 böhmischen Groschen am
Kirchenzehent betheiligte,1) erscheint im Jahre 1416 ausdrücklich
als Collatur von Münchengrätz.2) Dies war sie jedenfalls erst kurz
vorher ^geworden, da unterm 20. October noch die Brüder von War-
tenberg zu Lämberg als Collatoren genannt werden.3)
Je. Sany im alten Dekanate von Kolin war ebenfalls eine
Collatur des genannten Klosters. Erweislich trat hier der Abt von
Münchengrätz im J. 1375 als Patronatsherr auf.4) Im J. 1437
wurde dieses Dorf als ehemalige Besitzung von Münchengrätz von
K. Sigmund an Friedrich von Sraznic verpfändet.5)
I. Jezwe oder Neustadt („nova civitas") bei Leipa wird
ebenfalls, und zwar in den J. 1360, 1376, 1378 u. 1415 als Pa-
tronatspfründe von Münchengrätz angeführt.0) Da sie im J. 1384
schon 9 böhmische Groschen zum halbjährigen Kirchenzehent steu-
erte, so war sie kaum mehr eine der Jüngern des Dekanats.7) Hier
scheint übrigens der Cisterzienserorden auch noch nach der Zer-
störung von Münchengrätz die Verwaltung der Seelsorge inne
gehabt zu haben — zuletzt in den traurigen Zeiten Luther's das
Kloster Ossegg.8)
m. Als Collatur u. Besitzung von Münchengrätz erscheint auch
Wtelna an der Iser, ein uralter Pfarrort, der im J. 1384 den
ungewöhnlichen hohen Zehent von 22 böhmischen Groschen zum
allgemeinen Kirchenzehent beisteuerte.9) Im J. 1437 ward dieser
l) Reg. deeim.
3) Lib. Confirm.
3) Ebendas.
4) Ebendas.
5) Palacky Archiv (regist. zäpisüv). I. 528.
6) Libri Confirm. In älterer Zeit hatte es dem Kloster Tepl angehört. Vgl.
die Prämonstr. -Abtei Tepl.
7) Regist. deeim.
8) Davon später an geeigneter Stelle.
9) Regist. deeimarum.
300
Ort ausdrücklich als ehemalige Besitzung von Münchengrätz durch
K. Sigmund an Johann von Kunwald verpfändet.1)
n. Auch in Prag besass das Kloster Münchengrätz eine Pa-
tronatspfründe, und zwar S. Clemens am Pofic, wo der dortige Abt
noch im Jahre 1407 das Collaturrecht ausübte.2) In Prag besass
übrigens der Abt von Münchengrätz erweislich im J. 1407 gleich
andern hervorragenden Prälaten des Landes ein eigenes Residenz-
haus, und zwar in der Nähe der Kirche des h. Castulus.3) Kaiser
Sigmund verkaufte dasselbe an Hroch von Udim, von dem es an
Betka von Bisic gelangte, welche dasselbe im J. 1462 am 8. Fe-
bruar dem Kloster Königsaal mit dem Bedingnisse abtrat , dass es
im Falle der Wiedererbauung von Münchengrätz an letzteres Kloster
zurückfallen solle.4) Offenbar war dieser Rückfall schon vordem —
wie in andern Fällen — vom Kaiser Sigmund ausbedungen worden.
§. 76. Fortsetzung.
Wir haben bisher nur die Pfarcollaturen genannt, welche er-
weislich dem Kloster Münchengrätz zugehörten, ohne eben dadurch zu
behaupten, dass die erwähnten Orte selbst ohne Ausnahme Eigenthum
des Klosters waren, ohne aber auch in Abrede zu stellen , dass wieder
anderweitig nicht selten die meisten der in jene Collaturkirchen
zugewiesenen auswärtigen Dorfschaften in den Besitz des Klosters
gehört haben mögen. Namentlich besass das Kloster ausser jenen
Collaturen mit urkundlicher Sicherheit einen Hof sammt einem
Vorwerk zu Swinaf, das Dorf Badlo und 4 Unterthanen in Nu-
dwojowic,5) welche Heinrich von Wartenberg zugleich mit dem be-
reits genannten Pfarrdorfe Richnow sammt allem Zubehör um 500
Schock b. Gr. vom Kloster erkauft hatte, und deren Besitz sich
l) Palacky Archiv (regist. zapisüv). I. 544.
8) Lib. Confirm.
3) Lib. Erect. VII. L. 9.
4) Palacky Archiv. III. 571.
5) Nudwojowice erscheint als eine der Jüngern Pfarreien des turnauer De-
kanats (mit 3 Gr. Zehent im J. 1384). Als Collatoren werden hier die
Herren von Wartenberg auf Wselis genannt. (Lib. Confirm. ad 1362 und
1406.)
301
Hynek von Waldstein im J. 1436 von König Sigmund bestätigen
Hess.1) Die genannten Orte gehörten damals zum „Gerichte von Je-
ni&owicV) einem der ältesten Pfarrorte des turnauer Dekanats, der
demnach sehr wahrscheinlich ebenfalls dem Kloster als Eigenthum
gehörte. Im J. 1384 zahlte Jeni§owic den höchsten Kirchenzehent
jener Gegend mit 12 böhmischen Groschen.3) Als ähnliche Besitzungen
von Münchengrätz werden noch4) von der Tradition bezeichnet die
Orte Zwiretic, Witanowic, Podol, Bfeha, Pentschin, Aujezd, Stri-
zowic, Podörawic und Girsko ; nicht minder auch die jetzt dem Do-
minium Münchengrätz einverleibten ehemaligen Güter Bakow, We-
sely, Mankowice, Gross- und Klein-Pteyrow. Letztere sollen sammt
den vorhin erwähnten Dorfschaften nachmals vom Könige Georg
von Podebrad an Johann von Wartenberg mit der ausdrücklichen
Bedingung verpfändt worden sein, dass die Cistercienser, falls sie nach
Münchengrätz zurückkehren würden, diesen Besitz zu jeder Zeit ge-
gen Erlag des Pfandpreises wieder einlösen können.5) Das dar-
unter genannte Bakow war unzweifelhaft eines der ältesten Pfarr-
beneficien des Münchengrätzer Dekanats und zahlte im J. 1384 be-
reits 15 böhmische Groschen zum Kirchenzehent.6) Der wirkliche
Besitz von Bakow ist jedoch um's J. 1379 wenigstens zweifelhaft,
im J. 1392 aber ganz in Abrede zu stellen. Im J. 1379 werden
die „Gebrüder von Marquartic residirend zu Bakow als Kirchen-
patrone angeführt;7) im J. 1392 aber stiftete Wilhelm von Zwiretic
auf Bakow vier Jahrgedächtnisse zu Bakow durch Verleihungen jähr-
licher Zinsungen von der Burg daselbst.8) Jedenfalls irrthümlich
wird diesen Besitzungen auch noch das Gut Laukowec beigezählt9),
das angeblich derselbe König Georg im Jahre 1475 an Ignaz von
Waldstein verpfändete. Dieses Laukowec war allerdings Kloster-
gut, gehörte aber nach dem verlässigen Ausweise der Confirmations-
1) Palacky Archiv (registra zäpisüv.) I. 517.
2) Ebendaselbst.
3) Regist. decimarum.
4) von Sommer in seiner Topographie des bunzl. Kreises S. 194, 211.
5) Ebendaselbst 198.
6) Regist. decim.
*) Lib. Confirm.
8) Lib. Erect. XII. E. 2.
9) Sommer 1. c. 198 vergl. 211.
302
bücher dem Orden der Johanniter, deren Grossprior hier im J.
1383 das Collaturrecht ausübte.1) — Ob endlich auch noch die von
einem „Abt Johann und dem Convente zu Hradiste" an Johann von
Badry zu Obiclowic verkauften Dörfer Badry und Lhota~) und das
von demselben Abte am Jacob Chmelik von Ujezd und seinen Bru-
der Hrzko verkaufte Dorf Buzow (Bysow3) eben dem Kloster Mün-
chengrätz gehörte, ist trotz des Umstandes, dass in letzterem in
den Jahren 1416 wirklich ein Abt Johann regierte4); noch zweifel-
haft, weil es zu gleicher Zeit auch noch in Mähren ein Kloster
Hradiste gab.
Hier mag auch noch der angeblichen Propstei gedacht werden,
welche Münchengrätz zu „Langen au oberhalb Hohenelbe"
innegehabt haben und die im J. 1424 zugleich mit dem Jungfrauen-
kloster Jilemnic von den Husiten zerstört worden sein soll.5) Wahr-
scheinlich ist dies dieselbe Propstei, welche Baibin (in literis pu-
blicis Bohoem.) nach Hohenelbe (Albipolis) selbst versetzt, und die
im J. 1705 zu einem Augustinerkloster wiederhergestellt worden
ist. Urkundliche Anhaltspunkte sind dafür nicht vorhanden.
2. Der erste Abt von Münchengrätz soll Marquard gewesen
sein, angeblich der Sohn eines Benes von Michalowic. Er soll im
J. 1165 bereits in die Ewigkeit hinüberbegangen sein.6)
Nach ihm erscheint (ob ohne Lücke?) ein Abt Dittrich,
genannt in den Jahren 1184, 1185 u. 1189. Derselbe wird nämlich in
denselben Jahren als Zeuge in landesfürstlichen Urkunden genannt,7)
was zugleich zum Beweise dient, dass die Aebte von Münchengrätz
') Lib. Confirm.
s) Vergl. Palacky Archiv (regist. zäpisüv) II. 444.
3) Ebend. 463.
4) Lib. Confirm.
5) Sartorii: Cistercium bistertium.
6) Crugerius.
7) Erben reg. 171—173. Derselbe zählt zwar im Index diesen Theodoricus zu
den Achten von Hradiste in Mähren, aber jedenfalls irrthümlich; denn
in jenen Unterschriften nennt sich Theodorich abbas de Gradis, was in
der Regel Münchengrätz, und nicht de Gradic, was ebenso das mährische
Hradiäte (bei Olmütz) bedeutet. Ueberdiess betreffen jene Urkunden auch
rein böhmische Angelegenheiten, und auch die Mitzeugen sind sonst durch-
wegs böhmische Prälaten.
303
eine einflussreiche Stellung selbst in der Nähe des Thrones inne
hatten. Im Sommer des Jahres 1189 nahm er auch an den Ver-
handlungen des Landtags zu Sadska Antheil, *) wo er in der Reihe
der anwesenden Aebte unmittelbar nach den Aebten von Strahow
Brewnow und Sedlec und vor den Aebten von. Kladrau und Selau
genannt wird. Ausser ihm ist dermalen kein weiterer Prälat von
Münchengrätz aus dem Zeiträume des 12. Jahrhunderts bekannnt.
§. 77. Die Johanniter in Böhmen.
Wir lernten bereits den edlen Mann näher kennen, welcher
den Johannitern das erste Ordenshaus in Böhmen als Werb-
und Bildungsplatz für einen tüchtigen Nachwuchs und als ruhiges
Asyl der für den Kampf nicht mehr geeigneten Veteranen er-
baute: es war Martin, Propst von Leitmeritz. Im J. 1156 hatte
derselbe im Vereine mit seinem Onkel Gervasius aus eigenem Ver-
mögen das Hospital bei S. Maria an der prager Brücke gegründet
und dotirt. Im J. 1180 nahm er, damals Propst von Prag, selbst
das Ordenskleid und wurde alsbald (1183) Praeceptor (Stellvertre-
ter des Grossmeisters, Provinzial) für Böhmen, Ungarn und die ost-
wärts angränzenden Länder.8) Von Prag aus legte der Orden all-
mälig die Commenden zu Jungbunzlau, Manetin, Zittau, Hirsch-
felde, Glatz, Böhmischaicha, Königgrätz, Kaaden, Strakonitz, Blatna,3)
in Mähren Olmütz, Znaim, Brunn, HoleSitz, Iglau, und einige an-
dere an. Das Kloster in Prag blieb das Hauptordenshaus des Lan-
des und der Sitz des Landespriors (Grandpriors) bis um das Jahr
1272. Von da ab erscheint Strakonitz, wo der Grundherr Bawor I.
von Strakonitz im J. 1243 einen reich dotirten Johanniter convent
gestiftet hatte, als Sitz des Grandpriors von Böhmen,4) der hin-
fort auch der Meister von Strakonitz hiess.
l) Palacky I. 483.
3) Das Nähere §. 61. n. 7.
3) Aus templerischen (?) Mauerbildern in Blatna hat man die Existenz einer
dortigen Templercommende gefolgert (Illust. Chr. I. 14 und 15). Da aber
Blatna bis 1300 erweislich den Herren von Strakonitz gehörte und von
1325 (wo Wilhelm von Strakonitz seine Güter den Johannitern übergab,
diese letztern als Besitzer erscheinen (Heber böhm. Burgen III. 119): so
ist obige Annahme wohl nur eine Verwechselung.
4) Heber böhm. Burgen III. 118. Tomek. G. Prags I. 490. Not. 49.
304
2. Die Besitzungen der Johanniter waren weit und breit im
Böhmenlande zerstreut. Ein beträchtlicher Theil derselben lag im
Terrain unserer jetzigen Diöcese Leitmeritz. Zu den ältesten,
vielleicht ursprünglichen Erwerbungen des Ordens gehörten hier
vor Allen die Dörfer Bofislaw (Boreslau) und Hfibowice
(jetzt Herbitz bei Kulm), deren Besitz schon im J. 1169 vom Kö-
nige Wladislaw dem Orden confirmirt wurde.1) Es ist bereits er-
wähnt worden, dass diese Besitzung schon im J. 1185 an das
herzogliche Haus, von da im J. 1186 wieder an dem Johanniter-
orden, und endlich an das Kloster Teplitz gelangte.2) Dafür erhielt
damals der Orden vom Herzoge Friedrich einige „fast verlassene
Dörfer" im saazer Gebiete, und zwar: Stare Sedlo (Altsattel
bei Elbogen), Zblasin (wohl das heutige Ploscha bei Laun), Ray-
So wie e (das jetzige Reitschowes bei Saaz), Merovi krizi, Za-
hradky, Napolene, Skirsice, Tichonin, Offretin, Wia-
kosove, Jungmero vi c e. (? ?) 3) — Wir heben von diesen
Erwerbungen RaiSowice (oder Radicewes) hervor, jetzt sowie
Ploscha ein Pfarrort der leitmeritzer Diöcese. Raisowice besass er-
weislich schon im 14. Jahrhunderte eine eigene Pfarrkirche, welche
im J. 1384 als eine der älteren im saazer Dekanatssprengel einen
Halbjahrzehen t von 15 böhmischen Groschen entrichtete.4) Da-
mals aber besass der Johanniterorden — wenigstens unmittelbar-
schön nicht mehr die dortige Grundherrschaft. Im Jahre 1368
schon übte der prager Bürger Nicolaus von Lipna — allerdings
als Cliens — in Raisowice das Collaturrecht aus.5) Derselbe ver-
schenkte im Jahre 1390 dieses Recht an einen andern Nicolaus,
der im königlichen Dienste stand und nach dessen Ableben den
Burggrafen in Rabstein (Hostialek) und Elbogen (Zdimir).6) Im
Jahre 1404 erscheint Berwalcl, Richter der prager Neustadt, und
1406 Hrzek von Dne§ic als Collator.7) Im J. 1407 trat Wenzel
]) Urkunde Erben reg. 143.
*) S. Kl. Teplitz.
3) Urkunde Erben reg. 168, 169, 173.
4) Regist. deeimarum.
5) Lib. Confirm.
6) Lib. Erect. XII. C. 2.
7) Lib. Confirm.
305
Wachs von WSetaty das Collaturr echt an Nicolaus von Ujezd ab. ])
Im gleichen Besitz- und wohl auch Altersrange stand im J. 1384
der Pfarrort Ploscha (Blazim). Damals werden aber bereits Herren
von Blazim als Besitzer und Collatoren dieses Dorfes genannt.2)
Für vormalige geistliche Besitzer spricht aber die in der Gegend
erhaltene Sage, dass geistliche Ritter (Templer?) ehedem die Bürg-
in Ploscha inne hatten.3)
3. Zu den ältesten Gütern des Crdens gehörte ferner das da-
malige Dorf und nachmalige Stadt L ewin bei Auscha.4) Diese vor-
dem landesfürstliche Ortschaft war ein Geschenk des Königs Wla-
dislaw, der selbe im J. 1169 zugleich mit einem Walde bei Olesnice
dem aufblühenden Orden einräumte.5) Im J. 1184 erneuerte der
Bischof Heinrich Bfetislaw diese Schenkung, die vielleicht sein Vater
mittlerweile gegen eine andere vertauscht und eben seinem geistli-
chen Sohne als Erbguts-Antheil hinterlassen hatte. Aus der be-
treffenden Schenkungsurkunde6) erfahren wir, dass König Wladi-
slaw zu Jerusalem unter dem Grossmeister Assalitus in die Bruder-
gemeinschaft des Ordens persönlich eingetreten war. Die Schen-
kung geschah ausdrücklich für das Seelenheil Wladislaws und
seiner Gemahlin Margareth sowie des Geschenkgebers selbst. Als
darauf im J. 1186 am 23. April der Herzog Friedrich zu Auscha
seine Tochter dem Markgrafen Otto von Meissen vermählte, bestätigte
er dem ebenfalls dahin gekommenen Ordens-Präceptor und ehe-
maligen Propste Martin unter anderen auch diesen Besitz.7) Im J.
1384 zählte Lewin mit einer halbjährigen Kirchenzinsung von 12
böhmischen Groschen bereits zu den ältesten Beneficien des Leit-
meritzer Dekanats. Ein hinter dein Hochaltare aufgefundenes Or-
denszeichen der geistlichen Ritter lässt vermuthen, dass diese die
») Lib. Erect. XIII. P. 8.
8J L. Erect. VII. 0. 5. Im J. 1408 starb Litold von Blazim. Der Vormund
seiner Kinder schloss damals einen Zehentvertrag mit dem Pfarrer in
Hawran.
3) Heber : Burgen III. 207.
4) Levin prope Usti, so wird es ausdrücklich in der Bestätigungsurkunde
des Herzogs Friedrich bei Erben reg. 174. genannt.
5) Urkunde Erben reg. 143.
6) Urkunde ebend. 172.
7) Urkunde ebend. 175.
20
306
Gründer des Gotteshauses daselbst gewesen sein dürften. Seit 1360
waren erweislich schon die Grundherren von Auscha zugleich Be-
sitzer Lewins, indem 1363 der dort begüterte Johann von Michels-
berg und 1402 und 1408 Ales von Duba auf Drazic das Collatur-
recht in Lewin ausübten.1)
4. Im J. 1185 gestattete Herzog Friedrich dem Orden, eine
Pfarrkirche zu Kadan zu bauen, und das Collaturrecht daselbst
auszuüben.2) Bei dem eben erwähnten Vermählungsfeste zu Auscha
schenkte er dem Orden diesen Ort, der bei dieser Gelegenheit eine
neue Stadt (burgum novum) genannt wird, zur Gänze.3) Von da
ab erscheint Kadan als eine Commende der Johanniter4), wo
gewöhnlich der Commandern* zugleich pfarrliche Jurisdiction ausübte.
Kadan war als alte landesfürstliche Burg wohl schon vordem der
Sitz eines Priesters gewesen und war vielleicht schon bis 1185
der Hauptort des gleichnamigen Dekanats geworden. Letzteres
blieb Kadan nach wie vor, obwohl hinfort je ein Pfarrer der Nach-
barschaft die Dekanatswürde bekleidete.5) Der Commandeur (Com-
thur) von Kadan übte erweislich auch im benachbarten Brunners-
dorf die Pfarrcollatur.6) Diess geschah im J. 1363. Da die Pfarr-
kirche des letzteren Orts 1384 nur 3 böhmische Groschen halb-
jährigen Kirchenzehent entrichtete,7) so dürfte sie wohl kaum um
vieles vor das J. 1360 zurückreichen, und es mögen wohl die geist-
lichen Ritter von Kadan ihre ersten Erbauer gewesen sein.
§. 78. Fortsetzung.
1. Als weitere Besitzung des Ordens erscheint das Pfarrdorf
P § o w in Saazer Gebiete, das heutige Kreuzherrengut Schaab. Diess
') Lib. Confirm. ad h. a.
3) Urkunde Erben reg. 168.
3) Ebend. 174. Die Burg blieb landesfürstlich unter eigenen Burggrafen bis
zu ihrer Verpfändung an die Herren von Egerberg im J. 1256.
4) Ein solcher Commendator wird 1363 namentlich genannt. (Lib. Confirm.)
Noch im J. 1467. 4. Mai erliess der Administrator des Erzbisthums Hila-
rius ein Schreiben an P. Cyriacus Commendator domus Cadauensis et ple-
banus. (Pessina Phosph. p. 270.)
5) So 1392 der Pfarrer zu Wilemice, 1393 der Pfarrer zu 2dar u. s. w.
(Lib. Confirm.)
6) Lib. Confirm. ad 1363.
7) Registr. Decirn.
307
hatte schon der oft erwähnte Ordenspräceptor Martin zugleich mit
dem Orte Posirowic (wohl das jetzige Pösswic auf der Domäne
Rothenhaus) dem Prager Domcapitel abgekauft. ]) Die Pfarrkirche
daselbst entrichtete im J. 1384 bereits einen Halbjahrsdecem von
12 böhmischen Groschen, ohne dass einer neueren Erwerbung ir-
gendwo gedacht wird:2) desshalb zählte sie wohl damals zu den
ältesten des saazer Dekanats. Von da ab erscheinen hier die Herren
von Duba als Collatoren,3) ohne dass die Zeit des Uiberganges des Be-
sitzes an dieses alte Adelshaus namhaft gemacht werden kann. Im
J. 1413 am 3. Februar schenkte Henzlin, vordem Herr zu P&ow,
nun Procurator des Kreuzherrenspitals bei S. Peter in Prag, der
Kirche zu PSow den Genuss einer Jahreszinsung von 1 Schock
und 6 böhmischen Groschen.4) Im Jahre darauf verlieh Anka Witwe
nach Johann von Frankowec auf Psow derselben Kirche einen Theil
Acker.5) In den Jahren 1416 und 1418 erscheint der königliche
Obermarschall Wr§ von Modrejowic als Collator zu P§ow.6) Bald
darauf gelangte der Ort in den Privatbesitz des Kreuzherrengross-
meisters Johann Stenic und durch diesen in das Eigenthum seines
Ordens.7)
2. Noch vor 1186 hatten Wilhelm und Ullrich, Söhne des Gra-
fen Hroznata — wohl Verwandte, wenn nicht bereits ausgestattete
Söhne des Gründers von Tepl — vom Landesherrn das Dorf
Bfeznice (Gross-Priesen) nebst mehreren Grundstücken in der
Nähe von Aussig gekauft und dem Orden als Geschenk verehrt.
Im genannten Jahre bestätigte Herzog Friedrich auch diese Er-
werbung — zugleich mit dem Eigentumsrecht auf die dortigen
Dorfschaften Poverl (Pömmerle), Rigici (Ryjice, Reinlitz),
Rostoky (Rongstock), Werece (Raitza) und Ujezd (?), wel-
che einst Mesko, ein Bruder Hroznatas dem Orden verliehen und
1) Urkunde Erben reg. 174 — 174.
2) Regist. decim.
3J Im J. 1395 Ale§ de Duba, 1403 und 1407 Heinrich Skopek de Duba (Lib.
Confirm. ad li. a.).
4) Lib. Erect. VIII. R. 8.
5, Ebend. X. B. 6.
Gj Lib. Confirm. ad h. a.
7j Vgl. Sommer saaz. Kr. S. 291.
20*
308
Hroznata selbst gegen einen Jahreszins vom Orden als Lehen ge-
nommen hatte. ')
3. Zur selben Zeit hatte auch der herzogliche Verwalter Ger-
don den geistlichen Rittern das Dorf Kosmonos bei Jungbunzlau
als Stiftung für sein Seelenheil übertragen.2) Nach der Zeit erwarb
oder erbaute der Orden — vielleicht von hier aus — die Kirche
bei S. Johann dem Täufer zu Jungbunzlau und errichtete bei
derselben eine eigene Commende, deren Vorsteher zugleich als selbst-
ständiger Pfarrer genannt wird.3) Im Jahre 1384 wurde diese Kirche
und Commende beim Kirchenzehent mit keinem besondern Betrage
angesetzt, weil der Orden bereits als solcher, von seinem Gesammt-
besitze steuerte.
4. Im J. 1188 bestätigte der Herzog Friedrich eine Anzahl
neuer Erwerbungen des Ordens in der Nähe von Leitmeritz, nämlich
die Dörfer Swadow (Schwaden), K o j e t i c e (jetzt Dom. Schwaden),
ßreznec (Kl. Priesen), Zalezly, Pogorice, Probo§tow
(Salesel, Pohofic, Proboscht), Ploskowice ( Ploschkowitz ) und
Tasowsko (Tasow, Gut Zahoran), und am andern Eibufer Ne Sto-
rni ce und Bfeznice (Nestomitz und Priessnitz), die sämmtlich
der oft genannte Graf Hroznata dem Orden geschenkt hatte.4)
Aus diesen und den früheren Erwerbungen in dieser Gegend
gestalteten sich sofort die grossen Ordensdomänen von Plosch-
kowitz, Schwaden, Grosspriessen und Priessnitz. Ploschkowitz kam
erst im Jahre 1437 durch kaiserliche Verpfändung aus dem Besitze
des Ordens, — und zwar an Jacob von Wfesowitz, der für selbes
und einige andere anstossende kleine geistliche Güter damals den
Pfandpreis von 5000 Schock erlegte.5) Die übrigen mögen bereits
vordem abhanden gekommen sein. Unter den genannten Ortschaften
erscheint zunächst Schwaden als ein alter Pfarrort, der im J.
lj Urkunde Erben reg. 174 und 175.
2J Ebendaselbst.
3) Im J. 1408 am 22. Juni war da ein Fr. Martin plebanus ecclesiae S. Joannis
Bapt. ordinis cruciferorum S. Joannis Hierosolymitani. Derselbe ver-
tauschte damals ein Feld Ackers, das seiner Kirche gehörte, gegen ein
anderes an Swiest von Odic. (Lib. Erect. IX. A. 3.)
4) Urkunde Erben reg. 181.
5) Palacky Archiv II. 453.
309
1384 mit einem halbjährigen Kirchenzehent von 12 böhmischen
Groschen zu den reichsten und ältesten des aussiger Dekanates
zählte.1) Urkundlich wird schon im J. 1363 ein Benes von War-
tenberg als Collator daselbst genannt.2) Nach den Wartenbergern
gedieh dieser Besitz an die Berka von Duba.3) Auch ProboSt
wird als Pfarrsitz genannt und betheiligte sich 1384 mit 6 böhmi-
schen Groschen am allgemeinen Kirchenzehent.4) Da dieser Ort
bereits bei seinem Uibergange in den Besitz der Johanniter 1180
seinen Namen (Propstort) führte: so ist anzunehmen, dass er ur-
sprünglich schon von einem geistlichen Grundheren — wahrschein-
scheinlich vom Wygehrader Propste, dem Herrn des benachbarten
Ortes Schüttenitz, angelegt wurde. Im J. 1238 (6. August) erwarb
hier der Johanniterorden auch noch die grosse anstossende Wal-
dung sammt etlichen an deren Saume angelegten Dorfschaften,
und zwar diess durch einen Gütertausch mit den bisherigen Be-
sitzern, den Benedictinern von Kladrau. In den Jahren 1363 und
1402 werden hier bereits die Herren von Wartenberg als Colla-
toren der Pfarrpfründe genannt,5) so dass also bis dahin der Johan-
niterorden diese Besitzung aufgegeben haben musste. Um 1400
gedieh dieses Dorf in den Besitz des Wla§ek von Kladno auf
Schreckenstein6) und ist seitdem bei letzterer Domäne verblieben.
5. Böhmisch-Aicha war erweislich in 14. Jahrhunderte
eine blühende Commende der Johanniter. Als solche wurde im J. 1380
die dortige Pfründe durch den Grandprior Semovit, Herzog von
Teschen, vergeben.7) Im J. 1412 (1. Jänner) erlangte der dortige
Comthur Theodorich von Peter Tista von Albrechtic ein Legat
von 3 Schock an Zinsungen.8) Auch noch im J. 1415 (1. Okt.)
') Regist. decim.
2) Lib. Confirm.
3) Ihr Wappen mit der Jahreszahl 1477 im Presbyterium angebracht bekun-
det sie als Hersteller des Gotteshauses.
4) Regist. decim.
5) Lib. Confirm. ad h. a.
6) Ebendas. ad h. a.
') Lib. Confirm. ad h. a. Hiemit erledigt sich von selbst der Widerspruch
Balbins, der diese Commende an verschiedenen Orten bald den Johannitern
und bald den Deutschherren zutheilt. (Vgl. Lib. Erect. VIII. P. 3 und
Erect X. H. 1.)
8) Lib. Erect. VIII. P. 3.
310
wird dieses Ordenshauses wegen Anlegung einer Jahreszinsung
auf den Gütern des Nicolaus von Holubi-Dwür erwähnt.1) Damals
bestand der Convent aus dem Comthur, dem Prior, dem Pietanti-
arius (Oekonomieverwalter), dem Hausprediger und andern Brüdern.
Ein Grundbesitz dieser Commende ist urkundlich nicht genannt : wahr-
scheinlich aber gehörte ihr die Domäne von Böhmisch-Aicha, deren
frühere Besitzer gänzlich unbekannt sind.3)
6. Noch muss auch der Commenden in Zittau u. Hirsch-
felde gedacht werden, die namentlich für das sogenannte böhmische
Niederland nicht ohne Bedeutung bleiben konnten. Die Stiftung
der Zittauer Commende fällt mit der Erhebung Zittaus zur Würde
einer befestigten Stadt zusammen. Muthmasslich war König Wenzel IL
von Böhmen ihr Gründer, der vielleicht auf diese Weise jener
Stadt seine Erkenntlichkeit bezeugte, die ihn als Knaben gastfreund-
lich gepflegt hatte. Im J. 1291 wird die Kirche S. Johann — den
Johannitern gehörig — bereits als Pfarr- und Hauptkirche in Zittau
genannt, und im J. 1303 wurde die geistliche Aufsicht über das
Hospital zu S. Jacob durch König Wenzel IL ausdrücklich dem
„Commendator der Kreuzritter des h. Johannes" übertragen.3) Von
hier aus entstand wohl bald darauf die geistliche Colonie des Or-
dens im nahen Hirschfelde. Anfangs nur eine von Zittau ab-
hängige Pfarrstation des Ordens erhielt sie bald nach 1300 den
Rang einer selbstständigen Commende, welche vom Grandprior der
Ordensprovinz verliehen wurde,4) wenn auch immerhin an Priester
der Mutter-Commende zu Zittau.5) In Zittau und Hirschfelde er-
hielten sich die geistlichen Brüder bis 1570, in welchem Jahre
beide Commenden an den Rath von Zittau käuflich übergingen.0)
») Lib. Erect. X. H. 1.
2) Dieses Aicha (Dub) ist nicht zu verwechseln mit der Stammburg der
Herren Berka von Duba. Letztere ist Duba (Dauba) bei Leipa.
3) Sintenis : Oberlausitz, S. 81. Vgl. Grossem : Laus. Merkwürdigkeiten I. 44
Christ. Manlii rer. Lusat. Com. ed. Hofm. p. 234. —
4) Lib. Confirm. ad anu. 1417.
5) Knothe, Gesch. des Fleckens Hirschfelde in der Oberlausitz, p. 39.
6) Ebendaselbst p. 42. Die anderweitigen Besitzungen gruppirten sich um die
oben erwähnten Commenden des Ordens. Genannt werden : Ilodowic,
Ozoym, Plane, Cuhow bei Plass, Manetin mit Lipe, Kahow, Wesce, der
Wald Cozodre und ein anderer bei Olesnice, die Kirche S. Johann na bo-
311
§. 79. Das Kloster der Benedictinerinnen in Teplitz.
1. Im J. 1164 erhob sich in Böhmen ein neues Jungfrauen-
stift nach der Regel des hl. Benedict, das Kloster bei S. Johann
dem Täufer in Teplitz. Die Stifterin desselben war die Königin
Judith, die zweite Gemahlin des Königs Wladislaw f., eine Schwe-
ster der Landgrafen Ludwig von Thüringen.1) Im J. 1164 führte
nämlich König Wladislaw dem Könige von Ungarn gegen den grie-
chischen Kaiser ein böhmisches Heer zu Hilfe. Während des Feld-
zugs weilte Judith ohne Unterlass in den Klöstern des Landes und
liess in selben fromme Gebete für die glückliche Rückkehr ihres
Gatten verrichten.2) Bald endete der König seinen Feldzug durch
einen glänzenden Sieg über die Griechen und kehrte dann mit
reichen Geschenken des ungarischen Königs beladen ins Vaterland
zurück. Da ist es denn im hohen Grade wahrscheinlich, dass einer-
seits nach der Sitte der Zeit von den gewonnenen Schätzen irgend
eine geistliche Stiftung gegründet wurde und anderseits wieder die
hocherfreute Königin der Dankbarkeit für ihre erhörten Bitten
durch irgend ein frommes Werk einen thatsächlichen Ausdruck
gab. So Hesse sich die Erbauung des Klosters Teplitz durch die
Königin3) und zugleich die wahrhaft fürstliche Austattung desselben
jisti bei Prag, Maliniu ostrow, Upolene, Wranow mit Waldung, die
Kirche S. Maria ad Argentariam (?), Trebiz, ein Grundstück bei Glaz,
Ivanowic und Belchiz und ein Besitz in Modlejovic in Mähren, Grobeniky,
Lunechowic, Le§an, Na Zukowe an der Mies, Quastic und Plesow an der
Mettau, Abgaben von den Silberwerken an der Mies, Glawen, Stetin,
Rowni, Teinec an der Elbe , Ledec, Netribiz, Theile von Breza und Pod-
skal, die Kapelle in Gosic in Mähren, Thusnow, Brezic, Losow (in Schle-
sien), eine Mühle in Erpurch. (Vgl. Erben, reg. Urkunden p. 143 , 168,
172—175, 181, 183, 188, 200, 203, 221, 224, 225, 254, 255, 257, 356, 407,
446, 511, 523.)
]) Der alte Chronist Vincentius von Prag (Dobneri mon. Bohem. L), Ne-
placho (Dobn. mon. Boh. IV.) und Pulkawa (Dobn. I.) nennen glaubwürdig
diese zweite Gemahlin Wladislaw's als Stifterin. Minder glaubwürdig er-
zählen diess die viel Jüngern Geschichtsschreiber Hajek und Ziegelbauer
von der ersten Gemahlin Gertrud, einer Tochter des heiligen Leopold von
Oesterreich. Da Judith erst 1153 nach Böhmen kam, so ist das angebliche
Stiftungsjahr 1146 gewiss nur durch einen Schreibfehler für 1164 entstanden.
3) Vincentius Prag. ad. 1164.
3) Vincentius, Neplacho, Pulkawa. •
312
durch den König1) am leichtesten erklären. Das neue Ordenshaus
erhob sich vor der Stadt auf einem Hügel, der Sage nach über der
Hauptquelle der teplitzer Heilbäder.2) Töchter aus den edelsten
Familien des Landes bevölkerten fortan die heiligen Räume.3) Ein
Priester des Benedictinerordens besorgte als Propst (praepositus)
mit Beihilfe einiger geistlichen Brüder die seelsorgerliche Leitung
des Hauses. Die Klosterkirche, zu Ehren des hl. Johannes des
Täufers geweiht, war wohl eine der prächtigsten des Landes ; denn
die edle Stifterin hatte zum Schmucke und zu den Geräthen dieses
Heiligthums angeblich nicht weniger als 1000 Mark feinen Silbers
und 300 Mark Goldes verwendet.4)
2. Ueber die ehemaligen Besitzungen des Klosters Teplitz
liegen keine erschöpfenden Quellen vor. Nur annäherungsweise lassen
sich selbe theils aus den Confirmationsbüchern theis aus andern alten
Documenten zusammenstellen. Obenan stand gewiss
a. die Burg Teplitz und das Herrschaftsrecht über die gleich-
namige Stadt Dafür bürgt wohl hinlänglich der Umstand, dass
im Jahre 1417 der „ Viceburggraf von Teplitz im Namen der Aeb-
tissin Sophie" die Besitzungen des Klosters in Brozan reclamirte.5)
Balbinus behauptet, Königin Judith habe bereits im Jahre 1173
„die Bäder zu Teplitz und die dazu gehörige Herrschaft," die da-
mals bis über Brüx hinaus sich erstreckt haben soll, dem Kloster
als Geschenk verehrt.6) Die Klosterkirche S. Johann war zugleich
eine der beiden Pfarrkirchen von Teplitz und war im J. 1384
an Einkünften so reich, dass sie sich mit 18 böhmischen Gro-
schen am halbjährigen Kirchenzehent betheiligen konnte.7) Die
Aebtissin des Klosters übte daselbst das Patronatsrecht aus.
Doch betheiligten sich nachmals auch andere fromme Wohlthäter
an der Bereicherung dieses Gotteshauses. Im Jahre 1386 schenkte
') Chronographus Siloensis, ad ann. 1175 (Dobneri mon. Boh. I.)
2J Rohn antiquitates eccl. circ. Litora. M. S.
3) In den Lib. Erect. werden viele Namen solcher adeligen Klosterfrauen
von Teplitz genannt.
4) Hajek.
5J Palacky Archiv. III. 491.
6) Balbini epitom. III. 377 und IV. 462.
7J Regkt. deejm.
313
die Familie des Johann von Swetic eine Zinsung von 23 böhm.
Groschen.1) Im Jahre 1408 hatte diese Pfarrkirche sogar eigene
Unterthanen, die damals gegen eine fortlaufende Zinsung von
2 Schock und 24 Groschen an das Kloster überlassen wurden.2)
Ausser dem Haupt- und Pfarraltare des hl. Johannes bestanden
damals in dieser Kirche noch 6 Seitenaltäre, deren jedes seinen
eigenen gestifteten Altarpriester hatte. Als Stifter dieser Altäre
und Altaristen erscheinen Nicolaus von Wsechlap (1406. Altar
der heiligen Maria Magdalena), Albert von Koldic auf ßilin (als
Vermehrer derselben Stiftung 1417), Peter Pentz Herr von Eisen-
berg und Peter MiliÖewes in Brüx (1406 und 1407 die Altäre
Maria Heimsuchung und der heiligeu 10.000 Märtyrer), Aebtissin
Margareth (1411 heil. Kreuzaltar), und Aebtissin Sophie (1411
S. Veitaltar).3) — Bei dieser Pfarrkirche gründeten die geistlichen
Jungfrauen im J. 1370 eine Allerheiligencapelle auf ihrem eigenen
Gottesacker4), und erwarben nachmals auch einen eigenen Altari-
sten dafür.5) Ueberdiess bestand in Teplitz auch noch eine zweite
Pfarrkirche zu Ehren der h. Maria, die im J. 1384 auf gleicher
Zehenthöhe mit der Johanneskirche stand.6) Auch hier besass die
Vorsteherin des Klosters das Patronatsrecht. Diess erhellt aus dem
Umstände, dass im J. 1370 daselbst die Aebtissin Margareth eine
gesungene Marienmesse stiftete, zu deren Abhaltung sich der
Pfarrer mit Bewilligung derselben Aebtissin verpflichtete.7) In
derselben Kirche vermehrte im J. 1396 Bor§o von Biesenburg die
Stiftung eines Allerheiligen-Altars und des betreffenden Altar-
priesters.8)
b. Daubrawska Hora, der heutige Schlossberg bei Teplitz,
wurde nachmals im J. 1467 zugleich mit allen übrigen sicherge-
') Lib. Erect. XIII. C. 10. und 0. 10.
8) Ebend. IX. B. 12.
3) Erect. VII. G. 6. XI. 0. s. X. k. 4. VII. M. 10. VIII. M. 2., IX. K. 10.,
X. B. 10.
4) Erect. I. D. 6.
5) Erect. I. F. 6.
6) Regist. decim.
7) Lib. Erect. XIII. B. 10.
8j Lib. Erect. XIII. G. 5.
314
stellten Besitzungen des Teplitzer Klosters an die Herren von
Wresowic verpfändet, dürfte also wohl ebenfalls vordem dem Klo-
ster zugehört haben. Dafür spricht auch die alte Sage, dass dort
ehedem ein Nonnenkloster gestanden sei, unter dem aber kaum
etwas anderes, als ein Landhaus der geistlichen Schwestern von
Teplitz zu denken sein wird. Dagegen streitet nicht im Geringsten
der Umstand, dass in den Confirmationsbüchern als Patrone des
am Fusse des Berges gelegenen jetzt ganz verschollenen Pfarr-
dorfes Dubrawice die Herren von Dubrawice genannt werden.1) Möge
dieses Dorf auch ehedem zu dem Schlosse gehört haben, so
konnte es ja später davon verkauft worden sein; auch mögen die
Herren von Dubrawice wohl nur Vasallen des Klosters gewesen
sein, ebenso wie die nahen Herren von Brozan wirklich nur solche
Vasallen gewesen sind.
c. Eine der ältesten Besitzungen des teplitzer Klosters war
auch der uralte Bergort Kloster grab. Hier consecrirte Slavco von
Riesenburg, Abt von Ossegg und Missionsbischof in Preussen,
im J. 1212 die neuerbaute Pfarrkirche.2) Als im J. 1278 nach König
Pfemysl Ottokars traurigem Tode das Kloster Teplitz von den kai-
serlichen Truppen unter grausamer Behandlung der geistlichen
Jungfrauen geplündert und die Besitzungen rings umher ver-
wüstet worden waren3), sah sich der verarmte Convent genö-
thigt, Einiges von seinen frühern Besitzungen zu veräussern, um
den erlittenen Schaden einigermassen wieder gut zu machen. So
gelangte im J. 1282 Klostergrab in den Besitz des Klosters Ossegg
und zwar zugleich mit dem bisher ebenfalls zu Teplitz gehörigen
Dorfe Wernsdorf, beide zusammen um den Preis von 80 Mark
feinen Silbers.4)
§. 80. Fortsetzung.
d. HradistS, das heutige Dorf Ratsch auf dem Dominium
Teplitz, erscheint als ein alter Pfarr- und Burgort des biliner De-
') Lib. Confirm. 1363. 1364. etc. Dubrawice gehörte ebenso wie Teplitz noch
zum Dekanate von Bilin.
3) Cisterc. bistert. p. 296.
3) Contin. Jaroslai.
4) Ossegger Notizen.
315
kanats, wo das Kloster Teplitz im J. 1416 das kirchliche Collatur-
recht übte,1) daher in dieser Zeit wohl auch das Herrschaftsrecht
besass. Vordem war es Eigenthum und Collaturort von Ossegg gewe-
sen. Im J. 1384 gehörte die Pfarrkirche daselbst mit einer Halb-
jahrszinsung von 9 böhmischen Groschen2) bereits zu den altern
der Gegend und wurde ausser Bilin, Brüx, Dux und Teplitz nur
noch von Peöow (Hochpetsch), Rwenice (Seestadtl), Zlatnik (böhm.
Scblading), Wtelno und Badowesice in Zinsung und wahrscheinli-
chem Alter übertroffen.
e. Boris law, das heutige Boreslau, jetzt noch zur teplitzer
Herrschaft gehörig, wird in den Jahren 1399, 1402 und 1411 eben-
falls als Pfarrcollatur des teplitzer Klosters genannt.3) Im J. 1384
gehörte es zum Dekanate Aussig und steuerte daselbst unter den
Beneficien minderen Ranges 6 böhmische Groschen zum Kirchcn-
zehent.4) Im J. 1169 war dieser Ort nebst einigen andern der Ge-
gend im Besitze des Johanniterordens, und wurde damals sein Be-
sitz diesem Orden vom Könige Wladislaw bestätigt.5) Um das J.
1185 aber tauschte Herzog Friedrich dieses Dorf sammt Zugehör
vom Orden ein gegen mehre „fast verlassene Ortschaften" im saazer
Gebiete : Stare Sedlo (Altsattel), Zblaäin (vielleicht Ploscha), Ray-
sowice (Reitschowes) und einige andere Dörfer, deren wir später
gedenken werden.0) Aber im folgenden Jahre bereits schenkte der-
selbe Fürst jenes Dorf dem Johanniterorden von Neuem.7) Wahr-
scheinlich gelangte es nachmals durch Kauf oder Tausch an das
Kloster Teplitz.
f. W o 1 e w ö i c e, das heutige Wollepschitz auf dem Dominium
Bilin, erscheint im J. 1391 als Collaturpfarre des teplitzer Klo-
sters.8) Von da ab gelangte dieser Ort in das Eigenthum und un-
ter die Collatur des Klosters Ossegg. Im Jahre 1384 steuerte das
l) Lib. Confirm. ad 1416.
3) Regist. decim.
3) Lib. Confirm ad h. ann.
4) Regist. decim.
5) Urkunde Erben reg. 143.
6) Urkunde Erben reg. 168, 173.
7) Urkunde ebends. 174.
8) Lib. Confirm.
316
hiesige Beneficium als eines der altern des damaligen Dekanats
von Saaz 12 böhm. Groschen zum halbjährigen Kirchenzehent.
g. ßrozan, das jetzige Prosanken bei Teplitz, war erweislich
in den Jahren 1366 und 1405 und 1407 ein Patronats-Pfarrbene-
ficium von Teplitz.1) Auf dem Schlosse daselbst sassen Lehens-
ritter des Klosters, die sich Herren von Brozan nannten. Dass sie
eben nur Lehensleute waren, beweist der doppelte Umstand, dass
sie sich selbst Ministeriales, Armigeri und Clientes nannten,2) und
dass im Jahre 1417 der Yiceburggraf von Teplitz im Namen der
Aebtissin Sophie nach dem Ableben des letzten Ritters Johann
von Brozan das Eigenthumsrecht des Klosters beim Gerichte in
Aussig reclamirte.3) Als Wohlthäter der Kirche in Brozan, die im
Jahre 1384 mit einein Halbjahrszehent von 9 böhmischen Groschen
bereits zu den besser dotirten und altern des aussiger Dekanates
zählte,4) erscheint im Jahre 1388 ein Johann Rozy auf Rudny mit
einer Schenkung von einem halben Schock böhm. Gr. an jährlichen
Zinsungen.5) Im Jahre 1408 löste die Aebtissin und der Convent
von Teplitz einen unterthänlichen Zehent in der Art ein, dass
fortan die klösterliche Kammer selbst zur Zahlung von jährlichen
2 Schock 24 73 Groschen sich verpflichtete.6) Im J. 1410 schloss
Lewa, ein Sohn des Andreas von Brozan einen Zehentvertrag mit
dem Pfarrer daselbst.7)
h. Bukow, jetzt Böhmisch-Bockau bei Aussig, wird in den
Jahren 1376, 1397, 1398 uud 1403 ausdrücklich als Patronats-
pfarre des teplitzer Klosters genannt.8) Im J. 1384 zahlte die
») Lib. Confirm. 1366, 1405 Lib. Erect. VII. K. 10.
2) Ebendaselbst.
3) Palacky Archiv III. 491. Heber in seinen „Böhmens Burgen" III. 420 ver-
wechselt dieses Brozan mit dem zur melniker Propstei gehörigen gleich-
namigen Orte an der Eger. (Vgl. I. 166.) Für die Identität dieses teplitzer
Brozan sprechen die Delegationen benachbarter Pfarrer um Aussig herum
zu Installationen in diesem Brozan. (Lib. Confirm. ut supra.)
4) Regist. decim.
5) Erect. XII. B. 12.
6)Lib. Erect. IX. B. 11 und 12.
7) Lib. Erect. VIII. L. 5.
8) Lib. Confirm. ad h. ann.
317
dortige Kirche als eine der armem und Jüngern des Dekanats nur
3 böhmische Groschen zum kirchlichen Landeszehent. ')
i. Praskowice bei Leitmeritz war erweislich im J. 1416
ebenfalls eine Collaturpfarre von Teplitz.5) Dieses Ortes wurde
bereits bei Besprechung der ältesten Besitzungen des leitmeritzer
Collegiatstiftes gedacht.
7c. Probo§tow, wohl das heutige Probstau bei Teplitz, dem
Namen nach zur Dotation des Klosterpropstes zu Teplitz gehörig,
hatte im Jahre 1414 eine öffentliche Capelle unter dem Patronate
des Klosters;3) im Jahre 1384 erscheint dieselbe noch nicht als
an der allgemeinen Zehentzahlung betheiligt, dürfte daher wohl
erst später erbaut worden sein.
I. Pfeöaply, das jetzige Pritschapel bei Eidlitz im saazer
Kreise, war erweislich in den Jahren 1364, 1407 und 1416 eine
teplitzer Collaturpfarre4) und war im J. 1384 als eine der ältesten
und besten Pfründen des Kadner Dekanats mit halbjährigen 15
böhmischen Groschen zehentpflichtig.5) Vordem schon, im J. 1378,
hatte hier der Convent von Teplitz einen beständigen Hilfsseelsorger
gestiftet.6)
m. Ausser den genannten Ortschaften, denen ohne Zweifel
noch viele der eingepfarrten Dörfer zugezählt werden müssen, be-
sass das teplitzer Kloster noch bedeutende Zinsungsbezüge in der
Nachbarschaft. So schenkte am 20. October 1410 (frühere sind
jedenfalls vorauszusetzen, aber können nicht namhaft gemacht wer-
den) der Ritter Johann Ohnice zunächst für die mit ihm verwandte
geistliche Jungfrau Elisabeth von Chodzow , nach deren Ableben
aber dem Kloster eine Zinsung von 2 Schock weniger 5 Groschen.7)
Ebenso wandte am 1. October 1411 der edle Nicolaus Cecwic
von Luzice dem Convente eine Zinsung von 1 Seh. Groschen zu.8)
l) Regist. deeimar.
3) Lib. Confirm. ad h. ann.
3) Lib. Confirm. ad h. a.
4) Lib. Confirm.
5) Regist. deeim.
6) Lib. Erect. IL R. 1.
7) Lib. Erect. VIII. L. 5.
8) Lib. Erect. VIII. 0. 10.
318
Dasselbe that am 14. April 1412 der Ritter Hanus von Rtin (Her-
tina), zunächst zu Gunsten seiner geistlichen Schwester Elisabeth
v. DlaSkowice und nach deren Ableben für den Convent. ') Im sel-
ben Jahre am 25. October testirte Dobes" von Kfemuz dem Kloster
eine jährliche Zinsung von 30 Groschen.2) Die Dotation der 6
Altaristen der Klosterkirche bestand ebenfalls aus ähnlichen Zin-
sungen, die zum Theile auf den Gütern der benachbarten Herren
von Sulewic, Peutz, Skalka, der Blekta von Waltifow (Waltirsche),
der Koldic von Bilin und Graupen und Anderer aushafteten.3)
Alle diese Besitzungen des teplitzer Klosters verpfändete nach-
mals, als sie herrenlos geworden waren, der König und Kaiser
Sigismund (1437) an die Herren von Wfesowice.4)
Die Aebtissinnen von Teplitz bis in die Mitte des 14. Jahr-
hunderts sind uns namentlich nicht bekannt. Sicher aber gehörten
sie den edelsten Geschlechtern des Landes an, deren Töchter er-
weislich dieses Kloster zu jeder Zeit zum Asyle ihres gottgeweihten
Lebens erwählten.
§. 81. Das Gisterzienserkloster Ossegg.
1. Im Jahre 1194 hatte der Graf Johann Milgost eine Ci-
sterziensercolonie aus Waldsassen auf seine Besitzung MaStow
(Maschau) bei Kaden berufen, und selbe bei der dortigen Mutter-
gotteskirche angesiedelt.5) Sie bestand aus J2 Priestern unter der
Leitung des Priors Rudhard. Als Dotation wurden ihr das Gut
und Dorf Ma§tow mit Wald, Wiesen und Zugehör, der Marktflecken
Putscha (?)c). die Pfarrdörfer Tureö, Mladejow und Chotöbu-
») Lib. Erect. VIII. P. 9.
*)Ebend. IX. N. 11.
3) Ebendas. X. B. 10, VIII. M. 2, X. L 3., XI. 0. 10.—, X. 0. 5. —
4) Palacky Archiv II. 452.
5) Sartorii Cisterc. bistert. 1007. Urkunde des Bischofs und Herzogs Heinrich
Bretislaw von 1196 in Erben reg. 192. Das Jahr 1193 ergibt sich aus der
Confirmationsurkunde des ossegger Klosters von Bischof Daniel, in welcher
das Jahr, 1209 das 16. nach der Auswanderung aus Waldsassen heisst.
(Erben reg. 237.)
6) Vielleicht das spätere Buskowice oder Puschwitz, das ira J. 1384 in der
Zehentleistung allerdings weit hinter Maschau (mit 42 Groschen) zurück-
319
dice, v) die Dorfschaften Nemcany (Nemtschau), Konice (Kunitz), Els-
cove (?), Minow (?), Tyremow (?), Ulsthene (?), Tulchow (?) , Bluwaschow
(?), Hluboky (Lubau), Smilawaf?), Schebletice, nebst je einem kleinen
Maierhofe in Trub§ice (Deutsch-Trebetitsch) und in Grazt (?) zu-
gewiesen.3)
2. Nur 6 Jahre lang verweilte die neue Ordensfamilie in
Ma§tow : dann wurde sie einerseits durch den Mangel an tauglichem
Bauholz und anderseits durch häufige Raubanfälle genöthigt, ob-
wohl wider Willen des Grafen Milgost, einen andern geeigne-
teren und ruhigeren Wohnsitz aufzusuchen. Sie fanden einen
solchen in einem Aushaue (osek) am Fusse des Erzgebirges bei
Dux, wo der Grundherr Slawko von Riesenburg, Graf von Bilin
und später Oberstlandeskämmerer von Böhmen, sie freudig auf-
nahm und ihnen die daselbst vor Alters schon erbaute Marien-
kirche3) willig überliess.
In dieser hatte im Jahre 1196 Slawko's Bruder Hrabisa,
Oberstkämmerer des Herzog-Bischofs Heinrich, seine letzte Ruhe-
stätte gefunden an der Seite seiner ebendaselbst begrabenen Ahnen.4)
Slawko und die Söhne des edlen Bruders, wohl dieselben, die im
stand, selbst aber mich den erheblichen Zehent von 12 Groschen entrich-
tete. Hienach war damals Maschau das reichste und gewiss auch älteste
Benelicium des kadner Dekanats, das noch überdiess im J. 1391 von Pe-
ter Masco wec von Mastow e;ne neue Schenkung von einer Hube Ackers,
einem Berge mit Waldung, 3 Wiesen und einem Schock Jahreszinses
hinzu erhielt — als Dotation für einen dritten Hiilfspriester. (Lib. Erect.
IL F. 14.) Puschwitz erhielt ebenfalls eine solche Vicaristenstiftung und
zwar im J. 1405 von Peter von Buäkowic mit Einwilligung seines Onkels
des Grundherrn Drislaw von Krasna hora (Schönberg) auf Öernoc (Lib.
Erect. VIII. B. 10).
l) Turec (Turtsch) war 1384 in derselben Zehenthöhe mit Puschwitz. Mla-
dejow stand einst in der Nä.he von Köttowic. Jetzt steht da noch eine
Kapelle zu Ehren des hl. Stephan. Im J. 1384 zahlte die Pfarrkirche da-
selbst nur 3 böhmische Groschen Zehent, eben so wie Chotebudice
(Köttowitz).
2j Diese Besitzungen bestätigte Bischof und Herzog Heinrich Bretislaw im
J. 1196. (Urkunde bei Erben reg. 192.)
3) Mehrere von Slawko dem neuen Kloster gewidmete Güter waren vordem
„sanctificata in dotem antiquae ecclesiae." Erben reg. 230. N. 504.
4) Urkunden in Erben reg. p. 230. N. 504, p. 192 N. 429.
320
Jahre 1190 die Grabwächter-Brüder in Böhmen eingeführt und mit
reichen Schenkungen bedacht hatten1), bestellten hier die Söhne
des h. Bernard als bleibende Fürbitter für ihre Väter und für sich
selbst. Im J. 1199 5j übernahmen die Ordensbrüder ihr neues
Heiligthum und bauten sich daselbst ein hölzernes Kloster, das
sie erst nach 1230 mit einem steinernen vertauschen konnten.3)
Für die früheren Besitzungen um Maschau nahm der Prior und
nunmehrige Abt Rudhard vom Grafen Milgost, der anfangs
den abgehenden Brüdern Alles entzogen hatte, nachträglich eine
Entschädigung an, die aber der Convent für ungenügend und nur
durch Einschüchterung aufgedrungen erklärte. In Folge dessen
entspann sich ein Process mit Milgost, der den Brüdern die ersten
Jahre ihres Aufenthalts in Ossegg verbitterte und erst im J. 1207
auf Befehl des Papstes Innocenz III. durch ein aus den Bischöfen
von Prag und Olmütz und dem Collegiatpropste von Leitmeritz
zusammengesetztes Schiedsgericht beigelegt wurde.4) Wahrschein-
lich geschah die Beilegung durch einen theilweisen Gütertausch
der Grafen Slawko und Milgost, und durch eine um so reichere
Dotirung des Klosters in unmittelbarster Nähe aus Slawko's und
seiner Verwandten eigenem Besitze.5)
3. Der Marienkirche in Ossegg hatten bereits vor der An-
kunft der Cisterzienser der Zehent vom Weine und Getreide in
Swinsic (Schwindschitz) und ein Wocheneinkommen in Grabisin
gehört, — ein Geschenk von Slawko's Bruder BoreS.6)
Am meisten spendete Slawko selbst zur Dotirung des neuen
Klosters. Er schenkte demselben die Besitzung Ossegg sammt
Waldung, Wiesen, Feldern und Hutweiden, das halbe Dorf Hain
(Hahn bei Ossegg), Hirdloch (Hrdlowka oder Herrlich bei Ossegg)
») Vgl. §. 83.
2) Im Confirmations-Briefe des Bischofs Daniel (Erben 237. N. 519) heisst
das Jahr 1209 das zehnte nach dem Auszuge von Mascow.
3) Im J. 1230 testirte ihnen Graf Johann von Riesenburg neue Güter für den
Fall, „cum aediticare de lapidibus coeperint." Erben reg. p. 226.
4) Urkunde Erben reg. p. 229.
5) Dass so auch Milgost als Mitstifter Osseggs zu gelten habe, erhellt aus
der Ottokarischen Confirmationsurkunde v. 24. April 1203 bei Erben reg.
p. 214.
6) Urkunde Erben reg. p. 230.
321
Sconvelt (Schön wald ?), Domaslawice (?) und Duban (Eich-
wald?), dann das zehnte Wocheneinkommen in Zawidow (Saida
in Sachsen), den Getreidezehent in Briechin (Bruch?), den Wein-
und Getreidezehent in P e t s c h o w (Hochpetsch), ein Grundstück
in Odolice (Wodolice bei Liebs chhausen) und 2 Feldstrecken in
Friedbach (?). Ueberdiess schenkte er noch den dritten Theil
des ganzen Weinerträgnisses in Petschow als Beitrag zu den Bau-
kosten. — Slawko's Sohn Bonus law schenkte dem Kloster eine
Mühle bei Hostemic bei Doxan und den Getreidezehent in
Sirnchow (Cernochow im rak. Kr.),1) nebstdem das Patronats-
recht in der entweder von seinem Vater oder diesem zu Ehren
erbauten neuen Stadt Slavcowerd (Schlackenwerth) und das Dorf
P a s e n g r ü n.
Der Sohn des verstorbenen Hrabisa von Pdesenburg, Kojata,
widmete dem Stifte den Weinzehent in Brüx, — und Slawko
des Bores Sohn, ein zweiter Neffe des Stifters, schenkte hiezu auch
den Zehent in Odolic (bei Liebschhausen.2) Später (um 1230)
gab Johann v. Riesen bürg dem Kloster noch das Dorf Nesekow
(Neschikau bei Tepl?) und dabei eine Zinsung von jährlichen 20
Mark und zu jeder Mark eine Schüttung von 7 Strich Getreide.
Nebstdem gab derselbe das urkundliche Versprechen, zum künftigen
Steinbaue3) soviel Grundstücke anweisen zu wollen, als zu einem
Jahreserträgniss von 30 Mark erforderlich sein würden, auch ver-
sprach er für diesen Fall die Beistellung von 3 hörigen Fuhrleuten
und anderen 3 Lehensleuten und so vielen Bauern, als zum Baue
nöthig sein möchten. Ebenso verpflichtete er sich zur Abtretung
eines Platzes für eine viergängige Mühle und Beischaffung der hiezu
erforderlichen Steine und Hölzer, überdiess zu einem neuen Ge-
schenke von 12 Aeckern fruchtbaren Bodens und zum Ankaufe
des seinem Bruder gehörigen Dorfes Saredim (?) mit Fischteichen
') Vgl. Palacky Archiv. T. 521. Cernochow wurde nebst Odolice, Tynec
Smolnic, Smuc und Pecenic als ossegger Gut im J. 1421 an einen ge-
wissen Wla§ko verpfändet.
3) Vgl. die Ottokarische Bestätigungsurkunde v. 1207 (Erben reg. 229 u. 230) >
welche wenigstens eine constante Tradition beurkundet, wenn sie auch
ihrer Form nach falsch sein sollte.
3) Demnach war das Kloster bis dahin nur von Holz erbaut.
21
322
und Waldungen und zur Uiberlassung einer für Anlegung neuer
Dörfer geeigneten Waldstrecke. ') Zur Beleuchtung der Kirche wies
er dem Stifte 4 Zinsmühlen mit 1 Mark Zinsung zu und versprach
überdiess, so laug er lebe, nie aufhören zu wollen, für das Kloster
Sorge zu tragen.2) — Endlich schenkte noch Bohus law von Riesen-
burg, Oberstkämmerer Wenzels L, eine Waldung in S Chemnitz,
durch deren Aushau im Jahre 1326 das Dorf Schönau entstand.3)
— So wetteiferten zunächst die Herren v. Riesenburg, dem neuen
Kloster reiche Besitzungen zuzuwenden.
4. Die Fürsten des Landes thaten ein Gleiches. — Vor Allen
nahm König Ottokar die neue Stiftung in seinen Schutz , befreite
sie von der Zahlung der sogenannten allgemeinen Berna, bereicherte
sie durch Schenkung des landesfürstlichen Gutes Hosnice (bei
Skrle), verlieh dem Kloster das Einkommen der 9. Woche vom
Zolle in Kopie e (Kopitz), die Hälfte des Zolles bei Ossegg, für
das Stift selbst die Zollfreiheit an beiden Glanzpunkten, die Markt-
freiheit in Bilin und auf allen Märkten der Biliner Zupe, end-
lich die unmittelbare Gerichtsbarkeit über die eigenen Unter-
thanen.4)
König Wenzel I. mit seinem Sohne Premysl Ottokar IL schenk-
ten auf Verwendung des Abtes Slawko dem Kloster 1250 als Ersatz für
den im vorhergegangenen Bürgerkriege erlittenen Schaden die
Hälfte der Fischer in Komoran (Kommern bei Seestadtl) und
den zugehörigen Teichantheil daselbst, Theile der Dörfer Chfelin
(vielleicht Strahl bei Dux), Cyrnin (vielleicht Cernice bei Seestadtl),
P o 1 u r a d (wohl Polehrad bei Postelberg), Homov (?), N o s 1 1 i
') Diese neuen Dörfer wurden alsbald und in gleicher Weise angelegt und
bevölkert, wie diess bereits vom Kloster Selau berichtet wurde. Deutsche
Ansiedler tibernahmen gegen fünf- und theilweise zehnjährige Abgabenfrei-
heit die Ausrodung der Wälder und den Anbau des Bodens. Solche Grund-
überlassungen hiessen in der Rechtssprache jener Zeit „expositiones."
8) Urkunde Erben reg. 226 und 227.
3) Urkunde d. 28. Juni 1239 bei Erben reg. 449.
4) Urkunde d. 25. Apr. 1208 Erben reg. p. 232 , wenigstens dem Inhalte
nach verlässig. — Item Sartori Cisterc. bistert. 1008 und 1009, wo diess
irrig Premysl IL zugeschrieben wird.
323
(wahrscheinlich Novosedly, Neudorf' bei Ossegg) ') und den Wald
Drien bei Koblitz in der Nähe von Leitmeritz.-)
Pfemysl Ottokar IL schenkte nach seinem Siege über die
Ungarn dem Kloster den Zeigefinger des h. Johannes, bestätigte
alle Immunitäten des Stiftes und nahm es neuerdings in könig-
lichen Schutz.3)
König Johann incorporirte dem Kloster für immerwährende
Zeiten die Seelsorge der Stadt Pirna in Sachsen (1317) in der
Art, dass fortan daselbst ein beständiger Vicarius die geistlichen
Angelegenheiten verwalten sollte.4) Derselbe Fürst ertheilte im
Jahre 1341 dem Städtchen (oppidum) Skyrla den Rang einer
befestigten Stadt (civitas munita) und alle Rechte der übrigen Städte
des Königreichs, sowie auch die Erlaubniss, alle Dienstage einen
Wochenmarkt abhalten zu dürfen, alles auf Verlangen und Erlaub-
niss des Klosters Ossegg.5)
König Karl schenkte dem böhmischen Cisterzienserorden und
somit auch Ossegg im Jahre 1325 (am 17. December) das Haus
S. Bernard in Prag, vordem Jerusalem genannt, sammt der dazu
gehörigen Capelle und allen Rechten, wie einst der hochberühmte
Canonicus Johannes Militius dasselbe durch milde Gaben erworben
und ausgebaut hatte.6)
Der Bischof Daniel von Prag schenkte dem Ordenshause bei
Gelegenheit seines Besuches daselbst im Jahre 1209 das Kirchen-
patronat zu Saida in Meissen,7) wo der Orden nachher auch den
zehnten Theil des Zolles bezog.8)
5. Ausser der Familie der Stifter und den Fürsten des Landes
vermehrten auch fromme Edle und selbst auch einfache Insassen
die Besitzungen von Ossegg. Alsbald nach der Stiftung testirte
') Urkunde Erben 578.
3) Diese Besitzung nebst einer Zinsung in Drien und Kobelic wurde 1328
von König Johann bestätigt.
3) Höfler MS.: Urkunden des Königthums in Böhmen N. 135.
4) Urkunde des Bischofs Witigo von Meissen dd. Idibus Maji 1317.
5) Cisterc. bist. 1010 und 1011.
6) Lib. Erect. I. T. 7.
7) Erben reg. 236. Bestätigt 1280 von Markgraf Heinrich von Meissen , 1300
von Bischof Albert und 1317 von Bischof Witigo von Meissen.
8) So in der Bestätigung des Markgrafen Heinrich d. 1280.
21*
324
Skutibor dem Convente die Dörfer Zwina und Wranow (bei
Mies) mit der Beschränkung, dass die hinterbleibende Witwe die-
selben auf Lebenszeit noch benützen sollte. Diese beiden Orte
wurden vom Kloster im J. 1231 ihrer Entfernung wegen an Kladrau
verkauft. ') Jaroslaw von ZabruSany (Sobrusan bei Dux) schenkte ge-
meinschaftlich mit seinem Vater den Wein- und Getreidezeh ent in
Swinöic und ein Wocheneinkommen in Grab i Sin (Swindschitz,
Dom. Ossegg, GrabiSin unbekannt). Derselbe fügte später im Ein-
verständnisse mit seinen Söhnen die Dorfschaften B i d n e (oder
Bilen?), Hrnöife (taborer oder kauf. Kreis?), einen Theil von
T e 1 c e (das ein gewisser Bohuta in Mähren durch Tausch ab-
getreten hatte), desgleichen einen Theil von Bohnice (tab. Kr.?)
und den Zehent des Wochenmarkteinkommens in B r ü x hinzu.2) Der
Brüxer Bürger Gereon schenkte (c. 1250) in ähnlicher Art als
fromme Stiftung für sein Seelenheil das Dorf Hagenswerth
(vielleicht Hagensdorf im saazer Kreise), das er aber gegen Erlag
weiterer 20 Mark Silbers auf Lebenszeit als Lehen des Klosters
behielt.3) Thymo von Rysin, Lehensmann des Albert v. Seberg schenkte
dem Kloster im Jahre 1289 einen Bezug an Wein von Bilin,
und 7o Mark Silber (Zinsung) von seinem Erbgute in Wiese
(Dom. Dux). Im Jahre 1290 widmete Albert von Seberg dem
Stifte sein GutRezel (?) bei Brüx.4)
6. Durch Kauf kamen überdiess noch neue Erwerbungen hinzu.
So erwarb das Kloster 1239 das Dorf Lubkowice (Liquitz),5)
im Jahre 1282 von dem Kloster Teplitz die Orte Klostergrab
und Wernsdorf für 80 Mark Silber. Ebenfalls im Jahre 1282
erhielt das Kloster eine Mühle in Ob er nie nebst einigem Gelde
vom Pfarrer Heinrich in Luchwitz (Lubkowitz, jetzt Liquitz). Im
Jahre 1 290 wurde eine Zinsung zu R u d e 1 s d o r f einem brüxer Bür-
ger und eine andere einem Herrn v. Zedwic abgekauft. Hier er-
warb das Kloster nachher (1349) auch noch einen Maierhof als
Eigenthum. Um 1312 — 1315 kaufte das Stift von den Brüxer Mino-
l) Urkunde Erben reg. 363.
2j Erben reg. 230.
3) Urkunde in Höflers Ms. : Urkunden des Königthums in Böhmen.
4) Notizen des Dr. Sal. Mayer aus dem Klosterarchiv.
5J Urkunde Erben reg. 471.
325
riten eine Zinsung in Stf ibnic (Strimitz Dom. Ossegg) und eben-
daselbst noch mehrere andere von andern Besitzern. Um 1318 erwarb
es eine Zinsung zu Radunsfurt (Rodisfurt). Im J. 1322 wurde erst
ein Acker zu Prisan (Prinsen, Dom. Ossegg) und darauf das ganze
Dorf Breschan (Preschen, D. Ossegg) angekauft. Im J. 1352
gelangte durch Kauf das Gut Settelin (Zettel, Dom. Dux) und
1363 eine Besitzung in Pozilep in das Eigenthum des Klosters. ])
Vor 1430 erkaufte man von dem biliner Bürger LuStek, ein neues
Gut in Noskow (tabor. Kreis?).3)
7. Als Besitzungen unbekannten Ursprungs werden genannt :
Croywart (?), Naposcherad (Putscherad bei Postelberg), Wisocan
(Gut Skrl), Kfiwatec oder Mnichow (?), der Weinzeh ent in Mire-
äowic (vielleicht bei Leitmeritz), der Getreidezehent in Lubtic
(Liptitz bei Dux).3)
§. 82. Fortsetzung.
1. Als Collaturen des Stiftes Ossegg werden um 1350 und
weiterhin folgende genannt:
a. Das Dorf Alt-Össegg selbst (in den Confirmations-
büchern antiquum claustrum, das alte Kloster genannt, vielleicht
weil eben dort das erste hölzerne Kloster gestanden ist, während das
neue erst um 1250 durch die Freigebigkeit des Grafen Johann von
Riesenburg von Stein erbaut worden sein mag.4) Fortan blieb hier
beständig eine Pfarrkirche, welche im J. 1384 einen halbjährigen
Kirchenzehent von 6 prager Groschen zu entrichten hatte.5) Ein
Confirmationsact betreffs dieses Ortes wird im J. 1402 erwähnt.6)
b. Racice, der jetzige weitbekannte Wallfahrtsort Maria-
Ratsch, gehörte entschieden schon zu den älteren Pfarrsitzen des
alten Dekanats von Bilin. Im J. 1384 steuerte es 6 böhm. Gr.
als halbjährigen Kirchenzehent.7) Confirmationsacte werden in
]) Notizen des Dr. Sales Mayer.
8) Palacky Archiv I. 419.
3) Vgl. Palacky, Archiv I. 521. Erben, reg. 236, 214, 735. Lib. confirm.
4) Vgl. §. 81. n. 1. b.
5) Regist. decimarum.
6) Lib. Confirm.
7) Regist. decimarum.
326
den Jahren 1362, 1389, 1395, 1412, 1414 und 1419 genannt.1)
Wohl damals schon war die Kirche in Racic der h. Jungfrau Maria
geweiht und erfreute sich eines frommen Zuspruchs aus Nah und
Ferne. Dafür spricht der Umstaud, dass nachher zur Zeit Luthers
eben in Raöice ein Rest katholischer Landleute sich -erhielt, die
man mit dem Namen Marienbauern bezeichnete.2)
c. H r a d i s t e (Ratsch, Dom. Teplitz) erscheint ebenfalls als
eine alte Patronatspfarre von Ossegg3), die im Jahre 1384 bereits
den im biliner Dekanate nicht unbeträchtlichen Zehentbetrag von
9 böhmischen Groschen entrichtete.4) Im Jahre 1412 schenkte
Zazema, Lehensmann daselbst, dieser Kirche einige Aecker als
Umtausch gegen einen herkömmlichen Zehent im Dorfe Nakle
(chrud. Kr. Dom. Hefmanmestec).5) Von da ab scheint HradiSte
an das Kloster Teplitz gelangt zu sein, denn im Jahre 1416 übte
die dortige Aebtissin Sophie daselbst das Collaturrecht aus.0)
d. Libkowice (das heutige Liquitz), schon 1407 Likwic
genannt, erscheint in eben diesem Jahre als eine Collaturpfarre
von Ossegg. T) Im Jahre 1384 hatte selbe bereits halbjährig 6
böhm. Groschen als Kirchenzehent entrichtet.8)
e. Neswetice (jetzt unbekannt) zahlte 1384 ebenfalls 6
böhmische Groschen Zehent und wurde noch in den Jahren 1407
und 1416 von Ossegg aus mit Seelsorgern besetzt.0)
f. Wolewcice (Wolepschitz), eine der reichsten und ältesten
Pfründen des saazer Dekanats, zahlte im Jahre 1384 einen Zehent
von 12 Groschen.10) Damals und noch im Jahre 1391 übte daselbst
die Aebtissin von Teplitz das Collaturrecht aus. In den J. 1406 u. 1417
aber erscheint dagegen der Abt von Ossegg als Pfründenpatron.11)
') Lib. Confirni.
a) Sartorii Cisterc. bistcrt. 732.
3) Lib. Confirm. ad ann. 1391.
4) Regist. decim.
5) Lib. Erect. IX. 0. 11.
6) Lib. Confirm. ad h. a.
7) Lib. Confirm.
8) Regist. decim.
n) Regist. decim. und Lib. Confirm.
,n) Regist. decim.
")Lib. Confirm. Die Meinung, dass dieses Gut 1333 von. Ossegg angekauft
wurde, dürfte somit irrig sein.
327
g. Wysocany ( Wisch ezahu) war 1384 mit einem Zehent
von 6 böhm. Groschen fatirt. T) Das Patronat gehörte nur theil-
weise zu Ossegg. Im Jahre 1362 theilt es der Abt mit Arnold von
Ceharn, 1387 mit der Witwe des Johann von Wsehrd, 1398, 1413
und 1415 mit Stephan von Wsechlap auf Hofenic.2) Angeblich
war Wisocany im J. 1343 nebst Losan als Lehen abgegeben wor-
den: demzufolge dürften die genannten Mitcollatoren eben nur
Lehensleute Osseggs gewesen sein.3)
h. Skrle war — wie bereits erwähnt wurde — bis 1341
ein Städtchen und erhielt im selben Jahre den Hang einer be-
festigten Stadt. Die Pfarrkirche daselbst erscheint in den Jahren
1362 und 1370 als Collatur von Ossegg4) und betheiligte sich 1384
mit halbjährigen 5 böhm. Groschen am kirchlichen Landeszehent.5)
i. S watbor (Cwetbor, Swatobor, jetzt Zw7etbau bei Engel-
haus) wird in den Jahren 1359, 1383, 1391, 1401 und 1414 als
ossegger Collaturpfarre genannt.6) Dem Alter und Dotationsrange
nach war Swatbor im Jahre 1384 das fünfte Beneficiuin des elbo-
gener Dekanats (nächst Schlackenwerth , Radunsfurt, Lomnic und
Falkenau), und zahlte damals 18 böhmische Groschen als Kirchen-
zehent.7) Somit war diess die reichste Pfründe Osseggs.
%. Lukawec (am wahrscheinlichsten das im Zehentregister
von 1384 zum klattauer Dekanate gezählte Pfarrdorf Lukawice,
mit einer Zehentleistung von 6 Groschen) wird im Jahre 1386
ebenfalls als Collatur von Ossegg angeführt,8)
l. Zu Saaz besass Ossegg eine Altaristencollatur in einer
Vorstadtkirche, deren im J. 1400 gedacht wird.9)
m. Der Collaturrechte zu Schlackenwerth, der reichsten
') Regist. decim.
2) Lib. Confirm. ad h. a.
3) Notizen des Prof. Dr. Sales Mayer.
4) Lib. Confirm. ad h. a.
5) Regist. decimarum.
6) Lib. Confirm. ad h. a.
7) Regist. decim.
8) Lib. Confirm.
9) Ebendas.
328
und nächst Sedlec ältesten Kirche des elbogener Dekanats, ') und
zu Pirna und Saida wurde bereits gedacht.2)
2. Bisher nicht genannte Besitzungen des ossegger Klosters
lassen sich aus den nachmaligen Verpfändungen des Kaisers Sig-
mund sicher stellen.
a. Im Jahre 1420 verpfändete Kaiser Sigmund eine auf dem
Dorfe 2elcin bei Melnik (damals dem Peter von Jeöewic gehörig)
haftende Jahreszinsung des ossegger Klosters an Johann von Ber-
nikow — zugleich mit dem zum wygehrader Capitel gehörigen
Dorfantheile von Zelcin um den Pfandpreis von 4 Schock theils
für „die Bewahrung dieses Gutes und theils für geleistete Dienste1'. 3)
b. In demselben Jahre vergab der Kaiser an Nicolaus von
WSebofic (Schöbritz) die ossegger Dorfschaften Swincice und
Obrynice um den Pfandpreis von 78 Schock Groschen.4) Somit
hatte sich der ursprüngliche Besitz des Wein- und Getreidezehents
in ersterem, und einer Mühle im zweiten Dorfe5) allmälig zur
völligen Grundherrschaft vergrössert.
c. Im Jahre 1421 vergab derselbe Kaiser viele (ungenannte)
Dörfer und Zinsungen an einen gewissen Nicolaus.0)
d. Im selben Jahre wurden die Dörfer Odolic (Wodolitz),
Tynec Mnichow (Teinitz), Simnutec (Smuc, jetzt Synutz),
sämmtlich jetzt zur Domäne Liebschhausen gehörig, ferner D ö ö e n i c e
(DeÖany, jetzt Jetschan bei Tf iblitz), C e r n o c h o w und Smolnic
(im rakon. Kreise) als ossegger Besitzungen für 800 Schock Gr.
an einen gewissen Wlasek verpfändet, mit der Verpflichtung, dass
er daselbst 100 Pferde für den Kriegsdienst halte.7)
e. Im Jahre 1436 ging die damals schon zu einem Dorfe
herabgesunkene ehemalige Stadt Skrle als Pfand an Hanus
Honiger über.8)
') Es wurde noch im J. 1408 ausgeübt. Lib. Coniirm.
*) Janek erscheint noch 1363, 1364, 1368,1406, 1408, 1412, 1418 als Collatur
der Grafen von Puesenburg (Slawik 1363—1368, Bores 1408—1418) Lib.
Confirm. Klostergrab (Hrob) wird als Pfarre noch nicht erwähnt.
3) Palacky Archiv cesky I. 542.
4) Ebend. I. 453.
5)Vgl. §.81.
c) Ebend. I. 491).
7) Ebend. IL 521.
8) Palacky Archiv öesky.
329
3. Zu den umfangreichen Besitzungen Osseggs gesellten sich
allmälig auch sehr ausgedehnte Privilegien.
a. Schon der König Ottokar I. gab dem Kloster (1203 oder
1208) die Gerichtsbarkeit (den sogenannten Blutbann) über Land
und Leute auf den erworbenen Besitzungen, befreite es von Lan-
descollecten und der Berna, desgleichen vom Marktzolle in Bilin
und auf den übrigen Märkten des Landes, und stellte es unter den
unmittelbaren Schutz des böhmischen Thrones. }) Dieselben Rechte be-
stätigte König Ottokar IL um das J. 1261. Er pries bei dieser
Gelegenheit die Demuth, die Ordensstrenge, die Gastfreundschaft
und Nächstenliebe Osseggs vor allen anderen Klöstern und nannte
es wegen dieser Vorzüge um so würdiger der königlichen Huld
und Freigebigkeit. Letztere bethätigte er besonders durch die
Schenkung einer äusserst kostbaren h. Reliquie, — des Zeigefingers
des h. Johannes.2) Alle nachfolgenden Fürsten bestätigten immer
wieder von Neuem die Freiheiten des Stiftes.3)
Im Jahre 1330 fügte König Johann zu den alten noch das
neue Recht hinzu, in Prag, Brüx und allen andern königlichen
Städten des Landes Häuser uud Höfe durch Kauf oder Sehen kuug
ohne alle Abgabenbelastung zu erwerben. Von ihm rührt auch
das Stadtprivilegium von Skrl her.4) Johann hatte auch besondere
Gründe, die Brüder des Cisterzienserordens in jeder Weise aus-
zuzeichnen ; denn eben durch Vermittlung der Aebte dies es Ordens
hatte er die Krone Böhmens erworben. Ebendesshalb war auch
Carl IV. ein frommer Gönner Osseggs.5)
b. Auch von geistlicher Seite her fehlte es nicht an Freiheits-
briefen für Ossegg. Schon im Jahre 1208 bestätigte der grosse
Papst Innocenz III. die Besitzungen des Klosters und empfahl dem
Metropoliten von Mainz den Schutz und die Verteidigung der
geistlichen Brüder gegen die Kühnheit ihrer Widersacher.8)
') Urkunden Erben reg.
2) Urkunden des Königthums in Böhmen, M. fc>. des Prof. Dr. Const. Höfler.
3) Dasu gehören zwei Privilegien Wenzels f., 6 v. Ottokar IL, 1 v. "Wenzel IL,
20 v. Johann, 2 von Carl als Markgrafen von Mähren.
4) Cisterc. bistert. 1010.
5) Vgl. §. 81 d.
6) Die Bullen „Solet annuere" und „Non absque dolore" Vgl. Cisterc. bist. 1011.
330
Im Jahre 1230 versicherte neuerdings Gregor IX. das Stift
des päpstlichen Schutzes. Ein Aehnliches that später Johann XXIL,
der im 7. Jahre seines Pontificats die Domdechante von Meissen,
Wysehrad und Naumburg zu Richtern und Schinnvögten gegen
geistliche und weltliche Uebergriffe, das Kloster Ossegg betreffend,
bestellte.1) Honorius III. schenkte im 5. Jahre seines Pontificats
dem Kloster Reliquien der heiligen Cosmas, Sebastian, Fabian,
Cyprian und der heiligen Petronilla, und die üblichen Ablässe für
das Kirchweihfest in Ossegg.2)
c. Andere geistliche Fürsten vermehrten ebenfalls die Frei-
heiten des ossegger Stiftes. Noch vorhandene Urkunden nennen
nur den Bischof Daniel von Prag, der im J. 1209 die Besitzungen
Osseggs zu Ossegg selbst bestätigte3), und den prager Weihbischof
Pfibislaw Sathavonis (Minorit), der im Jahre 1342 dem Kloster
neue Ablässe zu Gunsten frommer Wallfahrer verlieh.4) Das Pri-
vilegium Wenzels IL (1287) nennt auch — freilich ohne nähere
Andeutung — die römischen Kaiser vor ihm als Wohlthäter des
Stiftes.5)
§. 83. Die Kreuzbrüder und Kreuzschwestern des h. Grabes.
1. Aus den Schaaren der Kreuzfahrer sonderten sich wohl
von allem Anfang her so manche fromme Ritter aus, welche die
h. Stätte des Grabes unseres Heilands nie wieder verlassen wollten.
So finden wir daselbst nach dem zweiten Kreuzzuge auch böhmische
Edle, die sich Wächter des h. Grabes, auch Kreuzbrüder des heil.
Grabes (Custodes s. sejmlcri, fratres cruciferorum dominici sepulcri)
nannten. Sie lebten zu Jerusalem im geistlichen Vereine und be-
trachteten den jeweiligen Patriarchen von Jerusalem als ihren
höchsten Obern. Da sie eben nur der Bewachung des h. Grabes
ihre Dienste weihten, so nahmen sie wohl keinen Antheil an den
kriegerischen Kämpfen des Landes : in der That finden wir sie so-
') Ebend. 1012 dd. III. Idus Octob.
s)dd. 11. Cal. Maj: Ebend.
3) Erben reg. 236.
4) Cisterc. bistert. 1012.
5) Urkunden des Königthums in Böhmen M. S. Dr. Prof. Const. Höfler.
331
fort liiu1 als Chorherren, welche die Kegel des h. A.ugustin befolg-
ten (fratres cruciferoram dorn, sepulcri Hierosolomitani oräinis S.
Augtistini). Im Jahre 1190 erwarb dieser geistliche Verein auch
ein Ordenshaus in Prag, das hinfort unter der Leitung eines
Propstes stand, — offenbar als Pflanzschule, Emeritenhaus und
Almosenstätte für das Ordenshaus und das h. Grab in Jerusalem.
Weiterhin nahmen auch Vereine frommer Frauen die Regel und
den Namen dieses Ordens an und stellten sich ebenfalls unter die
geistliche Leitung eines Priors aus der Mitte der Kreuzbrüder.
Das Ordenszeichen Aller war und blieb ein rothes Doppelkreuz
auf schwarzem Gewände.1) Der Patriarch zu Jerusalem bestellte
jeweilig einen Visitator der Ordenshäuser bald aus dem Regular-
clerus des Landes bald aus den nachmals auf Pfarreien des Abend-
landes zerstreuten Canonikern des Domcapitels von Jerusalem.2)
2. Die Gründer des ersten böhmischen Ordenshauses der
Kreuzbrüder waren Kojata von Brüx (de Gnevin Most} und
sein Bruder Wsebor, beide Söhne des Grafen Hrabisa, eines
Ahnen der Riesenburger , wahrscheinlich desselben Hrabisa, den
wir bereits als Bruder Slawko's des Gründers von Oss egg kennen
lernten. Diese führten im Jahre 1190 die böhmischen Kreuz-
brüder in die Kirche des hl. Peter am Zderas zu Prag ein, und
dotirten selbe mit ausgezeichneter Freigebigkeit. Schliesslich schenkte
ihnen Kojata bei seinem Ableben die Stadt Brüx mit allem Zu-
gehör, ebenso die Orte Wrutek (Rudig) und Kopist (im saazer
Kreise), Lipetin (Lindau bei Dux im leitm.Kr.), das Dorf Jamnes(im
pils. Kr.), dessgleichen Tlustowous, Lemuz, und Sestajowic (im kauf*.
Kr.). Ueberdiess testirte Kojata dem Orden einige Dörfer in Mähren,3)
nur sollte seine Gattin Wratislawa den Nutzgenuss eines Theiles
dieser Schenkung auf Lebenszeit beziehen.4) Der Mitgründer Wse-
») Vgl. Tomek G. Pr. 8. 25, 490 etc.
3) 1258 war es der Abt von Postelberg (Dipl. Zderas), 1326 war es Fr. Ni-
colaus, Canonicus der Kirche von Jerusalem, 1334 Fr. Heinrich, Pfarrer
in Meziric, Domherr des h. Grabes und Chorherr von Zderas (Tomek
G. Pr. I. 490).
3) Bedekowice , Kojetice, Turiiiovice . Ostrasan. Vgl. Neplach 108, Urkunde
Erben reg. 332. Dobn. mon. Boh. IV. 257.
4) In Brüx sollte nach seinem Testamente die S. Laurenzkirche in üpatowic
332
bor folgte dem Beispiele seines edlen Bruders , indem er ebenfalls
einen Theil seiner Besitzungen dem neuen Orden überliess. !) Leider
ward diese Schenkung alsbald durch die Fürsten des Landes da-
durch verkürzt, dass sie die Stadt und Burg Brüx für sich selbst
in Anspruch nahmen. Dafür restituirte nachmals König Pfemysl
Ottokar IL unterm 6. December 1287 auf Andrängen des Papstes
einige andere Güter , und gab dem Orden für alle Zeiten das Pa-
tronatsrecht in Brüx zurück.2) Fortan verwaltete immer ein Zderaser
Ordensbruder die Seelsorge in Brüx,3) die so bedeutend war, dass
sie im Jahre 1384 die grosse Summe von 42 Groschen als halb-
jährigen Kirchenzehent zu entrichten hatte.4) Wrutek (Rudig),
im Jahre 1384 ebenfalls eine bedeutende und gewiss sehr alte
Pfarrstation mit 21 Groschen Kirchenzehent,5) war wenigstens nach
1400 nicht mehr im Besitze der Zderaser; ausdrücklich erscheint
es im Jahre 1442 als Eigen thum eines Jakob v. Bilin.6) Schon im
Jahft 1412 bestand hier bereits ein von der Gemeinde mit Grund-
stücken dotirter Vicarius neben dem Pfarrer.7) Von Kojatas Schen-
kungen war auch das oben erwähnte Dorf Kopist bei Brüx ein
Pfarrdorf, das 1384 einen Kirchenzehent von 9 Groschen zu ent-
richten hatte.8) Auch dieser Ort erscheint um 1400 wieder in
anderen Händen; in den Jahren 1409 und 1417 besass erweislich
ein Wenzel von Meflic daselbst die Collatur und muthmasslich auch
das Eigenthumsrecht.9)
bei Prag (jetzt ein Theil der Prager Neustadt ) den neuoten Theil des
Marktgeldes beziehen. Anderwärts wies er auch den Klöstern zu Strahow
und Sedlec erhebliche Schenkungen an. Urkunde Erben reg. p. 333.
]) Dobn. mon. Boh. IV. 259, Erben 232. Die Orte werden nicht genannt.
Später (1238) werden solche ausdrücklich erwähnt, wie folgen wird.
*) Hammerschmidt prodromus 287. 1295 bestätigte Bonifacius VIII. dieses
Patronatsrecht
3) 1296 war Henricus cruciger Zderasensis Pfarrer daselbst. 1354, 1369,
1411, 1415, 1419 und 1447 übte der Orden noch immer das Patronatsrecht
aus. (Ebend. u. lib. Confirm.)
4) Regist. deeimarum.
5) Ebend.
6) Lib. Conf.
7) Lib. Erect. X. A. 7.
8) Regist. deeim.
9) Lib. Confirm. ad h. a.
333
3. Zu diesen ursprünglichen Besitzungen kamen später noch
mehrere andere im Umkreise des jetzigen leitmeritzer Sprengeis.
Die noch übrigen Theile vonLipetin und Kopist, das Dorf Drach-
kow (Drakowa bei Türmitz), Wenzelsdorf beiBrüx undDobro-
witz im bunzl. Kreise (?) kamen im J. 1238 durch Kojatas Bruder
WSebor hinzu.1) Im Jahre 1294 wurde eine Elb-Mühle bei Nim-
burg gekauft.2) In derselben Zeit besassen die Zderaser bereits
das Patronat der Klosterkirche in S w e t e c (Schwatz) , deren wir
alsbald weiter gedenken werden. Dazu kamen noch — namentlich
durch die Freigebigkeit der Herren von Swabenic — mehrere aus-
gedehnte Güter in Mähren, Schlesien und im nordöstlichen Böhmen.3)
So wurde Zderas eines der begütertsten Klöster in Böhmen und
übte in Folge dessen einen nicht unbedeutenden Einfluss auf die
kirchliche Entwicklung unseres Vaterlandes.
4. Näher noch interessirt uns die einzige weibliche Colonie
desselben Ordens in Böhmen, das Kloster der Kreuzschwestern
in Swetec (Schwatz bei Teplitz). Diese Niederlassung frommer
Chorfrauen nach der Regel der Kreuzbrüder von Zderas wurde von
Wratislawa, der edlen Witwe des Kojata, Stifters von Zderas, ge-
gründet.4) Hier lebten sofort fromme Töchter aus den edelsten
Familien des Landes unter der unmittelbaren Regierung einer
]) Toraek G. Pr. 492. Ueberdies noch Horusan (kaur.).
*) Ebend. 494.
3) Genannt werden : das Spital zu Aupa (Neu-Trautenau) sammt dessen Gü-
tern (Lobec und Debrne und viele Zehnten), die Dörfer Zalsi und Slaup-
nitz (bei Hohenmaut), Theile von Morawan und Detkowic, einige Besitzungen
bei Potworow im pilsner Kreise (Potworow, Sedlec, Bukowina, Kremesin)
und die Benützung der dortigen Feste, die Stadt Neweklow, Bor, Draho-
iiowic, Dobrotic und 11 andere Dörfer bei Schüttenhofen, die Feste Cho-
dow, der Zehent von Sluh (kaur. Kr.) und Chotetic (byd. Kr.), das Patro-
nat zu Aupa, Brusnitz, Bernartic, Olesna, Walberic (kggr. Kr.), Mittel-Lhota
bei Hohenmaut, Morawan, Swabenic, Adlerkostelec, Alt-Trautenau, Meziriö,
Ruda, Zruc, Solnic, Straz, Brenn, Buben, in Prag bei S. Michael, S. Wenzel
u. S. Lazarus. Ein Zweig des Ordens hatte seinen Sitz zu Neisse in Schle-
sien (1334 von der polnischen Ordenprovinz getrennt) mit den Propsteien
Ratibor, Reichenbach und Frankenstein. Vgl. Tomek G. Pr. 492 — 495.
4) Baibin will in den uralten Documenten des Klosters Doxan gelesen haben:
Ad 16. Jan.: Obiit Wratislawa fundatrix coenobii Swrtccensis (antiquit.
eccl.). Eine Jahrszahl wird nicht angeführt. Falsch ist Crugerii Behauptung,
334
Meisterin (magistra) und einer Priorin (priorissa). ') Im J. 1258
stand dieses Kloster noch nicht unter der Obedienz des Propstes
von Zderas, obwohl es von diesem seine Seelsorger erhielt. Es
scheint damals exemt gewesen zu sein, da erweislich im genannten
Jahre der Papst Alexander über die Visitation dieses Klosters ver-
fügte und selbe dem Abte von Postelberg auftrug.3) Erst im J.
1337 unterstellte es König Johann durch ein Decret vom 30. Juni
dem zderaser Ordenshause. :i) Mittlerweile war das Kloster im J.
1278 nach dem Tode Pfemysl Ottokars IL von den Truppen des
Kaisers Rudolph hart mitgenommen worden.4) Im J. 1287 hatte es
König Wenzel IL unter seine besondere Obhut gestellt.5) So blühte
es fort bis zum J. 1421, wo es der Wuth der Llusiten erlag, nach-
mals aber nothdürftig wieder hergestellt wurde.
5. Ueber die ehemaligen Besitzungen dieses Klosters liegen
uns keine älteren Urkunden vor. Muthmasslich gehörten ihm vom
Anfange her alle jene Ortschaften, welche heute das Dominium
Schwatz bilden, zumal selbe eben als damaliges Eigenthum des
Klosters im J. 1580 dem Erzbischof e von Prag als Dotationsantheil
übergeben wurden, ?) der sie auch noch heute inne hat. Ja die
Besitzungen desselben müssen vordem sogar noch ausgedehnter
gewesen sein. Namentlich wird ein nicht weit von Swetec gelegenes
Pfarrdorf Zidowice erwähnt, das — verschieden von dem zu
Zahras in Brüx gehörigen Seidowitz — in den husitischen Kämpfen
zerstört worden sein mag. Dort übte erweislich das Kloster Swe-
tec in den Jahren 1359, 1364, 1398, 1401 und 1418 die Collatur
des Pfarrbeneficiums aus.7) Die dortige Kirche entrichtete im Jahre
es sei ein Kloster Crucigerorum virorum cum navicula sepulcri Domini
gewesen. Eben so falsch wird sich Stranskys Meinung (IL 92) erweisen,
selbes habe wohl anfangs den rubeae crucis gerulis gehört, sei aber später
von Clarissinen bewohnt worden.
') Diplom. Zderas. cid. 16. Febr. 1300, Rohn antiquit. eccl.
8) Ebend.
») Ebend.
4) Contin. Jaroslai p. 126.
5) Hammerschmidt prodrom. 284.
6) Es sind dies : Swetec, Krupa, Chotejowice, Hostomnice, Kniewiöky, Hud-
cow, Aupor, Pohradice, Strbice, Chotowinky, Lyskowice, "NVsechlapy, Aujezd
öerweny und Antheile von Radowesice und Dobrdice.
7) Lib. Confirm. ad h. a.
335
1384 als eine der mittleren des biliner Dekanats den halbjährigen
Zehent von 6 böhmischen Groschen.1) Im Jahre 1405 am 6. Nov.
schenkte Ctibor (Tiburtius) von Krsin dem Kloster auch noch die
Collatur der Pfarrkirche von Swetec selbst, die er später im Jahre
1409 noch mit einem Jahreszehent von 2 Schock bedachte.3) —
Ueberdies hatte das Kloster im Jahre 1388 mit Erlaubniss des
Königs Wenzel IV. eine Jahreszinsung von 15 Schock b. Groschen
angekauft.3) Späterhin im Jahre 1471 beklagte sich die Priorin
von Swetec, dass ihr Jakob v. Wfesowitz, damals Herr v. Teplitz,
nicht weniger als 9 Dörfer mit Zinsungen und Wäldern wider-
rechtlich entfremdet habe.4) Da das Kloster nichts destoweniger
fortbestehen konnte, so musste sein Besitz anderweitig noch ein
ziemlich bedeutender gewesen sein.
§. 84. Das Praemonstratenserkloster Tepl.
1. Der selige Hroznata (von Gutenstein), ein Abkömmling der
alten Zupane von Melnik5) (Sohn des Sezima und der Dobroslawa), 6)
reich begütert in zahlreichen Gauen Böhmens, besonders aber in
den Gegenden des damaligen saazer und leitmeritzer Gebietes,7)
ein treuer Anhänger des Königs Pfemysl Ottokar L, hatte schon
im Jahre 1193 den Grund zum Kloster Teplä (Tepl) gelegt,8) wo
1) Regist. decim. Das andere 2idowice (Seidowitz) wurde damals zum saaz.
Dekanate gezählt. (Palacky dejep. Beilage.) Das Kloster Swetec selbst
zahlte damals 1 Schock und 15 Groschen halbj. Zehent. (Regist. decim.)
2) Erect. VIII. G. 9, II. 9.
3) Diplomatar. Zderas.
4) Urkunde Palacky Archiv. IV. 263.
5j Nach Baibin. Mise. V. 54. Hroznata selbst nennt sich „de primatum Boe-
miae clariori stemmate descendens." Originaltestament im Stiftsarchiv, cit.
in Karlik's Gründung der Prämonstratenserabtei Tepl, S. 8. Die Beweise
der Stammverwandtschaft Hroznata's mit dem spätem Gutensteinern führt
Karlik ebendaselbst an.
6) Choteschauer Necrologium, s. Karlik S. 9.
7) Diess beweisen seine nachherigen Schenkungen.
8) Baibin. Seiner zweiten Stiftung Choteschau wird später gedacht werden.
Ob er kinderloser Witwer, oder aber jener Hroznata war, der 1186 seine
Söhne ("Wilhelm und Ullrich) bereits ausgestattet hatte, lässt sich urkund-
lich nicht sicher stellen. Vgl. §. 78. n. 2.
336
er in frommer Zurückgezogenheit und heiliger Andacht das Ende
seines Lebens zu erwarten gedachte. Im selben Jahre aber war
im fernen Oriente der furchtbarste Feind der Christenheit, Sultan
Saladin von Aegypten gestorben, nachdem er zuvor sein weites
Reich unter seine 12 Söhne getheilt hatte. Da erweckten die blu-
tigen Zwistigkeiten der Erben von Neuem die Hoffnung des da-
maligen Papstes Coelestin III. und dieser forderte deshalb die
Christenheit von Neuem zu einer Kreuzfahrt auf. Leider verzögerte
sich trotz des eindringlichen Aufrufs in Worms (6. Decemb. 1195)
das gläubige Unternehmen — in Deutschland durch den eben aus-
gebrochenen sicilischen Aufstand, in Böhmen durch die gefährliche
Erkrankung des Herzog-Bischofs Heinrich Bfetislaw, der ebenfalls
das Kreuz genommen hatte. Erst die Sendung des Cardinais Peter
a via lata in unser Vaterland im J. 1197 erzielte — nebst der
Reformation der Geistlichkeit — den begeisterten Aufbruch vieler
edlen Männer Böhmens zum heiligen Kampfe. Auch Hroznata hiess
die Gelegenheit willkommen, im Dienste des Gekreuzigten seine
ritterliche Laufbahn zu beschliessen und nahm daher das Kreuz.
Zuvor aber wollte er seine zeitlichen Angelegenheiten ordnen
und namentlich den Fortbestand seines im Jahre 1196 vollendeten
Klosters Tepl ]) sichern. In einem deshalb verfassten Testamente3)
vom J. 1197 befriedigte er daher seine nächsten Anverwandten
durch reiche Legate, dem Kloster aber schenkte er für alle Fälle
den Ort Tepl sammt Zugehör, eben so auch alle seine übrigen
ausgedehnten Besitzungen für den Fall, dass er nicht mehr in's
Vaterland zurückkehren möchte.3) Dann verliess er das Vaterland
und zog an der Spitze einer wohlgerüsteten Schaar auf den Sam-
melplatz nach Apulien, nachdem ein früherer Zug unter Conrad
von Mainz bereits direct ins Morgenland abgegangen war.4) Hroz-
nata wählte den südlichen Zug, um zuvor noch in Rom die Gnade
') Des Klosters Chpteschau wird damals nicht erwähnt; also bestand es auch
noch nicht.
2) Erben reg. S. 194.
3) Vorher hatte Hroznata — muthmasslich derselbe —bereits Bedeutendes für
die Collegiatstifte Leitmeritz und Melnik und für den Orden der Johanniter
gethan. Vgl. die betreffenden §§.
4J Vgl. Damberger IX. 345 etc.
33*7
des li. Stuhles für seine fromme Stiftung zu erbitten. Hier er-
langte er in der Tliat am 7. August 1197, dass Coelestin III. das
Kloster Tepl bestätigte und in päpstlichen Schutz aufnahm, dem
Abte die Pontificalien verlieh und den Besuchern der Klosterkirche
einen Ablass gewährte. ') Die apulische Expedition scheiterte grossen-
theils an dem plötzlichen Tode des Kaisers Heinrichs VI. in Mes-
sina am 28. September 1197. Was noch nicht eingeschifft war,
zog, arge Kämpfe in Deutschland befürchtend, wieder in die Hei-
in ath zurück. Unter den letzteren war nun nothgedrungen auch
Hroznata, Doch ging er zunächst wieder nach Rom, um dort zu
den Füssen des h. Vaters das vereitelte Gelübde der Kreuzfahrt
mit dem Gelübde des Eintritts in den Prämonstratenserorden zu
vertauschen.-) Nach seiner Heimkehr gab es namentlich in Be-
ziehung auf das mittlerweile auf seinen Gütern entstandene Kloster
Choteschau Manches zu schlichten und zu ordnen. Dann nahm er
für immer das Kleid des h. Norbert. Er lebte in Tepl anfangs
als untergeordneter Bruder, bald aber als Propst des Hauses, dem
es oblag, die Piechtsgeschäfte des Convents zu leiten, die Güter
zu beaufsichtigen und die Oekonomie des Hauses zu besorgen.3)
In dieser Eigenschaft erwirkte er persönlich am königlichen Hofe
im J. 1213 die Bestätigung der Besitzungen und Privilegien der
Klöster Tepl und Choteschau, die Befreiung von den Zupengerichten
und Landescollecten und den ungestörten Besitz der (wahrschein-
lich von Hroznata auf königlichem Lehensgrunde angelegten) Stadt
Hroznetin oder Lichtenstadt.4) Auch ordnete er einen Streit des
Stiftes Tepl mit dem Prager Bischöfe bezüglich mehrerer dem
') Urkunden Erben reg. 197 und 198. »Sie fallen dem Datum nach in die
Zeit der Hinreise, nicht der Rückkehr, wie Karlik S. 23 meint.
3) Dass dies Gelübde in Rom erfolgte, erzählen alle Legenden. Unwahr-
scheinlich aber ist es, dass er desshalb noch einmal geflissentlich aus
Böhmen nach Rom reiste, zumal er schon 1201 urkundlich als Ordens-
bruder genannt wird. (Vgl. Erben reg. 205.) Das Gelübde hinderte ihn auch
nicht, daheim endgiltig seine Angelegenheiten zu ordnen.
3) Urkunden in Erben reg. 259. 266. Solche Pröpste fanden sich — neben
dem Abte — namentlich im Benedictinerorden. Die spätem Orden nahmen
meist eine gleiche Einrichtung an. Kachher hiessen diese Pröpste richtiger
Provisoren.
4) Urkunde Erben reg. 255.
22
338
Stifte durch Schenkung zugefallenen Zehente.1) In diesem Amte
sollte er auch seinen Tod finden. Auf einer Dienstreise wurde er
in der Nähe von Lichtenstadt von etlichen Feinden des Klosters
gefangen genommen und nach der Burg Kinsberg bei Eger abge-
führt, um sofort für seine Auslieferung ein ansehnliches Lösegeld
zu erpressen. Da war es Hroznata selbst, der jede Auslösung-
standhaft von sich wies, um nicht durch Befriedigung der unge-
rechten Forderungen den Bestand seiner Stiftung zu gefährden.
Er starb endlich in der Haft zu Kinsberg nach grossen Entbehrun-
gen und Leiden am 14. Juli 1217. Sein Leichnam fand nachher
in Tepl ein würdiges Grab. Das Stift sowie auch die ganze Kirche
Böhmens verehrten ihn fortan als einen Seligen Gottes.2)
2. Tepl hatte gleich von seinem Ursprünge an sehr bedeu-
tende Güter im Umkreise der jetzigen leitineritzer Diöcese. Hieher
gehörten :
a. eine Besitzung in Leitmeritz selbst, die aber nicht
näher bestimmt ist, nebst einem Zugehör in naher Nachbarschaft.
Im J. 1228 bestätigte König Pfemysl Ottokar in einer eigenen Ur-
kunde, dass er dem Stifte diese Besitzung entzogen habe, wofür
er demselben das Dorf Cramolin verleihe.'1)
b. Die Dörfer Bickowice,Klepy, Owenec (Pischkowitz,
Klappay und Sobenitz) in der Umgebung von Leitmeritz,4) nebst
den dortigen kleineren Ortschaften Nezel, Ujezdec, Perna
(Nessel, Augezd, Pirnai) und einem später erworbenen Meierhofe
in Leitmeritz selbst und mehreren Weinbergen. Diese Besitzungen
— ausser Owenec und Klepy — wurden im J. 1233 um den Preis von
400 M. Silbers der Königin Constantia zu Gunsten der Deutschherren
von Prag überlassen, für welchen Betrag und zugelegte 200 Mark
die Königin Constantia für Tepl die Dörfer Withsin, Utheri, OleSowice,
Leschen, Pochovo, Dfevohrisi, Staresedlo, Dobrawoda, Nenicice,
Hristowo, Brachomety, OstrocinundTisovo abliess, von den Deutsch-
herren aber zu Gunsten der neuen Kreuzherren mit dem rothen
») Urkunde Erben reg. 270, Karlik 54.
~) Baibin 1. c. Heber Böhmens Burgen III. 48. Crugerius, sac. pulv. ad 14.
Juli. Karlik, Köpl 1. c.
3) Erben reg. 338.
4) Urkunde Erben reg. 194 und 284.
339
Steine das Beterspital in Prag nebst Hlaupetin und Zugehör ent-
gegen nahm.1) Von den genannten Ortschaften erscheint Bicko-
wice fortan als Pfarrdorf und Conimende des deutschen Ordens.
Klepy befand sich ebenfalls nach dem 13. Jahrhunderte nicht mehr
im Besitze von Tepl. Im Jahre 1336 vergab es König Johann,
der es nebst Libochowice, Radowesice, Lhota und Popice von der
Familie Slewen (Sliwno) erkauft hatte, an die Herren Zajic von
Waldek,3) seit welcher Zeit die Burg zu Klepy den Namen der
Hasenburg erhielt. Klepy hatte damals schon eine sehr alte Pfarr-
kirche, da selbe im Jahre 1384 die ungewöhnliche Summe von 21
böhmischen Groschen als halbjährigen Kirchenzehent entrichtete.3)
Fortan waren die Herren von Hasenburg die grössten Wohlthäter
dieser Kirche.4) — Auch Owenec oder Sobenice erscheint im
J. 1384 als Pfarrdorf mit einer Zehentleistung von 9 böhm. Gr.5)
Dieser Ort war im J. 1284 durch einen Gütertausch in den Besitz
des Königs Wenzel gelangt, jedoch mit Ausnahme eines Maierhofs,
der dem Kloster Tepl verblieben war, bis auch diesen König Sig-
mund im Jahre 1437 an Heinrich von Waldstein verpfändete.6) Zu
Ende des 14. Jahrhunderts gehörte Sobenic selbst den Herren
Mespor von Sobönic und nach diesen den Herren von Techlowic
und Konojed.7)
c. Auch ein Ort Jeswy im leitzmeritzer Bezirke wird als
Besitz Tepls genannt. Es kann das nur das jetzige Neustadt bei
Leipa sein, das aber später urkundlich als Collatur des Cisterzien-
serstiftes Münchengrätz erscheint.8) Die Art des Besitzwechsels
ist nicht zu ermitteln. — Bei Petersburg im saazer Kreise erhielt
das Kloster die Burgen und Orte Psowlky (Pschoblik) und Soseh
(Sossen). Endlich wird noch ohne nähere Bestimmung ein Hof
') Urkunde cid. 6. Feb. 1233 bei Erben reg. 376.
2) Weidner M. S.: Tria memorabilia. dto. Kaufurkunde von Klepy in Rohns M.
S. Antiquitates eccl. —
3) Regist. decimarum. Lib. Contirm. ad 1365 etc.
4) Paprocky de statu dominorum p. 74 und 75.
5j Regist. decim.
f3j Köpl, Stift Choteschau, 9, 13.
7) Lib. Connrm. ad 1363, 1385, 1416, 1418.
H) Siehe den betreffenden §.
22*
340
Neuberg nebst Zubehör an der Elbe als Schenkung Hroznatas ge-
nannt.1) Mutmasslich lag diese Besitzung in der Nähe von Mel-
nik, wo das Kloster noch jetzt einen ausgebreiteten Weinberg
besitzt.
3. Die anderweitigen Besitzungen Tepls lagen meist im Um-
kreise des Stiftes. Am wichtigsten war hier das sandauer Gebiet
bis Plan und an den Gränzwald, als Geschenk vom Bischof Hein-
rich Bfetislaw. Hier entstanden alsbald durch zahlreiche Exposi-
tionen eine Menge deutscher Gränzorte.2) Ausserdem werden ge-
nannt — im tepler Bezirke: der Hof des Adold, Babice (Powitz),
Beranowo (Borau) , Benin (Bern) , Bezwerow ( Weserau) , Cihana,
Dökowic (Schaf hof), Holowin, Hostee (Hursk), Chutnow, Jankowice
(Enkengrün), Kladruby habrowe, Kladruby (Kladales), Kramolin
(Kramling) , Kriwce (Krips), Martinow, Milhostinow (Milestau),
Mnichow (Einsiedl), Mrasowo (Prosau), Nezdice (Nesnitz), Pekowice
(Pocken), Popowice (Pfaffengrün), Piajow (Rojau), Rankowice, Sta-
nowice, Tepl, Trepkowice (Schrikowitz), Uswice (Auschowitz), Wi§-
kowice, Wysocany, Zahrada, Zadub (Hohendorf), Zäwisin (Habaschin),
Zluzetin (Lusading). Im Umkreise von Krukanice : Budec (Wutsch),
Cernewice (Scherlowitz) , Hwozdan (Woschana), Krukanice, Luky
(Lischka), Bernarce, Pitel (Pichel), Roznewice (Roslowitz), Stipoklasy
(Stipokl), Ujezd, Uncici (Hundschütz). Auch gehörte hieher Lich-
tenstadt mit den anstossenden Waldstrecken , in welchen sofort
durch Expositionen ebenfalls deutsche Orte in Menge entstanden;
so namentlich Dittrichsgrün , Tiefenbach, Rinolsgrün, Wernharts-
grün, Voitsgrün, Ullrichsgrün, Merklinsgrün, Kammersgrün, Oders-
grün, Heinrichsgrün, Dippoldsgrün , Ruprechtsgrün , Spitersgrün,
Vitikesgrün. Endlich in unbekannter Gegend die Orte Tirnow,
Gradsko, Rochow, Unil (v. König Wenzel), Luschemposk, Neschow,
Nesjekow, BraniSow.3)
§. 85. Das Praemonstratenserinnenkloster Choteschau.
1. Graf Hroznata hatte bei seinem Abgange nach Apulien
') Erben reg. 284.
3) Dieses Gebiet kam 1242 vom Kloster weg, jedoch mit Vorbehalt bedeu-
tender Zinsungen.
3) Vgl. Urkunden Erben reg. 194, 195, 197, 214, 255, 259, 284, 338, 369,
376, 392, 426. Palacky Archiv I. 529, II. 189. Karlik S. 34-36.
341
zwei Schwestern zurückgelassen, die noch unverehelichte Judith
und die in Polen verheirathete Woyslawa. l) Der letzteren hatte
er Choteschau sammt allem Zubehör auf Lebenszeit testirt, falls
sie als Witwe in die Heimath zurückkehre und keine zweite Ehe
eingehe. Die erstere sollte von den Einkünften des tepler Klosters
bis zu ihrem Tode erhalten werden.2) Glaublich war wohl der
Gemahl der Woyslawa während Hroznatas Pilgerzuge gestorben.3)
Da mag sie nun ihren Witwensitz Choteschau unter der Aegide
von Tepl zu einem Klösterlein umgestaltet und auch ihre zweite
Schwester Judith nebst anderen frommen Frauen da aufgenommen
haben;4) Thatsache ist, dass eine eigentliche Errichtung des
Klosters Choteschau nirgends nachgewiesen ist.5) Sie war aber
schon geschehen, als Hroznata in die Heimath zurückkehrte. Da
war es nun seine Aufgabe, durch einige Abänderungen seines ersten
Testamentes den Fortbestand der frommen Frauencolonie zu sichern
und so der eigentliche Stifter derselben zu werden.
Die geistliche Leitung des neuen Ordenshauses führte aller-
zeit das Stift Tepl und zwar durch einen Propst, der dahin nebst
einigen anderen Priestern exponirt war.6) In Bezug der ersten
wirklichen Ordensschwestern wurde Choteschau eine Colonie von
Doxam7)
l) So die Urkd. Erben reg. 194. Köpl, (Stift Choteschau) liess sich durch die
verschiedene Schreibweise verleiten, 4 solche Schwestern anzunehmen, nebst
obigen noch Ida nnd Wiceslawa. Hätte Hroznata mehr Schwestern gehabt,
so hätte er sie gewiss im Testamente erwähnt.
a) Dieselbe Urkunde.
3) Nach Karlik ist er Zupan zu Krakau gewesen.
4) Köpl erzählt die Aufnahme aller von ihm angenommenen 4 Schwestern.
5) Die Meinung, Hroznata selbst habe es errichtet, ist jedenfalls irrig. Er
errichtete es nicht vor seiner Abreise, diess beweist sein Testament; er
errichtete es aber auch nicht nach seiner Heimkehr, weil ihn diess seinem
ersten Testamente untreu gemacht hätte. Dagegen konnte und musste er
sich einer bereits fertigen Thatsache fügen. Uebrigens steht der Fall, dass
Frauenklöster unter der Obhut eines Männerklosters ohne eigentliche Er-
richtung entstehen, gar nicht vereinzelt da; er war fast die Kegel.
G) Baibin meint, Hroznata selbst sei der erste Propst gewesen, — irrig, wie
bereits bei Tepl nachgewiesen wird.
7) Köpl, Stift Choteschau.
342
2. Chotöschau erhielt schon vom seligen Hroznata einige Be-
sitzungen in der Gegend von Leitmeritz, die nachmals sich noch
beträchtlich vermehrten.
a. Hier wird zunächst wieder das Dorf Owenec erwähnt,
dessen wir bereits bei Tepl gedachten; wahrscheinlich gehörte es
längere Zeit beiden Klöstern gemeinsam. Dazu schenkte nachmals
im Jahre 1271 König Pfemysl Ottokar IL das Dorf Hru§owany
(jetzt Expositur von Gastorf) — damals schon mit Einschluss der
Collatur über die dortige Kapelle des h. Gotthart, ') die sonach
eines der ältesten Gotteshäuser der Gegend war ; ausserdem noch
die Dörfer Prachowa mit einer Kirche des h. Nicolaus, Trnowa,
Wrutice, Zwafenice und Lutochowice (Prachowa, Terno-
wey, Webrutz, Schwarzenitz , säinmtlich zur Domaine Enzowan ge-
hörig, und vielleicht Lukowitz). Von diesen blieb Hrusowany
der Sitz des geistlichen Administrators der umliegenden Besitzun-
gen, sowie eines Pfarrers, der aus dem tepler Kloster dahin ge-
geben ward;2) auch bestand daselbst ein Herrschaftshaus, in wel-
chem zu Zeiten die Aebtissin von Choteschau mit einigen geist-
lichen Schwestern Einkehr nahm.3) So entstand nachmals die
irrige Tradition , dass zu Hruschowan in alter Zeit ein Frauen-
kloster bestanden habe, das die Husiten zerstört hätten. Im J.
1384 entrichtete die Pfarrkirche zu Hruschowan, als eine der
ältesten im weiten Umkreise, einen Halbjahrszehent von 24 bölim-
Groschen.4) Auch Prachowa — jetzt nur noch eine mit Wein-
reben und Obstbäumen bepflanzte Anhöhe mit einer Kapelle des
h. Wenzel, !/4 Stunde von Hruschowan5) — war urkundlich, wie
auch jetzt noch die Sage erzählt, ein Pfarrort und blieb als solcher
ebenso wie Hruschowan bis zur Husitenzeit unter der Collatur von
') Köpl S. 11. Bestätigungsurkunde Gregors X. dd. 23. Mai 1272 in Palacky
Archiv IV. 34.
8) Als solcher wird 1312 ein P. Jacob genannt. Köpl S. 14.
3) Vgl. Kl. S. Georg und das Dorf Chorusice. Im J. 1543 machte die kön.
Kammer die weite Entfernung als angebliche Gelegenheit eines die Sitten
der Klosterfrauen gefährdenden Ausflugs und als Ursache häuslichen Un-
friedens geltend und zwang desshalb das Kloster Choteschau zum Verkaufe
des Gutes Enzowan und Hruschowan. (Köpl 3. 38.)
4) Regist. decim.
5) Die Ortschaft wurde in der Husitenzeit zerstört.
343
Choteschau. ') Im J. 1384 zahlte Prachowa nur 6 böhm. Groschen
zum allgemeinen halbjährigen Kirchenzehent.
b. Später kaufte das Kloster Choteschau noch einige weitere
Ortschaften in derselben Gegend, und zwar vor Allen im J. 1335
Encowany, angeblich soviel als Vinicowany d. i. Weinanpflan-
zung, hinfür die Schutzburg der umliegenden Güter, woselbst das
Kloster einen wehrhaften Lehensmann unterhielt. Im J. 1337 kam
dazu, ebenfalls durch Kauf, das nahe Dorf Kothol ice (Kautlitz).8)
Im Jahre 1437 werden noch als Besitzungen von Choteschau einige
andere vielleicht seither neuangelegte oder zugekaufte Orte genannt
und zwar Sedlec (Selz), Lhota (Welhota), Hlupice (Luppitz)
und Hribojedy (?). Diesse letztern wurden damals nebst dem Hofe
in Sobenic und vielen anderweitigen geistlichen Besitzungen der
Gegend (des Capitels Leitmeritz, des deutschen Ordens und des
Kl. S. Georg) von Kaiser Sigismund um 500 Schock b. Gr. an
Heinrich von Waldstein verpfändet.3) —
3. Als anderweitige Besitzungen des Klosters Choteschau
werden in jener Zeit genannt : Mantow, Wsuse mit der Waldstrecke
RozkoSin, Pretino, Swichow, Jucharec, Holysowo, Hridowice, Stod
(Staab), Lysowo, Witowo, Zaluzy, Kotowici, Disina, Hrast, Sedlece bei
Choteschau, Tynec (Teinitzl), Aujezdec (Steinaujezdec), Lyen, halb
Oypernitz, Geznowe, Nyfany, Hofekowice, Turnow, Cernotin, Wra-
bina, ein Theil von Kosetic, Lelow, Streue, Lazan, PfeySow, Bra-
welnö, Welkanowo, Zamilic, Lesina, Sekifana, Rothaujezd, Zboch,
Luho, Mlinec, Wsahlaw, Lubakowice, Wodokrt, Dudlebec, Malic,
Dolan, Popowic, Aucowa, Stankow, Dobran, Podole, Tuskow, Wa-
tow, Marktgeldantheile von Pilsen, Mies und Taus.4)
§. 86. Die meissnischen Bischöfe des 11. und 12. Jahrhunderts.
Wir können diesen Abschnitt nicht schliessen, ohne noch der
nächstbenachbarten Kirchenfürsten zu Meissen zu gedenken, deren
l) Letzte Präsentation für Hruschowan 1408 durch Propst Sulek (Lib. Con-
firm. ad h. a.) Letzte Präsentation für Prachowa 1398 (ebend.).
*) Köpl S. 16.
3) Palacky Archiv I. 505.
4) Vgl. Köpl 4 etc. Erben reg. 251, 410, 419, 435, 505, 564, 584; Palacky
Archiv II. 469, 199, 451.
344
Sprengel — wie bereits erwähnt wurde — auch den nördlichsten
Theil unseres Vaterlandes umfasste.
1. Hier haben wir zuletzt den h. Benno genannt als den
hochverdienten Mann, der die letzte Hand an die Bekehrung seiner
äussersten Gränzgaue legte. Wir müssen seiner an dieser Stelle
noch einmal als treuen Anhängers Gregors VII. im traurigen In-
vestiturkampfe gedenken.
Benno durfte sich in früheren Jahren der Gunst Heinrichs IV.
rühmen: Beweis derselben waren einige bedeutende Schenkungen
dieses Kaisers an die meissner Kirche.1) Als aber angeblich der
h. Bischof und seine Verwandten unterlassen hatten, dem Kaiser
Hilfe gegen die Sachsen zu leisten (1075),3) wurde er nebst einigen
andern Bischöfen des nördlichen Deutschlands gefangen gesetzt.
Zwar erhielt er schon im folgenden Jahre seine Freiheit wieder;
aber nun suchten die kaiserlichen Vögte eine Ehre darin, den hei-
ligen Mann in jeder Weise zu kränken. Diess ward nicht besser, als
der Kaiser nach des Markgrafen Dedo Tode3) die Marken Meissen
und Lausitz seinem treuen Freunde Wratislaw von Böhmen schenkte
(1076), der aber das neue Land erst erobern musste. Schon
die gewaltsame Besitznahme des Landes musste dem fried-
liebenden Bischöfe Verlegenheiten bereiten. Als aber auch noch
der unglückselige Streit Heinrich's und Wratislaw's mit Gre-
gor VII. entbrannte, und zuletzt beide Fürsten in die Excommuni-
cation verfielen, musste Benno als treuer Anhänger des Papstes
sein Heil ausser Landes suchen. Er eilte nach Rom. Indess setzte
man an seine Stelle in Meissen schismatische Bischöfe ein, erst
einen gewissen Theodorich, der aber bald mit Tode abging, und
nach diesem einen gewissen Felix. Erst im J. 1088 gelang es
Benno, den König Wratislaw für den rechtmässigen Papst wieder-
zugewinnen, worauf er selbst in sein Bistimm zurückkehren konnte.
') Diese Schenkungen (Borelitz und Rothiboresdorf) fallen in die Jahre 1071
und 1074. (Calles series episc. Misn. p. 79 etc.)
8) Nach Lambertus p. 225 hielt Benno überhaupt keire bewaffnete Mann-
schaft. Vgl. Ritter, meissn. Gesch. 191.
*) Nach Ritters meissn. Gesch. p. 183 und ff. war Dedo nur Verweser der
meissnischen Mark für den jungen Egbert. Dedo's eigene Mark sei die
Ostmark (Lausitz) gewesen.
345
Hier widmete er die letzten Jahre seines Lebens der Vollendung
des grossen Bekehrungwerkes im Norden und Osten seiner Diöcese. ')
Er starb am 16. Juni 1106 im 90. Jahre seines Alters nach vierzig-
jähriger Verwaltung des bischöflichen Amtes im allgemeinen Rufe
der Heiligkeit.2) Schon sein Wirken im apostolischen Predigtamte
hatte Gott durch Wunder verherrlicht:3) noch mehr geschah diess
mit ihm im Grabe. In Folge dessen ward sein heiliger Leib im
Jahre 1270 feierlich erhoben und in der Mitte des Meissner Doms
in einer Tumba beigesetzt. Im Jahre 1523 erfolgte endlich seine
Heiligsprechung durch Papst Hadrian VI. und zwar auf die ge-
meinschaftlichen Bitten Carls V., Ferdinands L, Georgs von Sachsen
und der Bischöfe des deutschen Reichs.4)
Aus der Zeit des h. Benno rührt eine bedeutende Klosterstif-
tung an den Gränzen des meissner Bisthums her, die sowohl durch
ihren Gründer als durch die verwendeten Mittel einiges Interesse
auch für Böhmen hat. Es ist das Benedictinerstift Pegau, im J.
1092 von Wiprecht Groitsch mit Hilfe seines königlichen Schwie-
gervaters Wratislaw von Böhmen erbaut.5) Derselbe Wiprecht grün-
dete auch im J. 1105 das Kloster Luczke in der Diöcese Merse-
burg, und im J. 1110 das Kloster Reinerdorf an der Unstrutt als
Colonie von Pegau. Endlich nahm er in Pegau selbst das Ordens-
kleid und starb daselbst am 22. April 1124/)
2. Bennos Nachfolg er war Hartwig (Herwig), welcher am 30.
Mai 1108 zu Merseburg die Investitur von Kaiser Heinrich V. er-
langte.7) Er verewigte seinen Namen durch die Gründung eines
Collegiatstifts in der seinem bischöflichen Stuhle gehörigen Stadt
') Dessen ward bereits §. 21. Nr. 3 ausführlich gedacht. Vgl. Damberger
VII. 520.
a) Calles series episc. Misn. 87 etc. Palacky I. 321. Ritter meissn. Gesch. 216.
3) Solche leben heute noch im Munde des Volkes um Meissen fort. So er-
zählen sich die protestantischen Bewohner daselbst, die Frösche eines
Teiches gegenüber von Meissen seien bis heute noch stumm , da ihnen
S. Benno einst bei einer dort abgehaltenen Predigt das Schreien verbot*
4) Vita S. Bennonis bei Menken II.
5j Fund, coenobii Bigaug. Script. Lusat. ed. Hoffmann IV. 121. Vita Vi-
perti Groic. I. 17. ed. Hofmann.
G) Fund. coen. Bigaug 121, 122, 124.
7) Damberger synchr. G. VII. 569.
346
Würzen,1) welche fortan eine gewöhnliche Residenz seiner Nach-
folger wurde, die zu Meissen ziemlich ungern sowohl die Mark-
ais die Burggrafen als Rivalen ihres Ansehens neben sich sahen.
In seiner Zeit veranstalteten die norddeutschen Bischöfe einen
Kreuzzug gegen die heidnischen Nordslaven, welche bei ihren oft
wiederholten feindlichen Einfällen die Christen mordeten und die
Kirchen zerstörten : der diessfällige Aufruf an die Christenheit
trägt auch Hartwigs Namen an der Spitze.2) Er starb am 27. Juni
1118.3)
3. Als Nachfolger wurde Grambert gewählt und vom Magde-
burger Metropoliten geweiht im J. 1 1 1 9. Er erlebte die Beendigung des
langwierigen Investiturstreites im J. 1122. Auch gründete Kaiser
Lothar im J. 1125 das Benedictinerkloster S. Johann in Chem-
nitz, von welchem nachmals die Filiale Neukersdorf in der Mer-
seburger Diöcese ausging.4) Zu gleicher Zeit entstand auch das Kloster
Lauterberg (inons serenus) bei Halle durch die Frömmigkeit des
Grafen Dedo, des Schwiegersohns Wiprechts von Groitsch.5) Bischof
Grambert starb bereits am 31. Mai 1129.6)
4. Der neue Bischof Gottbold war ein inniger Freund des
heiligen Erzbischofs Norbert zu Magdeburg und somit wohl auch
selbst dem heiligen Freunde nicht unähnlich. Er benützte die neue
Zeit des Friedens, um Hand an die Reformation seines Clerus zu
legen. Zu diesem Zwecke hielt er eine „Generalsynode" zu Meissen
im J. 1129. Doch soll damals der Erfolg ein geringer gewesen sein.
Zu seiner Zeit gründete Heinrich, der Sohn Wiprechts v. Groitsch,
das Kloster Bürgein bei Naumberg.7) Auch verlegte damals Bi-
schof Udo von Naumburg das vom Pleissner Burggrafen Bruno
1132 gestiftete Cisterzienser-Kloster Schmollen im Altenburgischen
') Calles p. 111.
a) Ebendaselbst 10Ü— 110.
3) Ebendaselbst 112.
4) Monach. Pirnens. bei Menken II. 1572. Mantissa hist. com. Leisnic, Men-
ken II. 1108.
5) Ritter meissn. Gesch. 238.
6) Calles 116, 117.
7) Calles 118 etc.
347
wegen häufiger Beunruhigungen durch die benachbarten Slawen
nach Pforta. ') Gottbold starb am 31. August 1140.2)
5. In der bischöfl. Würde zu Meissen folgten nun schnell nach-
einander Rein wart, Propst zu Meissen (f 24. Juli 1146), Berthold
(f 10. Juli 1149) und Albert (fll51).3) Von Reinwart ist nur be-
kannt, dass er mit dem Markgrafen Conrad «in Streit wegen eini-
ger bischöflicher Güter bei Budisin gerieth, die dieser an sich ge-
zogen hatte. Diesen Streit schlichtete Kaiser Conrad im J. 1144
durch einen Vergleich zu Merseburg.4) Von Berthold wissen wir
nur den Todestag. Albert starb als Gesandter des Kaisers auf einer
Reise nach Griechenland.5)
6. Allmälig wird es immer lichter in der Geschiche der Bi-
schöfe Meissens. Der 18. derselben und Nachfolger Alberts war
Gerung, ehedem Abt des Benedictinerklosters Bosau. Bekanntals
überaus fromm und verehrungswerth , bestieg er im J. 1154 dem
Wunsche des gesanimten Clerus gemäss den bischöflichen Stuhl.6) Auf
sein und des magdeburger Erzbischofs Wigmanns Anrathen vollen-
dete 1055 der meissnische Markgraf Conrad das Kloster Lauter-
berg bei Halle,7) wo er im nächsten Jahre selbst das Ordens-
kleid nahm und schon nach 2 Monaten daselbst starb.8) Ebenso er-
baute 1162 Conrads Sohn Otto der Reiche das Cisterzienserkloster
Altenzelle und führte daselbst eine Colonie des Klosters Pforta
bei Naumburg ein. Auf dem Grunde des Klosters Altenzelle erhob
sich schon nach 6 Jahren an der Stelle des bisherigen Dorfes
Christiansdorf die neue Bergstadt Freiberg, welche das Kloster so-
fort wieder gegen das Städtchen Rosswein an seinen Stifter Otto
vertauschte.9)
»j Ritter 248, 394 etc.
8) Calles 119. Mantissa bist, com. Leisn. Vita Viperti. (Menken I. u. III.)
3) Calles 121 — 126.
4) Ritter 250.
5) Calles 124—126.
6) Cum votivo totius cleri assensu. Chron. Citicense. — Ritter, meissn. G.
p. 213.
7) „Mons serenus" Lauterberg, später Petersberg, war ein Prämonstratenser-
stift; daneben bestand ein Stift der Benedictinerinnen S. Johannis bapt.,
das 1218 nach Gerbstadt übertragen wurde. (Monacli. Pirn. 1591.)
8) Fabric. cit. Calles 129.
°) Annales Veterocell. ed. Menken. Ritter 386 etc.
348
Es wurde schon erwähnt, dass dieses Stift bedeutende Be-
sitzungen in der Nähe von Leitmeritz besass. ')
Derselbe Otto stiftete auch die Propstei Kloster -Au bei
Leissnig als Colonie des Klosters S. Mauritz bei Naumburg.2)
Bischof Gerung erwarb vom böhmischen Könige Wladislaw neuer-
dings die Besitzung Prisnitz (bei Dresden) und erbaute die bi-
schöfliche Burg Mügeln. So lange er lebte, zeigte er sich als vor-
züglichen Wohlthäter des Stiftes Lauterberg: dafür fand er dort
nach seinem Tode (20. November 1170) sein Grab.3)
7. Ihm folgte ein Regularcanoniker von Lauterberg, Martin, auf
dem bischöfl. Stuhle nach, ein Mann des Friedens, von dem aus-
drücklich gerühmt wird, dass er mit den Fürsten und seiner
Priesterschaft stets in Eintracht lebte.4) Unter ihm erbaute Mark-
graf Dietrich das Kloster S. Thomas in Leipzig für Regularca-
noniker (1161), ebenso das Kloster und die Stadt Schiida (bei
Eulenburg), und (1184) noch als Mutterhaus für die Missionen un-
ter den Wenden das Cisterzienserkloster Dobrilug in der Lausitz,
letzteres aber gemeinschaftlich mit seinem Bruder, dem Markgrafen
Otto.5) Zur selben Zeit entstand auch das Cisterzienser-Kloster
Bucha im Osterland durch den Burggrafen Heinrich v. Leisnig0)
und das Frauenkloster Brene bei Halle durch die Grafen Otto
und Friedrich von Brene (1181).7) Damals führte auch Graf Dedo
von Rochlitz die Regularcanoniker in sein (1184) neuerbautes Klo-
sterTschille ein.8) Bischof Martin selbst zeigte sich wieder als be-
') Vgl. §. 69.
3) Annal. Veterocell. 388 (ed. Menken). — Monach. Pirn. 1457 ebend.
3) Calles 129, 133, 134.
4) Calles 137.
5) Monach. Pirn. ed. Menken p. 1461. Hist. com. Leisnic. ed. Menken III.
1028. — Calles 144 u. 145. Dieses Kloster war in der Niederlausitz reich
begütert. 1431 wurde es von den Husiten zerstört, sein Besitz 1540 von
Ferdinand I. säcularisirt. (Grossem III. 37.)
G) Vallis S. Aegidii oder Ilgenthal, Kolonie von Sittichenbach im Mansfeld-
schen. Thammii chron. Coldic. 678.
7) Annal. Veterocell. p. 399.
8) Annal. Veterocell. p. 396. Es war eine Colonie von Lauterberg. Später er-
hielt es den Namen Wechselburg. (Petri Albini geneal. Leisnic. ed. Men-
ken ni. 923.)
349
sondern Wohlthäter des Klosters Gottes gnad (Gratia Dei) bei
Magdeburg.1) Im Jahre 1179 befand er sich in Rom bei der da-
maligen ökumenischen Synode im Lateran.3) Im Jahre 1188 nahm
er mit Kaiser Friedrich Barbarossa das Kreuz und fand auf dem
Zuge gleich dem Kaiser den Tod (1190).3)
8. Nach ihm wurde der bisherige Propst von Meissen zum
Bischöfe gewählt als Theodorich 11.(1191). Er wird als ein vor-
züglicher Beförderer des Klosters S. Afra in Meissen gerühmt, wo
er eine Erziehungsanstalt für 12 Knaben einrichtete — die ersten
Anfänge der künftigen Fürstenschule. Auf seine Anordnung ward
das Fest des h. Augustinus in der meissner Diöcese alljährlich
feierlich begangen.4) Er starb am 30. August 1207.5) —
§. 87. Fortsetzung. Bischof Bruno II. und das neue Collegiatstift
zu Budisin.
1. Nach Theodorich IL Tode konnte sich das Meissner Ca-
pitel ein ganzes Jahr lang über die Person des Nachfolgers nicht
einigen. Endlich wählte man den bisherigen Propst zu Meissen un-
ter dem Namen Bruno IL Er soll ein Graf von Baruth und
reich begütert gewesen sein.6) Nächst dem heil. Benno wurde
Bruno IL für unser böhm. Niederland der unvergesslichste Ober-
hirt. Obgleich er im J. 1209 den bischöflichen Stuhl bestieg und
erst 1229 aus dem Leben schied: so schliesst doch erst sein Wir-
ken das Aufsteigen unseres Vaterlandes in die goldene Zeit voll-
ständig ab.
Er stiftete nämlich 1213 aus seinen eigenen Mitteln das Colle-
giatstift B u d i s i n , das schon von da ab unmittelbaren Einfluss auf
die kirchlichen Verhältnisse des böhmischen Niederlandes nahm,
insbesondere aber im Reformations - Zeitalter die Stütze des
katholischen Glaubens in der Lausitz und im nördlichen Böhmen
') Urkunde Calles 144.
2) Calles 141.
3) Fabric. u. Monach. Erford. bei Calles 145.
4) Monach. Cellens. u. Fabric.
5) Calles 150.
6j Leuber, Beschreibung des Schlosses Ortenburg. S. 82.
350
wurde und bis heute selbst das Bisthum Meissen überlebte.
Seit 807 stand bereits die Stadt Budisin, fortan der Hauptort
eines eigenen Gaues, der frühzeitig an Böhmen gedieh. ]) Dort stand
nun seit alten Zeiten schon die alte S. Peterskirche als Haupt-
kirche der Umgegend, noch berühmter in letzter Zeit durch den
Arm des h. Petrus, den der böhmische König Pfemysl vom Papste
als Geschenk erhalten und hieher verehrt hatte.
Bruno stiftete bei dieser Kirche einen Propst, als welcher
immer ein Canonicus von Meissen fungiren sollte, einen Domde-
chant3) und anfänglich 5, später aber 12 Canoniker. Der Propst
sollte zugleich das Archidiakonat über die gesainmtc nachmalige
Oberlausitz verwalten, und in dieser Würde im Namen des Bi-
schofs die Geistlichen seines Sprengeis confirmiren und kirchliche
Streitigkeiten entscheiden.3) Bischof Bruno liess auch die mit weiten
Kirchhofmauern umgebene alte Peterskirche abbrechen und im J.
1215 den jetzigen grossen Petersdom erbauen.
Von da ab unterstanden dem Dompropste zunächst einige
Pfarreien der Umgegend unmittelbar,4) im Uebrigen aber die De-
canate Budisin, Bischofswerda, Kamentz, Löbau, Görlitz, Sorau,
Stolpen, Lauban, Reichenbach, Seidenberg und Hohenstein-Sebnitz.
Das Decanat Budisin unterstand wieder unmittelbar dem Domde-
chant in Budisin: hieher gehörten die nachmals böhmischen Pfarr-
orte Hainspach, Zeidler und Schirgiswalde.5)
Das Dekanat Hohenstein-Sebnitz erstreckte sich ebenso über
die nachmals böhmischen Orte Schluckenau, Nixdorf (Nikelsdorf),
') Vgl. §.ll.
8)Als solche werden genannt: 1221 Hermann, 1226 Hugo, 1281 Gottfried,
1314 Theodorich, 1317 Friedrich, 1343 Heinrich, 1348 Nikolaus, 1375 Ru-
dolf, 1399 Johann, 1400 Johann v. Kittlitz, 1402 Otto, 1410 Heinrich von
Freiberg, 1426 Ernst, 1434 Fra